Landgericht Hannover
Urt. v. 16.07.2004, Az.: 13 O 71/04
Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Kaufvertrag; Notwendigkeit der Zustimmung einer Mitgesellschafterin für die Wirksamkeit des Vertrages; Rechtsmissbräuchlichkeit eines Verhaltens; Veräußerung von Geschäftsanteilen einer GmbH an einen Vorkaufsberechtigten Mitgesellschafter
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 16.07.2004
- Aktenzeichen
- 13 O 71/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 33582
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2004:0716.13O71.04.0A
Rechtsgrundlage
- § 15 Abs. 3 GmbHG
Fundstellen
- DStZ 2005, 172 (Kurzinformation)
- GmbHR 2005, 103-104 (Volltext mit red. LS)
Die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2004
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 125.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger und die Beklagten sind Gesellschafter ...
Der Kläger ist auch Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Das Stammkapital beträgt 500.000,- EUR. Die Anteile werden wie folgt gehalten: Kläger 200.000,- EUR, beide Beklagte je 125.000,- EUR und ... 50.000,- EUR.
Im Gesellschaftsvertrag vom 23.12.1991 haben die Parteien in § 6 folgende Regelung zur Veräußerung und Belastung von Geschäftsanteilen getroffen:
"(1)
Zur Veräußerung und Belastung eines Geschäftsanteiles oder eines Teiles eines Geschäftsanteiles ist die schriftliche, durch die Geschäftsführung zu erklärende Zustimmung der Gesellschaft erforderlich....
(3)
Am Geschäftsanteil eines jeden Gesellschafters steht den übrigen Gesellschaftern einzeln ein Vorkaufsrecht zu, und zwar im Verhältnis ihrer Beteiligung. Macht ein Gesellschafter davon nicht innerhalb eines Monats nach Mitteilung des Verkaufsfalles durch schriftliche Erklärung Gebrauch, geht das Recht anteilig auf die verbleibenden Gesellschafter und letztlich auf die Gesellschaft über. Etwaige unteilbare Spitzen betrage stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung zu. Der Erwerb durch einen Vorkaufsberechtigten bedarf nicht der Zustimmung nach Abs. 1."
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag (UR Nr. ... des Notars ...) vom 23.10.2003 haben die Beklagten ihre Geschäftsanteile an den Kläger veräußert. Den anteiligen Kaufpreis von 125.000,- EUR sollte der Kläger in monatlichen Raten à 10.000,- EUR und einer Schlussrate à 5.000,- EUR zahlen. Wegen dieser Zahlungsverpflichtung unterwarf sich der Kläger gegenüber den Beklagten der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.
Ferner traten die Beklagten ihre Geschäftsanteile mit gesonderter notarieller Urkunde (UR Nr. ... des Notars ...) vom 23.10.2003 an den Kläger ab, der die Abtretung annahm.
Mit weiterer Urkunde vom 23.10.2003 (UR Nr. ... des Notars ...) wurde eine außerordentliche Gesellschafterversammlung abgehalten, in der die Gesellschafterversammlung der Veräußerung der Geschäftsanteile der Beklagten an den Kläger zustimmte und bei der die Gesellschafterin ... durch eine vollmachtslose Vertreterin vertreten wurde. Eine Genehmigung dieser Urkunde durch die Mitgesellschafterin ist nicht erfolgt.
Die Beklagten betreiben die Zwangsvollstreckung aus dem Kaufvertrag.
Der Kläger meint, mangels Genehmigung des Protokolls der Gesellschafterversammlung durch seine Ehefrau und Mitgesellschafterin ..., die von dieser endgültig verweigert worden sei, liege kein wirksamer Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vor, weshalb die Abtretung der Geschäftsanteile unwirksam sei. In der Vergangenheit sei immer die Zustimmung der Gesellschafterversammlung bei Anteilsübertragungen zwischen den Gesellschaftern eingeholt worden, weshalb die Beklagten nach Treu und Glauben gehindert seien, sich darauf zu berufen, dass die Zustimmung der Gesellschafterversammlung nicht erforderlich sei.
Die Beklagten untereinander hätten nicht auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet. Die Beklagten seien verpflichtet gewesen, den Vorkaufsberechtigten den beabsichtigten Vertragsschluss mitzuteilen, so dass diese in der Lage seien, ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Der Mitgesellschafterin ... sei die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht ermöglicht worden, weshalb die Abtretung wegen des Verstoßes gegen die satzungsmäßige Beschränkung unwirksam sei. Auch der Kläger habe die Geschäftsanteile nicht als Vorkaufsberechtigter gemäß § 6 der Satzung erworben, sondern freihändig. Das dingliche Rechtsgeschäft sei vollzogen, obwohl die schuldrechtliche Vereinbarung nicht erfüllt sei. Die beiden Verträge seien nichtig, weil die Abhängigkeit beider in den Urkunden nicht zum Ausdruck gebracht sei. Ein Verstoß gegen Formvorschriften sei gemäß § 125 BGB nichtig.
Der Kläger beantragt,
- 1.
die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Kaufvertrag vom 23.10.2003 des Notars ... aus ... (UR Nr. ...) für unzulässig zu erklären,
- 2.
die Beklagten zu verurteilen, die vollstreckbare 1. Ausfertigung der notariellen Urkunde des Notars ... aus ... (UR Nr. ...) vom 23.10.2003 an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie meinen, für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf den Kläger als Vorkaufsberechtigten sei ein Gesellschafterbeschluss nach § 6 Abs. 3 Satz 4 des Gesellschaftsvertrages nicht erforderlich. Der Kläger als Geschäftsführer und Erwerber der Anteile hätte die Pflicht, seine Ehefrau und Mitgesellschafterin ... über den Verkauf der Anteile zu informieren. Diese hätte auch Kenntnis von dem Verkauf gehabt. Das Vorkaufsrecht berühre nicht die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages. Zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen gemäß § 15 GmbHG bedürfe es keiner Verknüpfungsabrede hinsichtlich des schuldrechtlichen und dinglichen Geschäfts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Beklagten sind aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages vom 23.10.2003 des Notars ... aus ... (UR Nr. ...) berechtigt, die Zwangsvollstreckung zu betreiben.
Dieser Vertrag ist wirksam. Es ist unerheblich, ob die Mitgesellschafterin ... den Beschluss der Gesellschafter, der Veräußerung der Geschäftsanteile der Beklagten auf den Kläger zuzustimmen, genehmigt hat oder nicht. Denn aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 S. 4 des Gesellschaftsvertrages vom 23.12.1991 ergibt sich zweifelsfrei, dass die nach § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages schriftliche, durch die Geschäftsführung zu erklärende Zustimmung der Gesellschaft zur Veräußerung eines Geschäftsanteils nicht erforderlich ist, wenn der Geschäftsanteil durch einen Vorkaufsberechtigten erfolgt. Der Kläger ist als Mitgesellschafter Vorkaufsberechtigter im Sinne dieser Vereinbarung.
Es stell auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, dass die Beklagten sich auf § 6 Abs. 3 S. 4 des Gesellschaftsvertrages berufen, auch wenn in der Vergangenheit bei Übertragungen der Anteile auf einen Vorkaufsberechtigten die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erklärt worden ist. Parteien dürfen grundsätzlich ihre Rechtsansichten ändern. Das Verhalten einer Partei ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist und dieser im Hinblick hierauf bestimmte Dispositionen getroffen hat.
Das ist hier nicht der Fall. Allein die Tatsache, dass in zwei Fällen und auch bei der hier streitgegenständlichen Übertragung eine Gesellschafterversammlung abgehalten worden und die Zustimmung der Gesellschafter zu der Anteilsübertragung erklärt worden ist, schafft keinen Vertrauenstatbestand. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass aus Sicht des Klägers überhaupt ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. Denn der Kläger wollte die Geschäftsanteile der Beklagten erwerben, hat sie erworben und hat der Übertragung der Geschäftsanteile an sich selbst auch zugestimmt.
Für die Wirksamkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ist unerheblich, ob der Mitgesellschafterin ... der Anteil der Beklagten zum Erwerb gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages angedient worden ist oder nicht. Das Urteil des OLG Schleswig (GmbHR 1999, 35), nach dem die Beachtung von Andienpflichten bei Vorkaufsrechten Wirksamkeitsvoraussetzung für die Abtretung sein soll, ist durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 31.01.2000, Az: II ZR 209/98 - Jurisdokument) aufgehoben worden. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes soll die in der Satzung der GmbH geregelte Andienpflicht sicherstellen, dass die Mitgesellschafter des Gesellschafters, der seinen Anteil veräußern will, die Möglichkeit haben, durch den Erwerb des Anteils den Eintritt einer ihnen nicht genehmen gesellschaftsfremden Person in die Gesellschaft zu verhindern, und dass die Mitgesellschafter die Möglichkeit haben, die Anteile ihrer bisherigen Mitgesellschafter zu erwerben. Dabei können sich die Mitgesellschafter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedenfalls Dritten gegenüber auf die Unwirksamkeit der Abtretung berufen.
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Ein Recht des Klägers ist nämlich nicht verletzt. Diesem sind als Mitgesellschafter die Anteile der Beklagten zum Verkauf angedient worden und er hat sie auch gekauft. Es kann daher allenfalls ein Recht der Ehefrau des Klägers, der Mitgesellschafterin ... verletzt worden sein. Diese beanstandet den Erwerb der Anteile durch den Kläger aber offensichtlich gar nicht. Es ist auch nicht vorgetragen, dass sie die Anteile der Beklagten hätte erwerben wollen oder können, so dass der Kläger gehindert ist, sich auf die streitige Verletzung der Rechte seiner Ehefrau zu berufen.
Der Kaufvertrag ist auch nicht deshalb nichtig, weil eine Abhängigkeit zwischen dem schuldrechtlichen (Kaufvertrag) und dinglichen Geschäft (Abtretung) sich nicht aus den beiden Urkunden ergibt.
Nach § 15 Abs. 3 GmbHG bedarf die Abtretung der Form, die hier gewahrt ist. Auf die Angabe des Rechtsgrundes kommt es nicht an (Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 15 Rdnr. 21).
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 13.02.2003, Az: IX ZR 76/99) betrifft eine von den Parteien gewollte Verknüpfung. Dass die Parteien vorliegend eine Verknüpfung gewollt hätten, weil es sich um einen wesentlichen Bestandteil der vertraglichen Übereinkunft handelte, ist nicht ersichtlich. Dazu fehlt auch entsprechender Vortrag des Klägers. Die Parteien wollten die Abtretung und haben die Gegenleistung in einer anderen Urkunde geregelt. Dies ist nicht ungewöhnlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Der Schriftsatz des Klägers vom 08.07.2004 gibt keine Veranlassung zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 125.000,- EUR festgesetzt.
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO auf den Nennbetrag des vollstreckbaren Anspruchs festgesetzt. Der Klagantrag zu 2. wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.