Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.06.2007, Az.: L 7 B 42/07 AS

Kostentragung wegen der Vertagung oder der Neuanberaumung eines Termins auf Grund eines schuldhaften Verhaltens eines Beteiligten; Zulässigkeit eines Beschlusses über die Verzögerungsgebühr in jeder Lage des Verfahrens

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.06.2007
Aktenzeichen
L 7 B 42/07 AS
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 33737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0614.L7B42.07AS.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 19.12.2006 - AZ: S 18 AS 583/05

Tenor:

Auf Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. Dezember 2006 aufgehoben. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet und führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses.

2

Der Kläger begehrt in zwei Klageverfahren jeweils unter Anfechtung der Bewilligungsbescheide der Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung einer um ein Drittel erhöhten Regelleistung, Kosten der Unterkunft sowie Freibeträge wegen Erwerbstätigkeit in gesetzlicher Höhe. Das Sozialgericht (SG) Braunschweig hat den Rechtsstreit vertagt und mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 19. Dezember 2006 dem Kläger die Kosten des Termins in Höhe von 150,00 EUR auferlegt, weil er erst am 15. Dezember 2006 vorgetragen habe, dass ab 1. März 2005 ein neuer Pachtvertrag mit erhöhten Nebenkosten gegolten und dazu als Beweis die Verpächterin als Zeugin angeboten habe. Dem Gericht sei es aufgrund der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, die Zeugin zu laden; diese sei durch den Kläger auch nicht sistiert worden.

3

Gemäß § 192 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 02.01.2002 gültigen Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 07.08.2001 (BGBl. I S. 2144) kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist. Das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beteiligten wird diesem zugerechnet (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG). Mit dieser an § 38 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) angelehnten Regelung wollte der Gesetzgeber auch den Sozialgerichten die Möglichkeit eröffnen, in Fällen, in denen Beteiligte oder ihre Vertreter schuldhaft das Verfahren verzögert haben, dem jeweiligen Beteiligten ganz oder teilweise die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen (BT-Drucks. 14/5943 S. 28 zu Nr. 65). Zwischen dem schuldhaften Verhalten eines Beteiligten und der Vertagung oder der Neuanberaumung eines Termins muss also ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei muss der Beteiligte schuldhaft die im Prozess notwendige Sorgfalt verletzt haben (Hk-SGG/Groß, 2. Auflage, § 192 Rdnr. 4 - 7).

4

Der angefochtene Beschluss des SG kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil eine derartige Entscheidung nach dem klaren Wortlaut des Einleitungssatzes in § 192 Abs. 1 Satz 1 SGG nur anlässlich beziehungsweise nach der Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ergehen darf. Zwar geht die Zivilgerichtsbarkeit davon aus, dass ein Beschluss über die Verzögerungsgebühr in jeder Lage des Verfahrens zulässig ist (Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage § 38 GKG Rdnr. 22; OLG Bamberg FamRZ 1979, 834; OLG München FamRZ 2001, 433 [OLG München 17.07.2000 - 11 W 2003/00]). Anders als § 38 GKG (bis zum 30.06.2004: § 34 GKG) schreibt jedoch § 192 Abs. 1 Satz 1 SGG vor, dass das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss Verschuldenkosten auferlegen kann. Die Rechtslage im Sozialgerichtsverfahren hat daher die selbe Regelung wie bei der Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG erfahren. Das ist auch gerechtfertigt, weil § 192 SGG keine Strafvorschrift darstellt, sondern nur eine spezielle und zusätzliche Kostenverteilung im Hinblick auf das kostenverursachende Verschulden eines Beteiligen beinhaltet. Wenn das Verfahren nicht durch Urteil erledigt wird, darf das SG deshalb über Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nur dann durch Beschluss befinden, wenn der Rechtsstreit anders beendet wird (a. A. LSG Nds-Bremen 30.09.2003 - L 4 B 6/03 SF -, Nds. Rpfl. 2004, 140). Das trifft hier nicht zu, weil die Klageverfahren noch anhängig sind.

5

Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass unabhängig von dieser Sachentscheidungsvoraussetzung das prozessuale Verhalten des Klägers die Auferlegung von Verschuldenskosten nicht gerechtfertigt hat. Der Verzögerungstatbestand liegt nach Auffassung des SG offenbar nur in Bezug auf die Höhe der Unterkunftskosten. Das bedeutet, dass zumindest bezüglich der weiteren Forderungen des Klägers (höhere Regelsätze und geringerer Anrechnungsbetrag wegen Nebeneinkommens) ein Teilurteil hätte ergehen können, das nicht von ihm verzögert wurde. Aber auch bezüglich der Unterkunftskosten konnte der Kläger nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Sache nicht entscheidungsreif sei. Die Beklagte hat nämlich nicht bestritten, dass ab 1. März 2006 ein neuer Pachtvertrag mit einem erhöhten Pachtzins abgeschlossen wurde, sondern auf der Basis der vorgelegten Unterlagen eine nähere Überprüfung der Angelegenheit angekündigt. Eventuelle Unklarheiten hätten aus der Sicht des Klägers im Termin geklärt werden können, nachdem das Gericht sein persönliches Erscheinen angeordnet hatte. Der Kläger konnte mit gutem Grund annehmen, dass eine Zeugenvernehmung nicht erforderlich sei, hätte das Gericht ansonsten vor der mündlichen Verhandlung über sein Gesuch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 17. November 2006 (Bl 21 in der Akte S 18 AS 583/05) positiv entscheiden müssen. Dem Kläger kann schließlich nicht vorgeworfen werden, er habe erst am 15. Dezember 2006 den neuen Pachtvertrag mit den erhöhten Nebenkosten ab 1. März 2005 vorgelegt, weil er hierzu ausdrücklich und unter Fristsetzung bis zu diesem Tage durch Verfügung des SG Braunschweig vom 5. Dezember 2006 im Rechtsstreit S 8 AS 234/05 aufgefordert worden ist. Die Benennung der Zeugin mit ladungsfähiger Anschrift ist auch nach entsprechender Aufforderung des SG Braunschweig vom 17. November 2006 in beiden anhängigen Klageverfahren erfolgt. Der Kläger hat sich also so verhalten, wie es das Gericht von ihm verlangt hatte.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beklagte in das Beschwerdeverfahren aktiv eingegriffen und einen Antrag gestellt hat, der nicht erfolgreich war, entspricht es der Billigkeit, sie mit den außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren zu belasten.

7

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).