Landgericht Hannover
Urt. v. 16.11.2004, Az.: 14 O 209/02

Zulässigkeit der Berechnung von Gebühren für Barauszahlungen eines Kreditinstituts; Barauszahlungen als Zurverfügungstellung der Darlehensvaluta; Bareinzahlungen des Kunden als Tilgungsleistungen mit Hilfe gesetzlicher Zahlungsmittel; Kosten für Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Kontokorrentkredits

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
16.11.2004
Aktenzeichen
14 O 209/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 34687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2004:1116.14O209.02.0A

Fundstellen

  • EWiR 2005, 293 (red. Leitsatz)
  • ZBB 2005, 206 (amtl. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1. Bei einem passiven Girokonto wird dem Kunden im Rahmen eines Kontokorrent-Kreditvertrags ein verzinsliches Darlehen gewährt. Barauszahlungen sind in diesem Fall als Zurverfügungstellung von Darlehensvaluta einzustufen. Bareinzahlungen des Bankkunden sind als Tilgungsleistungen mittels gesetzlicher Zahlungsmittel zu qualifizieren. 2. Ein gesondertes Entgelt für den personellen und sachlichen Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Durchführung des Kontokorrentkredites kann die Bank nach dem dispositiven Gesetzesrecht grundsätzlich nicht verlangen. 3. Es verstößt nicht gegen die §§ 307 ff. BGB, wenn ein Kreditinstitut verschiedene Girokontenmodelle zur Wahl stellt und dabei ein Konto mit höherem Grundpreis und kostenfreier Barauszahlung sowie alternativ ein Konto mit niedrigerem Grundpreis und Gebühren für Barauszahlungen an der Kasse anbietet.</listnum><absatz/>

Die 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat
auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx,
die Richterin am Landgericht xxx und
die Richterin am Landgericht xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. II.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. III.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,-EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist xxx.

2

Die Beklagte ist xxx.

3

Die Beklagte hat am 1.4.2002 in ihrem Girokonten-Modell "Giro aktiv" für Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR einen Preis von 1.50 EUR berechnet (vgl. auch Übersicht über die Girokonto-Modelle der Beklagten nach dem Stand vom 3.4.2002, Bl. I 8 d.A.). Dabei berechnete sie bei diesem Konto einen Grundpreis von 3,83 EUR. Bei dem Girokonten-Modell "giro.de", das eine Abwicklung der Bankgeschäfte im Wege des Internet - Banking vorsieht, wurde kein Grundpreis berechnet; auch bei diesem Modell waren für Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR Gebühren von 1.50 EUR zu entrichten. Im Übrigen erfolgt die Barauszahlung kostenfrei über SB-Geräte. Weiterhin bot die Beklagte andere Kontenmodelle mit Grundpreisen von 6,14 EUR bis 9,20 EUR an, bei denen die Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR kostenlos war. Per 10.4.2002 änderte die Beklagte ihre Kontenmodelle teilweise (vgl. Bl. I 44 d.A.); auch hier blieben die o.g. Bedingungen für die Kontenmodelle im Prinzip unverändert, jedoch mit der zusätzlichen Bestimmung, dass bei den Girokonten-Modellen "Giro aktiv" und "giro.de" für Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR keine Gebühren anfallen, wenn Banknotenwechsel vorliegt, die SB-Geräte ausfallen oder die Karte, die für die Abhebung an den SB-Geräten benötigt wird, defekt ist; auch ist die Auszahlung von Beträgen über 1.000,- EUR an der Kasse kostenlos.

4

Der Kläger hält die Bestimmungen, wonach für Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR Gebühren berechnet werden, für unzulässig. Entsprechend hat er die Beklagte vorgerichtlich - erfolglos - abgemahnt. Er ist der Ansicht, dass nach der Rechtsprechung des BGH mindestens 5 Freipositionen für die Barauszahlung zu gewähren seien. Da dies bei diversen Girokonten-Modellen der Beklagten nicht der Fall sei, liege darin ein Verstoß gegen §§ 307 ff. BGB, woraus sich der Unterlassungsanspruch nach §1 UKIaG rechtfertige.

5

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an ihrer Geschäftsführerin, zu unterlassen nachfolgende oder diesem Inhalt gleiche Bestimmungen in künftig abzuschließenden Verträgen in Bezug auf den Zahlungsverkehr bei privaten Girokonten zu verwenden Barauszahlungen an der Kasse bis 1.000,-EUR: 1,50 EUR.

6

Für den Fall des Unterliegens stellt der Kläger Vollstreckungsschutzantrag.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise der Beklagten eine angemessene Aufbrauchfrist sämtlicher betroffenen Druckwerke von sechs Monaten zuzubilligen.

8

Die Beklagte hält den Kläger nicht für klagebefugt.

9

In der Sache tritt sie der klägerischen Ansicht entgegen und ist der Auffassung, angesichts der diversen von ihr angebotenen Girokonten-Modelle habe der Kunde die Wahlfreiheit, sich auch für Konten zu entscheiden, bei denen die Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR kostenlos sei. Damit entspreche ihr Angebot der Rechtsprechung auch des BGH, sodass sie nicht verpflichtet sei, dem klägerischen Unterlassungsbegehren zu entsprechen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage hatte keinen Erfolg.

12

Zwar ist der Kläger gerichtsbekannt entgegen der Auffassung der Beklagten klagebefugt. Insoweit wird auf den Hinweis der Kammer mit Verfügung vom 2.10.2003 (Bl. II 348 d.A.) verwiesen, dem die Beklagte mit Substanz nicht entgegengetreten ist.

13

In der Sache war dem Unterlassungsantrag jedoch nicht zu entsprechen.

14

Die Beklagte hat in ihren Girokonten-Modellen zulässigerweise auch Modelle, bei denen sie für Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR einen Preis von 1.50 EUR berechnet darf.

15

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH 11. Zivilsenat, Urteil vom 30. November 1993, Az: XI ZR 80/93) ist von Kontrollfähigkeit entsprechender Bestimmungen und weiter von folgenden Überlegungen auszugehen (a.a.O., juris-Dokument, unter II 2):

"Bei einem passiven Girokonto gewährt die Beklagte ihren Kunden aufgrund eines mit dem Girovertrag verbundenen, ausdrücklich oder stillschweigend geschlossenen (Kontokorrent-)Kreditvertrages einen verzinslichen Kredit (vgl. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl. Rdn. 142, 318). Barauszahlungen sind bei einem solchen Konto rechtlich als Zurverfügungstellung der Darlehensvaluta zu qualifizieren, Bareinzahlungen des Kunden als Tilgungsleistungen mit Hilfe gesetzlicher Zahlungsmittel. Diese muss die Beklagte, will sie nicht in Annahmeverzug geraten, annehmen (Erman/O. Werner, BGB 9. Aufl. § 244 Rdn. 2). Soweit ihr durch die Entgegennahme am Schalter Kosten entstehen, handelt es sich um Kosten für Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Kontokorrentkredits. Für diesen Aufwand kann die Beklagte nach dispositivem Gesetzesrecht kein gesondertes Entgelt beanspruchen, sondern muss ihn aus den ihr zustehenden Kreditzinsen decken (vgl. BGHZ 114, 330, 336) [BGH 07.05.1991 - XI ZR 244/90]. Entsprechendes gilt für Kosten, die durch die Barauszahlung der Darlehensvaluta am Schalter entstehen.

Bei einem aktiven Girokonto ist mit dem Girovertrag eine unregelmäßige Verwahrung gemäß § 700 Abs. 1 BGB verbunden (BGHZ 84, 371, 373[BGH 08.07.1982 - I ZR 148/80] m.w.Nachw.). Jedenfalls bei Barauszahlungen am Schalter der kontoführenden Filiale erfüllt die Beklagte nur ihre aus §§ 700 Abs. 1 Satz 3, 695, 697 BGB folgende Rückgabepflicht. Für ihren personellen und sachlichen Aufwand bei deren Erfüllung kann sie nach dispositivem Gesetzesrecht kein Entgelt beanspruchen. Auch für die Entgegennahme von Bareinzahlungen ist ein solches im Gesetz nicht vorgesehen."

16

In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der BGH (BGH 11. Zivilsenat, Urteil vom 7. Mai 1996, Az: XI ZR 217/95, juris-Dokument) eine entsprechende Postenpreisklausel dann für unbedenklich angesehen, wenn dem Kunden zugleich mindestens fünf Freiposten im Monat gewährt werden.

17

Jedoch hat der BGH im o.g. Urteil vom 30.11.1993 weiterhin ausgeführt [unter III 1 b) bb) a.E.]: "Eine Rückführung der danach gegen § 9 AGBG verstoßenden Gebührenklauseln auf einen zulässigen Inhalt, etwa die Beschränkung ihrer Anwendbarkeit auf automatenfähige Barabhebungen am Schalter durch Kunden, die sich gegen Ermäßigung der monatlichen Kontogrundgebühr zur Benutzung von" Geldausgabeautomaten bereiterklärt haben, ist wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion von AGB-Klauseln (stand. Rspr.; vgl. dazu BGHZ 106, 259, 267) [BGH 17.01.1989 - XI ZR 54/88] nicht möglich."

18

Nach Ansicht der Kammer hat damit der BGH einen Weg gewiesen, den die Beklagte in zulässiger Weise beschritten hat:

19

Sie bietet ihren Kunden durch die diversen Girokonten-Modelle die Wahlfreiheit, sich für ein Konto mit geringem oder ohne Grundpreis zu entscheiden, dann aber für Barauszahlungen an der Kasse bis zu 1.000,- EUR einen Preis von 1.50 EUR zahlen zu müssen, oder sich für ein Konto mit höherem Grundpreis zu entscheiden, bei dem eine entsprechende Zahlungspflicht bei Barauszahlungen nicht besteht.

20

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt hat, dass diese Wahlfreiheit innerhalb eines einzigen Vertrages bestehen müsse, die Beklagte aber nur die Wahl zwischen verschieden ausgestalteten Verträgen biete, teilt die Kammer die Bedenken nicht: Die verschiedenen Girokonten-Modelle werden gleichrangig dem Kunden zur Auswahl gestellt; er kann beim Vertragsabschluss wählen, ob er ein Konto mit höherem Grundpreis und kostenfreier Barauszahlung oder quasi "gegen Ermäßigung" ein Konto mit niedrigerem Grundpreis, dafür aber mit Gebühren für eine Barauszahlungen an der Kasse in dem typischerweise automatenfähigen Abhebungsbereich bis zu 1.000,- EUR in Höhe von 1.50 EUR haben will. Damit ist nach Ansicht der Kammer auch angesichts der Klarheit der von der Beklagten verwendeten Übersichten über die Kontenmodelle aus rechtlichen Gründen das von der Beklagten angewandte Verfahren nicht zu beanstanden. Eine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten ist bei dieser konkreten Ausgestaltung der Kontenmodelle nicht ersichtlich (vgl. entsprechend auch schon LG München I, Urteil vom 13.7.2004-4 0 9529/03-, Bl. II 377 ff. d.A.).

21

Die Klage konnte somit keinen Erfolg haben.

22

Einer Entscheidung über den von der Beklagten gestellten Hilfsantrag bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

25

Dem Abwendungsantrag des Klägers nach § 712 ZPO war nicht zu entsprechen, da für dessen tatsächliche Voraussetzungen nichts dargetan ist.