Landgericht Hannover
Urt. v. 18.02.2004, Az.: 10 S 23/03

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
18.02.2004
Aktenzeichen
10 S 23/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42608
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2004:0218.10S23.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - AZ: 549 C 9784/02

Fundstelle

  • JWO-VerkehrsR 2004, 180

In dem Rechtsstreit

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Seidel Eller

gegen

ADAC-Schutzbrief Versicherungs-AG, Am Westparken 8, 81373 München,

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Nähme u. Partner

wegen Schadensersatz aus Verkehrsunfall

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 18.2.2004 durch den Präsidenten des Landgerichts Schneidewind, den Richter am Landgericht Schweigert und den Richter am Landgericht Dr. Plumeyer

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Oktober 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover - 549 C 9784/02 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4. 108 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. Mai 2002 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

    Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit der Berufung beanstandet die Klägerin, dass das Amtsgericht zu ihren Lasten zu Unrecht von einem gestellten und damit verabredeten Unfall ausgegangen sei.

2

Die zulässige Berufung ist bis auf einen kleinen Teil der Klageforderung begründet. Die Beklagte ist nach §§ 7, 18 StVG, 3 PflichtVersG verpflichtet, den Schaden am Pkw Renault Twingo zu ersetzen, da es sich nach Auffassung der Kammer bei dem Schadensereignis vom 12. März 2002 nicht um einen verabredete Verkehrsunfall mit Einwilligung der Klägerin handelt. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass das schädigende Ereignis mit Einwilligung der Klägerin vorgenommen ist. Das schlug zum Nachteil der Beklagten aus, die dafür beweispflichtig war, dass der Schadenseintritt mit Einwilligung der Klägerin erfolgt ist.

3

Die Frage, ob ein Unfall verabredet worden ist oder nicht kann in der Regel nur aus den Indizien des jeweiligen Einzelfalls geschlossen werden, wobei evtl. andere Unfallschäden mit denselben Beteiligten ergänzend herangezogen werden können. Im vorliegenden Fall ist von anderen Schäden - etwa mit identischem Personenkreis - nichts genaues bekannt. Auch aus dem Umstand, dass auch ein litauischer Staatsbürger in den Wagen des Schwagers der Klägerin gefahren ist (Bl. 86 d.A.) lässt sich nichts konkretes für den streitgegenständlichen Sachverhalt herleiten. Entsprechend war auch dem Antrag der Beklagten vom 2. Februar 2004, das Verfahren bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einzustellen, nicht nachzukommen. Dabei war von der Kammer zu berücksichtigen, dass bereits das Amtsgericht das Verfahren gemäß Beschluss vom 12. Dezember 2002 bis Juli 2003 eingestellt hat, ohne dass die Beklagte neue Erkenntnisse aus dem Strafverfahren vortragen konnte.

4

Wie das Oberlandesgericht Gelle bei seiner Betrachtung des Parallelfalles 4 O 34/03 Landgericht Hannover 14 U 128/03 Oberlandesgericht Celle festgestellt hat, gibt es zwar eine Reihe von Auffälligkeiten bei dem Ereignis vom 12. März 2002 wie etwa den Umstand, dass der litauische Fahrer M. mit seinem Auto direkt ohne Bremsversuch auf die anderen Fahrzeuge gefahren ist und diese zusammen geschoben hat. Auch erscheint auffällig, dass die Besitzer nach dem Unfall sogleich zur Stelle waren und dass es sich bei den Geschädigten um Nicht-Deutsche handelt, die in anderen Stadtteilen wohnen, aber zum Zeitpunkt des Unfalls zufällig in der Südstadt waren.

5

Andererseits gibt es eine Menge von Umständen, die gegen die Annahme eines gestellten Unfalls sprechen: das geschädigte Auto war ein bereits sechs Jahre altes gepflegtes Auto mit einer Laufleistung von 123.000 km mit einem Wert von lediglich 3.350€. Aus anderen Rechtsstreitigkeiten weiß die Kammer, dass bei gestellten Unfällen häufig ältere Pkws der Oberklasse beschädigt werden, wobei sodann später hohe Reparaturkosten von der gegnerischen Versicherung verlangt werden. Insgesamt lässt sich ein materieller Vorteil für die Klägerin aus dem von der Beklagten dargelegten Geschehensablauf nicht erkennen.

6

Zudem ist der Altenbekener Damm zu dieser Zeit, wie die Kammer aus eigener Anschauung weiß, in der Regel auch sehr stark befahren, wobei für gestellte Unfälle im übrigen eher ruhige Plätze oder abgelegene Straßen bevorzugt werden. Schließlich gibt es auch einen unbeteiligten Zeugen E., der gegenüber der Polizei angegeben hat, wie sich der Vorgang ereignet hat. Aus dessen Angaben lässt sich nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, die Kollision der Fahrzeuge sei geplant gewesen. Hiergegen spricht das auffällige Fahrverhalten des Fahrers M., das jedenfalls die Aufmerksamkeit des Zeugen E. auf sich zog und der sodann das Unfallgeschehen weitestgehend aus Interesse mitverfolgt hat. Bei einem gestellten Unfall hätte es nahegelegen, einen Unfall aus einem laufenden Geschehen heraus zu unternehmen, um nicht noch durch auffällige Manöver wie häufige Startversuche des Motors die Aufmerksamkeit von Unbeteiligten - wie des Zeugen E. - zu erregen.

7

Der Unfallhergang war für den Fahrer M. nicht ungefährlich. Für einen verabredeten Unfall wäre es nicht erforderlich gewesen, dass der Fahrer M. mit so erheblicher Geschwindigkeit unter Gefährdung seiner Gesundheit so schnell auf den Golf auffährt, dass dieser seinerseits auf den Twingo der Klägerin geschoben wurde. Wie die Kammer aus anderen Rechtsstreitigkeiten weiß, werden bei gestellten Schäden häufig in der Reparatur aufwändige und teure Streifschäden provoziert, die sich leicht notdürftig beheben lassen. Die bewusste Herbeiführung eines Unfalls mit Herbeiführung eines Totalschadens am Pkw der Klägerin brachte im Ergebnis für die Klägerin, wie bereits oben ausgeführt, der Klägerin keinen materiellen Vorteil.

8

Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien außer Streit. Der Klägerin steht nach ständiger Rechtsprechung der Kammer jedoch nur eine Kostenpauschale von 25 € und nicht von 30 € zu. Die weitergehende Klage war daher in Höhe von 5 € abzuweisen.

9

Die Nebenforderung ist nach § 288 BGB begründet, nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 25. April 2002 unter Fristsetzung bis zum 7. Mai 2002 erfolglos aufgefordert hat, den Schaden zu regulieren.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO analog.

11

Die Revision war nicht zuzulassen, die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.