Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 09.02.2023, Az.: 12 B 4795/22
Abgrabung; Abstand; Baulast; Bestimmtheit; demselben Grundstück; Einsichtsmöglichkeiten; Gebietserhaltungsanspruch; Gebietsprägungsanspruch; Rücksichtnahmegebot; Rückwärtiger Ruhebereich; Stellplätze; Verschattung; Drittwiderspruch gegen Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus mit Stellplätzen im unbeplanten Innenbereich
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 09.02.2023
- Aktenzeichen
- 12 B 4795/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 11059
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0209.12B4795.22.00
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Baugenehmigung, die die Antragsgegnerin der Beigeladenen zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Stellplätzen erteilt hat.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks G. 10 in H. (Flurstück I., Flur J. der Gemarkung H.), das östlich an die ungefähr in Nord-Süd-Richtung verlaufende G. angrenzt. Im Westen ist das Grundstück mit einem Einfamilienhaus bebaut, das der Antragsteller bewohnt, im östlichen Bereich befindet sich der Garten des Antragstellers. Südlich grenzt das Grundstück G. 9 (Flurstück K., Flur J. der Gemarkung A-Stadt) an, für das die Beigeladene als Bauherrin am 18.01.2022 die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus mit 6 Wohneinheiten und 6 Stellplätzen bei der Antragsgegnerin beantragte. Das Mehrfamilienhaus soll an der G. liegen und sich 25 m nach Osten erstrecken. Die Wohnungen sind im Erdgeschoss, im ersten Stock sowie in einem Dachgeschoss geplant. Die Stellplätze befinden sich im östlichen Gebäudeteil teils im Erdgeschoss und teils unterhalb der Balkone auf der Ostseite des Gebäudes. Die Zufahrt zu den Stellplätzen verläuft entlang der nördlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers. Da das Terrain von Südwesten nach Nordosten ansteigt und das neue Gebäude auf Straßenniveau errichtet werden soll, sind zum Grundstück des Antragstellers hin Abgrabungen vorgesehen. Diese werden mit Winkelstützen gehalten, die im östlichen Bereich eine Höhe von 3 m erreichen. Im Abstand von 12,50 m zur G. ist an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers für einen Streifen, der 8,50 m breit und 1 m tief ist, eine Baulast mit folgendem Wortlaut eingetragen:
"Als Eigentümer des Grundstücks (...) verpflichte ich mich, auch zu Lasten meiner Rechtsnachfolger, die in dem beigefügten Lageplan gelb gekennzeichnete Grundstückfläche zugunsten des Grundstücks G. 10 (...) für die Bemessung des Grenzabstands dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig verzichte ich darauf, diese Teilfläche für die Bemessung des Grenzabstandes für bauliche Anlagen auf meinem Grundstück in Anspruch zu nehmen."
Diese Baulast ermöglichte es dem Antragsteller, rückwärtig an sein Haus einen Wintergarten in einer Entfernung von 2 m zur Grundstücksgrenze anzubauen. Beide Grundstücke liegen in einem Bereich des Stadtgebiets der Antragsgegnerin südlich des Bahnhofs, für den kein Bebauungsplan besteht. Folgende Satellitenaufnahme zeigt den Straßenblock, in dem das Grundstück des Antragstellers liegt (rotes Kreuz).
Mit Bescheid vom 04.07.2022 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung und ließ eine Unterschreitung der Abstände auf dem Vorhabengrundstück zwischen dem Wohnhaus und der Winkelstützwand zu.
Mit Schreiben vom 27.07.2022 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein, über den noch nicht entschieden wurde. Als die Beigeladene am 02.11.2022 mit den Bauarbeiten begann, stellte der Antragsteller einen Antrag bei der Antragsgegnerin, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen, den diese ablehnte.
Am 08.11.2022 hat der Antragsteller um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Er hält die Genehmigung für rechtswidrig, da sie im Hinblick auf eine Absturzsicherung auf den Winkelstützen, bezogen auf die Absicherung seines Grundstücks und seines Hauses gegen Schäden durch die Baumaßnahmen zu seinen Lasten und zum Brandschutz, zu unbestimmt sei. Daneben verletze die Baugenehmigung seinen Gebietsprägungsanspruch. In der prägenden Umgebung bestehe eine Wohnbebauung mit Einfamilienhäusern an der Straße, freien rückwärtigen Flächen und einer gewachsenen Baugrenze, die das geplante Gebäude um 7 m und die mit Stellplätzen versiegelte Fläche um weitere 7 m überschreite. Sofern die Antragsgegnerin das Vorliegen einer faktischen Baugrenze unter Hinweis auf das Gebäude auf dem Grundstück G. 5 in Frage stelle, sei dieses ohne Baugenehmigung errichtet worden und könne nicht maßgeblich für weitere Vorhaben sein. Die Bebauung von ungefähr 60 % des Vorhabengrundstückes gehe auch weit über das übliche Maß hinaus. § 34 BauGB entfalte Drittschutz, wenn wie hier das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die per Abstandsbaulast gesicherte Fläche mitgenutzt werde und das Bauvorhaben daher näher als die normalerweise einzuhaltenden 3 m an sein Grundstück heranrücke. Daneben bestehe der notwendige Sozialabstand für den rückwärtigen Ruhebereich nicht mehr. Er sei ständiger Beobachtung ausgesetzt und müsse sich bewusst abwenden, um den neuen Nachbarn nicht in die Räume zu schauen. Gegebenenfalls entfalte die neue Bebauung auch negative Vorbildfunktion für die Nachbargrundstücke. Auch nehme der Zugangsverkehr zu den Stellplätzen deutlich zu, der durch die Nichtbeachtung der Abstandsflächen zudem näher an sein Grundstück herangerückt sei. Der gesamte Stellplatzverkehr führe an seiner Grundstücksgrenze vorbei und geparkt werde im besonders ruhegeschützten Gartenbereich. Des Weiteren werde sein Grundstück verdunkelt und durch die Abgrabungen von fast 3 m im hinteren Bereich werde unmittelbar an der Grundstücksgrenze eine Absturzgefahr geschaffen. Darüber hinaus verstoße das genehmigte Vorhaben auch in verschiedener Hinsicht gegen Bauordnungsrecht. Die unzureichende Regelung einer Absturzsicherung verletze § 3 Abs. 1 NBauO. Die Winkelstützenwand bedürfe einer separaten Baugenehmigung und halte den nach § 5 NBauO erforderlichen Grenzabstand nicht ein. Sie bilde ein einheitliches Vorhaben mit der Errichtung des Gebäudes, so dass die abstandsflächenrechtliche Beurteilung wie für ein Gebäude mit Staffelgeschoss insgesamt zu erfolgen habe. Zudem werde sie teilweise innerhalb der Fläche errichtet, die zu seinen Gunsten mit der Abstandsflächenbaulast gesichert sei. Diese schütze den Sozialabstand und sei in Kenntnis der Hanglage eingeräumt worden. Die Abweichung von den Abstandsvorschriften zwischen der Winkelstützenwand und dem Gebäude finde sich nicht in der Baugenehmigung und verletze die durch die Abstandsvorschriften gesicherte Position seines Wintergartens. Durch die Abweichung könne die Zufahrt näher an sein Grundstück heranrücken und es beeinträchtigen. Nirgendwo an der Straße führten Zufahrten an den Häusern vorbei bis in die Gärten. Der massive Baukörper des genehmigten Mehrfamilienhauses verfälsche und verunstalte unter Missachtung von § 3 Abs. 3 i.V.m. § 10 NBauO das Straßen- und Ortsbild. Sein Haus sei im Jahr 1910 gebaut worden und das Nachbarhaus auf der anderen Seite sei ebenfalls älter. Daneben würden auch die Abgrabungen von bis zu 3,40 m verunstaltend wirken. Die Geländeoberfläche werde massiv verändert und es werde in das Beziehungsgefüge zwischen dem Baugrundstück und seinem Grundstück eingegriffen. Die unmotivierten Geländevertiefungen mit baugrubenartigem Charakter direkt an der Grenze würden zu so erheblichen Geländeverwerfungen führen, dass sie die Ausnutzung seines Grundstücks beträfen und im nachbarschaftlichen Austauschverhältnis nicht hingenommen werden müssten. Der Baukörper des Vorhabens der Beigeladenen rage fast doppelt so weit in das Grundstück hinein wie sein eigenes Haus. Vor allem in seinem Gartenbereich würde durch die Abgrabungen ein Absturzgefühl entstehen. Auch im Garten wolle er sich frei bewegen können, ohne diese Absturzstelle vor Augen zu haben. Schließlich bestehe entgegen § 12 Abs. 1 Satz 3 NBauO keine Absicherung gegen Gefährdungen seines Grundstücks und seines Hauses durch die massiven Abgrabungen. Bei Starkregen bestehe die Gefahr, dass das Gelände abrutsche. Der Einbau der Winkelstützen mit den damit verbundenen Erschütterungen könne zu Schäden an seinem Haus und insbesondere dem nah am Nachbargrundstück gelegenen Wintergarten führen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 07.07.2022 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verneint die Verletzung eines Gebietsprägungsanspruchs des Antragstellers. Ein derartiger Anspruch beziehe sich nur auf die Art der baulichen Nutzung. Das Maß, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche seien hingegen grundsätzlich nicht nachbarschützend. Ein Ausnahmefall liege hier nicht vor, da bei einer Einhaltung der Grenzabstände das Rücksichtnahmegebot regelmäßig nicht verletzt sei. Ohnedies stelle die Anzahl der Wohneinheiten kein Kriterium des § 34 BauGB dar und füge sich das Maß in die nähere Umgebung ein, da die Grundflächenzahl mit 0,324 unterhalb des Orientierungswertes für allgemeine Wohngebiete nach § 17 BauNVO liege. Eine faktische Baugrenze sei ebenfalls nicht nachbarschützend und bestehe hier auch nicht. Die Bebauung auf der rückwärtigen Grundstücksfläche korrespondiere mit der Bebauung des Grundstückes G. 11 und berücksichtige die vorhandene Bebauung der Grundstücke G. 5 und 6. Auf die Genehmigungslage komme es dafür nicht an. Auf vermeintlich fehlende oder unbestimmte Regelungen zur Absturzsicherung könne der Antragsteller sich nicht berufen, da diese nicht dem Schutz des Nachbarn dienten, wenn er widerrechtlich das Nachbargrundstück betrete. Einfriedungspflichtig sei nach § 27 Abs. 1 NNachbG der Antragsteller. Zudem gehe es dem Antragsteller insoweit im Kern nicht um eine Anfechtung, sondern um eine Ergänzung der Baugenehmigung. Die erforderlichen Grenzabstände seien eingehalten. Das Wohngebäude wahre den notwendigen Abstand von 3,32 m ohne Weiteres. Es sei nicht gemeinsam mit den Abgrabungen und der Winkelstützenwand als einheitliches Vorhaben anzusehen. Anders als in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung handele es sich hier nicht um eine Aufschüttung über der Geländeoberfläche, die das Haus tragen solle, sondern im Gegenteil um eine Abgrabung mit abstandsflächenrechtlicher Berücksichtigung zugunsten des Nachbarn nach § 5 Abs. 9 Satz 2 NBauO, durch die die wahrnehmbare Beeinträchtigung durch das Wohnhaus offenkundig abnehme. Die Abstandsbaulast sei so formuliert, dass sie der Abgrabung und dem Einbringen von Winkelstützen auf der belasteten Fläche nicht entgegenstehe, da dieses Bauvorhaben keinen Grenzabstand in Anspruch nehme. Auch die Winkelstützen erfüllten die Voraussetzungen des § 5 NBauO nicht, da sie mit der natürlichen Geländeoberfläche abschlössen und offensichtlich keine gebäudegleiche Wirkung entfalteten. Die Anforderungen aus § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO seien im vereinfachtem Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen und etwaige Ansprüche müssten zivilrechtlich verfolgt werden. Hinsichtlich der Standsicherheit des Gebäudes des Antragstellers sei im Genehmigungsverfahren festgestellt worden, dass der Keller des Wohnhauses des Antragstellers tiefer gründe als das Bauvorhaben. Zudem hätten sich der Antragsteller und die Beigeladene über die Beweissicherung für mögliche Schäden durch das Bauvorhaben verständigt. Die Stellplätze seien grundsätzlich als wohnakzessorische Folgenutzung zulässig und durch die Trogbauweise sei eine Lärmbeeinträchtigung des Antragstellers nahezu ausgeschlossen. Das Grundstück des Antragstellers sei ohnedies vorbelastet, weil beispielsweise die Bebauung und Zufahrt auf dem Grundstück L. 5 auf den Gartenbereich einwirktenund auf dem Vorhabengrundstück schon vorher die Zufahrt zur Garage entlang der nördlichen Grenze auf Höhe des Wohnhauses des Antragstellers verlaufen sei. Abschließend verstießen die Abgrabungen auch nicht gegen § § 10 NBauO, da sie nicht verunstaltend wirkten. Von der Straße aus seien sie kaum bemerkbar, da die Abfangung des Grundstücks des Antragstellers auf Straßenniveau beginne und auf einer Strecke von rund 30 m leicht ansteige. Von der Straße aus betrachtet stelle die Bebauung einen Lückenschluss dar. Es werde nur abgegraben, soweit dies zur Erreichung der notwendigen Stellplätze erforderlich sei. Der hintenliegende Grundstücksteil sei nicht betroffen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält die Baugenehmigung für hinreichend bestimmt und ist ebenso wie die Antragsgegnerin der Auffassung, dass ein Gebietsprägungsanspruch nicht bestehe, dass eine rückwärtige Baugrenze und Vorgaben zum Maß nicht drittschützend seien, dass das ortsübliche Maß gewahrt werde und dass nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen werde, weil schon bislang kein ungestörter rückwärtiger Ruhebereich bestehe. Hinsichtlich einer Absturzsicherung werde in den Antragsunterlagen ausgeführt, dass ein Zaun von mindestens 1 m Höhe errichtet werden solle. Zudem habe der Antragsteller im vergangenen Herbst einen 2 m hohen Zaun an der Grundstücksgrenze errichtet, der zur Sicherung ausreichen sollte. Die Winkelstützenwand löse keine Abstandsfläche aus und beeinträchtige die Abstandsbaulast daher nicht. Die bautechnische Ausführung der Abgrabungsarbeiten oder behauptete Nachteile bei etwaigen Starkregenereignissen seien nicht Gegenstand der Baugenehmigung, sondern im zivilrechtlichen Verhältnis zu klären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist unbegründet. In Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist "ausgewogener" Rechtsschutz zu gewähren. Nicht nur auf Seiten des Nachbarn drohen vollendete, weil unumkehrbare Tatsachen einzutreten, wenn das Vorhaben verwirklicht wird. Auch auf Seiten des Bauherrn können solche nicht oder nur schwer wiedergutzumachenden Folgen eintreten. Diese bestehen im Falle einer Antragsstattgabe in jedem Fall darin, die durch den Aufschub verlorene Zeit nicht nachholen und damit die in dieser Zeit erzielbaren Gewinne nicht mehr realisieren zu können. Da der Antragsteller von den Folgen des § 945 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Nachbarstreit verschont bleibt, kommt in Verfahren des vorläufigen Nachbarrechtsschutzes den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt ist dabei in aller Regel nur summarisch zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung gibt dem Vollzugsinteresse des Bauherrn nicht erst dann Vorrang, wenn die Baugenehmigung danach mehr oder minder zweifelsfrei Nachbarrechte dieses Antragstellers nicht verletzt. Ein derartiger Rechtsschutz wäre nicht ausgewogen, weil er das Risiko, die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei nur summarischer Prüfung nicht vollständig und zweifelsfrei ermitteln zu können, einseitig dem Bauherrn auferlegte, obwohl dessen Bauabsicht nach der gesetzlichen Wertung (§ 212a BauGB) grundsätzlich Vorrang genießen soll. Eine Stattgabe des vorläufigen Rechtsschutzantrags kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, der Rechtsbehelf des Nachbarn in der Hauptsache sei jedenfalls derzeit begründet (Nds. OVG, Beschl. v. 25.01.2007 - 1 ME 177/06 -, juris Rn. 11, und Beschl. v. 14.06.2017 - 1 ME 64/17 -, juris Rn. 13).
Eine danach vorgenommene Überprüfung ergibt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die nach § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO nur dann versagt werden darf, wenn das Vorhaben im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Eine Verletzung solcher drittschützender, dem Schutz des Antragstellers dienender Normen durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist voraussichtlich nicht gegeben. Diese verstößt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder gegen Bestimmtheitsanforderungen (dazu unter 1.), noch gegen einen Gebietserhaltungs- oder Gebietsprägungsanspruch des Antragstellers (dazu unter 2.), gegen das Rücksichtnahmegebot (dazu unter 3.) oder gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften (dazu unter 4.).
1. Die Baugenehmigung ist hinreichend bestimmt. § 1 Abs. 1 NdsVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG erfordert, dass unter Einbeziehung der mit einem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen, die von der Antragsgegnerin zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden sind, klar erkennbar ist, was genau der Beigeladenen genehmigt wurde und welchen Umfang die gestattende Wirkung hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.02.2020 - 1 ME 103/19 -, juris Rn. 10). Das ist hier hinsichtlich der vom Antragsteller monierten Punkte der Fall (dazu unter a) bis c)). Auf einen möglichen Drittschutz dieser Aspekte kommt es daher nicht an.
a) Die Baugenehmigung enthält eindeutige Vorgaben zur Absturzsicherung. Aus den grüngestempelten Antragsunterlagen geht hervor, dass das Vorhaben nur mit einer 1 m hohen Absturzsicherung auf der Winkelstützwand an der Grenze zum Antragsteller genehmigt wurde. In der "Erläuterung Abweichung" wird beschrieben, dass auf den Winkelstützen "als Absturzsicherung ein Zaun in mindestens 1 m Höhe zusätzlich errichtet werden" soll. Mit dem grünen Stempel "-147/21" hat die Antragsgegnerin diese Bauvorlage als zugehörig zur Baugenehmigung vom 04.07.2022 gekennzeichnet. Auf dem ebenfalls grüngestempelten Lageplan ist an der Grenze zum Antragsteller unter "Winkelstützwand" eingetragen: "OK Zaun = H + 1,00 m" und dementsprechend ist auf der zeichnerischen Darstellung der Ansicht des Bauvorhabens von Norden die Absturzsicherung parallel zum Verlauf der Oberkanten der Winkelstützen jeweils in unterschiedlicher Höhe eingezeichnet. Auf dieser Ansicht ist auch eindeutig zu ersehen, bis wohin die Abgrabungen in jeweils welcher Höhe reichen.
b) Zur Bauausführung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Standsicherheit der Gebäude auf den Nachbargrundstücken hat die Baugenehmigung vom 04.07.2022 mit der Nebenbestimmung Nr. 16 die Anforderungen nachvollziehbar konkretisiert:
"Bei der Baumaßnahme muss die Standsicherheit der angrenzenden baulichen Anlagen zu jeder Zeit gewährleistet sein. Gemäß DIN 4124 ist der Bodenaushub im Bereich benachbarter baulicher Anlagen unter Beachtung von DIN 4123 vorzunehmen. Der für die rechtskonforme Umsetzung der Erdarbeiten zuständige Fachbauleiter ist vor Baubeginn namentlich zu benennen."
c) Zum Brandschutz hat die Baugenehmigung aus der brandschutztechnischen Stellungnahme des Landkreises M. vom 21.06.2022 die Nebenbestimmungen Nr. 2 bis 9 mit zahlreichen Detailregelungen übernommen. Eine fehlende Bestimmtheit ist auch insoweit nicht erkennbar.
2. Eine Verletzung seines Gebietserhaltungsanspruchs - diesen thematisiert die vom Antragsteller in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 02.02.2012 - 4 C 14/10 -, juris Rn. 14 ff., 24) - kann der Antragsteller nicht für sich reklamieren. Der Gebietserhaltungsanspruch bezieht sich nur auf die Art, nicht auf das Maß der baulichen Nutzung (vgl. Nds. OVG Beschl. v. 28.05.2014 - 1 ME 47/14 -, juris Rn. 9 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 29.03.2022 - 4 C 6/20 -, juris Rn. 8). Ein Fall, in dem ausnahmsweise "Quantität in Qualität" umschlägt, ist bei einem Wohnhaus mit 6 Einheiten offenkundig nicht gegeben (vgl. jeweils zu einem Mehrfamilienhaus mit 11 Wohneinheiten Nds. OVG, Beschl. v. 19.01.2023 - 1 ME 132/22 -, juris Rn. 6, und Beschl. v. 12.09.2022 - 1 ME 48/22 -, juris Rn. 10). Gleiches gilt für den Anspruch des Nachbarn auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, der ebenfalls nur die Art und nicht das Maß der baulichen Nutzung betrifft (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2022 - 1 ME 48/22 -, juris Rn. 8 m.w.N.).
3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das sich im unbeplanten Innenbereich aus dem Merkmal des Einfügens (§ 34 Abs. 1 BauGB) sowie aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 BauNVO ergibt. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge billigerweise zuzumuten ist (BVerwG, Beschl. v. 13.03.2019 - 4 B 39.18 -, juris Rn. 9 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 21.08.2020 - 1 LB 140/20 -, juris Rn. 8; VG Hannover, Urt. v. 22.04.2021 - 4 A 3809/20 -, juris Rn. 39, und Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 30). Hier stellen sich weder die Maße des Mehrfamilienhauses und die überbaute Grundstücksfläche (dazu unter a)) noch die Stellplätze mit ihrer Zufahrt (dazu unter b)) oder die Abgrabungen an der nördlichen Grundstücksgrenze (dazu unter c)) als rücksichtslos gegenüber dem Antragsteller dar.
a) Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche mittels Baugrenze oder Baulinie in Bebauungsplänen kommt nur dann ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung zu, wenn dies dem Willen des Plangebers entspricht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.06.2021 - 1 ME 50/21 -, juris Rn. 10.). Besteht wie hier kein Bebauungsplan, sind diese Merkmale lediglich bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots indiziell bei der Frage heranzuziehen, ob von dem Bauvorhaben eine erdrückende Wirkung ausgeht und ob es zu unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten oder zu einer unzumutbaren Verschattung führt (vgl. auch VG Hannover, Urt. v. 24.01.2022 - 4 A 4881/19 -, V.n.b., Abdruck S. 5 f.). Dies ist hier jeweils zu verneinen.
aa) Dass das geplante Mehrfamilienhaus erdrückende Wirkung habe, hat der Antragsteller selbst nicht geltend gemacht. Angesichts der dafür geltenden hohen Anforderungen (Gefühl des "Eingemauertseins" oder "Gefängnishofsituation", vgl. VG Hannover, Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 41 m.w.N.) erscheint die Annahme einer erdrückenden Wirkung auch abwegig.
bb) Durch das Bauvorhaben entstehen auch keine unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten. Hiergegen spricht bereits, dass das Wohnhaus als solches einschließlich der Balkone den von § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 NBauO vorgeschriebenen Grenzabstand einhält. Bei einer baulichen Anlage, die die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen einhält, ist in aller Regel davon auszugehen, dass sie die Rechte des Nachbarn nicht unzumutbar einschränkt und damit auch nicht zu unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten führt. Gewähren Fenster, Balkone oder Terrassen eines neuen Gebäudes den Blick auf ein Nachbargrundstück, ist deren Ausrichtung, auch wenn der Blick von dort in einen Ruhebereich des Nachbargrundstücks fällt, nicht aus sich heraus rücksichtslos. In einem innerstädtischen Wohngebiet müssen Nachbarn es vielmehr regelmäßig hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens ausgenutzt werden und es dadurch zu (neuen) Einsichtsmöglichkeiten kommt, wie sie in einem bebauten Gebiet üblich sind (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 33, 35 m.w.N.). Hier ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Berechnung des erforderlichen Abstands von 3,32 m durch die Antragsgegnerin fehlerhaft ist. Da das Gebäude 4,45 m von der nördlichen Grundstücksgrenze entfernt stehen soll, wird der Grenzabstand auch bei Abzug des von der Abstandsbaulast betroffenen Streifens von 1 m gewahrt. Für die Bewertung der neugeschaffenen Einsichtsmöglichkeiten kommt es nur auf den Abstand des Gebäudes an, aus oder von dem geschaut werden kann, nicht auf den Abstand der Abgrabungen oder der Winkelstützwand (vgl. dazu noch unten unter 4.b). Die genehmigte Unterschreitung der Abstände zwischen dem Wohnhaus und der Winkelstützwand auf dem Vorhabengrundstück ist hierfür ebenfalls nicht von Bedeutung. Zwar kann das Wohnhaus dadurch näher an das Grundstück des Antragstellers heranrücken, als es ohne die Abweichung möglich gewesen wäre. Der nachbarschützende Mindestabstand zum Antragsteller wird aber gleichwohl eingehalten. Es liegen auch keine atypischen Besonderheiten vor. Durch die weiter in den rückwärtigen Bereich des Vorhabengrundstücks hineinreichende Bebauung entstehen zwar neue Möglichkeiten, in die Wohnräume des Antragstellers, in seinen Wintergarten und in den Garten zu schauen. Allerdings gehört in der Nordwand des Mehrfamilienhauses nur ein einziges Fenster (mittig im Obergeschoss) zu einem Wohnraum. Die übrigen Fenster befinden sich in Bädern oder im Treppenhaus, also in Räumen, in denen man sich nur kurzfristig aufhält und die häufig mit einem Sichtschutz versehen sind. Im Dachgeschoss gibt es zwar noch einen weiteren Wohnraum mit nach Norden ausgerichteten Fenstern; dabei handelt es sich aber um schräge Dachflächenfenster, durch die der Blick nicht ohne Weiteres auf das Wohnhaus des Antragstellers fällt. Von den Balkonen im Ober- und Dachgeschoss an der Ostseite wird ein Blick in den Garten des Antragstellers eröffnet. Da die Balkone sich mittig in der Ostwand befinden, ist der Abstand zur Grenze zum Grundstück des Antragstellers mit 6,74 m und 7,51 m jedoch noch größer. Hinzu kommt, dass Balkone seltener zum Aufenthalt genutzt werden als Wohnräume und dass der Blick von den Balkonen auf den besonders schutzbedürftigen Bereich des Gartens des Antragstellers im und vor dem Wintergarten teilweise durch das Vorhabengebäude selbst und ausweislich des Satellitenbildes bei Google Maps auch durch Bäume auf dem Grundstück des Antragstellers verstellt wird. Darüber hinaus ist es dem Antragsteller zuzumuten, die betroffenen Räume und den Garten durch in Innerortslagen typische Sichtschutzvorkehrungen, wie z.B. Vorhänge und Bepflanzung, vor ungewollter Einsichtnahme zu schützen (vgl. dazu wieder VG Hannover, Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 37 m.w.N.).
cc) Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass das Bauvorhaben zur einer unzumutbaren Verdunkelung führt. Auch insoweit gilt, dass bei Einhaltung der Grenzabstandsvorschriften, die gerade die ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung von Nachbargrundstücken gewährleisten sollen, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig ausscheidet (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.06.2021 - 1 ME 50/21 -, juris Rn. 12; VG Hannover, Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 48 m.w.N.; weitergehend zur Verletzung des Rücksichtnahmegebots bei Verschattungen Nds. OVG, Beschl. v. 26.07.2017 - 1 KN 171/16 -, juris Rn. 74 ff., und Beschl. v. 10.06.2022 - 1 ME 46/22 -, juris Rn. 13). Hier liegt auf der Hand, dass es durch den Bau des Mehrfamilienhauses, dessen Länge noch nicht einmal die Hälfte der Länge der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers einnimmt, nicht zu der im gerichtlichen Verfahren ohne weitere Substantiierung behaupteten Verdunkelung des gesamten Grundstücks des Antragstellers kommt. Soweit der Antragsteller im Verwaltungsverfahren beanstandet hatte, es werde in seinem Wohnzimmer im Erdgeschoss (Südseite) zu einer deutlichen Verdunkelung kommen, hat die Beigeladene in einer Stellungnahme an die Antragsgegnerin vom 25.04.2022 nachvollziehbar erläutert, dass das unterkellerte Erdgeschoss des Hauses des Antragstellers ca. 1,50 m höher als die Straße liege und dass die Geschosshöhen sehr hoch ausgeführt seien, so dass der First des Hauses des Antragstellers höher sei als das Bauvorhaben. Durch das geplante Satteldach und die eingehaltenen Abstandsflächen sei lediglich im Winter bei tiefstehender Sonne mit einer geringen Beeinträchtigung zu rechnen.
b) Die geplanten Stellplätze mit ihrer Zufahrt verletzen das Rücksichtnahmegebot ebenfalls nicht. Stellplätze und Garagen sollen grundsätzlich möglichst nah an öffentliche Verkehrsflächen herangebaut werden, um kein Störpotenzial in Ruhezonen hineinzutragen, in denen bislang keine Fahrzeugbewegungen stattfanden. Dementsprechend sollen selbst nach § 47 NBauO erforderliche Garagen und Stellplätze in der Regel nicht im Hintergarten liegen oder in das Blockinnere eines Straßenkarrees vordringen. Das gilt jedoch nur, wenn dieses Karree durch Grünflächen bzw. durch relative Wohnruhe gekennzeichnet ist. Was danach bei Abwägung der konkurrierenden Nutzungsinteressen dem Bauherrn gestattet bzw. seinem Nachbarn zugemutet werden kann, richtet sich zum einen nach der Vorbelastung des geplanten Aufstellungsortes durch vergleichbare Anlagen, zum anderen nach der planungsrechtlichen Vorbelastung (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.10.2022 - 1 ME 100/22 -, juris Rn. 14). Weisen rückwärtige Grundstücksbereiche in der Umgebung bereits Einstellplätze auf, so ist die Grenze des Zumutbaren nur überschritten, wenn die vom Vorhaben ausgelösten Belästigungen gegenüber dem Vorhandenen eine neue Größenordnung erreichen (Nds. OVG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 ME 76/20 -, juris Rn. 18). Maßgeblich ist nicht die nachteilige Veränderung der Grundstückssituation des jeweiligen Nachbarn, sondern eine neue Größenordnung im Verhältnis zur Vorbelastung des Blockinnenbereichs (Nds. OVG, Besch. v. 20.09.2022 - 1 LA 39/22 -, V.n.b., Abdruck S. 4). Da hier kein Bebauungsplan besteht, ist auf die faktische Vorbelastung abzustellen. Dabei sind nicht nur die Grundstücke an der G. 6 bis 11 in den Blick zu nehmen, die nach Auffassung des Antragsstellers als "Dreieck" die prägende Umgebung seines Grundstückes darstellen, sondern nach Maßgabe der dargestellten Rechtsprechung der gesamte Blockinnenbereich. Das Karree zwischen der westlich begrenzenden G., der Straße L. im Norden, der N. im Osten und der O. im Süden ist bereits vorbelastet. Auf dem Satellitenbild bei Google Maps ist erkennbar, dass sich im rückwärtigen Bereich östlich des Gebäudes G. 3 eine Bebauung mit den Gebäuden G. 3C und 3D befindet, an die nördlich mindestens 10 Stellplätze angrenzen mit einer Zufahrt, die von der G. bis zu den noch weiter östlich liegenden Gebäuden G. 3A und 3B reicht. Diese Zufahrt mit Stellplätzen grenzt direkt südlich an den innenliegenden Gartenbereich an, der von den rückwärtigen Gartenflächen der Grundstücke des Antragstellers und seiner südlichen Nachbarn gebildet wird. Südlich der G. 3A und 3B und nördlich des ebenfalls im Blockinnenbereich gelegenen Gebäudes P. 13B liegen mindestens 4 weitere Stellplätze. In der südwestlichen Ecke des Karrees befindet sich im rückwärtigen Bereich östlich des Gebäudes G. 1 eine weitere Parkfläche mit mindestens 8 Stellplätzen und einer Doppelgarage. Auch im nördlichen Bereich des Karrees sind auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes L. 5B 6 Garagen mit 3 dazwischen liegenden Stellplätzen zu erkennen. Hinzu kommt, dass sich in unmittelbarer Nähe zum rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Antragstellers im rückwärtigen Bereich des Gebäudes L. 5 mehrere weitere Gebäude befinden, die durch einen Weg erschlossen werden, der bis zu dem Gebäude P. 15A reicht. Diese Vorbelastung des Blockinnenbereichs erreicht durch die zusätzliche Belastung mit den 6 rückwärtigen Stellplätzen und der zugehörigen Zufahrt auf dem Vorhabengrundstück keine neue Größenordnung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die neuen Stellplätze nicht frei liegen, sondern sich 4 davon im Erdgeschoss des neuen Mehrfamilienhauses befinden und die 2 weiteren unterhalb einer Balkonfläche liegen. Die Emissionen des Zufahrtverkehrs werden zudem teilweise durch die Lage der Zufahrt unterhalb der Geländeoberfläche abgefangen.
c) Schließlich lassen auch die Abgrabungen an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers die gebotene Rücksichtnahme nicht vermissen. Der entstehenden Absturzgefahr hat der Antragsgegner dadurch Rechnung getragen, dass die Genehmigung die Errichtung eines 1 m hohen Zaunes auf der Winkelstützwand vorsieht. Damit ist die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 DVO-NBauO erforderliche Höhe von 90 cm sogar zu Gunsten des Antragstellers überschritten. Von einer unmotivierten, nicht durch den Zweck des Gesetzes gedeckten Abgrabung kann entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht die Rede sein. Die von ihm zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Urt. v. 22.10.2015 - 9 K 6695/14 -, juris) gibt für den vorliegenden Fall nichts her. Zum einen ist sie zu § 9 Abs. 3 BauO NW a.F. (entspricht § 58 Abs. 4 BauO NW) ergangen, wonach bei der Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen verlangt werden kann, dass die Geländeoberfläche erhalten oder verändert wird, um eine Störung des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbildes zu vermeiden oder zu beseitigen oder um die Geländeoberfläche der Höhe der Verkehrsflächen oder der Nachbargrundstücke anzugleichen. Eine vergleichbare Regelung enthält das niedersächsische Landesrecht nicht. Zum anderen lagen die Terrasse und das Haus (eine ehemalige Doppelhaushälfte) des dortigen Klägers anders als hier direkt an der Grundstücksgrenze und wurden die Abgrabungen nach der Bewertung des Verwaltungsgericht Düsseldorf gerade nicht vorgenommen, um eine Angleichung an das Straßenniveau zu erreichen. Dass durch die Abgrabungen die Ausnutzbarkeit des Grundstücks des Antragstellers erheblich beeinträchtigt wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu befürchten, dass die Standsicherheit einer etwaigen Grenzmauer oder der Grenzbepflanzung gefährdet ist, da die Abgrabungen durch die Winkelstützwand stabilisiert werden. Es besteht auch keine Besorgnis, dass "ein unerträgliches Gefühl des Abgegrabenwerdens und eine Schwindel sowie Unwohlsein hervorrufende Absturzgefahr und Disharmonie" hervorgerufen wird oder dass das Grundstück des Antragstellers mit seiner Bebauung "nur noch als lästiger und zu übergehender Annex zu dem Bauvorhaben erscheint" (vgl. zu diesen Aspekten VG Düsseldorf, Urt. v. 22.10.2015 - 9 K 6695/14 -, juris Rn. 33, 35). Wie erörtert, wird der Absturzgefahr durch die vorgeschriebene Absturzsicherung begegnet. Eine unerträgliche Verunstaltung kann in der Abgrabung entlang der Zufahrt zu den Stellplätzen, die vom Straßenniveau aus langsam bis auf maximal 3 m im hinteren Bereich ansteigt, ebenfalls nicht gesehen werden.
4. Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften.
a) Da eine ausreichende Absturzsicherung in der Baugenehmigung hinreichend bestimmt vorgeschrieben wurde (vgl. oben unter 1.a) und 3.c)), sind die allgemeinen Anforderungen an den Schutz von Leben und Gesundheit aus § 3 Abs. 1 Satz 1 NBauO erfüllt.
b) Die Grenzabstände sind eingehalten. Gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NBauO müssen Gebäude mit allen auf ihren Außenflächen oberhalb der Geländeoberfläche gelegenen Punkten von den Grenzen des Baugrundstücks Abstand halten. Entsprechendes gilt für andere bauliche Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen und soweit sie höher als 1 m über der Geländeoberfläche sind. Danach muss hier lediglich das genehmigte Mehrfamilienhaus Abstand halten, nicht aber die Abgrabungen oder die Winkelstützwand. Diese baulichen Anlagen schließen mit der Geländeoberfläche ab und entfalten daher weder gebäudegleiche Wirkung noch sind sie höher als 1 m. Es kann dahinstehen, ob sie als einheitliches Vorhaben mit der Errichtung des Gebäudes anzusehen sind, wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf Rechtsprechung meint, die zu Stützmauern an Aufschüttungen ergangen ist, die ein Wohngebäude tragen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 14.11.2013 - 3 M 222/13 -, juris Rn. 13). Denn sowohl die Abgrabungen als auch die Winkelstützwand haben keine Punkte auf Außenflächen oberhalb der Geländeoberfläche, mit denen sie bejahendenfalls Abstand halten müssten. Daher ist es auch nicht von Bedeutung, dass die beiden baulichen Anlagen durch die Fläche verlaufen, für die zugunsten des Antragstellers die Abstandsbaulast eingetragen ist. Diese Fläche wurde nicht für die Bemessung des Grenzabstands für bauliche Anlagen auf dem Vorhabengrundstück in Anspruch genommen.
Sofern der Antragsteller beanstandet, die Abweichung von den Abstandsvorschriften zwischen der Winkelstützenwand und dem Gebäude auf dem Vorhabengrundstück finde sich nicht in der Baugenehmigung, ist dies nicht zutreffend. In der Nebenbestimmung Nr. 10 wird der Abweichungsantrag von 24.05.2022 zum Bestandteil der Baugenehmigung vom 04.07.2022 erklärt und die Abweichung von § 7 Abs. 1 NBauO erteilt. Eine Verletzung in eigenen Rechten kann der Antragsteller insoweit jedoch ohnehin nicht geltend machen, da die Vorschriften zu den Abständen auf demselben Baugrundstück in § 7 NBauO keinen Nachbarschutz vermitteln, soweit die Abstände zu den angrenzenden Nachbarn gewahrt bleiben (vgl. Breyer in Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Aufl. 2020, § 7 Rn. 8; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.01.2018 - OVG 2 S 48.17 -, juris Rn. 21: kein Nachbarschutz bei grundstücksinterner Abstandsflächenüberdeckung, wenn das Gebot der Rücksichtnahme beachtet wurde). Hier können zwar durch die genehmigte Überlappung der Abstandsflächen zwischen der Winkelstützwand und dem Mehrfamilienhaus die Zufahrt zu den Stellplätzen und das Mehrfamilienhaus näher an das Grundstück des Antragstellers heranrücken, als es ohne die Abweichung der Fall wäre. Gleichwohl ist der notwendige Grenzabstand zum Antragsteller - auch unter Berücksichtigung der für seinen Wintergarten eingeräumten Abstandsbaulast - eingehalten und wird auch das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt (vgl. oben unter 3.a)).
c) Auf eine vermeintliche Verunstaltung des Straßen- und Ortsbildes entgegen § 3 Abs. 3 i.V.m. § 10 NBauO kann der Antragsteller sich nicht berufen, da das Verunstaltungsverbot grundsätzlich keinen drittschützenden Charakter hat, sondern als bauordnungsrechtliche Pflicht im öffentlichen Interesse zu beachten ist. Nur in Ausnahmefällen kann es in Verbindung mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot ein Abwehrrecht des Nachbarn begründen, wenn seine bauliche Anlage in besonders rücksichtsloser Weise, also grob, verunstaltet zu werden droht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.11.2006 - 7 ME 62/06 -, juris Rn. 12; Wiechert/Sander in Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Aufl. 2020, § 10 Rn. 22). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ist hier weder aufgrund der Ausmaße oder der Lage des Baukörpers des Mehrfamilienhauses noch aufgrund der Abgrabungen zu befürchten (vgl. oben unter 3.a) und c)). Auch dass mit dem Vorhaben der Beigeladenen ein Neubau neben das bereits über 100 Jahre alte Gebäude des Antragstellers und das ebenfalls ältere Nachbarhaus auf der anderen Seite platziert wird, spricht nicht ohne Weiteres für eine grobe Verunstaltung des Straßenbildes.
d) Unbeschadet der Frage, ob § 12 Abs. 1 NBauO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 63 Abs. 1 Satz 3 NBauO nicht zu prüfen war oder entsprechend des Zusatzes zur Baugenehmigung vom 04.07.2022 ein vollständiges "Baugenehmigungsverfahren gemäß § 64 NBauO" durchgeführt wurde, ist ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Sätze 2 und 3 NBauO nicht ersichtlich. Danach darf die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke - auch während der Baumaßnahme - nicht gefährdet werden. Der Sorge des Antragstellers um die Standsicherheit seiner Gebäude während der Bauphase ist mit der Nebenbestimmung Nr. 16 in der Baugenehmigung Rechnung getragen worden. Daneben wird in der grüngestempelten Erläuterung zur beantragten Abweichung vom 24.05.2022 ausgeführt, dass der Einbau der Winkelstützen in abschnittsweiser Einbringung die erschütterungsfreieste Bauweise darstelle, weil hierdurch kein Rammen oder Bohren in den festen Bodenschichten erforderlich sei. Eine Gefährdung der Standsicherheit des Wohnhauses des Antragstellers hat die Antragsgegnerin nach den folgenden Ausführungen in der zum Bestandteil der Baugenehmigung gemachten Erläuterung vom 24.05.2022 ebenfalls nachvollziehbar nicht angenommen:
"Aus dem Baugutachten des Ingenieurbüros Q. vom 20.04.2022 ist zu entnehmen, dass der Baugrund sehr fest und durch das Tongestein ab einer Tiefe von 2,10 - 2,30 m sehr standsicher ist. Das Gebäude von Familie R., G. 10 ist unterkellert und das Erdgeschoss liegt ca. 1,50 höher als die Straße. Die Gründungsebene des Nachbargebäudes ist somit tiefer angelegt als die Gründung des geplanten Gebäudes und der Winkelstützwände. Aufgrund des sehr gut tragfähigen Untergrundes und des Abstands der Gebäude zueinander ist durch die Lastabtragung unter 45 Grad mit keiner Belastung und Auswirkung auf die nachbarlichen Gebäude zu rechnen."
Auch die Befürchtung des Antragstellers, durch die größere versiegelte Fläche auf dem Vorhabengrundstück werde mehr Regenwasser über die Kanalisation abgeleitet, so dass es zum Absinken des Grundwasserspiegels und dadurch zu einer verminderten Tragfähigkeit des Untergrundes auf seinem Grundstück komme, ist nicht begründet. Nach dem Geotechnischen Gutachten der Dipl.-Ing. Q. & Co. GmbH vom 20.04.2022 wurde auf dem Vorhabengrundstück bereits vor Baubeginn kein Grundwasser festgestellt und war eine Versickerung von Niederschlagswasser in den anstehenden Lehmen/Festgestein aufgrund des niedrigen Wasserdurchlässigkeitsbeiwertes nicht zu empfehlen (S. 5 und 8). Daher ergibt sich durch die Zunahme der versiegelten Fläche keine durchgreifende Veränderung.
Abschließend entsteht durch die Abgrabungen auch nicht die Gefahr, dass das Gelände abrutscht. Zum einen wird der Boden durch die Winkelstützen abgefangen, zum anderen nimmt er aufgrund seiner Beschaffenheit wenig Niederschlagswasser auf.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden aus Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO dem Antragsteller als unterliegender Partei auferlegt. Die Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO dem Kostenrisiko ausgesetzt. Sie hat den Antrag auch begründet. Demnach entspricht es der Billigkeit, sie kostenerstattungsrechtlich wie eine Hauptbeteiligte zu behandeln (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 162 Rn. 23).
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 17 b) und Nr. 7 a) i.V.m. Nr. 1 a) der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren (BauR 2021, 1240). Der danach in der Hauptsache anzunehmende Wert von 25.000,- Euro ist im Hinblick auf das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.