Landgericht Hildesheim
Urt. v. 06.07.2006, Az.: 4 O 40/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 06.07.2006
- Aktenzeichen
- 4 O 40/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 43312
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2006:0706.4O40.06.0A
Fundstellen
- EWiR 2006, 763
- NZI 2007, 25
- ZInsO 2006, 1286-1287 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2006 durch die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist als Fuhrunternehmer tätig und führte Fuhraufträge für ... (Insolvenzschuldnerin) aus. Die von ihm der Insolvenzschuldnerin in Rechnung gestellten Beträge zog er aufgrund einer ihm erteilten Einzugsermächtigung vom 12.03.2003 (Bl. 8 d. A.) von einem Bankkonto der Insolvenzschuldnerin ein, nachdem er den Einzug der Forderungen jeweils schriftlich angekündigt hatte. Im Gegenzug zur Erteilung der Einzugsermächtigung hatte sich der Kläger bereit erklärt, auf die abgerechneten Beträge 3 % Skonto sowie ein Zahlungsziel von mindestens 14 Tagen zu gewähren.
Am 21.07.2005 stellte die Insolvenzschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und der Beklagte wurde unmittelbar zeitlich nachfolgend zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) bestellt. Die Insolvenzschuldnerin widersprach sodann mit Zustimmung des Beklagten allen Lastschriften, ohne Einwendungen gegen die zugrunde liegenden Rechnungen zu erheben. Die aus dem Antrag des Klägers ersichtlichen, innerhalb der bankinternen 6-Wochenfrist zugunsten des Klägers von dem Konto der Insolvenzschuldnerin erfolgten Lastschriftbuchungen wurden deshalb von der Bank jeweils rückbelastet. Am 01.10.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten nunmehr Zustimmung zur Belastung im Lastschriftverfahren betreffend die rückgebuchten Beträge, hilfsweise Zahlung von deren Summe, und vertritt dazu die Auffassung, der Widerspruch sei nicht zulässig gewesen, weil die Lastschriften zu diesem Zeitpunkt bereits von der Insolvenzschuldnerin genehmigt gewesen seien. Eine konkludente Genehmigung "im Vorwege" durch die Insolvenzschuldnerin sei vorliegend darin zu sehen, dass sich diese mit dem zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Prozedere (Ankündigung der Belastungen 14 Tage vorher mit entsprechender Rechnungsstellung, Zahlungsziel von 14 Tagen, Skontoabzug von 3 %) ausdrücklich einverstanden erklärt sowie die entsprechenden Rechnungen verbucht und im Rahmen ihrer Vorsteueranmeldung berücksichtigt habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, auf dem Konto der Schuldnerin bei der ..., BLZ: ..., Konto-Nr.: ... die nachfolgenden Belastungen im Lastschriftverfahren zugunsten der Klägerin zuzulassen und ihnen ausdrücklich zuzustimmen,
a) einen Betrag von € 3.732,60, belastet am 14.06.2005 für die Rechnungen Nr. 05/400 vom 27.05.2005, 05/401 vom 27.05.2005 und 05/402 vom 27.05.2005,
b) einen Betrag von € 1.740,81, belastet am 16.06.2005 für die Rechnung Nr. 05/406 vom 30.05.2005,
c) einen Betrag von € 3.187,08, belastet am 21.06.2005 für die Rechnungen Nr. 05/428, 05/429 und 05/430, jeweils vom 06.06.2005,
d) einen Betrag von € 4.183,13, belastet am 28.06.2005 für die Rechnungen Nr. 05/448 und 05/447, jeweils vom 10.06.2005, und 05/441 vom 08.06.2005,
e) einen Betrag von € 1457,12,
f) einen Betrag von € 7.728,63, belastet am 05.07.2005 für die Rechnungen Nr. 05/471, 05/472, 05/470 und 05/473, jeweils vom 20.06.2005, für die Rechnungen Nr. 05/468 und 05/467, jeweils vom 17.06.2005,
g) einen Betrag von € 9.200,19, belastet am 12.07.2005 für die Rechnungen Nr. 05/493, 05/491, 05/492 und 05/490, jeweils vom 22.06.2005 und die Rechnungen Nr. 05/520 und 05/521, jeweils vom 27.06.2005;
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Kosten in Höhe von € 127,88 für die Rückbelastungen zu zahlen;
3. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, auf den Betrag von € 31.357,44 +8 % Punkte über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2005 zu zahlen;
4. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Masseschuld einen Betrag von € 31.357,44 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt zur Verhinderung von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren (Urteile des 9. Zivilsenats vom 04.11.2004, IX ZR 22/03, IX ZR 82/03 und IX ZR 28/04) und bestreitet das Vorliegen einer Genehmigung der Belastungsbuchungen durch die Insolvenzschuldnerin. Er verweist darauf, dass auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt die künftige Masse zu sichern und zu erhalten habe, so dass es nicht seine Sache sein könne, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls diese nicht im Interesse aller Gläubiger liege.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 22.06.2006 (Bl. 57 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zu den fraglichen Belastungsbuchungen noch der hilfsweise geltend gemachte Zahlungsanspruch als Schadensersatz (aus § 826 BGB bzw. § 60 InsO) zu; denn der Beklagte hat als vorläufiger Insolvenzverwalter vor der Genehmigung der fraglichen Buchungen zu Recht dem Widerspruch der Schuldnerin zugestimmt.
Wie der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 04.11.2004 (IX ZR 22/03, 82/03 und 28/04) jeweils ausgeführt hat, kann zwar ein Schuldner außerhalb der Insolvenz sittenwidrig handeln, wenn er der Belastung seines Girokontos im Einzugsermächtigungsverfahren widerspricht, obwohl die zugrunde liegende Forderung begründet und von der Einziehungsermächtigung gedeckt ist; jedoch sei auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt in weitergehendem Umfang zum Widerspruch berechtigt als zuvor der Schuldner. Da die zur Einziehung gegebene Forderung nicht erfüllt sei, bevor der Schuldner die Genehmigung nicht erklärt habe, habe der Gläubiger auch nach der Gutschrift auf seinem Konto und der Belastungsbuchung auf dem Schuldnerkonto immer noch lediglich den schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung seiner Forderung, welcher nunmehr darauf gerichtet sei, dass der Schuldner die Belastungsbuchung genehmige. Da auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt aber die künftige Masse zu sichern und zu erhalten habe, könne es nicht seine Sache sein, eine vor dem Eröffnungsantrag unvollständig erfüllte Verbindlichkeit des Schuldners vollständig zu erfüllen oder einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen; vielmehr dürfe er die Rechtsfolge des § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO durch die Verweigerung der Zustimmung zu einer Genehmigung des Schuldners vorwegnehmen. Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht aus der Erwägung heraus an, dass eine durch unterbliebenen Widerspruch eingetretene Erfüllung im Insolvenzverfahren anfechtbar sein kann und dem Gläubiger somit wenig geholfen wäre, während der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung zu einer anfechtbaren Rechtshandlung des Schuldners nicht erteilen darf.
Unter Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung kann eine Pflichtverletzung oder ein sittenwidriges Handeln des Beklagten als vorläufiger Insolvenzverwalter mithin nicht erkannt werden. Die von dem Kläger herangezogenen Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts NJW-RR 2001, 1206 [OLG Schleswig 13.03.2001 - 3 U 174/99] sowie des Oberlandesgerichts Oldenburg NJW 1987, 655 können dem schon deshalb nicht entgegen gehalten werden, weil in dem zugrunde liegenden Sachverhalt ein Widerspruch im Einzugsermächtigungsverfahren jeweils von dem Schuldner selbst und nicht von einem - in den zugrunde liegenden Fällen (noch) nicht bestellten - Insolvenzverwalter erklärt worden war.
Soweit der Kläger darauf abstellt, der Widerspruch im Lastschriftverfahren könne von dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter, wie der Bundesgerichtshof in der Tat ausgeführt hat, nur dann erklärt werden, wenn der Schuldner nicht bereits zuvor eine Genehmigung erklärt habe, kann eine solche Konstellation für den vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Dass sich die Insolvenzschuldnerin mit einem Zahlungsziel von 14 Tagen, der vorherigen Ankündigung von Kontobelastungen und dem Skontoabzug von 3 % einverstanden erklärt hatte, bildete überhaupt erst die Vorraussetzung für die Erteilung der Einziehungsermächtigung, so dass diese Umstände nicht erneut nunmehr als Indizien für eine Genehmigung der Lastschriftabbuchungen herangezogen werden können. Die Auffassung des Klägers, seitens der Insolvenzschuldnerin sei insoweit eine "Genehmigung im Vorwege" erteilt worden, geht dabei fehl. Denn zu einen kann eine Genehmigung bereits begriffsnotwendig erst im nachhinein erteilt werden, zum anderen würde sich der Schuldner bei dieser Betrachtungsweise mit der Erteilung der Einziehungsermächtigung jeglicher Möglichkeit eines Widerspruchs gegen einzelne Belastungsabbuchungen begeben, was nicht im Interesse der Schuldners liegt und von diesem regelmäßig auch nicht gewollt sein wird. Der Gläubiger wird vor den Folgen unberechtigter Widersprüche des Schuldners gegen Lastschriftabbuchungen hinreichend durch Zuerkennung eines Anspruches aus § 826 BGB geschützt, so dass kein Bedürfnis dafür besteht, zugunsten des Gläubigers eine gleichsam vorweg genommene Genehmigung des Schuldners zu konstruieren. Dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt indessen auch in Fällen zum Widerruf berechtigt ist, in denen der Schuldner persönlich u.U. nach § 826 BGB haften würden, ergibt sich, wie bereits dargestellt, aus der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Der Kläger verweist ferner darauf, dass die Abbuchungen im Lastschriftverfahren von den Parteien bereits ungefähr 3 Jahre lang (zutreffend angesichts der Erteilung der Einziehungsermächtigung am 12.03.2003 wohl: ungefähr 2 ? Jahre lang) problemlos durchgeführt worden seien und bezieht sich zur Frage einer von ihm behaupteten konkludenten Genehmigung von Lastschriftabbuchungen auf die Entscheidung des Landgerichts Hannover WM 2005, 1319 [LG Hannover 29.12.2004 - 23 O 7/04]. In dieser Entscheidung ist eine konkludente Genehmigung von Kontobelastungen darin gesehen worden, dass die dortige Schuldnerin über einen Zeitraum von mehr als 2 Jahren Lastschriftabbuchungen im Gesamtumfang von über 2 Mio. DM widerspruchslos hingenommen hatte, bevor sie (am 10.10.2000) Widersprüche gegen Belastungen durch (im Zeitraum vom 02.02.1996 bis 06.04.1998 veranlasste) Lastschriften erhob. Der entscheidende Unterschied zu dem vorliegend in Rede stehenden Fall liegt somit darin, dass die dortige Schuldnerin die Widersprüche erst mehr als 2 Jahre nach Durchführung der letzten betroffenen Belastungsbuchungen und zwischenzeitlicher Fortführung der Geschäftsbeziehung erhob, so dass aus dem Verhalten der Schuldnerin nach Abbuchungen der fraglichen Beträge unter Berücksichtigung des verstrichenen Zeitraums auf eine konkludente Genehmigung geschlossen werden konnte. In dem hier zu entscheidenden Fall bestand die von dem Kläger angeführte längere Geschäftbeziehung mit Praktizierung der Einzugsermächtigungsverfahrens allerdings vor den fraglichen, jeweils zeitnah widerrufenden Lastschriftbuchungen, so dass aus dem Verhalten der Schuldnerin während der zuvor bestandenen Geschäftsbeziehung - die mit Einleitung der Insolvenzverfahrens beendet gewesen sein dürfte - nicht auf eine konkludente Genehmigung der hier in Rede sehenden, nachfolgenden Belastungsbuchungen geschlossen werden kann; anderenfalls würde dies im Ergebnis wiederum zur Annahme einer "Genehmigung im Vorwege" führen, die, wie bereits oben dargestellt, abzulehnen ist.
Soweit der Kläger schließlich darauf abstellen will, dass die Insolvenzschuldnerin die Belastungen verbucht und im Rahmen ihrer Vorsteueranmeldung berücksichtigt habe, ist zur Frage des Zeitpunkts dieser Handlungen - die notwendig erst nach Durchführung der Belastungsbuchungen stattgefunden haben können - nicht näher vorgetragen worden und auch nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass dies in jedem Fall innerhalb der wenigen Wochen zwischen Belastung und Widerruf erfolgt wäre. Im Übrigen handelt sich hierbei um rein interne Vorgänge der Insolvenzschuldnerin bzw. um eine Erklärung gegenüber dem Finanzamt, denen kein Erklärungswert dem Gläubiger gegenüber zukommt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.