Landgericht Hannover
Beschl. v. 28.01.2004, Az.: 20 T 68/03

Fehlen einer Wiederauflebensklausel im Schuldenbereinigungsplan; Schlechterstellung des Gläubigers; Aufrechnungsmöglichkeit während der Wohlverhaltensphase; Einzelzwangsvollstreckung während der Wohlverhaltensperiode

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
28.01.2004
Aktenzeichen
20 T 68/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2004:0128.20T68.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - AZ: 904 IK 199/03-5

Fundstellen

  • NZI 2004, 389-390 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2005, 49-50 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2006, 18
  • ZVI (Beilage) 2006, 18 (red. Leitsatz)

Die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
hat am 28. 1. 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. xxx
die Richterin am Landgericht xxx und
die Richterin am Landgericht Dr. xxx
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 21. 11. 2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover - Insolvenzgericht - vom 12. 11. 2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

1

Mit Schreiben vom 10. 4. 2003, eingegangen am 15. 4. 2003 beantragte der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gleichzeitig beantragte er Restschuldbefreiung. Es bestehen offene Forderungen in Höhe von 352.174, 83 EUR.

2

Ein korrigierter Schuldenbereinigungsplan vom 17. 6. 2003 ist den 7 Gläubigern mit der Aufforderung zur Stellungnahme und Einverständniserklärung zugestellt worden. Der Plan sieht eine Tilgungsquote von 8,75 % der jeweiligen Gläubigerforderung vor. Die Beschwerdeführerin, der eine Forderung von 45.223,49 EUR gegen den Schuldner zusteht, und eine weitere Gläubigerin lehnten den Schuldenbereinigungsplan ab. Der Schuldner beantragte daraufhin, die Zustimmung der Gläubiger, die dem Schuldenbereinigungsplan nicht zugestimmt hatten, zu ersetzen.

3

In ihrer Stellungnahme zum Ersetzungsantrag rügte die Beschwerdeführerin, dass eine Wiederauflebensklausel nicht ausdrücklich in den Schuldenbereinigungsplan aufgenommen worden sei. Zudem werde ihr die Aufrechnungsmöglichkeit genommen mit etwaigen Steuererstattungsansprüchen während der Wohlverhaltensphase.

4

Das Amtsgericht Hannover - Insolvenzgericht - hat mit Beschluss vom 12. 11. 2003 die Einwendungen der widersprechenden Gläubiger durch eine gerichtliche Zustimmung ersetzt. Es meint, durch das Fehlen einer Wiederauflebensklausel werde die Gläubigerin nicht schlechter gestellt. Die bloße Möglichkeit, dass später einmal abrechenbare Ansprüche entstehen könnten, sei nicht zu beachten, weil das Gericht nach § 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO davon auszugehen habe, dass sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht änderten.

5

Gegen den am 19. 11. 2003 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 21. 11. 2003, eingegangen am 24. 11. 2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Insolvenzgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

6

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 309 Abs. 2 Satz 3 InsO.

7

Sie ist jedoch nicht begründet.

8

Nach § 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO darf das Insolvenzgericht die Einwendungen der widersprechenden Gläubigerin gegen den Schuldenbereinigungsplan ersetzen, es sei denn, diese Gläubigerin wird durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich schlechter gestellt, als sie bei Durchführung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung stünde.

9

Ob die Gläubigerin bei Durchführung des Schuldenbereinigungsplanes voraussichtlich schlechter gestellt werden wird, als bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens, lässt sich dem Vortrag der Beschwerdeführerin nicht hinreichend entnehmen. Im Zweifel ist zu Grunde zu legen, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt des Antrags auf Ersetzung der Einwendungen während der gesamten Dauer des Verfahrens maßgebend bleiben.

10

Eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, deren Eintritt konkret absehbar ist, wird nicht vorgetragen.

11

So lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Schuldner für die Zukunft Lohnsteuererstattungsansprüche zustehen könnten und ob die Gläubigerin bei Durchführung des Insolvenzverfahrens mit anschließender Wohlverhaltensperiode trotz Entstehung weiterer Verfahrenskosten voraussichtlich besser gestellt wäre.

12

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob während der Wohlverhaltensphase eine Aufrechnungsmöglichkeit besteht. Gemäß §§ 294 Abs. 1, 201 Abs. 3 InsO ist eine Einzelzwangsvollstreckung während der Wohlverhaltensperiode aus Gründen der Gleichbehandlung der Gläubiger unzulässig. Teilweise wird vertreten, dass auch die Aufrechnung über den Wortlaut der Bestimmung des § 294 Abs. 3 InsO hinaus, als unzulässig angesehen werden muss, um eine Sonderstellung bestimmter Gläubiger zu vermeiden (AG Wittlich, Beschluss vom 4. 5. 2003, ZinsO 2003, 577 mit Anm. Schmidt, ZinsO 2003, 547 ff.).

13

Die fehlende Wiederauflebensklausel führt nicht notwendigerweise zu einer Schlechterstellung der Gläubigerin. Der Schuldenbereinigungsplan hat die Wirkung eines Vergleichs im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Der Vergleich ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der im Falle einer arglistigen Täuschung angefochten bzw. bei Irrtum über die Vergleichsgrundlage nach § 779 BGB für unwirksam erklärt werden könnte. Im Übrigen stehen der Gläubigerin die allgemeinen Rechte aus dem Recht der Leistungsstörungen zu, sofern nicht eine analoge Anwendung des § 255 InsO in Betracht kommt. Selbst dann wäre eine Wiederauflebensklausel nicht in den Schuldenbereichungsplan aufzunehmen. Das Wiederaufleben würde dann kraft Gesetzes erfolgen (vergl. Kübler/Prüttung, InsO, § 255 Rdn. 5).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,- EUR festgesetzt.