Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.07.2022, Az.: 14 LA 99/22
Erhöhtes Pflegegeld
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.07.2022
- Aktenzeichen
- 14 LA 99/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59623
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.04.2021 - AZ: 4 A 460/19
Rechtsgrundlagen
- § 39 Abs 4 S 3 SGB 8
Tenor:
Die Anträge der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 13. April 2021 sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren und Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten werden abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt einen erhöhten Betrag für Erziehung und Pflege ihrer Tochter C. nach § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 30. September 2017.
Die Klägerin ist allein sorgeberechtigte Mutter der am … 2001 geborenen C. und des am … 2006 geborenen D.. Seit dem 11. Mai 2008 leben beide Kinder in einer Pflegefamilie und wird für sie Jugendhilfe in Form der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gewährt.
Mit Schreiben vom 15. März 2012 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin, für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung gemäß § 33 SGB VIII zuständig geworden zu sein. Ab dem 1. April 2012 werde durch ihn für ihre Tochter C. Hilfe in Form der Vollzeitpflege gewährt, deren Umfang und Ausgestaltung sich nach dem Hilfeplan richten würden. Den Pflegeeltern teilte der Beklagte mit, für die Tochter der Klägerin im Rahmen der Hilfe zur Erziehung zusätzlich zum laufenden Pflegegeld nach § 29 SGB VIII bis zum 31. Mai 2012 einen erhöhten Erziehungsbeitrag zu zahlen. Die Voraussetzungen lägen auf Grund festgestellter Diagnose vor. Auf jeweilige Anträge der Pflegemutter gewährte der Beklagte zuletzt einen erhöhten Erziehungsbeitrag nach § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII bis zum 30. April 2016.
Bereits mit Schreiben vom 9. September 2015 hatte der Beklagte gegenüber den Pflegeeltern angekündigt, ab dem 1. Oktober 2015 keinen erhöhten Erziehungsbeitrag mehr zu leisten, weil der erhöhte Erziehungsbeitrag und das von der Pflegekasse (gemäß § 37 SGB XI) gewährte Pflegegeld deckungsgleich seien.
Unter dem 1. Februar 2016 stellte die Pflegemutter einen Antrag auf Gewährung einer Verlängerung des erhöhten Erziehungsbeitrages für ihr Pflegekind C.. Mit Schreiben vom 13. September 2016 wies der Beklagte die Pflegeeltern darauf hin, dass allein die Personensorgeberechtigten anspruchsberechtigt seien und, falls ein rechtsmittelfähiger Bescheid gewünscht werde, diese zunächst einen Antrag auf Gewährung eines Erhöhungsbetrages für Pflege und Erziehung stellen müssten.
Am 13. Oktober 2017 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Zahlung eines erhöhten Erziehungsbeitrages.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 legitimierte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beim Beklagten und beantragte die Nachzahlung der erhöhten Beträge ab dem 1. Mai 2016. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 eine rückwirkende Leistung zum 1. Mai 2016 mit der Begründung ab, der Weiterbewilligungsantrag sei von der personensorgeberechtigten Klägerin erst am 13. Oktober 2017 gestellt worden. Mit Bescheid vom 26. Februar 2019 gewährte der Beklagte der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Oktober 2017 die erhöhten Beträge.
Die gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2019 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stade mit Urteil vom 13. April 2021 abgewiesen. Leistungen der Jugendhilfe setzten grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Jugendhilfeträger voraus. Der Anspruch auf einen erhöhten Betrag für Erziehung und Pflege nach § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII stehe als Annex-Anspruch zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung den Sorgeberechtigten, also hier der Klägerin zu. Soweit im SGB VIII die anspruchsberechtigte Person nicht ausdrücklich angegeben sei, sei zu berücksichtigen, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht sei (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Die Klägerin habe erst am 13. Oktober 2017 einen Antrag gestellt. Der Antrag der nicht antragsberechtigten Pflegemutter sei auch nicht nachträglich durch den Antrag der Klägerin genehmigt worden. Denn durch das Antragserfordernis solle dem Leistungsträger eine zeit- und bedarfsgerechte Leistungserbringung nach der ordnungsgemäßen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglicht werden. Dies schließe eine nachträgliche Kostenübernahme für den Zeitraum vor der Antragstellung grundsätzlich aus und § 184 BGB sei daher hier nicht entsprechend anwendbar.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die von ihr geltend gemachte Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (dazu unter a)) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (dazu unter b)) liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt.
a) Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 -, juris Rn. 32 und v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 -, juris, Rn. 10; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 jeweils m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben kommt die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in Betracht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht für die Bewilligung des begehrten erhöhten Erziehungsbeitrages nach § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII zu Recht einen durch sie selbst ausdrücklich gestellten Antrag verlangt. Leistungen der Jugendhilfe setzen grundsätzlich eine vorherige Antragstellung gegenüber dem Jugendhilfeträger voraus; der Antrag kann dabei auch durch schlüssiges Verhalten gestellt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.9.2000 - 5 C 29.99 -, juris Rn. 11 ff.; NdsOVG, Urt. v. 2.8.2013 - 4 LA 112/12 -, juris Rn. 3). Dass hinsichtlich der „regulären“ Leistung des Pflegegeldes gemäß §§ 27, 33 SGB VIII eine vorherige Antragstellung vorausgesetzt wird und es sich bei der Gewährung eines erhöhten Pflegegeldes um eine reine Annexleistung zur erzieherischen Hilfe handelt, dürfte zwischen den Beteiligten unstreitig sein. Die Klägerin ist jedoch der Auffassung, dass eine vorherige Antragstellung bei der streitgegenständlichen Annexleistung nicht notwendig sei, da diese sich als automatische Folge aus dem Antrag auf die Hauptleistung ergebe. Diesem Vorbringen ist in dieser Allgemeinheit schon deshalb nicht zu folgen, weil die Gewährung des erhöhten Pflegegeldes gerade nicht automatisch erfolgt, sondern erst nach einer - in regelmäßigen Abständen vorzunehmenden - Bedarfsprüfung, bei der festgestellt wird, ob ein erzieherischer Aufwand vorliegt, der erheblich über dem typisch bei Kindern/Jugendlichen zu leistenden hinausgeht (vgl. § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII). Schon deshalb ist es erforderlich, auch diese Annexleistung ausdrücklich zu beantragen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin reichte jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation der Antrag der Pflegemutter vom 1. Februar 2016 nicht aus. Es war vielmehr erforderlich, dass die Klägerin als Inhaberin des Anspruchs auf Leistung eines erhöhten Erziehungsbeitrages den Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend machte.
Der streitgegenständliche Anspruch steht allein der Klägerin zu. Bei der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII steht der Anspruch auf Leistungen zum Unterhalt des Kindes bzw. Jugendlichen in Vollzeitpflege (sogenanntes „Pflegegeld“) nach § 39 i. V. m. §§ 27 Abs. 1, 33 SGB VIII als sog. „Annex-Anspruch“ zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung allein dem Personensorgeberechtigten und damit nicht der Pflegeperson zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.1997 - 5 C 11.96 -, juris Rn. 9 u. v. 12.9.1996 - 5 C 31.95 -, juris Rn. 13; SächsOVG, Beschl. v. 22.10.2020 - 3 A 477/20 -, juris Rn. 9; NdsOVG, Beschl. v. 12.5.2014 - 4 LA 136/13 -, juris Rn. 4). Auch das von der Klägerin auf der Grundlage des § 39 Abs. 4 Satz 3 SGB VIII begehrte erhöhte Pflegegeld ist eine Leistung zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen im Sinne des § 39 SGB VIII und steht somit als „Annex-Anspruch“ zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung ebenfalls allein dem Personensorgeberechtigten zu (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.9.2011 - 12 ZB 11.1517 -, juris Rn. 9). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Pflegemutter die Personensorgeberechtigung für die Tochter der Klägerin nicht zusteht. Folglich ist Inhaberin des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung und des Anspruchs auf Leistungen zum Unterhalt des Kindes nach § 39 i. V. m. § 27 Abs. 1 SGB VIII die Klägerin als Kindesmutter. Eine Abtretung des Anspruchs der Kindesmutter aus § 39 SGB VIII an die Pflegemutter ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Aus Nr. 3 Abs. 1 der Richtlinie des Beklagten über die Gewährung eines erhöhten Erziehungsbeitrages folgt unabhängig von der rechtlichen Einordnung dieser Vorgabe nichts Gegenteiliges. Denn jedenfalls könnten auch bei einer unzutreffenden Vorgabe seitens des Beklagten die zuvor dargestellten gesetzlichen Vorgaben nicht unterlaufen werden. Selbst wenn der Beklagte auf dieser Grundlage in der Vergangenheit zu Unrecht das erhöhte Pflegegeld ausgezahlt haben sollte, könnte hieraus mangels entsprechender Rechtsgrundlage kein Vertrauensschutz hergeleitet werden. Im Übrigen teilte der Beklagte der Pflegemutter bereits mit Schreiben vom 13. September 2016 ausdrücklich mit, dass die Klägerin als Kindsmutter anspruchsberechtigt sei, ein Antrag der Klägerin erfolgte jedoch erst am 13. Oktober 2017 und somit 13 Monate später.
Das Erfordernis einer Beantragung der streitgegenständlichen Leistung ab dem 1. Mai 2016 durch die Klägerin ergab sich jedenfalls aus den Besonderheiten des hier vorliegenden Falles. Der Beklagte hatte die Leistungen für einen begrenzten Zeitraum bewilligt, der mit Ablauf des 30. April 2016 endete. Anschließend erfolgte keine Weiterbewilligung des Erhöhungsbeitrages zum Pflegegeld, weil der Beklagte die Auffassung vertrat, diesen aus Rechtsgründen nicht mehr leisten zu müssen, da der entsprechende Bedarf durch Leistungen der Pflegekasse nach § 37 SGB XI abgedeckt sei. Darüber hatte der Beklagte die Pflegeeltern als Empfänger dieser Leistung zuvor auch informiert. Insofern lag ein neuer rechtlicher Sachverhalt und mithin eine Zäsur in einer zuvor kontinuierlichen Hilfegewährung vor. Um den Anspruch auf Leistung eines erhöhten Erziehungsbeitrages gegenüber dem Beklagten trotz dieser neuen Sachlage geltend zu machen und diesen - ggf. gerichtlich - durchzusetzen, war es mithin erforderlich, dass der Anspruchsinhaber dem Beklagten gegenüber einen entsprechenden Antrag stellte. Denn nur der Anspruchsinhaber kann über diesen Anspruch verfügen.
Vor diesem Hintergrund führt auch das Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt argumentiert, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der erzieherische Bedarf geringer gewesen sei, dabei bleibe insbesondere die Regelung des § 37 Abs. 2a SGB VIII erkennbar ohne Bedeutung, denn ab dem 1. Oktober 2017 sei das erhöhte Pflegegeld auf Antrag der Klägerin gewährt worden, nicht weiter. Gleiches gilt für ihren Verweis auf den Grundsatz der Hilfekontinuität. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hier schon keine Reduzierung einer bereits bewilligten Zahlung vor. Erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes wurde das erhöhte Pflegegeld - wie oben dargelegt - nicht weiterbewilligt. Diesem Vorgehen steht der Grundsatz der Hilfekontinuität nach dem für den im streitgegenständlichen Zeitraum noch geltenden § 37 Abs. 2a SGB VIII a.F. (jetzt § 37c Abs. 4 SGB VIII) nicht entgegen. Darin ist vorgesehen, dass eine Abweichung von den im Hilfeplan gemäß den Sätzen 1 bis 3 getroffenen Feststellungen nur bei einer Änderung des Hilfebedarfs und entsprechender Änderung des Hilfeplans auch bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zulässig ist. Mit diesen Vorgaben zur Hilfeplanaufstellung will der Gesetzgeber einen Beitrag zur Kontinuität der Hilfe leisten. Sofern die Zuständigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe von § 86 wechselt, sollen grundsätzlich die vereinbarten Bestandteile des Hilfeplans weiterhin wirksam bleiben (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 8.9.2021 - 12 B 1207/21 -, juris Rn. 20; zur nunmehr aktuell geltenden Fassung des § 37c Abs. 4 SGB VIII in der Fassung vom 3. Juni 2021, BGBl I S. 1444 ff.). Eine Änderung des Hilfeplans ist danach nur zulässig, wenn sich auch der Hilfebedarf tatsächlich geändert hat. Voraussetzung ist also eine tatsächliche Änderung des Bedarfs, hingegen ist grundsätzlich eine Neubewertung unzulässig, etwa nach einem Zuständigkeitswechsel innerhalb der Jugendhilfe (BT-Drs. 17/6256, S. 23; Berneiser in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl., 2022, § 37c, Rn. 39). Aus dieser Regelung lässt sich für die Klägerin nichts herleiten, da eine Abweichung von dem Hilfeplan nicht in Rede steht. Eine geänderte Bedarfssituation wurde gerade nicht festgestellt. Dies trägt die Klägerin auch selbst vor, indem sie ausführt, der Beklagte hätte zu keinem Zeitpunkt damit argumentiert, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der erzieherische Bedarf geringer gewesen sei. Die Höhe der Leistung wurde deswegen gekürzt, weil der Beklagte davon ausgegangen war, dass die Deckung des erhöhten Betrages für die Pflege und Erziehung für C. bereits von den Leistungen der Pflegekasse gedeckt seien. Dabei orientierte er sich an obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OVG SH, Urt. v. 28.5.2015 - 3 LB 14/14 -, V.n.b.), so dass ihm auch nicht vorgeworfen werden kann, er habe die Leistung trotz bestehenden Anspruchs bewusst nicht bewilligt. Nach der Auffassung des Beklagten lag somit für den vorhergehenden Zeitraum insoweit eine rechtswidrige Leistungsgewährung vor, die eine Bindungswirkung nicht entfaltet (vgl. Gallep in: Wiesner/Walper, SGB VIII, 6. Aufl., 2022, § 37c, Rn. 44). Allein der Umstand, dass der Beklagte nach der späteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 14.11.2017 - 5 C 15.16 -, veröffentlicht in juris) zu Unrecht die Zahlung eines erhöhten Pflegegeldes abgelehnt hatte, führt nicht automatisch dazu, dass die Klägerin einen Anspruch hierauf für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 30. September 2017 hat. Die Klägerin hätte sich - wie bereits ausgeführt - gegen die Ablehnung der Weitergewährung durch den Beklagten wenden und einen erhöhten Bedarf geltend machen müssen. Dies hat sie erst im Oktober 2017 durch ihren Antrag gemacht.
Die Annahme der Klägerin, sie könne sich eine fristgerechte Willenserklärung der Pflegeperson nachträglich zu eigen machen, trifft nicht zu. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht gegeben. Die allenfalls aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Frage kommenden Vorschriften im Vertragsrecht (§§ 164 ff. BGB) kommen hier nicht entsprechend zur Anwendung. Dies wäre allenfalls denkbar, wenn die Pflegemutter eine eigene Willenserklärung im Namen der Klägerin abgegeben hätte, ohne die entsprechende Vertretungsmacht zu haben. In diesem Fall wäre durch die nachträgliche Zustimmung der Klägerin „eine schwebend unwirksame“ Willenserklärung geheilt. Vorliegend hat die Pflegemutter willentlich und ausdrücklich einen Antrag im eigenen Namen gestellt.
b) Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage über die Notwendigkeit einer fristgerechten Antragstellung der Sorgeberechtigten verleiht der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 211 m.w.N.). Hieran fehlt es. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, beurteilt sich die Frage, ob eine Antragstellung durch die Klägerin erforderlich war, nach den besonderen Umständen des hier vorliegenden Einzelfalles. Eine Bedeutung über diesen Fall hinaus liegt nicht vor. Soweit die Klägerin darüber hinaus darauf verweist, es bestehe eine Aufklärungspflicht des Beklagten über die richtige Antragstellung, genügt ihr Vorbringen schon nicht den Darlegungsanforderungen.
2. Die Bewilligung der von der Klägerin beantragten Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht, weil ihr Antrag auf Zulassung der Berufung nicht die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Aus diesem Grund war auch dem Beiordnungsantrag nicht stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).