Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 13.10.2023, Az.: 12 B 1365/23

Außenbereich; Erweiterungsabsicht; Geruch; Gerüche; Heranrückende Wohnbebauung; Lärm; Organische Siedlungsstruktur; Ortsteil; Erfolgreicher Eilantrag des Inhanbers einer landwirtschaftlichen Hofstelle gegen heranrückende Wohnbebauung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.10.2023
Aktenzeichen
12 B 1365/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 39359
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:1013.12B1365.23.00

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 30.11.2022, mit dem die Antragsgegnerin den Beigeladenen die Baugenehmigung für den Neubau eines Zweifamilienhauses mit Doppelgarage erteilt hat, wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Baugenehmigung für ein Zweifamilienhaus mit Doppelgarage, die die Antragsgegnerin den Beigeladenen erteilt hat.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks H. 100 in I. (Flurstück J., Flur K., Gemarkung L.). Das Grundstück liegt in einer kleinen Siedlung östlich von I.. Es schließt südlich an die in West-Ost-Richtung verlaufende H. an. Östlich wird es von der Hindenburgstraße begrenzt, die von der H. nach Süden abzweigt. In der nordwestlichen Ecke des Grundstücks befindet sich das Wohnhaus des Antragstellers, an das südlich landwirtschaftliche Nebengebäude anschließen. Insbesondere erstreckt sich von West nach Ost beinahe über die gesamte Grundstücksbreite ein Gebäudekomplex, für dessen westlichen Teil eine Baugenehmigung als Stall für Schweine und Kühe vorliegt, dessen mittlerer Teil die alte Scheune bildet, an die östlich ein Maschinenraum angebaut ist, und der im Osten mit einer Doppelgarage abschließt. Südlich ist an die Scheune und den Maschinenraum ein kleinerer Stall angebaut, der von einer Grünfläche umgeben wird. Ungefähr 50 m südlich der H. beginnt auf dem Grundstück des Antragstellers Ackerland.

Westlich der Grundstücks des Antragstellers befinden sich die Grundstücke H. 96 und 98, die ebenfalls jeweils mit einem Wohnhaus an der H. bebaut sind. Entlang der Ostseite der M. reihen sich 8 Wohnhäuser, eines davon mit angeschlossener Tischlerei. Um die beschriebene Bebauung mit ihren rückwärtigen Gärten herum befindet sich Grün- und Ackerland. Für das Gebiet besteht kein Bebauungsplan.

An das Grundstück H. 98, das im Eigentum der Beigeladenen zu 1. steht, grenzt südlich das Flurstück N. (Flur K., Gemarkung L., im Folgenden: Vorhabengrundstück) an, das beiden Beigeladenen gehört und das sie im nördlichen Bereich bebauen möchten.

Im Mai 2013 stellte die Beigeladene zu 1. eine Bauvoranfrage für eine Wohnbebauung mit Garagen im nördlichen Teil des Vorhabengrundstücks. Mit Bauvorbescheid vom 12.12.2013 führte die Antragsgegnerin aus, die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richte sich nach § 35 BauGB, bei Beachtung bestimmter Vorgaben zur Baugrenze, zur Firsthöhe und zur Zuwegung werde aber eine Baugenehmigung in Aussicht gestellt, da keine öffentlichen Belange beeinträchtigt würden. Die Geltungsdauer des Bauvorbescheids wurde auf Antrag der Beigeladenen zu 1. dreimal verlängert, zuletzt bis zum 12.12.2022. Nachdem der Antragsteller Kenntnis von dem Vorbescheid erlangt hatte, legte er Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

Am 23.09.2021 beantragten die Beigeladenen eine Baugenehmigung für ein Zweifamilienhaus mit Doppelgarage, die die Antragsgegnerin ihnen mit Bescheid vom 30.11.2022 erteilte. Ausweislich der grüngestempelten Antragsunterlagen soll das Wohnhaus im Abstand von 4,50 m von der Grenze zum Grundstück des Antragstellers und die Garage in der nordwestlichen Ecke des Vorhabengrundstücks errichtet werden; die Zufahrt ist entlang der Grenze zum Grundstück des Antragstellers über das an der Straße liegende Grundstück der Beigeladenen zu 1. geplant. Die Baugenehmigung macht eine von den Beigeladenen vorgelegte schalltechnische Untersuchung der O. GmbH & Co. KG (im Folgenden: P.) vom 27.10.2022 zum Bestandteil und weist darauf hin, dass das Vorhabengrundstück durch landwirtschaftliche Emissionen, insbesondere vom Grundstück des Antragstellers, vorbelastet sei und empfiehlt, bauseits Schallschutzmaßnahmen vorzunehmen.

Mit Schreiben vom 23.12.2022 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Antragsgegnerin am 27.01.2023 ab.

Am 09.02.2023 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Er macht geltend, das geplante Zweifamilienhaus füge sich nicht in die nähere Umgebung ein und verletze ihm gegenüber das Gebot der Rücksichtnahme. Die planungsrechtliche Zulässigkeit sei nach § 34 Abs. 1 BauGB zu bewerten, weil das Vorhaben am Bebauungszusammenhang entlang der Berliner Straße teilnehme. Allerdings passe es nicht zur vorhandenen Wohnbebauung, da die Häuser H. 96 bis 100 jeweils straßenbegleitend und nicht in zweiter Reihe errichtet seien. Daneben sei das Vorhaben zum einen rücksichtslos, weil durch das Wohnhaus, die Garagen und die Zuwegung Unruhe in den rückwärtigen Bereich getragen werde. Zum anderen rücke mit dem geplanten Zweifamilienhaus eine Wohnbebauung so nah an seine Hofstelle heran, dass er Einschränkungen zu befürchten habe. Seine Familie betreibe seit Generationen einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Tierhaltung auf dem Grundstück. Bis ins Jahr 2018 habe seine Schwester den Betrieb im Nebenerwerb bewirtschaftet und er wolle diese bestandskräftig genehmigte Nutzung nach seinem Eintritt in den Ruhestand fortsetzen. Die Hühnerhaltung sei jedenfalls im südlich angebauten Stall zulässig, der verfahrensfrei habe errichtet werden können. Geschützt sei überdies nicht nur der Bestand, sondern auch die künftige Entwicklung seines landwirtschaftlichen Betriebes. Das geplante Wohnhaus sei von dem Stall, in dem seine Schwester bis vor kurzem Schweine und Mutterkühe und zuletzt Hühner gehalten habe, lediglich 9 m entfernt. Es liege auch ohne Geruchsgutachten auf der Hand, dass dieser Abstand zu gering sei. Aus dem Schallgutachten des P. ergebe sich ebenso wie aus einer Plausibilitätsüberprüfung der Ingenieurbüro Q. GmbH (im Folgenden: R.) vom 14.02.2023, dass die prognostizierten Lärmemissionen seines Betriebs nachts die zulässigen Werte für ein Dorfgebiet an verschiedenen Immissionsorten überschreiten würden und dass der Wert am Immissionsort am geplanten Wohnhaus am höchsten sei. Bei einer realistischen Betrachtung der Schallquellen würde am Wohnbauvorhaben der Beigeladenen gegebenenfalls auch tags ein Richtwert überschritten werden. Auf die Belastung bereits vorhandener Wohnbebauung in der Umgebung komme es nicht an, da diese sich jederzeit ändern könne. Zudem liege das geplante Wohnhaus exponierter als die vorhandenen Häuser, die mindestens 14 m Abstand zu dem westlichen Stall hätten. Außerdem seien die vorhandenen Wohngebäude im Zuge landwirtschaftlicher Nutzungen errichtet und genehmigt worden, woraus sich ein geringerer Schutzanspruch ergebe. Schließlich könne die Zuwegung zum Vorhaben nicht die geplante Breite von 3,50 m haben, weil der Abstand zwischen der Grundstücksgrenze und der vorhandenen Garage auf dem vorderen Grundstück der Beigeladenen zu 1. weniger als 3 m betrage.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 30.11.2022 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie führt aus, der Antragsteller könne sich nicht auf ein mangelndes Einfügen nach § 34 BauGB berufen, da diese Norm keinen Drittschutz vermittele und weil das Vorhaben nicht im unbeplanten Innenbereich, sondern im Außenbereich liege. Das Vorhaben rücke auch nicht rücksichtslos an die landwirtschaftliche Hofstelle des Antragstellers heran. Die Lärmimmissionen seien im Rahmen einer "Worst-Case-Betrachtung" gutachterlich untersucht worden. Die Rechtsauffassung des Antragstellers, wonach das Vorhaben ohne Berücksichtigung der bereits vorbelasteten Umgebung und Bestandsbebauung zu beurteilen sei, entspreche nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die zu erwartende Geruchsbelastung des Vorhabens überschreite nach einer überschlägigen Berechnung der Richtlinienabstände die Geruchsimmissionswerte des Anhangs 7 der TA Luft für den Außenbereich oder ein Dorfgebiet nicht. In Bezug auf die von der Hofstelle des Antragstellers ausgehenden Gerüche liege das Vorhaben entgegen der Hauptwindrichtung. In vorbelasteten Lagen bestimme grundsätzlich nicht der jeweilige Immissionsrichtwert der GIRL, sondern das Maß der genehmigten, dem Stand der Technik entsprechenden und nicht gesundheitsschädlichen Vorbelastung die Schwelle der Zumutbarkeit von Gerüchen. Auf die Vorbelastung durch Emissionen im landwirtschaftlichen Kontext weise die Baugenehmigung hin. Der landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetrieb des Antragstellers befinde sich bereits ohne das hinzutretende Vorhaben der Beigeladenen in einer Situation, in der er auf die Belange der westlich und östlich benachbarten Wohngebäude Rücksicht nehmen müsse. Die vom Antragsteller beabsichtigte Hühnerhaltung sei im westlichen Stall oder in den anderen Gebäuden nicht genehmigt. Der südliche Stallanbau sei formell baurechtswidrig, weil für ihn keine Baugenehmigung vorliege und er zu groß sei, um im Außenbereich verfahrensfrei zu sein. Die Nutzung des genehmigten Stalles sei im Hinblick auf die Zahl der Tiere unter anderem aufgrund tierschutzrechtlicher Anforderungen eingeschränkt. Das Vorhaben der Beigeladenen trage auch nicht rücksichtslos Unruhe in den rückwärtigen Grundstücksbereich des Antragstellers hinein, da dieser landwirtschaftlich genutzt und durch die Wirtschaftsgebäude abgeschirmt werde. Die beanstandete Zufahrtsbreite sei weder nachbarschützend noch relevant.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Sie sind der Auffassung, dass der Antragsteller sich unabhängig von einer Einordnung des Vorhabengrundstücks als Innen- oder Außenbereich lediglich auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen könne, dieses aber nicht verletzt sei. Der Antragsteller könne nicht monieren, ihr Vorhaben trage Unruhe in den rückwärtigen Bereich, da er selber in Anspruch nehme, dort Lärm mit Traktoren und anderen Aktivitäten zu verursachen. Die landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten des Antragstellers würden nicht beschränkt, soweit sie bestandskräftig genehmigt seien. Unabhängig von der vorhandenen Bebauung müsse ihr Vorhaben insoweit die vorgefundene Immissionssituation hinnehmen, von der ersichtlich keine Gesundheitsgefahr ausgehe. Das Schallgutachten des P. gehe vom schlechtesten Fall aus und werde durch die Plausibilitätsprüfung des S. nicht erschüttert. Dabei seien die Annahmen zu den Traktorfahrten im westlichen Bereich unzutreffend, weil der Antragsteller dort ohne Inanspruchnahme des Vorhabengrundstücks nicht mit schwerem Gerät entlangfahren könne. Die Bestandsgarage auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. wahre den Mindestabstand von 3 m.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Der zulässige Eilantrag hat Erfolg.

Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs ist begründet.

In Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist "ausgewogener" Rechtsschutz zu gewähren. Nicht nur auf Seiten des Nachbarn drohen vollendete, weil unumkehrbare Tatsachen einzutreten, wenn das Vorhaben verwirklicht wird. Auch auf Seiten des Bauherrn können solche nicht oder nur schwer wiedergutzumachenden Folgen eintreten. Diese bestehen im Falle einer Antragsstattgabe in jedem Fall darin, die durch den Aufschub verlorene Zeit nicht nachholen und damit die in dieser Zeit erzielbaren Gewinne nicht mehr realisieren zu können. Da der Antragsteller von den Folgen des § 945 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Nachbarstreit verschont bleibt, kommt in Verfahren des vorläufigen Nachbarrechtsschutzes den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt ist dabei in aller Regel nur summarisch zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung gibt dem Vollzugsinteresse des Bauherrn nicht erst dann Vorrang, wenn die Baugenehmigung danach mehr oder minder zweifelsfrei Nachbarrechte dieses Antragstellers nicht verletzt. Ein derartiger Rechtsschutz wäre nicht ausgewogen, weil er das Risiko, die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei nur summarischer Prüfung nicht vollständig und zweifelsfrei ermitteln zu können, einseitig dem Bauherrn auferlegte, obwohl dessen Bauabsicht nach der gesetzlichen Wertung (§ 212a BauGB) grundsätzlich Vorrang genießen soll. Eine Stattgabe des vorläufigen Rechtsschutzantrags kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, der Rechtsbehelf des Nachbarn in der Hauptsache sei jedenfalls derzeit begründet (Nds. OVG, Beschl. v. 25.01.2007 - 1 ME 177/06 -, juris Rn. 11, und Beschl. v. 14.06.2017 - 1 ME 64/17 -, juris Rn. 13).

Eine danach vorgenommene Überprüfung ergibt, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird.

Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die nach § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO nur dann versagt werden darf, wenn das Vorhaben im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Eine Verletzung derartiger drittschützender, dem Schutz des Antragstellers dienender Normen durch die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich gegeben.

Die Kammer geht dabei ebenso wie die Antragsgegnerin davon aus, dass das Vorhabengrundstück sich im Außenbereich befindet. Überwiegendes spricht dafür, dass es sich bei der einseitigen Bebauung entlang der H. und der M. nicht um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB handelt.

Für einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil müssen die Tatbestandsmerkmale "Bebauungszusammenhang" und "Ortsteil" kumulativ erfüllt sein. Ein Ortsteil ist ein Bebauungskomplexes im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, Beschl. v. 07.06.2016 - 4 B 47/14 -, juris Rn. 10). Letzteres schließt das ein, was im Gegensatz zur unerwünschten Splittersiedlung dem inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs. An einer solchen Angemessenheit fehlt es beispielsweise bei einer Anhäufung von behelfsmäßigen Bauten. Auch eine völlig regellose und in dieser Anordnung geradezu funktionslose Bebauung kann ebenso wie - unter entsprechenden Voraussetzungen - eine bandartige oder einzeilige Bebauung die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - IV C 31.66 -, juris Rn. 23).

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Anzahl von 11 Wohnhäusern mit Nebengebäuden an der H. und der M. ausreicht, um eine Bebauung von gewissem Gewicht zu bejahen (verneint für 13 Wohneinheiten: VG Hannover, Urt. v. 14.03.2017 - 4 A 1424/16 -, juris Rn. 19). Daneben ist nicht ersichtlich, dass die Siedlung Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Hier reihen sich die Wohnhäuser zwar in relativ kurzen Abständen entlang der beiden Straßen auf und erwecken daher den Eindruck der Geschlossenheit. Eine angemessene Fortentwicklung ist aber nicht angelegt. Insbesondere ist die einseitige und einzeilige Straßenbebauung inmitten des Außenbereichs nicht durch einen aktuellen Nutzungszweck oder eine Funktion, wie etwa die Bebauung eines Seeufers, gerechtfertigt (vgl. zur Einzelfallbetrachtung bei bandartiger Bebauung OVG NRW, Urt. v. 10.07.2018 - 2 A 2504/16 -, juris Rn. 75 ff.). Zudem ist die M. bereits auf ihrer gesamten Länge bebaut.

Selbst wenn sich die einseitige Bebauung entlang der H. und der M. als ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil darstellen würde, nähme das Vorhabengrundstück jedenfalls nicht am Bebauungszusammenhang teil. Maßgeblich für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 04.06.2021 - 1 LA 145/20 -, juris Rn. 8; BVerwG, Beschl. v. 30.08.2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 8). Regelmäßig endet der Bebauungszusammenhang am letzten Baukörper (BVerwG, Beschl. v. 12.03.1999 - 4 B 112.98 -, juris Rn. 21), sodass die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich auch vor- und zurückspringen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.07.1990 - 4 B 103.90 -, juris Rn. 2). Zur "Bebauung" im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinne "Nebenanlagen" zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen. So können Scheunen, Ställe und Gewächshäuser grundsätzlich nicht maßstabsbildend für den Bebauungszusammenhang sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.2015 - 4 C 5/14 -, juris Rn. 15, 19f.; Nds. OVG, Beschl. v. 09.12.2022 - 1 LA 138/21 -, juris Rn. 12). Auch "bebauungsakzessorisch" genutzte rückwärtige Grundstücksflächen mit und ohne Nebenanlagen wie etwa Hausgärten können im Einzelfall als noch vom Wohnbereich geprägt angesehen werden und damit dem Innenbereich zuzuordnen sein (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 08.07.2021 - 1 LA 8/19 -, juris Rn. 9; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Werkstand: 147. EL August 2022, § 34 Rn. 22 m.w.N.). Dies gilt jedoch nur für kleinere, hausnahe Flächen, die keiner selbständigen baulichen Nutzung zugeführt werden können (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 11.06.2004 - 7 A 1475/04 -, juris Rn. 10; OVG Schl.-Holst., Urt. v. 17.05.2011 - 1 K 21/98 -, juris Rn. 21, und Beschl. v. 26.09.2012 - 1 LA 42/12 -, juris Rn. 11).

Nach diesen Maßgaben liegt der Vorhabenstandort nicht im Zusammenhang der straßenbegleitenden Bebauung südlich der H.. Auch wenn ein Teil der Gärten südlich der Wohnhäuser Berliner Straße 96 und 98 einschließlich der rückwärtigen Nebenanlagen zum Bebauungszusammenhang zählen mag, endet diese Zurechnung jedenfalls an der nördlichen Grenze des Vorhabengrundstücks, das gerade zum Zweck der eigenständigen baulichen Nutzung von dem früher größeren Grundstück H. 98 abgetrennt wurde. Der benachbarte landwirtschaftliche Gebäudekomplex aus Scheune, Ställen und Maschinenraum auf dem Grundstück des Antragstellers ist selbst nicht Teil des Bebauungszusammenhanges und kann daher auch keine Zugehörigkeit vermitteln. Mit der Wohnbebauung auf der gegenüberliegenden Seite der M. besteht offenkundig keine Verbindung.

Aufgrund der Lage im Außenbereich ist nicht zu prüfen, ob das Vorhaben sich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ebenso bleibt außer Betracht, dass das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig sein dürfte, denn einem Nachbarn steht kein allgemeiner Abwehranspruch gegen im Außenbereich unzulässige Vorhaben zu (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.06.2018 - 1 LB 141/16 -, juris Rn. 22).

Es ist jedoch überwiegend wahrscheinlich, dass das Vorhaben sich als rücksichtslos erweisen wird.

Bei Außenbereichsvorhaben hat das Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf "schädliche Umwelteinwirkungen" in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine ausdrückliche Regelung erfahren; im Übrigen ist es, soweit es nicht um (schädliche) Immissionen geht, sondern um sonstige nachteilige Wirkungen eines Außenbereichsvorhabens, ein ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.2017 - 4 C 3/16 -, juris Rn. 11). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge billigerweise zuzumuten ist (BVerwG, Beschl. v. 13.03.2019 - 4 B 39.18 -, juris Rn. 9 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 21.08.2020 - 1 LB 140/20 -, juris Rn. 8; VG Hannover, Urt. v. 22.04.2021 - 4 A 3809/20 -, juris Rn. 39, und Beschl. v. 09.02.2023 - 12 B 4795/22 -, juris Rn. 28). Hier kann der Antragsteller zwar nicht reklamieren, das Vorhaben trage Unruhe in den rückwärtigen Bereich, jedoch wird sich die heranrückende Wohnbebauung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachteilig auf die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks des Antragstellers auswirken (nachfolgend unter 1. u. 2.).

1. Der Vortrag des Antragstellers, durch das Wohnhaus, die Garagen und die Zuwegung werde Unruhe in den rückwärtigen Bereich getragen, verfängt nicht.

Die Rechtsprechung, wonach Stellplätze und Garagen möglichst kein Störpotential in Ruhezonen hereintragen sollen, ist vorliegend nicht einschlägig. Sie setzt voraus, dass der rückwärtige Bereich bislang durch relative Wohnruhe gekennzeichnet ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 26.04.2023 - 1 ME 26/23 -, juris Rn. 25). Der rückwärtige Bereich des Grundstücks des Antragstellers wird hingegen nicht zu Wohnzwecken genutzt, sondern dient dem landwirtschaftlichen Betrieb, der selbst Lärm emittiert.

2. Die Wohnbebauung auf dem Vorhabengrundstück wird die Nutzung des Grundstücks des Antragstellers jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unzulässig einschränken.

Heranrückende Wohnbebauung verletzt einem bestehenden emittierenden Betrieb gegenüber das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ihr Hinzutreten die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Betrieb arbeiten muss, gegenüber der vorher gegebenen Lage verschlechtert. Das ist dann der Fall, wenn der Betrieb durch die hinzutretende Bebauung mit nachträglichen Auflagen rechnen muss (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 12.06.2018 - 1 LB 141/16 -, juris Rn. 23). Davon ist hier zwar nicht hinsichtlich der Lärmemissionen, jedoch in Bezug auf die Geruchsemissionen der landwirtschaftlichen Hofstelle des Antragstellers auszugehen (nachfolgend unter a) und b)).

a) In Bezug auf die Lärmemissionen der Hofstelle des Antragstellers dürfte durch das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen keine rechtliche Verschlechterung der gegebenen Lage zu erwarten sein.

Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB darf auch ein Vorhaben im Außenbereich keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufen. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Die Ermittlung und Bewertung von Geräuschimmissionen orientiert sich grundsätzlich an den Vorgaben der TA Lärm, die als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert. Nach Nummer 1 Abs. 2 Buchst. c) TA Lärm sind nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen allerdings wegen der besonderen Privilegierung der Landwirtschaft ausdrücklich vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausgenommen. Da Betriebe der Landwirtschaft im Hinblick auf ihren Standort beschränkt sind und lediglich im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) oder in Dorfgebieten (§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) errichtet werden dürfen, sind dort die mit ihnen einhergehenden Immissionen gerade auch unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots von benachbarten Nutzungen grundsätzlich hinzunehmen. Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Emissionen sind auch in Bezug auf Lärm (Tiergeräusche, Lärm von Maschinen sowie Be- und Entlüftungsanlagen) gebietstypisch und daher in der Regel nicht als unzulässige Störung der in der Nachbarschaft vorhandenen oder geplanten Wohnnutzung anzusehen (st. Rspr. des BayVGH, Beschl. v. 21.01.2022 - 1 CS 21.2866 -, juris Rn. 18). Die gegenläufige Ansicht, wonach landwirtschaftliche Lärmemissionen auch im Außenbereich nach den Vorgaben der TA Lärm für Dorf-, Misch- und Kerngebiete beurteilt werden können (vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 13.06.2018 - Au 5 S 18.808 -, juris Rn. 61; "allenfalls" OVG NRW, Beschl. v. 03.09.1999 - 10 B 1283/99 -, juris Rn. 20f.), setzt sich nach Auffassung der Kammer über die Systematik der TA Lärm hinweg, die zum einen nicht auf nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen anwendbar ist und zum anderen keine Immissionsrichtwerte für den Außenbereich vorsieht.

Danach sind dem im Außenbereich liegenden Wohnbauvorhaben der Beigeladenen die Lärmimmissionen durch den Betrieb des Antragstellers zuzumuten, auch wenn ausweislich des Gutachtens des P. vom 27.10.2022 nachts das Spitzenpegelkriterium der TA Lärm, nach dem einzelne Geräuschspitzen den Nachtwert im Mischgebiet von 65 dB (A) nicht überschreiten sollen, am Wohnbauvorhaben nicht eingehalten werden kann. Nach dem Gutachten sind nachts Geräuschspitzen von 83 dB (A) zu erwarten. Eine Gesundheitsgefährdung resultiert daraus nicht, zumal die Baugenehmigung in den Nebenbestimmungen Nr. 14 und Nr. 16 darauf hinweist, dass das Vorhabengrundstück durch landwirtschaftliche Emissionen, insbesondere vom Grundstück des Antragstellers, vorbelastet sei, und empfiehlt, bauseits Schallschutzmaßnahmen vorzunehmen.

b) In Bezug auf die Geruchsemissionen der Hofstelle des Antragstellers ist allerdings mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Betrieb Einschränkungen erfährt.

Die Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche orientiert sich an der Geruchsimmissionsrichlinie (GIRL), wenn der Vorhabenträger vor dem 01.12.2021 einen vollständigen Genehmigungsantrag gestellt hat, anderenfalls ist die TA Luft in ihrer ab dem 01.12.2021 geltenden Fassung anwendbar (vgl. die Übergangsregelung in Nr. 8 TA Luft; Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2022 - 1 ME 48/22 -, juris Rn. 13). Hier haben die Beigeladenen den Bauantrag zwar bereits am 23.09.2021 gestellt, das schalltechnische Gutachten des P. aber erst im Jahr 2022 vorgelegt, so dass zur Bewertung der Geruchsimmissionen Nr. 4.3.2 TA Luft i.V.m. Anhang 7 heranzuziehen ist.

Für die alte Rechtslage ist anerkannt, dass Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen sind, die eine schutzbedürftige Nutzung an einem Standort vorfindet, der durch eine schon vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt ist. Im Umfang der Vorbelastung sind Immissionen zumutbar, auch wenn sie nach Maßgabe der Immissionsrichtwerte der GIRL in einem vergleichbaren Gebiet sonst nicht hinnehmbar wären. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass, wenn in einem erheblich vorbelasteten Gebiet ein weiteres emittierendes Vorhaben zugelassen werden soll, das jedenfalls dann möglich ist, wenn hierdurch die vorhandene Immissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird, sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat und das - immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige - Vorhaben den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG genügt. Ein neu hinzutretendes Vorhaben muss demzufolge die vorgefundene Geruchsbelastung, die sich aus einer im Rahmen der bestehenden Genehmigungen liegenden Wirtschaftsweise ergibt, als schutzmindernd und damit als zumutbar im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, § 3 Abs. 1 BImSchG hinnehmen. Dabei hat die Baugenehmigungsbehörde davon auszugehen, dass der Betreiber einer Anlage die ihm nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG obliegenden Pflichten erfüllt (Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2022 - 1 ME 48/22 -, juris Rn. 13 f., 17). Ein Wohnbauvorhaben fügt sich hinsichtlich der hinzunehmenden Immissionen in die "vorbelastete" Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es nicht stärkeren Belastungen ausgesetzt sein wird als die bereits vorhandene Wohnbebauung. In solchen Fällen verschärft das hinzutretende Vorhaben weder die bereits vorhandenen Konflikte noch begründet es erstmalig neue Nutzungskonflikte (BVerwG, Urt. v. 15.09.2022 - 4 C 3/21 -, juris Rn. 14). Diese Rechtsprechung ist auf die neue Rechtslage übertragbar, die in Nr. 5 des Anhangs 7 zur TA Luft ebenfalls eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Geruchsbelastung (Ortsüblichkeit) fordert.

Die vom Antragsteller beabsichtigte Hühnerhaltung ist zwar im Bestand nicht möglich (nachfolgend unter aa)). Die Pläne des Antragstellers sind aber konkret genug, um eine Rücksichtnahmepflicht zu begründen, gegen die das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verstößt (nachfolgend unter bb)).

aa) Die bestehenden Genehmigungen umfassen keine Hühnerhaltung. Der Bauschein Nr. 396/22 vom 12.04.1962 erlaubte ausweislich der anliegenden Grundrisszeichnung die Nutzung des westlichen Stalles lediglich für die Haltung von Kühen und Schweinen und in einem östlich an die Scheune angebauten Stall auch Hühnerhaltung. Zwischenzeitlich hat der Antragsteller allerdings eingeräumt, dass dieser Hühnerstall zurückgebaut wurde.

Eine Hühnerhaltung in dem südlich angebauten Stall ist nicht zulässig, da der Stall formell illegal ist. Allein aus dem Umstand, dass er im Lageplan zur Baugenehmigung für die Doppelgarage vom 24.06.1982 als Bestandsgebäude eingezeichnet ist, ergibt sich offenkundig keine Legalisierungswirkung. Es handelt sich bei dem Anbau auch nicht um eine verfahrensfreie Baumaßnahme. Gemäß § 60 Abs. 1 NBauO i.V.m. Ziffer 1.1 des Anhangs zur § 60 Abs. 1 NBauO dürfen Gebäude und Vorbauten ohne Aufenthaltsräume, Toiletten und Feuerstätten im Außenbereich ohne Baugenehmigung errichtet werden, wenn sie nicht mehr als 20 m3 Brutto-Rauminhalt haben. Dieses Volumen überschreitet der südliche Stallanbau deutlich, der nach den Angaben des Antragstellers Außenmaße von 4 m x 3,80 m x 2,60 m aufweist und damit einen Brutto-Rauminhalt von etwas weniger als 39,52 m3 umfasst. Als Hühnerstall, der zumindest jede Nacht von den Tieren belegt ist, stellt er sich auch nicht als Gebäude dar, das im Sinne von Ziffer 1.3 des Anhangs zur § 60 Abs. 1 NBauO nur zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt ist.

bb) Die Pläne des Antragstellers zur Hühnerhaltung sind jedoch als konkrete Erweiterungsabsichten geschützt und würden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch das Vorhaben der Beigeladenen verhindert oder zumindest eingeschränkt.

Für die Beurteilung der Immissionslage sind neben gegenwärtigen Immissionen auch solche maßgeblich, die von bestimmten Betriebserweiterungen zu erwarten sind. Berücksichtigungsfähig ist das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung, nicht jedoch eine unklare und unverbindliche Absichtserklärung hinsichtlich der Entwicklung eines landwirtschaftlichen Betriebes; erst recht braucht bei der Zulassung eines Vorhabens im Außenbereich nicht schon auf vage Erweiterungsinteressen eines Landwirts Rücksicht genommen zu werden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 16.08.2018 - 1 LC 180/16 -, juris Rn. 17 unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 05.09.2000 - 4 B 56.00 -, juris Rn. 7).

Hier hat der Antragsteller zwar betont, er wolle den genehmigten Bestand nutzen. In der Sache hat er aber Planungen umrissen, die - wie soeben ausgeführt - nicht innerhalb des genehmigten Bestandes zu verwirklichen sind. Diese Planungen sind zwar noch nicht detailliert ausgereift, lassen aber Ort, Art und Umfang der Nutzung ausreichend klar erkennen. So hatte der Antragsteller im Schreiben vom 20.08.2021 an die Antragsgegnerin dargelegt, er wolle die Tierhaltung in dem von seiner Schwester genutzten Stallgebäude wieder aufnehmen und werde unter anderem ein Hühnermobil mit ca. 250 Tieren unterbringen wollen. Mit Schreiben vom 13.09.2021 hatte er der Antragsgegnerin mitgeteilt, er beabsichtige, in dem Stallgebäude 200 Hühner und einige Großvieheinheiten unterzubringen; er plane die Fortsetzung der Geflügelhaltung in dem Stallgebäude, das dem nachbarlichen Wohnbauvorhaben unmittelbar gegenüberliege. Auf beide Schreiben hat der Antragsteller auch im Gerichtsverfahren Bezug genommen. Bei einem Ortstermin am 16.06.2022 hat er ebenfalls angegeben, er wolle im Stall neben der ehemaligen Futterküche zu Anfang ca. 50 bis 100 Hühner im Nebenerwerb halten, später könnten es gegebenenfalls bis zu 200 Hühner werden. Die Hühner würden auf dem Freiland hinter dem Haus gehalten und nachts in die Stallungen gebracht. Demnach möchte der Antragsteller in dem westlichen Stall Hühner in einer Größenordnung von 200 Tieren halten und den südlichen Hofbereich als Auslauf nutzen.

Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass trotz der bereits vorhandenen Nachbarbebauung zumindest ein Teil dieser beabsichtigten Hühnerhaltung genehmigungsfähig wäre, diese am Wohnbauvorhaben der Beigeladenen aber zu unzumutbaren Geruchsbelastungen führen würde.

Zwar hat die Immissionsschutzbehörde des Landkreises zur Frage der Belastung der bereits vorhandenen Wohnbebauung und des geplanten Vorhabens durch die Haltung von bis zu 200 Hühnern im westlichen Stall und auf dem südlichen Außengelände keine Stellung genommen. Vielmehr ist sie in ihrer Stellungnahme vom 04.07.2022 davon ausgegangen, dass keine Hühnerhaltung zu berücksichtigen sei, und hat sich lediglich zur Geruchsbelastung durch die Haltung von Schweinen und Kühen geäußert. Auch wäre deshalb keine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Denn selbst wenn die Einholung eines an sich erforderlichen Gutachtens unterbleibt, führt dies lediglich dazu, dass das Gericht oder bei - wie hier - noch nicht abgeschlossenem Widerspruchsverfahren die Widerspruchsbehörde im Nachbarstreit die verbleibenden Fragen im Hauptsacheverfahren von Amts wegen selbst aufzuklären hat. Vorläufiger Rechtsschutz ist jedoch dann zu gewähren, wenn sich eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse aufdrängt oder zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit annehmen lässt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 32 und 46; VG Hannover, Beschl. v. 20.02.2023 - 12 B 5434/22 -, juris Rn. 39) und dies ist hier der Fall.

Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die erforderliche Rücksichtnahme auf die bereits vorhandene Wohnbebauung an der H. und der M. einer Hühnerhaltung über den Umfang einer reinen Hobbyhaltung hinaus im westlichen Stall und auf der südlichen Hoffläche nicht grundsätzlich entgegensteht. Auch diese Wohnbebauung liegt im Außenbereich und hat dementsprechend vergleichsweise geringe Schutzansprüche. Das Wohnhaus H. 98 ist durch die Bestandsgarage teilweise vom westlichen Stall und zugleich durch den westlichen Stall von der südlichen Auslauffläche abgeschirmt und liegt entgegen der Windrichtung. Die Wohnbebauung an der M. liegt zwar in Windrichtung, wird aber vom Stall- und Scheunengebäude sowie vom südlich angebauten Stall auf dem Grundstück des Antragstellers abgeschirmt. Zudem könnten die Immissionen für die Bebauung an der M. durch eine Beschränkung des Auslaufs auf den westlichen Teil des Grundstücks des Antragstellers reduziert werden. Eine Hühnerhaltung in einem Umfang, der der vorhandenen Nachbarbebauung noch zumutbar wäre, würde am Wohnbauvorhaben der Beigeladenen hingegen die maßgeblichen Werte aller Wahrscheinlichkeit nach überschreiten. Das geplante Wohnbauvorhaben wäre den Emissionen der beabsichtigten Hühnerhaltung eindeutig stärker ausgesetzt. Es soll wenige Meter neben dem westlichen Stall und dem anschließenden südlichen Auslaufgelände errichtet werden und liegt damit sehr viel näher als das Wohnhaus H. 98 und die Wohnhäuser an der M.. Die Fenster und Türen des Stalles sind zudem in der West- und Südwand zum geplanten Wohnbauvorhaben hin ausgerichtet und es befinden sich keine abschirmenden Baukörper zwischen Stall, Auslauffläche und Wohnbauvorhaben.

Entsprechende Überlegungen gelten im Übrigen für die bislang im Verfahren nicht thematisierten Staubbelastungen.

Ob die Nutzung des westlichen Stalles für eine Haltung von Schweinen und Kühen zu unzumutbaren Geruchseinwirkungen auf das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen führen würde, kann danach offenbleiben. Anzumerken ist, dass die Immissionsschutzbehörde des Landkreises T. in ihrer Stellungnahme an die Antragsgegnerin vom 04.07.2022 lediglich mitgeteilt hat, nach einer überschlägigen Berechnung der Richtlinienabstände auf Grundlage der VDI 3894 und in Anbetracht der geringen Anzahl an Tieren, der Außenbereichslage und der Windrichtung sei trotz des geringen Abstandes keine Überschreitung der Geruchsimmissionsrichtwerte gemäß Anhang 7 der TA Luft zu erwarten. Da sie weder die Eingangsparameter der überschlägigen Berechnung noch das Ergebnis beschrieben hat, ist diese Schlussfolgerung nicht überprüfbar.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Antragsgegner trägt die Kostenlast allein, weil die Beigeladenen keinen Antrag gestellt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beigeladenen selbst, weil sie dem unterlegenen Antragsgegner beigetreten sind (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 17 b) und Nr. 7 d) der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 01.06.2021 eingegangene Verfahren (BauR 2021, 1240). Der danach in der Hauptsache anzunehmende Wert von 20.000,- Euro ist im Hinblick auf das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.