Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.06.2007, Az.: L 7 AL 391/04

Vergütungsanspruch des Betreibers einer privaten Arbeitsvermittlung aus einem Vermittlungsgutschein für einen Arbeitslosen; Zweck eines Vermittlungsgutscheins; Voraussetzung für die Entstehung eines Vergütungsanspruchs; Notwendigkeit des Abschlusses eines Maklervertrages zwischen Arbeitssuchendem und privatem Arbeitsvermittler; Grenzen des Maklervertrages zum Schutze des Arbeitssuchenden; Erfordernis der Schriftform des Maklervertrages; Zweck des Schriftformerfordernisses

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
12.06.2007
Aktenzeichen
L 7 AL 391/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 35073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0612.L7AL391.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 19.08.2004 - AZ: S 3 AL 234/03

Redaktioneller Leitsatz

Der Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers setzt ausdrücklich einen deckungsgleichen Vergütungsanspruch des vom Arbeitsuchenden eingeschalteten Vermittlers gegen den Arbeitsuchenden selbst voraus.
Ist ein Vertrag über die Vermittlung eines Arbeitsuchenden mangels Schriftform nichtig, kann der Arbeitsuchende auch nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch genommen werden.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 19. August 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist der Vergütungsanspruch des Klägers aus einem durch die Beklagte für die Beigeladene ausgestellten Vermittlungsgutschein streitig.

2

Der Kläger betreibt eine private Arbeitsvermittlung unter dem Namen "G." und schaltete am 16. Oktober 2002 ein Inserat zwecks Suche einer Mitarbeiterin als Spielhallenaufsicht für H ... Am 17. Oktober 2002 meldete sich die Beigeladene telefonisch auf diese Anzeige beim Kläger, der ihr für den nächsten Tag, dem 18. Oktober 2002 einen Vorstellungstermin bei der Firma I. GmbH und Co KG vermittelte. Bei dieser Firma wurde die Beigeladene ab 1. November 2002 als Serviceteammitarbeiterin eingestellt und bis zum 23. April 2003 beschäftigt.

3

Unter dem 28. Oktober 2002 schlossen der Kläger und die Beigeladene einen Arbeitsvermittlungsvertrag. Danach verpflichtete sich die Beigeladene an den Kläger eine Vergütung von 2.000,00 EUR für den Fall einer erfolgreichen Vermittlung durch diesen in einen Arbeitsvertrag über eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich zu zahlen. Am 28. Oktober 2002 stellte die Beklagte für die Klägerin einen Vermittlungsgutschein über 2.000,00 EUR gemäß § 421g Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) aus. Am 27. November 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage des Vermittlungsgutscheins und einer Vermittlungsbestätigung der Firma I. GmbH und Co KG die Zahlung einer Vermittlungsvergütung von zunächst 1.000,00 EUR. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 16. Januar 2003 und Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 ab, weil der Vermittlungsvertrag nach der erfolgten Vermittlung abgeschlossen wurde.

4

Mit der am 18. Juni 2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Einlösung eines Vermittlungsgutscheins setze nicht voraus, dass vor der Vermittlung ein schriftlicher Vertrag zwischen Vermittler und Bewerber abgeschlossen sein müsste. Dies ergebe sich aus einem Umkehrschluss aus §§ 296 Abs. 3 und 421g Abs. 3 SGB III. Für die Entstehung des Anspruchs stellten diese Vorschriften ausdrücklich nur auf das materielle Kriterium der Vermittlung, nicht aber auch auf den formwirksamen Abschluss eines Vermittlungsvertrages ab. Dies liege im Interesse sowohl des Arbeitsuchenden als auch der Beklagten, mit den Vermittlungsbemühungen sofort zu beginnen, ohne tagelang abzuwarten, bis der vom Arbeitsuchenden unterschriebene Vermittlungsvertrag an den Vermittler zurückgesandt worden sei.

5

Das Sozialgericht (SG) hat nach Vernehmung der Beigeladenen als Zeugin durch Gerichtsbescheid vom 19. August 2004 die angegriffenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 1.000,00 EUR an den Kläger verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass der Vermittlungsvertrag rein privat-rechtlicher Natur sei und sich nach den Regeln des Maklervertrages im Sinne des § 652 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) richte. Es könne nicht zu Lasten des Vermittlers gehen, wenn der Arbeitsuchende den Vertrag erst unterschreibe, nachdem die Vermittlung bereits erfolgreich abgelaufen sei. Als der Kläger den Vermittlungsgutschein zur Auszahlung vorgelegt habe, seien alle rechtlichen Voraussetzungen einschließlich des Schriftformerfordernisses erfüllt gewesen.

6

Gegen den am 25. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 24. September 2004 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass nach ihrer Auffassung der Vermittlungsvertrag schriftlich vor der Vermittlung abgeschlossen sein müsse. Dabei sei die Vermittlung an dem Tage erfolgt, an dem die Einigung über die wesentlichen Inhalte des Arbeitsvertrages erzielt worden sei, im Fall der Beigeladenen bei dem Vorstellungsgespräch am 18. Oktober 2002.

7

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 19. August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

9

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

10

Die Beigeladene hat den Inhalt der Zeugenaussage bestätigt, dass nach ihrer Auffassung der Kläger mit ihrer Einstellung bei der Firma I. nichts zutun gehabt habe, weil sie vom Arbeitgeber erst nach einer ursprünglichen Absage erneut angesprochen und eingestellt worden sei.

11

Wegen des vollständigen Sachverhalts und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Kunden Nr. J., Band II) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheids und zur Klagabweisung. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte aus dem für die Beigeladene ausgestellten Vermittlungsgutschein vom 28. Oktober 2002.

13

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 421g SGB III, eingefügt durch das Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 23.03.2002 (BGBl. I S. 1130), ab 27.03.2002 in Kraft. Danach haben bestimmte Personen Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins gegenüber der Beklagten (Abs. 1 Satz 1). Mit diesem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die Beklagte, den Vergütungsanspruch eines vom Anspruchsberechtigten eingeschalteten Vermittlers, der diesen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe bestimmter Bestimmungen zu erfüllen (Abs. 1 Satz 2). Nach § 421g Abs. 2 Satz 3 SGB III wird die Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Die Zahlung erfolgt unmittelbar an den Vermittler (§ 421g Abs. 2 Satz 4 SGB III). Die Beklagte hat für die Beigeladene einen solchen Vermittlungsgutschein ausgestellt, dessen Einlösung der Kläger nunmehr betreibt.

14

Der Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers gemäß § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III setzt aber ausdrücklich einen deckungsgleichen Vergütungsanspruch des vom Arbeitsuchenden eingeschalteten Vermittlers gegen den Arbeitsuchenden selbst voraus. Dieser Vergütungsanspruch des Vermittlers ergibt sich aus dem zivilrechtlichen Maklervertragsrecht (§ 652 BGB), welches durch öffentlich-rechtliche Normen überlagert und modifiziert wird (BSG SozR 4-4300 § 421g Nr. 1). Zwischen dem privaten Arbeitsvermittler und dem Arbeitsuchenden besteht also ein privatrechtlicher gegenseitiger Vertrag, nach dem sich der private Vermittler zur Vermittlung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten und der Arbeitsuchende bei Zustandekommen dieses Arbeitsverhältnisses zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Die privatautonome Ausgestaltung des Vermittlungsvertrages mit dem Arbeitsuchenden wird jedoch zum Schutz des Arbeitnehmers sowohl hinsichtlich der Form als auch hinsichtlich des Inhalts Einschränkungen unterworfen. Diese sind in § 296 Abs. 1 SGB III geregelt. Der Vermittler wird also Inhaber eines öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs gegenüber der Beklagten, nur soweit er diesen ohne Vermittlungsgutschein auch gegen den Arbeitnehmer durchsetzen könnte.

15

Der Kläger hat hier zivilrechtlich keinen Vergütungsanspruch gegen die Beigeladene, den er über den Vermittlungsgutschein bei der Beklagten liquidieren könnte. Gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 SGB III bedarf der Vermittlungsvertrag mit einem Arbeitsuchenden der schriftlichen Form. Wird die erforderliche Schriftform nicht eingehalten, sind Vereinbarungen zwischen einem Arbeitsvermittler und einem Arbeitsuchenden über die Zahlung der Vergütung unwirksam (§ 297 Nr. 1 SGB III). Daran scheitert das Begehren des Klägers. Seine Vermittlungstätigkeit vom 17. Oktober 2002 basierte nicht auf einem schriftlichen Vermittlungsvertrag. Der später unter dem 28. Oktober 2002 abgeschlossene Vermittlungsvertrag kann daran nichts ändern.

16

Entgegen der Auffassung des Klägers reicht es nicht aus, dass irgendwann später der Vermittlungsvertrag schriftlich fixiert wird. Schon gar nicht liegt es - wie der Kläger weiterhin behauptet - im Interesse des Arbeitsuchenden oder der Arbeitsverwaltung, dass ein privater Arbeitsvermittler ohne vorherige schriftliche Vereinbarung tätig wird. Die zusätzliche Reglementierung des Maklervertrages in § 296 SGB III hat der Gesetzgeber gezielt wegen der in der Regel schwächeren Verhandlungsposition des Arbeitsuchenden vorgesehen. Denn die getroffenen Regelungen sollen den Schutz des Arbeitsuchenden vor der Ausnutzung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Notlage und seiner Unerfahrenheit dienen (BT-Drucks. 14/8546 S. 6). Insbesondere die Schriftform hat eine Warn- und Transparenzfunktion (vgl. zur gleichen Rechtslage beim Kreditvermittlungsvertrag: BGHZ 163, 332). Der Arbeitsuchende muss wissen, bevor er sich auf die Dienste eines privaten Arbeitsvermittlers einlässt, welche Verpflichtungen auf ihn zukommen. Aus diesem Grunde muss der Vermittler dem Arbeitsuchenden den Vertragsinhalt in Textform mitteilen (§ 296 Abs. 1 Satz 4 SGB III). Das bedeutet, dass bereits vor Beginn der vermittlerischen Tätigkeit der Arbeitsuchende den unterschriebenen Vertragstext in der Hand haben muss. Ihm muss anhand der Vertragsunterlagen bewusst sein, dass anders als bei der kostenlosen Arbeitsvermittlung durch die Beklagte die erfolgreiche Vermittlung in Arbeit durch einen privaten Dienstvermittler vergütungspflichtig ist. Ist ein Vertrag über die Vermittlung eines Arbeitsuchenden mangels Schriftform nichtig, kann der Arbeitsuchende auch nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden (Landgericht Berlin vom 07.02.2006 - 5 O 287/05). Diese Überlegungen zeigen, dass der schriftliche Vermittlungsvertrag unabdingbare Voraussetzung ist, damit der private Arbeitsvermittler tätig werden kann. Diese Voraussetzung ist im Falle des Klägers nicht erfüllt.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Kläger ist als privater Arbeitsvermittler kein Leistungsempfänger im Sinne des § 183 SGG. Eines besonderen sozialen Schutzes im Rahmen des sozialgerichtlichen Kostenrechts bedarf es nicht (BSG SozR 4-1500 § 183 Nr. 3).

18

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52, 63 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 1.000,00 EUR festzusetzen.

19

Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.