Landgericht Hannover
Urt. v. 28.09.2004, Az.: 18 O 379/03

Kapitalnutzungsentschädigung; Nutzungsentschädigung ; Ungerechtfertigte Bereicherung

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
28.09.2004
Aktenzeichen
18 O 379/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50838
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt mit der Klage Zahlung restlicher Nutzungsentschädigung für den Zeitraum 1.1.1998 bis 10.12.2002 und Verzinsung nach den bereicherungs-rechtlichen Grundsätzen von der Beklagten.

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Durch damalige Vermittlung des Finanzmaklers X. überließ die Klägerin der Beklagten vom 28.7.1995 bis 10.12.2002 im Saldo einen Betrag von 1.154.000 DM.

3

Der Finanzmakler X. hatte in den 80er Jahren damit begonnen, Kreditgeschäfte zwischen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften zu vermitteln. Regelmäßig handelte es sich dabei um Termingelder, die auf Anlegerseite von einer Körperschaft als kurzfristig verfügbare Mitteln aufgebracht und auf der anderen Seite von der Körperschaft mit entsprechendem Kreditbedarf in Anspruch genommen wurden. Der Kontakt zwischen den beteiligten Körperschaften beschränkte sich darauf, dass der Geldgeber den Anlagebetrag auf ein von Koch bezeichnetes Konto des Kreditnehmers überwies. In den Überweisungsträgern wurde als Verwendungszweck von der geldgebenden Körperschaft regelmäßig auf eine nicht näher bezeichnete „Vereinbarung“ verwiesen, wobei die ersten von Koch vermittelten Geschäfte wohl noch ordnungsgemäß abgewickelt wurden. Später leitete X. einen Teil der Überweisungen auf ein eigenes Konto und verdeckte diese Lücke mit betrügerischen Handlungen. Im Rahmen dieser Geldtransaktionen kam es im Jahr 1995 zu einer Zahlung der Klägerin an die Beklagte. Mit Schreiben vom 27.7.1995 wies der Finanzmakler X. die Klägerin an, einen Betrag von 2.665.000,00 DM für 60 Zinstage vom 28.7.1995 bis 28.9.1995 der Stadt Sch.. zu überlassen und an die Beklagte mit dem Vermerk „Ablösung der Stadt Sch.“ zu überweisen (Schreiben Bl. 6 d.A.). Die Zahlung der Klägerin an die Beklagte stellte sich für die Beklagte als eine Rückzahlung eines am 2.12.1994 gewährten Darlehens an die Stadt Sch. in Höhe von 2.581.900,00 DM dar. Am 28.7.1995 überwies die Klägerin auf die Anweisung des Finanzmaklers X den Betrag von 2.665.000,00 DM per Blitzgiro an die Beklagte.

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Die Beklagte ihrerseits zahlte an die Klägerin ebenfalls aufgrund einer Anweisung des Finanzmaklers X. am 29.9.1995 einen Betrag von 1,511.000,00 DM.

5

Mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5.11.2002 ( BGH IX ZR 381/01) wurde entschieden, dass sämtliche Zahlungen in dem System X. nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabzuwickeln sind.

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Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 8.11.2002 auf, das ihr überlassene Kapital nebst Zinsen in Höhe von 4,6 % für den Zeitraum vom 28.7.1995 bis 18.11.2002 mit Fristsetzung zum 18.11.2002 zurückzuzahlen. Die Beklagte ihrerseits rechnete mit der ihr zustehenden Hauptforderung auf und erklärte am 15.11.2002, dass sie auf die Einrede der Verjährung verzichte, soweit Ansprüche der Klägerin noch nicht verjährt seien. Am 10.12.2002 zahlte die Beklagte 706.004,67 € an die Klägerin. Hierbei handelt es sich nach Angaben der Beklagten um die Hauptforderung in Höhe von 519.030,83 € nebst 4 % Zinsen ab 1.1.1998.

7

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte sich vorliegend eine Kapitalnutzung in Höhe von 6 % gem. § 818 Abs. 1 BGB anrechnen lassen müsse. Dieser Zinssatz sei in jeder Hinsicht angemessen und entspreche im übrigen dem, was die obergerichtliche Rechtsprechung in verschiedenen Urteilen als Untergrenze festgesetzt habe. Für den nicht verjährten Zeitraum vom 1.1.1998 bis 9.12.2002 errechne sich demnach eine Kapitalnutzungsverzinsung in Höhe von noch zu zahlenden 58.970,30 €. Darüber hinaus sei die Beklagte mit Schreiben vom 8.11.2002 mit Fristsetzung zum 18.11.2002 in Verzug gesetzt worden, so dass ab diesem Datum die Klagesumme nach § 288 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sei. Schließlich stehe der Klägerin für den Zeitraum 19.11.2002 bis zur Zahlung am 10.12.2002 (21 Zinstage) ein Verzugszins in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu, was weitere Verzugszinsen in Höhe von 1.962,85 € ausmache.

8

Die Klägerin beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 58.970,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 19.11.2002 zu zahlen,

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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.962,85 € zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, dass vorliegend nur eine Verzinsung in Höhe von 4 % zugrundegelegt werden könne. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich für die Beklagte die Zahlung der Klägerin als Rückzahlung eines Darlehens dargestellt habe, das ein halbes Jahr zuvor gewährt worden sei. Nach Auskunft der Kreissparkasse Hannover habe der damalige Zinssatz für Gelder im halbjährlichen Bereich weniger als 4 % betragen. Insbesondere sei es nicht gerechtfertigt, im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von einem Zinssatz im langläufigen Bereich auszugehen.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung einer höheren Nutzungsentschädigung als 4 % Zinsen für den Zeitraum bis 10.12.2002 zu.

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Der Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung ergibt sich, was zwischen den Parteien unstreitig ist, nur aus § 818 BGB. Gem. § 818 BGB erstreckt sich die Verpflichtung zur Herausgabe auch auf die gezogenen Nutzungen. Der Anspruchsberechtigte hat hierbei grundsätzlich nachzuweisen, dass der Bereicherte Nutzungen tatsächlich gezogen hat, falls nicht nach der Lebenserfahrung bestimmte wirtschaftliche Vorteile zu vermuten sind, so insbesondere bei Banken oder der öffentlichen Hand. Dies hat seinen Grund darin, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die öffentliche Hand wirtschaftliche Vorteile aus der Überlassung von Geld zieht.

18

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann im vorliegenden Fall aber nicht von einer allgemeinen Lebenserfahrung dahingehend ausgegangen werden, dass die Beklagte das Geld, das für sie selbst die Rückzahlung einer 6-monatigen Darlehenshingabe war, längerfristig, mithin im 10-Jahres-Bereich angelegt hätte, bzw. entsprechend langfristige Darlehn hätte aufnehmen müssen. Insoweit unterscheidet sich die hier zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation von den Entscheidungen, auf die sich die Klägerin beruft. So hatte das Landgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung 8 O 324/02 einen Zinssatz von 6 % angenommen und dies u. a. damit begründet, dass die Beklagte sowie die Kläger jeweils deutlich höhere Zinsen mit Koch vereinbart hatten. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in der Entscheidung 10 U 27/03 einen Zinssatz in Höhe von 6 % zugebilligt, da die Beklagte längerfristige Kredite zu höheren Zinssätzen beim Finanzberater X nachgefragt hatte, so dass eine längerfristige Kreditaufnahme für das Gericht von Seiten der dortigen Beklagten als bewiesen angesehen wurde. Solche Indizien, die für eine längerfristige Kreditaufnahme sprechen, sind vorliegend nicht erkennbar. Allein der Umstand, dass die Beklagte das Geld tatsächlich langfristig zur Verfügung hatte, ändert hieran nichts, da dieser Zeitfaktor allein darauf beruht, dass die Grundsatzentscheidung des BGH erst im November 2002 gefällt wurde. Die Klägerin ist für ein entsprechendes Verhalten der Beklagten, dass einen Zinssatz im Langfristbereich zugrunde legt, beweisfällig geblieben.

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Es bestehen daher nach Ansicht der Kammer nur konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass die Beklagte das Geld, wie sie es erhalten und weitergegeben hat, verwendete. Dies geschah vorliegend aber gerade nicht im langfristigen Bereich. Daher kann nur ein durchschnittlicher Zinssatz im 6-monatigen Bereich zugrundegelegt werden, wobei nach Ansicht der Kammer entgegen der Ansicht der Klägerin der Zinssatz aus dem Jahre 1998 und nicht aus dem Zeitpunkt des Erhalts des Geldes, mithin 1995, zugrunde zu legen ist. Sowohl aus der Aufstellung, die die Beklagte nach Auskunft der Kreissparkasse Hannover erstellt hat, wie aus der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank vom August 2004 ergibt sich, dass die Zinsstruktur bei einer Laufzeit von 1 Jahr mit Ausnahme eines Jahres jeweils unter 4 % betrug, so dass die von der Beklagten gezahlten 4 % insgesamt als angemessene Nutzungsentschädigung anzusehen sind.

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Soweit es den Zeitraum 18.11.2002 bis 10.10.2002 betrifft, steht der Klägerin auch kein höherer Zinssatz zu. Das Schreiben vom 8.11.2002, in dem ein Zinssatz von 4,6 % ab Verzugseintritt geltend gemacht wird, stellt zwar trotz der Zuvielforderung (2.665.000 DM statt 1.154.000 DM) eine wirksame Mahnung der Klägerin dar, die Beklagte muss den Verzug aber nicht vertreten, § 285 BGB. Vorliegend konnte die Beklagte die genaue Forderungshöhe erst einmal mit der Klägerin abklären, so dass ihre Nichtleistung ab dem 18.11. unverschuldet war. Kurz nach der schriftlichen Einigung der Parteien zahlte die Beklagte den von ihr geschuldeten Betrag, so dass der Klägerin keine Verzugszinsen zustehen.

21

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.