Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 19.10.2023, Az.: 12 B 4841/23
Ausweisungsinteresse; Darlegungslast; Sachverhaltsaufklärung; Sicherheitsgespräch; Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 19.10.2023
- Aktenzeichen
- 12 B 4841/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 38475
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:1019.12B4841.23.00
Rechtsgrundlagen
- AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
- AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 2
- AufenthG § 82 Abs. 1
Amtlicher Leitsatz
Die Weigerung eines Ausländers, an einem Sicherheitsgespräch teilzunehmen, begründet kein Ausweisungsinteresse. Im Rahmen der Erteilungsvoraussetzung für einen Aufenthaltstitel nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass kein Ausweisungsinteresse besteht, kann die Weigerung zur Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch dazu führen, dass diese negative Tatbestandsvoraussetzung nicht bejaht werden kann. Die materielle Beweislast für das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung trägt der Ausländer. Aus der Weigerung zur Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch kann jedoch nur dann ein für den Ausländer negativer Schluss gezogen werden, wenn ein begründeter Anhaltspunkt für die Annahme besteht, ein Ausweisungsinteresse könnte auch tatsächlich verwirklicht sein. Nur in diesem Fall ist ein Sicherheitsgespräch zur Aufklärung etwaiger sicherheitsrechtlicher Bedenken als notwendige Mitwirkung des Ausländers anzusehen und diesem eine gesteigerte Darlegungslast für die negative Tatbestandsvoraussetzung kein Ausweisungsinteresse des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aufzuerlegen.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27.9.2023 (12 A 4840/23) gegen die Ziffern 1-3 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 1.9.2023 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.
Der Antragstellerin wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt D., E., zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die damit verbundene Abschiebungsandrohung.
Die 1988 in Kingston (Jamaika) geborene Klägerin ist jamaikanische Staatsangehörige. Sie reiste am 1.2.1995 im Rahmen der Familienzusammenführung zu ihrer Mutter in das Bundesgebiet ein. Bis ins Jahr 2004 war die Antragstellerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz. Von 2004 bis 2010 hielt sie sich ohne einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Von 2010 bis Dezember 2011 war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, weil sie beabsichtigte, einen deutschen Staatsangehörigen zu heiraten. Soweit ersichtlich wurde die Ehe allerdings nicht geschlossen.
Am F..2011 wurde die Antragstellerin Mutter einer Tochter, die neben der jamaikanischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Seit August 2016 wohnt die Antragstellerin im Gebiet der Antragsgegnerin. Zuvor war sie in Nordrhein-Westfalen wohnhaft. Von Ende 2011 bis zum 28.10.2020 war die Antragstellerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen.
Die Antragstellerin ist nach islamischem Ritus mit dem deutschen Staatsangehörigen G. verheiratet. Mit ihrem Lebensgefährten hat sie zwei Kinder, die deutsche und jamaikanische Staatsangehörige sind. Die Kinder kamen am H..2018 und am I..2020 zur Welt. Die Antragstellerin lebt mit ihren drei leiblichen Kindern, ihrem Lebensgefährten sowie dessen fünf weiteren Kindern aus erster Ehe in häuslicher Lebensgemeinschaft.
Der Lebensgefährte der Antragstellerin war Mitglied des J. E. e.V. (K. E.). Mit Verfügung vom 7.3.2017 verbot das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (Niedersächsisches Innenministerium) den K. E. und löste diesen auf. Das Verbot erfolgte, weil sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet hatte und seine Tätigkeit Strafgesetzen zuwidergelaufen war. Insbesondere waren in dem Verein in konspirativer Art und Weise durch Indoktrination mit der jihadistisch-salafistischen Ideologie Personen zielgerichtet radikalisiert worden, um diese zur Ausreise in Kriegsgebiete nach Syrien und in den Irak und zum Anschluss an den IS zu motivieren. Der Lebensgefährte der Antragstellerin wird in der Verbotsverfügung mehrfach namentlich genannt. Er war zunächst 2. Vorsitzender des K. E. und zum Zeitpunkt des Vereinsverbots noch aktives Mitglied und neben L. der maßgebliche Prediger (Verbotsverfügung S. 5), außerdem war er für den Jugendunterricht in der Moschee zuständig. Er organisierte zudem die Islamseminare mit L., wurde von Besuchern des K. E. als "geistiger Brandstifter" eingeschätzt und kommunizierte seine Befürwortung des Kampfes in Syrien auch offen (Verbotsverfügung S. 29).
Am 15.10.2020 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin telefonisch die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Die Antragsgegnerin stellte der Antragstellerin seitdem mehrere Fiktionsbescheinigungen aus.
Am 21.1.2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin telefonisch mit, dass eine Rückmeldung der Sicherheitsbehörden zur Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis noch ausstehe. Ein weiteres Problem sei der abgelaufene Nationalpass.
Mit Schreiben vom 20.4.2021 lud die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einem Sachverhaltsaufklärungsgespräch im Zusammenhang mit dem K. E. ein und belehrte sie über die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben. Den Termin nahm die Antragstellerin nicht wahr.
Mit Schreiben vom 8.6.2021 teilte das von der Antragsgegnerin am Verfahren beteiligte Niedersächsische Innenministerium der Antragsgegnerin mit, dass zur Antragstellerin "hier keine vorhaltbaren Erkenntnisse vor[liegen], so dass grundsätzlich keine Bedenken gegen die Verlängerung / Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehen."
Mit Verfügung vom 19.8.2022 stellte die Staatsanwaltschaft A-Stadt ein gegen die Antragstellerin geführtes Ermittlungsverfahren wegen Vergehen nach dem Pflichtversicherungsgesetz nach § 153 Abs. 1 StPO ein.
Am 14.12.2022 übersandte die Antragstellerin die Kopie ihres bis Ende 2032 gültigen jamaikanischen Reisepasses an die Antragsgegnerin.
Unter dem 7.7.2023 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur beabsichtigten Ablehnung der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis an.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.7.2023 nahm die Antragstellerin dahingehend Stellung, dass die Antragsgegnerin bisher keine konkreten Vorwürfe gegen sie erhoben habe. Sie werde daher endgültig und unwiderruflich an keinem Sachverhaltsaufklärungsgespräch teilnehmen. Es sei ungerecht, sie an der Stelle ihres Lebensgefährten ausländerrechtlich zu sanktionieren, weil ein Vorgehen gegen ihn nicht möglich sei. Sie sei weder in der Moschee des K. E. aufgetreten noch habe sie an Seminaren teilgenommen oder sich sonst für den Verein interessiert.
Mit Schreiben vom 31.8.2023 teilte die Polizeiinspektion E. der Antragsgegnerin ihre Sicherheitsbedenken gegen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis mit. Neben der Tatsache, dass die Antragstellerin mit G. nach islamischem Ritus verheiratet sei, würden mehrere Umstände dafür sprechen, dass auch die Antragstellerin das salafistische Gedankengut ihres Lebensgefährten teile und an die gemeinsamen Kinder und Stiefkinder weitergebe. So würden sich die Antragstellerin und ihre weiblichen Kinder seit Jahren ausschließlich mit einem "Tschador" verschleiert in der Öffentlichkeit bewegen, was im konkreten Fall als Beleg einer auch nach Verbot des K. E. ununterbrochen islamistischen Weltanschauung gewertet werden könne. Darüber hinaus pflege die Antragstellerin nach wie vor Kontakte in die salafistische Szene, u.a. zur im Fokus der Sicherheitsbehörden stehenden Familie M.. Dies belege u.a. ein Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren gegen N. M., welche angegeben habe, als Fahrzeugführerin die zum derzeitigen Zeitpunkt schwangere Antragstellerin ins Krankenhaus gefahren zu haben. Ferner sei die Antragstellerin in dem szenerelevanten Café "O." mit mehreren ebenfalls mittels Tschador verschleierten Personen angetroffen worden.
Mit Bescheid vom 1.9.2023 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1) und drohte ihr für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Bescheids die Abschiebung nach Jamaika an (Ziffer 2). Weiterhin befristete die Antragsgegnerin ein Einreise- und Aufenthaltsverbot auf fünf Jahre nach erfolgter Abschiebung (Ziffer 3) und forderte die Antragstellerin auf, ihren jamaikanischen Reisepass, den bis zum 28.10.2020 gültigen Aufenthaltstitel und die bis zum 22.1.2024 gültige Fiktionsbescheinigung bis zum 8.9.2023 bei ihr abzugeben (Ziffer 4). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen sei, weil die Verlängerungsvoraussetzungen nicht abschließend geprüft werden könnten. Aufgrund der mitgeteilten Erkenntnisse der Polizeiinspektion E. sowie der Beziehung der Antragstellerin zu G. würden Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sie der salafistischen Ideologie zumindest nahestehe. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit der Aufklärung etwaiger sicherheitsrechtlicher Bedenken in einem Sicherheitsgespräch. Bis zur Teilnahme hieran könne nicht festgestellt werden, dass kein Ausweisungsinteresse bestehe. Zur Begründung des fünfjährigen Einreise- und Aufenthaltsverbots führte die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin könne dem "erweiterten salafistischen Umfeld des ehemaligen K. E. zugerechnet werden". Die Sozialkontakte der Antragstellerin würden sich auf gleichgesinnte Personen aus dem salafistischen Umfeld beschränken. Die ideologischen Grundsätze des Salafismus seien mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar. Dass die Antragstellerin nicht an einem Sicherheitsgespräch teilgenommen habe, gehe auch insoweit zu ihren Lasten.
Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid am 27.9.2023 Klage erhoben und den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.
Sie trägt vor, der Bescheid sei nicht nur offenkundig unbegründet, sondern auch absurd. Aus anderen Verfahren mit Bezug zum K. E. sei bekannt, dass der Verfassungsschutz und die Antragsgegnerin auch eindeutig entlastende Erkenntnisse aus Sicherheitsgesprächen nicht gewürdigt und daher mehrere Verfahren vor dem erkennenden Gericht verloren hätten. Sie habe der Antragsgegnerin angeboten, Sicherheitsbedenken schriftlich zu klären, worauf diese nicht eingegangen sei. Erst im Bescheid habe sie erfahren, was ihr überhaupt vorgeworfen werde. Zuvor habe die Antragsgegnerin sie im Hinblick auf ein beim erkennenden Gericht anhängiges Verfahren (12 A 3262/21), das einen ähnlichen Sachverhalt behandle, vertröstet und die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis verzögert. Dass die Antragsgegnerin nun, nachdem sie auch dieses Verfahren in zweiter Instanz verloren habe, weiter gegen sie vorgehe, sei nur mit mangelnder Objektivität ihr gegenüber erklärlich. Die Antragsgegnerin stütze sich allein auf ihre Beziehung zu ihrem Lebensgefährten und nehme sie in "Sippenhaft". Zudem lasse die Antragsgegnerin vollständig ihre familiären Bindungen zu drei leiblichen Kindern und den fünf Kindern ihres Lebensgefährten außer Acht. Auch die im Bescheid zitierten Erkenntnisse zur ihr, der Antragstellerin, seien unzutreffend. Sie trage in der Öffentlichkeit schon keinen Tschador, sondern einen "Jilbab", der keinerlei Rückschluss auf ihre Gesinnung erlaube. Zudem habe sie bereits seit 2006 und damit vor Gründung des K. E. entsprechende Kleidungsstücke getragen. Dies sei aber ohnehin irrelevant, da ihre religiöse Kleiderwahl von Art. 4 GG geschützt sei. Dass auch ihre Töchter einen Tschador oder Jilbab tragen würden, sei eine gezielte Falschbehauptung. Diese würden, wie viele muslimische Mädchen, ein normales Kopftuch tragen. Auch die Behauptung, sie habe "nachweislich Kontakte in die salafistische Szene rund um den ehemaligen K. E." sei eine bewusste Täuschung. Die von der Antragsgegnerin genannte N. M. habe selbst keinen Kontakt zum K. E.. Deren Bruder habe sein Verfahren um seine Ausweisung vor dem erkennenden Gericht ebenfalls gewonnen. Dass ihr, der Antragstellerin, der Besuch eines Waffelladens vorgeworfen werde, zeige die völlige Absurdität des Vorgehens der Antragsgegnerin, zudem bei dem Treffen auch Frauen, die ihre Haare offen getragen hätten, anwesend gewesen seien. Auf dieser Tatsachengrundlage sei eine Abschiebung unverhältnismäßig; reine Vermutungen würden kein Ausweisungsinteresse begründen. Etwaiges Engagement ihres Lebensgefährten für den K. E. sei ihr nicht zurechenbar.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 1.9.2023 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid und führt daneben aus: Der Umstand, dass kein Ausweisungsinteresse vorliege, sei von der Antragstellerin zu beweisen. Aus dem Gesetz folge grundsätzlich die Obliegenheit zur Mitwirkung an einem Sicherheitsgespräch. Aufgrund der Mitteilungen des Niedersächsischen Innenministeriums vom 8.6.2021 und der Polizeiinspektion E. würden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Antragstellerin der salafistischen Ideologie zumindest nahestehe, sodass ein Sicherheitsgespräch notwendig gewesen sei. Wegen der fehlenden Mitwirkung müsse es zu Lasten der Antragstellerin gehen, dass eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht beurteilt werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage nur insoweit beantragt, als der Klage nicht von Gesetzes wegen bereits aufschiebende Wirkung zukommt. Dementsprechend sind im vorliegenden Verfahren lediglich die Ziffer 1 bis 3 des Bescheids vom 1.9.2023 streitgegenständlich.
In Bezug auf die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheids) ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil die Antragstellerin ihren Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf der ihr zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis gestellt hatte. Deshalb hatte der Antrag gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine Fiktionswirkung ausgelöst, die mit der nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sofort vollziehbaren Ablehnung des Verlängerungsantrags beendet wurde. In dieser Konstellation kann Schutz vor einer Abschiebung durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO erlangt werden, die die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht entfallen lässt. Soweit die Klage sich gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des Bescheids) richtet, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ebenfalls statthaft, weil die Abschiebungsandrohung als besonderes ausländerrechtliches Zwangsmittel gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG sofort vollziehbar ist. Das Gleiche gilt für die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 3 des Bescheids), das nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG sofort vollziehbar ist.
Gegen die in Ziffer 4 des angegriffenen Bescheids angeordnete Pflicht zur Herausgabe von Reisedokumenten richtet sich der Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz wie ausgeführt nicht. Ein solcher Antrag wäre unzulässig. Der Klage der Antragstellerin kommt insoweit nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der auf § 50 Abs. 5 AufenthG gestützten Maßnahme nicht angeordnet hat. Eine gesetzliche Ausnahme vom Suspensiveffekt der Klage gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besteht insoweit nicht.
Der Antrag ist auch begründet.
Das Verwaltungsgericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen, wenn das Interesse des betroffenen Ausländers, von einem Vollzug der Verfügung vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt. Bei dieser Interessenabwägung kommt der Erfolgsaussicht der Klage im Hauptsacheverfahren maßgebliche Bedeutung zu. Hier werden sich die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (dazu unter 1.), die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung eines fünfjährigen Einreise- und Aufenthaltsverbots (dazu unter 2.) im Bescheid vom 1.9.2023 nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, sodass die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist.
1.
Die Antragstellerin hat voraussichtlich einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
§ 8 Abs. 1 AufenthG bestimmt, dass auf die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung finden wie auf die Erteilung. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erteilen. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Antragstellerin erfüllt sowohl die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG als auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, von denen lediglich § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Streit steht. Nach dieser Vorschrift setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht. § 5 Abs. 4 AufenthG regelt darüber hinaus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen ist, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nr. 2 oder 4 AufenthG besteht.
Weder liegt im Falle der Antragstellerin ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor (dazu unter a)) noch lässt sich die allgemeine Erteilungsvoraussetzung, dass kein Ausweisungsinteresse besteht, aufgrund einer fehlenden Mitwirkung der Antragstellerin an einem Sicherheitsgespräch nicht bejahen (dazu unter b)).
a)
Nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist unter anderem auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
Bei dem K. E. handelte es sich zwar um eine Vereinigung, die bis zu ihrem Verbot am 7.3.2017 den Terrorismus unterstützt hat (so bereits VG Hannover, Beschl. v. 2.6.2020 - 12 B 1276/20 -, n.v., und Beschl. v. 6.7.2020 - 12 B 1328/20 -, n.v., bestätigt durch Nds. OVG, Beschl. v. 14.10.2020 - 13 ME 278/20 -, juris; vgl. auch VG Hannover, Urt. v. 4.10.2022 - 12 A 4490/20 -, n.v; Urt. v. 17.1.2023 - 12 A 1275/20 -, n.v; Urt. v. 29.9.2022 - 5 A 5054/21 - juris Rn. 63; bestätigt durch Nds. OVG, Beschl. v. 12.1.2023 - 13 LA 285/22 -, V.n.b.). Jedoch liegen im Fall der Antragstellerin keine Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, sie habe den K. E. unterstützt.
Der Begriff der individuellen Unterstützung ist weit auszulegen und anzuwenden, um damit auch der völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung der Norm gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. In objektiver Hinsicht werden alle Verhaltensweisen erfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der terroristischen oder eine diese unterstützende Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne Mitgliedschaft. Weiterhin gilt für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch eine Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst und keine von der Person ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potentiell als gefährlich erscheint. In subjektiver Hinsicht muss für den Ausländer das Bestreben oder die Zielrichtung des Handelns der den Terrorismus unterstützenden Vereinigung erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüberhinausgehende innere Einstellung des Ausländers kommt es nicht an (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 27.07.2017 - 1 C 28.16 -, juris Rn. 21 f. m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 14.10.2020 - 13 ME 278/20 -, juris Rn. 4 zu der Parallelvorschrift des § 27 Abs. 3a Nr. 1 AufenthG; VG Hannover, Beschl. v. 6.7.2020 - 12 B 1328/20 -, n.v.).
Tatsachen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, in der beschriebenen Weise unterstützt oder unterstützt hat, sind solche, die in einer Gesamtschau eine große Wahrscheinlichkeit für die Unterstützung der betreffenden Vereinigung begründen. Erforderlich für die Beurteilung der Frage, ob Tatsachen eine dahingehende Schlussfolgerung rechtfertigen, ist eine umfassende und konkrete Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung (vgl. Neidhardt in HTK-AuslR, Stand 3.2.2022, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG Rn. 52 f.). Es müssen im Einzelnen belegbare Tatsachen vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zulassen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstützt oder unterstützt hat. Reine Vermutungen oder der bloße Verdacht einer Unterstützungshandlung genügen nicht (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 12.10.2009 - 10 CS 09.817 -, juris Rn. 22 zu § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31.10.2015 geltenden Fassung). Danach ist es Aufgabe der Ausländerbehörde - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden - Tatsachen darzulegen und beizubringen, die eine geeignete Erkenntnisbasis bzw. Ausgangssituation für die Prognoseentscheidung und die Gefahrenbeurteilung darstellen können (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 25.10.2005 - 24 CS 05.1716 -, juris Rn. 35; vgl. zum Vorstehenden VG Hannover, Beschl. v. 2.6.2020 - 12 B 1276/20 -, n.v.).
Solche Tatsachen liegen bisher nicht vor. Die Antragsgegnerin hat überhaupt keine Erkenntnisse genannt, die Unterstützungshandlungen der Antragstellerin für den K. E. im einzig relevanten Zeitraum vor dessen Verbot im März 2017 nahelegen. Selbst das Niedersächsische Innenministerium, dessen Verfassungsschutz nach Kenntnis der Kammer aus anderen aufenthaltsrechtlichen Verfahren im Zusammenhang mit dem K. E. die Vereinsmoschee engmaschig observiert hatte, hat keine Erkenntnisse zur Antragstellerin genannt und ausdrücklich "keine Bedenken" gegen die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis angemeldet. Auch die Polizeiinspektion E. hat außer allgemeinen Beobachtungen zur Antragstellerin keine Erkenntnisse genannt, die eine konkrete und nachweisbare Beteiligung am K. E. nahelegen würden. Weder die Kleiderwahl der Antragstellerin noch einzelne Kontakte zum "erweiterten Umfeld" des K. E. begründen Anknüpfungstatsachen für Unterstützungshandlungen für den Verein. Zudem liegen die von der Polizeiinspektion beschriebenen Vorgänge erkennbar zeitlich nach dem Vereinsverbot. Es ist für das Gericht nicht einmal ersichtlich, ob die Antragstellerin ihren Lebensgefährten im Zeitpunkt des Verbots des K. E. bereits kannte, sodass der Schluss, die Antragstellerin habe wegen ihrer Beziehung zu ihrem Lebensgefährten auch den K. E. unterstützt, über eine Vermutung nicht hinausgeht. Allein die - unterstellte - innere Einstellung zu einer Vereinigung ohne im Einzelnen feststellbare relevante objektive Manifestation dieser Haltung wirkt sich nicht positiv auf das Aktionsfeld einer Vereinigung aus und erfüllt daher nicht den Unterstützungsbegriff nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Unterstützungshandlungen ihres Lebensgefährten sind der Antragstellerin nicht zuzurechnen (vgl. bereits VG Hannover, Urt. v. 15.3.2023 - 12 A 3262/21 -, n.v. UA S. 20).
b)
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil aufgrund einer fehlenden Mitwirkung der Antragstellerin an einem Sicherheitsgespräch die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht abschließend geprüft werden kann.
Negative Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, dass "kein" Ausweisungsinteresse besteht. Für das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung trägt nicht die Ausländerbehörde, sondern der den Aufenthaltstitel begehrende Ausländer die materielle Beweislast (Nds. OVG, Beschl. v. 23.9.2020 - 13 ME 334/20 -, V.n.b. BA S. 3; vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 5.4.2016 - 10 ZB 14.1440 -, juris Rn. 10).
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist der Ausländer zudem verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Diese Vorschrift modifiziert den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz nach § 24 Abs. 1 VwVfG. Aus ihr folgt auch die grundsätzliche Rechtspflicht des Ausländers zur Mitwirkung an einem Sicherheitsgespräch. Der Ausländer hat die Pflicht, der Ausländerbehörde darzulegen, dass keine Ausweisungsgründe vorliegen, und insbesondere bestehende Sicherheitsbedenken auszuräumen, denn es handelt sich hier um für den Ausländer günstige Umstände (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 5.4.2016 - 10 ZB 14.1440 -, juris Rn. 11; Bay. VGH, Beschl. v. 4.6.2014 - 19 C 13.680 -, juris Rn. 5 u. 6).
Dabei begründet allerdings allein die Weigerung, an einem Sicherheitsgespräch teilzunehmen, kein Ausweisungsinteresse (im Ergebnis auch Sächsisches OVG, Beschl. v. 16.2020 - 3 A 714/18 -, juris Rn. 12; Bay. VGH, Beschl. v. 5.4.2016 - 10 ZB 14.1440 -, juris Rn. 14). Der Gesetzgeber hat die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Mitwirkungspflichten im Rahmen eines Sicherheitsgesprächs in § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG geregelt. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind. Die Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch stellt eine Obliegenheit im Rahmen des § 82 Abs. 1 AufenthG dar. Weder § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG noch § 82 Abs. 1 AufenthG begründen jedoch eine selbstständige Pflicht zum Erscheinen und zur Mitwirkung bei der Befragung, denn hierfür bedürfte es nach § 26 Abs. 2 Satz 3 VwVfG einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage (vgl. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 54 Rn. 84; Hoppe, in: Döring, HdB-MigrationR, 2. Aufl. 2020, § 7 Rn. 111; Cziersky-Reis, in: NK-AuslR, 3. Aufl. 2023, AufenthG § 54 Rn. 63; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.9.2010 - 11 S 1978/10 -, juris Rn. 8). Dass allein eine Verweigerung der Teilnahme kein Ausweisungsinteresse begründet, ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG. Dieser setzt voraus, dass der Ausländer "in einer Befragung" keine, falsche oder unvollständige Angaben macht. Das Verhalten des Ausländers außerhalb einer solchen Fragesituation regelt die Norm dagegen nicht (vgl. Cziersky-Reis, in: NK-AuslR, 3. Aufl. 2023, AufenthG § 54 Rn. 63). Ob etwas anderes gilt, wenn nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Mitwirkung angeordnet wird (vgl. zur Möglichkeit der Ausländerbehörde, eine Teilnahme unter bestimmten Voraussetzungen anzuordnen, VG Köln, Beschl. v. 11.2.2011 - 5 L 116/11 -, juris Rn. 16; bestätigend OVG NRW, Beschl. v. 21.22011 - 18 B 207/11 -, juris), bedarf hier keiner Entscheidung, da die Antragsgegnerin eine solche Anordnung nicht getroffen hat.
Im Fall der Antragstellerin führt die Weigerung zur Teilnahme am Sicherheitsgespräch auch nicht dazu, dass die negative Tatbestandsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht abschließend geprüft werden kann. Vielmehr spricht überwiegendes dafür, dass ein Ausweisungsinteresse nicht vorliegt.
Grundsätzlich ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass unter bestimmten Umständen die Weigerung zur Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch zu Lasten des darlegungs- und beweisbelasteten Ausländers gehen kann. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 5.4.2016 (- 10 ZB 14.1440 -, juris Rn. 14) ausgeführt, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis versagt werden kann, wenn die Mitwirkung zur Aufklärung sicherheitsrechtlicher Bedenken verweigert und "deshalb" die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nicht bejaht werden könne. Auch das von der Antragsgegnerin angeführte Verwaltungsgericht Karlsruhe (Beschl. v. 30.11.2020 - 7 K 4055/20 -, juris) hat entschieden, dass im Fall des dortigen Antragstellers, der als Imam in einer salafistischen Moschee tätig war, bis zur Durchführung eines Sicherheitsgesprächs aller Voraussicht nach keine positive Entscheidung über das Nichtbestehen eines Ausweisungsinteresses getroffen werden könne (a.a.O. Rn. 9). Dies leitet die Entscheidung daraus ab, dass aufgrund einer Mitteilung des zuständigen Landesamtes für Verfassungsschutz Anhaltspunkte für konkrete Kontakte des dortigen Antragstellers zum fundamentalistischen Islamismus und Terrorismus bestanden hätten (a.a.O. Rn. 9). Einen Automatismus dergestalt, dass das Nichtvorliegen eines Ausweisungsinteresses verneint werden müsste, wenn eine Teilnahme an einem Sicherheitsgespräch verweigert wird, folgt aus den genannten Entscheidungen jedoch nicht. Aus Sicht der Kammer kann aus einer verweigerten Mitwirkung im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast des Ausländers auch nur dann ein für diesen negativer Schluss gezogen werden, wenn ein begründeter Anhaltspunkt für die Annahme besteht, ein Ausweisungsinteresse könnte auch tatsächlich verwirklicht sein. Nur in diesem Fall ist ein Sicherheitsgespräch zur Aufklärung etwaiger sicherheitsrechtlicher Bedenken als notwendige Mitwirkung des Ausländers anzusehen und diesem eine gesteigerte Darlegungslast für die negative Tatbestandsvoraussetzung "kein Ausweisungsinteresse" des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aufzuerlegen. Bestehen aber auch nach bereits vorhandenen Erkenntnissen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelfall überhaupt ein Ausweisungsinteresse bestehen könnte, dann besteht auch kein Aufklärungsbedarf in einem Sicherheitsgespräch. Solche Gespräche dienen nicht der Erlangung belastender Umstände oder allgemein von Erkenntnissen zu anderen Personen oder Vereinigungen, sondern dem Vortrag der für den Ausländer "günstige[n] Umstände" (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) bzw. "der Klärung von Bedenken gegen [...] den weiteren Aufenthalt" (§ 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG), hier also dem Beweis, dass kein Ausweisungsinteresse vorliegt.
Solche konkreten Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Bereits aus dem oben Gesagten folgt, dass auf eine Unterstützung des K. E. durch die Antragstellerin nichts hindeutet. Allein die - unterstellte - Ideologie der Antragstellerin ermöglicht nicht den Schluss auf konkret vorwerfbares Verhalten, welches § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG aber verlangt. Bloße Mutmaßungen dergestalt, dass die Antragstellerin den K. E. vor seinem Verbot unterstützt haben müsste, weil sie (derzeit) mit ihrem Lebensgefährten liiert ist, reichen nicht aus, um der Antragstellerin eine weitere Darlegungslast für das Nichtbestehen des Ausweisungsinteresses aufzuerlegen und diese an ein Sicherheitsgespräch zu knüpfen. Dementsprechend gibt es auch kein sicherheitsrelevantes Verhalten der Antragstellerin, welches in einem solchen Gespräch unter Mitwirkung der Antragstellerin weiter aufzuklären wäre. Dass sie mit G. liiert ist, aus religiösen Gründen bestimmte Kleidungsstücke trägt und sich mit anderen Personen aus dem Umfeld des K. E. trifft, kann als wahr unterstellt werden, ohne dass dies - wie oben ausgeführt - ein Ausweisungsinteresse begründet.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Verhalten der Antragstellerin ein anderes Ausweisungsinteresse verwirklichen könnte. Insbesondere wird auch von der Antragsgegnerin nicht behauptet, die Antragstellerin hätte etwa für den Salafismus öffentlich geworben.
2.
Soweit sich die Antragstellerin gegen die Abschiebungsandrohung und das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot wendet, ist ihr Antrag ebenfalls begründet. Ist die Entscheidung, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, rechtswidrig, sind auch die Voraussetzungen für eine Abschiebungsandrohung nach §§ 58, 59 AufenthG und für die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht erfüllt.
Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Ermessenserwägungen, die die Antragsgegnerin zur Entscheidung über die Dauer der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots angestellt hat, einer rechtlichen Überprüfung auch dann nicht standhalten würden, wenn die Antragstellerin keinen Anspruch auf die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis hätte. Insofern ist die Antragsgegnerin bereits von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, indem es im Bescheid heißt, dass sich die Sozialkontakte der Antragstellerin auf gleichgesinnte Personen aus dem erweiterten salafistischen Umfeld beschränkten. Solche Erkenntnisse liegen der Antragsgegnerin nicht vor und sie ergeben sich auch nicht aus den Auskünften der Polizeiinspektion E. oder des Niedersächsischen Innenministeriums. In der Auskunft der Polizeiinspektion E. heißt es lediglich: "In der Gesamtschau lässt sich konstatieren, dass sich die Sozialkontakte von Frau P. soweit feststellbar auf gleichgesinnte Personen aus dem erweiterten salafistischen Umfeld des ehemaligen K. beschränken." (Hervorhebung nur hier). Da aber weder die Polizeiinspektion E. noch die Antragsgegnerin die Antragstellerin observiert hat, sind sowohl die im Bescheid als auch im Schreiben der Polizeiinspektion getroffenen Aussagen hierzu spekulativ und können eine belastende staatliche Maßnahme nicht tragen. Im Übrigen geht auch der Ansatz der Antragsgegnerin fehl, der Antragstellerin allein wegen der fehlenden Mitwirkung hypothetische Sachverhalte zur Last zu legen. Beweisbelastet für die dem Ausländer negativ angelasteten Umstände ist nach allgemeinen Grundsätzen die Behörde, denn es handelt sich bei der Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots um eine belastende staatliche Entscheidung. Aus diesem Grund kann sich die Antragsgegnerin auch nicht auf § 11 Abs. 5 AufenthG berufen, um eine bis zu zehnjährige Frist zu erwägen. Dass von der Antragstellerin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, hat die Antragsgegnerin nicht ansatzweise nachgewiesen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 8.1 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).