Landgericht Hannover
Urt. v. 07.09.2004, Az.: 18 O 109/04

abgetretenes Recht; Dritter; Familienrechtsschutzversicherung; Folgeprozess; Forderungsabtretung; Leistungsausschluss; Leistungsfreiheit; Pflichtverletzung; positive Vertragsverletzung; Rechtsanwaltsregress; Rechtsanwaltsvertrag; Risikoausschluss; Schadenersatzanspruch; Schadenersatzklage; Versicherungsschutz

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
07.09.2004
Aktenzeichen
18 O 109/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50906
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger verlangt von der beklagten Versicherung Deckungszusage für eine Schadensersatzklage gegen seinen früheren Rechtsanwalt. Zwischen den Parteien besteht seit Anfang 2001 u.a. eine Familienrechtsschutzversicherung gem. § 25 ARB. Vereinbart wurde die Geltung der ARB 75 in der Fassung des Drucksstücks 10/ 99.

2

Der beabsichtigten Schadensersatzklage des Klägers liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3

Der Schwager des Klägers zeichnete über einen Anlagenvermittler zwei Beteiligungsverträge in Höhe von insgesamt 103.000 DM als stiller Gesellschafter, wobei die Firmen letztlich in Konkurs gingen. Der bei der Beklagten nicht rechtschutzversicherte Schwager des Klägers trat etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Kapitalvermittler an den Kläger ab, um sich so gegenüber dem Vermittler eine Zeugenstellung in dem darauf folgenden Schadensersatzprozess zu verschaffen.

4

Die entsprechende Klage des Klägers wurde durch Urteil des Landgerichts Münster vom ... 2002 abgewiesen , da er trotz vom Gericht erteilter Auflagen eine konkrete Pflichtverletzung des damaligen Beklagten gegenüber seinem Schwager nicht hinreichend konkret dargetan habe. Die Berufung des Klägers wurde vom OLG Hamm zurückgewiesen.

5

Die Erteilung kostendeckenden Rechtsschutzes für eine Schadensersatzklage gegen seinen Rechtsanwalt lehnte die Beklagte auch mangels Erfolgsaussichten ab. Ein daraufhin eingeholter Stichentscheid vom 27.8.2003 kam zu dem Ergebnis, dass die Erfolgsaussichten vorliegend gegeben seien ( Bl 46 d.A.).

6

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen der Familienrechtschutzversicherung verpflichtet sei, Rechtsschutz zu gewähren. Insbesondere sei kein Ausschluss der Versicherungsbedingungen im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit gegeben, da es sich bei der Kapitalanlage des Schwagers um die Verwaltung eigenen Vermögens gehandelt habe.

7

Hinsichtlich der Erfolgsaussichten sei der Stichentscheid für die Beklagte bindend.

8

Im übrigen sei der Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 2 b) ARB 75 nicht gegeben, da die Pflichtverletzung des Rechtsanwalts zu einem Zeitpunkt stattgefunden habe, als die Ansprüche des Schwagers schon abgetreten waren.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einer Pflichtverletzung des Anwaltsvertrags zwischen dem Kläger und Herrn Rechtsanwalt ... (Schadennummer: ... ) bedingungsgemäßen Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag, Versicherungsschein-Nummer zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers vorliegend im Zusammenhang mit einer selbstständigen Tätigkeit stehe, so dass gemäß § 25 I 2, 3 ARB kein Versicherungsschutz bestehe.

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Auch sei der Stichentscheid nicht bindend, da die Sach- und Rechtslage in dem Stichentscheid nicht umfassend geprüft worden sei.

Entscheidungsgründe

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I. Die Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger aus dem Versicherungsvertrag Rechtsschutz für den im Klageantrag bezeichneten Prozess zu gewähren. Unabhängig von der Beurteilung, ob die angestrebte Schadensersatzklage im Zusammenhang mit einer nicht versicherten Tätigkeit nach § 25 I 2, 3 ARB steht, ergibt sich das Fehlen einer Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Versicherungsschutz aus dem Umstand, dass nach §§ § 4 II 2 b ARB grundsätzlich kein Versicherungsschutz für Klagen besteht, die die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus abgetretenem Recht betreffen.

17

Hier begehrt der Kläger zwar nicht Deckungsschutz für die Geltendmachung eines abgetretenen Anspruchs im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr für einen eigenen Schadensersatzanspruch gegen seinen früheren Rechtsanwalt wegen Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages. Dieser Schadensersatzprozess steht aber im unmittelbaren Zusammenhang mit der ursprünglichen Schadensersatzklage gegen den Kapitalanlagevermittler aus abgetretenem Recht. Es handelt sich mithin um einen Folgeprozess. Ist aber, was zwischen den Parteien letztlich unstreitig ist, der Erstprozess nicht von den Versicherungsbedingungen erfasst, so muss nach Ansicht der Kammer gleiches für einen Folgeprozess im Rahmen eines Anwaltsregressprozesses gelten. Dies ergibt sich zwar nicht schon aus dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen. Sinn und Zweck des § 4 II 2 b ARB ist es aber u.a. eine faktische Ausweitung des Versicherungsschutzes auf nichtversicherte Personen auszuschließen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß § 1 ARB nur diejenigen rechtlichen Interessen geschützt sind, die der Versicherungsnehmer in seinem Verhältnis zum Versicherer nach allgemeinen versicherungsvertraglichen Grundsätzen berechtigterweise wahrnehmen darf. Dies sind jedoch nur solche, die in irgendeiner Form auf einem beim Versicherungsnehmer nach Versicherungsbeginn eingetretenen Schaden beruhen und auch nach erfolgtem Schadensausgleich beim Versicherungsnehmer oder einer ihm gleichzustellenden Person verbleiben sollen.

18

Die Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Kapitalanlagevermittler von Seiten des Schwagers erfolgte hier unstreitig nur um dem geschädigten Anleger eine Zeugenstellung gegen den Vermittler zu verschaffen. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung nimmt der Kläger im Rahmen des Anwaltsregressprozesses letztlich weiterhin die Interessen des Schwagers war, auf den sich die Versicherungsbedingungen aber gerade nicht erstrecken.

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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.