Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 20.02.2023, Az.: 12 B 5434/22
Alternativgrundstück; Drittwiderspruch; Düngemaßnahmen; Geruchsimmissionen; Güllebehälter; Gutachten; Nachbarbeteiligung; Prognose; Rücksichtnahmegebot; Baugenehmigung für einen Güllebehälter (Drittwiderspruch); Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 20.02.2023
- Aktenzeichen
- 12 B 5434/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 14960
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0220.12B5434.22.00
Rechtsgrundlagen
- BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
- BImSchG § 3 Abs. 1
- GIRL
- NBauO § 68
- TA Luft 2021
- TA Luft 2002
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.500,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine Baugenehmigung, die der Antragsgegner der Beigeladenen für die Errichtung eines Güllebehälters erteilt hat.
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks G., H., Flurstück I. der Flur J. und Flurstück K. der Flur I. der Gemarkung L.. Das nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelegene Grundstück befindet sich ca. 400 m südwestlich der Ortschaft L.. Nordöstlich schließt an das Grundstück ein Sportplatz mit Sportheim an. Das Grundstück der Antragsteller sowie der Sportplatz werden aus Richtung L. über einen Wirtschaftsweg erschlossen, der nördlich der beiden Grundstücke von Südwesten nach Nordosten verläuft. Parallel zu diesem Weg verläuft nördlich in einem Abstand von ca. 230 m die Kreisstraße (K) M., die L. mit der in westlicher Richtung gelegenen Ortschaft N. verbindet. Bei dem Grundstück der Antragsteller handelt es sich um das ehemalige Gelände einer Ziegelei, deren Betrieb in den 1950er-Jahren eingestellt worden ist. Auf dem Grundstück befinden sich neben einem Teich mehrere Gebäude, darunter ein genehmigtes Wohnhaus.
Die Beigeladene betreibt in N. einen Milchviehbetrieb. Der Betrieb verfügt über eine Fläche von 67,50 ha Grünland, die sich größtenteils in der Gemarkung L. befindet. Zum Tierbestand zählen 180 Milchkühe sowie 120 Mastrinder/-bullen.
Um die in der Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen vom 26. Mai 2017 (Düngeverordnung) geforderte erhöhte Kapazität zur Lagerung von Wirtschaftsdünger erfüllen zu können, beantragte die Beigeladene mit Bauantrag vom 24. September 2021, bei dem Antragsgegner eingegangen am 30. September 2021, die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Güllebehälters auf dem Flurstück O. der Flur I. der Gemarkung L.. Das als Dauergrünland genutzte Flurstück liegt westlich des Grundstück der Antragsteller. Der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde P. stellt das Flurstück als Fläche für die Landwirtschaft dar. Ausweislich der mit Genehmigungsvermerk versehenen Antragsunterlagen soll der Güllebehälter im nordöstlichen Bereich des Flurstücks als Stahlbeton-Rundbehälter mit einer Höhe von 4 m, einen Durchmesser von 18 m und einem Nutzvolumen von 941 m3 errichtet werden. Der Abstand zwischen dem Güllebehälter und dem Wohnhaus der Antragsteller beträgt nach Angaben des Antragsgegners ca. 330 m. In dem Güllebehälter soll nach der Baubeschreibung landwirtschaftlicher Wirtschaftsdünger (Rindergülle) der Beigeladenen eingelagert werden. Die Lagerkapazität soll für den in einem Zeitraum von neun Monaten anfallenden Dünger genügen. Eine technische Geruchsabdeckung ist nicht vorgesehen. Geruchsimmissionen sollen stattdessen durch eine sich selbständig bildende Schwimmschicht abgemildert werden. Neben dem Güllebehälter sind die Herstellung einer Entnahmeplatte und eines geschotterten Vorplatzes geplant. Die Erschließung des Bauvorhabens soll über einen im Eigentum der Feldmarkinteressentenschaft L. stehenden Gras-/Schotterweg erfolgen, der südlich von der K M. abzweigt.
Ursprünglich war für die Errichtung des Güllebehälters ein Standort südöstlich von L. vorgesehen. Diese Planung wurde später jedoch nicht weiterverfolgt.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2021 nahm die Landwirtschaftskammer Niedersachen zu dem Vorhaben der Beigeladenen Stellung. Darin führte sie aus, dass aufgrund der Entfernung des Vorhabenstandorts zum Wohnhaus der Antragsteller eine Überschreitung des nach der Geruchsimmissions-Richtlinie bei Wohnhäusern im Außenbereich zulässigen Immissionsrichtwerts von 0,25 nicht zu erwarten sei.
Nachdem die Antragsteller von dem Bauantrag erfahren und Akteneinsicht genommen hatten, machten sie mit E-Mail vom 14. November 2021 verschiedene Einwände gegen das Vorhaben geltend. Unter anderem rügten sie die mit dem Befüllen und Entleeren des Güllebehälters bzw. mit dem Ausbringen der Gülle für ihr Grundstück verbundenen Geruchsbelästigungen. Auf Bitten des Antragsgegners nahm die Landwirtschaftskammer Niedersachsen daraufhin unter dem 17. November 2021 erneut Stellung: Bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen werde grundsätzlich nur die Anlage untersucht, von der die Emissionen ausgingen. Gerüche, die etwa durch den Transport oder durch das Ausbringen von Dünger verursacht würden, fielen nicht unter die Beurteilungskriterien. Die von den Antragstellern angestellten Berechnungen seien mit der Vorgehensweise der Geruchsimmissions-Richtlinie nicht zu vereinbaren.
Mit Stellungnahme vom 26. November 2021 versagte der Flecken L. sein Einvernehmen zu dem Vorhaben, da die verkehrliche Erschließung nicht gesichert sei. Mit Bescheid vom 22. August 2022 ersetzte der Antragsgegner unter Verweis auf die im Genehmigungsverfahren eingeholte (positive) Stellungnahme der Straßenmeisterei Q. das versagte gemeindliche Einvernehmen.
Nachdem die Beigeladene unter dem 25. Mai 2022 auf Anforderung der unteren Naturschutzbehörde noch einen überarbeiteten landschaftspflegerischen Begleitplan vorgelegt hatte, erteilte der Antragsgegner ihr mit Bescheid vom 12. Oktober 2022 die beantragte Baugenehmigung. Die Genehmigung enthält folgenden Hinweis:
"Sollte der Güllebehälter z.B. aus Gründen der Emissionsminderung nachträglich ein Emissionsschutzdach erhalten, so ist dies baugenehmigungspflichtig. Eine entsprechende Nachtragsbaugenehmigung ist zu beantragen. Eine schwimmende Abdeckung (Schwimmfolie) ist verfahrensfrei."
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2022 setzte der Antragsgegner die Antragsteller von der erteilten Baugenehmigung in Kenntnis. Daraufhin erhoben die Antragsteller unter dem 15. November 2022 Widerspruch. Mit Schreiben vom 29. November 2022 beantragten sie darüber hinaus, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner unter dem 15. Dezember 2022 ab.
Am 23. Dezember 2022 haben die Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung tragen sie vor, die erteilte Baugenehmigung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig, weshalb das Aussetzungs- das Vollziehungsinteresse überwiege. Der Antragsgegner habe es rechtsfehlerhaft versäumt, sie als Nachbarn an dem Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen. Weder hätten sie einen Anhörungsbogen erhalten noch hätten sie eine Stellungnahme abgegeben. Stellungnahmen seien lediglich über eine Bürgerinitiative erfolgt. Die vorgebrachten Einwände seien auch nicht berücksichtigt worden. In materieller Hinsicht verstoße die Baugenehmigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der genehmigte Güllebehälter führe auf ihrem Grundstück zu erheblichen Geruchsbelästigungen. Soweit der Antragsgegner auf die Einschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen verweise, reiche dies nicht aus. Da der Wind nahezu immer aus Richtung Westen komme, sei damit zur rechnen, dass der Güllegestank regelmäßig direkt in Richtung ihres Wohnhauses geweht werde. Die von dem Antragsgegner angeführte Regelung in Nr. 5.4.9.36 der TA Luft vom 24. Juli 2002 (im Folgenden: TA Luft 2002) sei hier nicht anwendbar, da die TA Luft 2002 keine Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche enthalte. Bis zum Erlass entsprechender bundeseinheitlicher Verwaltungsvorschriften sei daher die Geruchsimmissions-Richtlinie vorrangig anzuwenden. Auf die darin vorgesehene Ermittlung der Kenngrößen habe der Antragsgegner rechtsfehlerhaft verzichtet. Handele es sich - wie hier - um Bestandteile einer Tierhaltungsanlage, dürfe die Genehmigungsbehörde das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen zwar mit der Einhaltung des Abstandsdiagramms (Nr. 5.4.7.1 TA Luft 2002) begründen, sofern nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls eine andere Vorgehensweise erforderten. Solche besonderen Umstände lägen aufgrund der in der Umgebung bereits vorhandenen Güllebehälter und der damit verbundenen Geruchsvorbelastungen jedoch hier vor. Dass die Beigeladene eine Abdeckung des Güllebehälters plane bzw. entsprechende Unterlagen bei dem Antragsgegner vorgelegt habe, werde bestritten. Zudem sei eine solche Abdeckung bisher nicht genehmigt worden. Ohne die Abdeckung könne eine Immissionsminderung nicht sicher erreicht werden - auch nicht durch eine sich selbständig bildende Schwimmschicht. Durch den zu erwartenden An- und Abfahrtsverkehr würden sie, die Antragsteller, darüber hinaus erheblichen Lärmbelästigungen ausgesetzt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der hier streitgegenständliche Güllebehälter in der Nähe der bereits vorhandenen Behälter errichtetet werden könnte, ohne sie, die Antragsteller, in ihren Rechten zu beeinträchtigen. Entsprechende Alternativgrundstücke stünden zur Verfügung. Zudem stelle sich die Frage, weshalb die Beigeladene den Güllebehälter nicht auf ihrem Betriebsgrundstück errichte, zumal sowohl die untere Naturschutzbehörde als auch der Gemeinderat Bedenken gegen den genehmigten Standort geäußert hätten. Dieser Standort führe dazu, dass die gesamte Ortschaft von Güllebehältern umzingelt sei. Die nach alledem erforderliche Abwägung mit ihren Belangen habe der Antragsgegner nicht vorgenommen. Ein möglicher immissionsschutzrechtlicher Konflikt aufgrund einer heranrückenden Errichtung eines Güllebehälters, der zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führe, dürfe im Baugenehmigungsverfahren nicht ungeregelt bleiben. Dies habe der Antragsgegner verkannt, sodass bereits deshalb die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen sei.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 5. (richtig: 15.) November 2022 gegen die erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 12. Oktober 2022 zum Neubau eines Güllebehälters, Gemarkung L., Flur I., Flurstück O., H. - R., anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verteidigt die angegriffene Baugenehmigung. Die von den Antragstellern in Abrede gestellte Nachbarbeteiligung sei erfolgt. Am 9. November 2021 hätten die Antragsteller Akteneinsicht erhalten und anschließend schriftlich Stellung genommen. Dabei hätten sie aus seiner Sicht als Privatpersonen gehandelt; ein Bezug zu der Bürgerinitiative sei nicht zu erkennen gewesen. Die erhobenen Einwände seien auch im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigt worden. So habe er, der Antragsgegner, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen unter dem 15. November 2021 um ergänzende Stellungnahme zu den Einwänden gebeten. Auch der geltend gemachte Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht gegeben. Mit dem Vorhaben der Beigeladenen seien keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen für die Antragsteller verbunden. Die gemäß Nr. 5.4.9.36 TA Luft 2002 bei der Errichtung von Güllelagern erforderliche Mindestentfernung von 300 m zur nächsten vorhandenen Wohnbebauung sei mit einem Abstand von ca. 330 m eingehalten. Erhebliche Geruchsimmissionen seien daher auszuschließen. Gerüche, die durch den Transport oder durch die Ausbringung des Düngers verursacht würden, fielen nicht unter die Beurteilungskriterien der Geruchsimmissions-Richtlinie und seien daher nicht zu berücksichtigen. Nach der Begründung und den Auslegungshinweisen zur Geruchsimmissions-Richtlinie sei das Wohnen im Außenbereich überdies mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden, sodass Immissionswerte bis zu einem Wert von 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche zulässig seien. Ferner beabsichtige die Beigeladene, den Güllebehälter abzudecken und das Lagervolumen um ca. 250 m3 zu verringern, was zu einer Reduzierung der Emissionen führen werde. Entsprechende Nachträge habe die Beigeladene ihm, dem Antragsgegner, bereits vorgelegt. Zwingend erforderlich sei eine solche Abdeckung jedoch nicht. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bereits durch die sich selbständig bildende Schwimmschicht eine Abmilderung von Geruchsemissionen erreicht werde. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass durch die Düngeverordnung seit Januar 2020 erhöhte Lagerkapazitäten für anfallenden flüssigen Wirtschaftsdünger gefordert würden. Die Beigeladene sei ausweislich der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 2. Juni 2020 von dieser Regelung betroffen und komme mit dem genehmigten Güllebehälter dieser Aufforderung nach. Ob und wo es Alternativstandorte für das Vorhaben der Beigeladenen gebe und warum diese von der Beigeladenen nicht gewählt worden seien, habe er, der Antragsgegner, nicht zu bewerten.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag und hat sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist unbegründet.
In Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist "ausgewogener" Rechtsschutz zu gewähren. Nicht nur auf Seiten des Nachbarn drohen vollendete, weil unumkehrbare Tatsachen einzutreten, wenn das Vorhaben verwirklicht wird. Auch auf Seiten des Bauherrn können solche nicht oder nur schwer wiedergutzumachenden Folgen eintreten. Diese bestehen im Falle einer Antragsstattgabe in jedem Fall darin, die durch den Aufschub verlorene Zeit nicht nachholen und damit die in dieser Zeit erzielbaren Gewinne nicht mehr realisieren zu können. Da der Antragsteller von den Folgen des § 945 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Nachbarstreit verschont bleibt, kommt in Verfahren des vorläufigen Nachbarrechtsschutzes den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt ist dabei in aller Regel nur summarisch zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung gibt dem Vollzugsinteresse des Bauherrn nicht erst dann Vorrang, wenn die Baugenehmigung danach mehr oder minder zweifelsfrei Nachbarrechte dieses Antragstellers nicht verletzt. Ein derartiger Rechtsschutz wäre nicht ausgewogen, weil er das Risiko, die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei nur summarischer Prüfung nicht vollständig und zweifelsfrei ermitteln zu können, einseitig dem Bauherrn auferlegte, obwohl dessen Bauabsicht nach der gesetzlichen Wertung (§ 212a BauGB) grundsätzlich Vorrang genießen soll. Eine Stattgabe des vorläufigen Rechtsschutzantrags kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, der Rechtsbehelf des Nachbarn in der Hauptsache sei jedenfalls derzeit begründet (Nds. OVG, Beschl. v. 25.01.2007 - 1 ME 177/06 -, juris Rn. 11, und Beschl. v. 14.06.2017 - 1 ME 64/17 -, juris Rn. 13).
Eine danach vorgenommene Überprüfung ergibt, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die nach § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO nur dann versagt werden darf, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (BVerwG, Urt. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 -, juris Rn. 9). Eine solche Rechtsverletzung der Antragsteller durch die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung ist hier nach summarischer Prüfung nicht gegeben.
1. Die Baugenehmigung ist nicht aus formellen Gründen wegen einer unterlassenen Nachbarbeteiligung aufzuheben.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 NBauO dürfen Nachbarn, deren Belange eine Baumaßnahme berühren kann, die Bauvorlagen bei der Bauaufsichtsbehörde einsehen. Soll eine Abweichung oder Ausnahme von Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die auch dem Schutz von Nachbarn dienen, zugelassen oder eine Befreiung von solchen Vorschriften erteilt werden, so soll die Bauaufsichtsbehörde den betroffenen Nachbarn, soweit sie erreichbar sind, Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist von längstens vier Wochen geben (§ 68 Abs. 2 Satz 1 NBauO). Nach § 68 Abs. 2 Satz 2 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde auch in anderen Fällen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wenn eine Baumaßnahme möglicherweise Belange der Nachbarn berührt, die durch Vorschriften des öffentlichen Baurechts geschützt sind. Die ohne die danach erforderliche Beteiligung des Nachbarn erteilte Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt - sofern die unterbliebene Beteiligung nicht nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt oder nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist - ein subjektives Recht des Nachbarn (vgl. Burzynska/Fontana, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 68 Rn. 172 ff.).
Hier sollte im Baugenehmigungsverfahren weder eine Abweichung oder Ausnahme von nachbarschützenden Vorschriften zugelassen noch eine Befreiung erteilt werden. Überdies hat eine Beteiligung der Antragsteller - anders als von ihnen behauptet - stattgefunden. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners haben sie persönlich - und nicht lediglich die von ihnen angeführte Bürgerinitiative - im Baugenehmigungsverfahren sowohl Akteneinsicht erhalten als auch Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorhaben der Beigeladenen gehabt (vgl. ihre umfangreiche Stellungnahme v. 14.11.2021). Dass die Antragsteller von dem Antragsgegner nicht förmlich angehört, sondern eigeninitiativ tätig geworden sind, begründet keine Verletzung ihrer Rechte. Es trifft auch nicht zu, dass der Antragsgegner die Einwände der Antragsteller nicht geprüft hätte. Vielmehr hat er deren Stellungnahme zum Anlass genommen, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen erneut um Stellungnahme zur Frage der Geruchsimmissionen zu bitten.
2. Die Baugenehmigung verstößt auch nicht zulasten der Antragsteller gegen materielles Bauplanungsrecht.
Da das Vorhaben der Beigeladenen nicht im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB und auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt, richtet sich seine planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB. Ob das Vorhaben - was die Antragsteller mit ihrem Hinweis auf besser geeignete Standorte möglicherweise (auch) in Frage stellen wollen - ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB darstellt, welches erst dann nicht mehr zuzulassen ist, wenn öffentliche Belange entgegenstehen, oder ob es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB handelt, dessen Ausführung öffentliche Belange bereits nicht beeinträchtigen darf, bedarf hier keiner Entscheidung, weil eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nicht gegeben ist.
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange unter anderem dann gegeben, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Die Vorschrift ist als gesetzliche Ausformung des allgemeinen baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nachbarschützend (vgl. z.B. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, Vorb. §§ 29-38 Rn. 72). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach der auch im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB heranzuziehenden Legaldefinition des § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft hervorzurufen. Ist die Schwelle der Erheblichkeit nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bestimmt, kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen (BVerwG, Urt. v. 27.06.2017 - 4 C 3.16 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Urt. v. 10.02.2022 - 1 LB 20/19 -, juris Rn. 29).
Zur Beurteilung der Frage, welche Geruchsbelästigungen zumutbar sind, ist - soweit die zur Prüfung stehende Genehmigung auf einem vor dem 1. Dezember 2021 gestellten vollständigen Genehmigungsantrag beruht (vgl. Nr. 8 der zum 01.12.2021 in Kraft getretenen Neufassung der TA Luft [im Folgenden: TA Luft 2021]) - anhand der Geruchsimmissions-Richtlinie (Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen, Gem. RdErl. v. 23.07.2009, Nds. MBl. S. 794, GIRL) zu beantworten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.2022 - 4 B 10.22 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Urt. v. 10.02.2022 - 1 LB 20/19 -, juris Rn. 29). Die Übergangsregelung trägt ersichtlich dem allgemeinen Grundsatz Rechnung, dass in abgeschlossene Sachverhalte aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich nicht durch Erlass einer Neuregelung eingegriffen werden darf. Ein solcher vor dem 1. Dezember 2021, nämlich am 30. September 2021, gestellter Genehmigungsantrag der Beigeladenen ist hier gegeben. Dass die Beigeladene unter dem 25. Mai 2022 auf Anforderung der unteren Naturschutzbehörde des Antragsgegners noch einen überarbeiteten landschaftspflegerischen Begleitplan vorgelegt hat, steht der Annahme eines vollständig eingereichten Genehmigungsantrages nicht entgegen. Abgesehen davon, dass der landschaftspflegerische Begleitplan lediglich überarbeitet worden ist, muss es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift maßgeblich darauf ankommen, ob die für die Beurteilung der Geruchsbelastung aus Sicht der Behörde erforderlichen Unterlagen vollständig vorlagen. Dies war hier der Fall.
Zwar hätte der Antragsgegner die Beigeladene nach der Geruchsimmissions-Richtlinie zur Vorlage eines Gutachtens auffordern müssen (dazu unter a)). Dieser Umstand führt aber nicht dazu, dass den Antragstellern vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist (dazu unter b)).
a) Der Antragsgegner hat fehlerhaft auf die Vorlage eines Gutachtens zu den mit dem Vorhaben der Beigeladenen für das Grundstück der Antragsteller verbundenen Immissionsbelastungen verzichtet.
Zwar ist im Rahmen eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens einer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftigen Anlage nicht ausnahmslos die Einholung einer gutachterlichen Prognose zu fordern. Eine solche nicht genehmigungsbedürftige Anlage ist hier gegeben, weil nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV und Nr. 9.36 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV Anlagen zur Lagerung von Gülle erst ab einer Lagekapazität von 6.500 m3 einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen. Das von der Behörde an den Bauherrn gerichtete Verlangen nach Vorlage von Gutachten bedarf vielmehr einer sachlichen Rechtfertigung. Dass überhaupt Umwelteinwirkungen wie Lärm oder - wie hier - Gerüche auftreten werden, genügt nicht; sie müssen zumindest das Potential haben, als "schädlich" im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG qualifiziert zu werden. Wann die Anforderung eines Gutachtens erforderlich ist, ergibt sich nach materiellen Maßstäben, die den einschlägigen Regelwerken zu entnehmen sind (Nds. OVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 33; vgl. auch VG Hannover, Beschl. v. 08.10.2021 - 12 B 5201/21 -, juris Rn. 53 für Geräuschimmissionen). Auch aus der hier maßgeblichen Geruchsimmissions-Richtlinie folgt nicht, dass in jedem Einzelfall ein Gutachten nach den darin vorgegebenen Methoden erstellt werden muss. Wenn die Behörde mit anderen Hilfsmitteln zu der Überzeugung gelangt, dass der Schutz vor Geruchsimmissionen sichergestellt ist, ist nicht zwingend die Ermittlung der Kenngrößen nach Nr. 4 GIRL erforderlich. Im landwirtschaftlichen Bereich besteht das Vorgehen vielmehr darin, zunächst eine Abstandsermittlung vorzunehmen, wobei bei genehmigungsbedürftigen Anlagen auf Nr. 5.4.7.1 TA Luft 2002 und bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen auf die Richtlinien VDI 3471 (1986) und 3472 (1986) zurückgegriffen werden soll. Besondere Umstände des Einzelfalls, zu denen unter anderem eine Geruchsvorbelastung sowie besondere topografische Verhältnisse zählen, können jedoch auch bei Einhaltung der Abstände eine den Anforderungen der Geruchsimmissions-Richtlinie entsprechenden Prognose erforderlich machen (vgl. die Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 1 GIRL ["Veranlassung zur Erstellung von Gutachten" und "Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich"] sowie OVG NRW, Beschl. v. 09.12.2013 - 8 A 1451/12 -, juris Rn. 65 f. m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben durfte der Antragsgegner auf die Vorlage einer der Geruchsimmissions-Richtlinie entsprechenden Prognose nicht verzichten. Soweit er darauf verweist, dass der nach Nr. 5.4.9.36 TA Luft 2002 erforderliche Mindestabstand von 300 m zum Wohnhaus der Antragsteller eingehalten sei, rechtfertigt dies den Verzicht auf eine solche Prognose nicht.
Nach Nr. 5.4.9.36 TA Luft 2002 ist bei der Errichtung von Anlagen zur Lagerung von Gülle, die unabhängig von Anlagen der Nr. 5.4.7.1 TA Luft 2002, d.h. von Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren, betrieben werden, ein Mindestabstand von 300 m zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung zu halten. Unter den Begriff der Wohnbebauung fallen mit Ausnahme von Wohnungen, die dem emittierenden Betrieb zuzuordnen sind, sämtliche Wohnungen und damit auch einzelne Wohnhäuser im Außenbereich. Soweit die TA Luft 2021 in Nr. 2.13 nunmehr ausdrücklich eine entsprechende Regelung enthält, handelt es sich dabei lediglich um eine Klarstellung (so ausdrücklich BR-Drs. 314/21, S. 9 f.), zu der sich der Verordnungsgeber durch eine zuvor angewandte abweichende Auslegung (vgl. z.B. OVG NRW, Beschl. v. 10.05.2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 38 f. unter Verweis auf Mohr, Die Bewertung von Geruch im Immissionsschutzrecht, 2010, S. 248 f. und S. 255) veranlasst sah (vgl. zum Ganzen Hansmann/Behnke, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 99. EL September 2022, TA Luft 5.4.7-5.4.7.29 Rn. 10).
Grundsätzlich kann die Abstandsregelung als "Hilfsmittel" zur Beurteilung der Zumutbarkeit der mit dem Vorhaben der Beigeladenen verbundenen Geruchsimmissionen herangezogen werden. Zwar wird Nr. 5.4.7.1 TA Luft 2002 von den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 GIRL nicht explizit in Bezug genommen. Auch gelten die in Nr. 5.4 TA Luft 2002 enthaltenen besonderen Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen unmittelbar lediglich für die jeweiligen in der 4. BImSchV genannten - genehmigungsbedürftigen - Anlagenarten (vgl. Nr. 1 Abs. 5 Satz 5 und Nr. 5.4 TA Luft 2002; Bayer. VGH, Beschl. v. 23.11.2022 - 15 CS 22.2161-, juris Rn. 19; Hansmann/Behnke, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 99. EL September 2022, TA Luft 5.4 Rn. 1). Für - wie hier - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen verweisen die Auslegungshinweise zur Geruchsimmissions-Richtlinie auf die Richtlinien VDI 3471 (1986) und 3472 (1986), die im Jahr 2012 durch die Richtlinie VDI 3894 ersetzt worden sind. Blatt 2 der zuletzt genannten Richtlinie stellt eine vereinfachte Methode für die Beurteilung von Geruchsimmissionen im Umfeld von Tierhaltungsanlagen zur Verfügung und ermöglicht es, Abstände für bestimmte Geruchsstundenhäufigkeiten sowie für gegebene Abstände die zu erwartende Geruchsstundenhäufigkeit zu ermitteln. Als Erkenntnisquelle können die in Nr. 5 TA Luft 2002 festgelegten Vorsorgeanforderungen jedoch auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen herangezogen werden (Nr. 1 Abs. 5 Satz 5 TA Luft 2002; Hansmann/Behnke, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 99. EL September 2022, TA Luft 5.4 Rn. 1). Da von nicht genehmigungspflichtigen Anlagen ein geringeres Störpotential als von genehmigungsbedürftigen Anlagen ausgeht, kann die Einhaltung der in Nr. 5.4 TA Luft 2002 bestimmten Abstände als Indiz dafür gewertet werden, dass von den zuerst genannten Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen. Zwar sind hier die Anforderungen aus Nr. 5.4.9.36 Buchst. b TA Luft 2002 nicht erfüllt, wonach die Lagerung von Flüssigmist (außerhalb des Stalles) in geschlossenen Behältern erfolgen soll oder gleichwertige Maßnahmen zur Emissionsminderung anzuwenden sind, die einen Emissionsminderungsgrad bezogen auf den offenen Behälter ohne Abdeckung von mindestens 80 % der Emissionen an geruchsintensiven Stoffen und an Ammoniak erreichen. Jedoch ist die geplante Lagerkapazität von 941 m3 so gering, dass sie auch ohne Emissionsreduzierung unterhalb der Emissionen bleibt, die eine genehmigungspflichtige Anlage mit Reduzierungsmaßnahmen hat: Nach Nr. 9.36 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV bedürfen Anlagen zur Lagerung von Gülle ab einer Lagerkapazität von 6.500 m3 einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (s.o.). Eine Reduktion der Emissionen dieser Lagerkapazität um 80 % entspricht den vollen Emissionen von 20 % der Lagerkapazität, also den nicht reduzierten Emissionen von 1.300 m3. Da sich der Milchviehbetrieb der Beigeladenen nicht im Bereich des Vorhabenstandortes, sondern in N. befindet, ist der genehmigte Güllebehälter unter Immissionsschutzgesichtspunkten auch als unabhängig von diesem Betrieb betriebene Anlage im Sinne der Nr. 5.4.9.36 TA Luft 2002 zu werten. Zwischen den Beteiligten ist schließlich unstreitig, dass der danach einzuhaltende Abstand des Güllebehälters zum Wohnhaus der Antragsteller mit einer Entfernung von ca. 330 m gewahrt ist.
Allerdings liegen besondere Umstände vor, die eine den Anforderungen der Geruchsimmissions-Richtlinie entsprechenden Prognose erforderlich machen. Ein solcher Umstand ergibt sich zum einen daraus, dass das Wohnhaus der Antragsteller nach deren nachvollziehbarem - und unwidersprochen gebliebenem - Vortrag in Hauptwindrichtung liegt. Nach der zum ursprünglich geplanten Standort vorgelegten Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 2. Juni 2020 befinden sich zum anderen südlich der Ortschaft L. drei Schweineställe sowie ein Rinderstall, von denen ebenfalls Emissionen ausgehen. Aus Google Maps ergibt sich, dass sich drei dieser Ställe auf den Acker- und Weideflächen südlich von L. - östlich der Landesstraße 428 - befinden. Der vierte Stall liegt am südöstlichen Ortsrand von L.. Weiter lässt sich aus Google Maps ersehen, dass alle vier Ställe über Güllebehälter - wohl jeweils ohne Abdeckung - verfügen. Die Entfernung der vier Emissionsquellen zum Grundstück der Antragsteller beträgt nach Google Maps maximal ca. 1 km. Die Luftbildaufnahme bei Google Maps zeigt nördlich von L. in einer Entfernung von ca. 800 m zum Grundstück der Antragsteller den Standort einer weiteren Hofstelle, die ebenfalls über einen Güllebehälter verfügt. Wie sich aus der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ergibt, hat dieser Umstand dazu geführt, dass in einem anderen Baugenehmigungsverfahren die Geruchsvorbelastung am südlichen Ortsrand von L. untersucht worden ist. Weshalb der Antragsgegner in dem vorliegenden Fall gleichwohl darauf verzichtet hat, die Beigeladene zur Vorlage eines Geruchsgutachtens aufzufordern, erschließt sich der Kammer nicht.
Im Übrigen hätte sich der Antragsgegner auch bei Anwendbarkeit der TA Luft 2021 nicht mit dem Hinweis auf die Einhaltung eines Mindestabstandes begnügen dürfen. Nach Nr. 5.4.9.36 TA Luft 2021 ist bei der Errichtung von Anlagen zur Lagerung von Gülle nicht nur ein Abstand von 100 m zur nächsten Wohnbebauung zu halten, sondern zusätzlich die Kenngröße der zu erwartenden Geruchszusatzbelastung nach Anhang 7 zu ermitteln. Die so ermittelte Geruchszusatzbelastung darf auf keiner Beurteilungsfläche in der nächsten Wohnbebauung den gebietstypischen Geruchsimmissionswert gemäß Tabelle 22 des Anhangs 7 überschreiten.
b) Verzichtet die Baugenehmigungsbehörde - wie hier - fehlerhaft auf die Vorlage eines Immissionsgutachtens, ist dem Nachbar jedoch nicht bereits deshalb vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren. Unterbleibt die Einholung eines an sich erforderlichen Gutachtens, führt dies vielmehr lediglich dazu, dass das Gericht oder bei - wie hier - noch nicht abgeschlossenem Widerspruchsverfahren die Widerspruchsbehörde im Nachbarstreit die verbleibenden Fragen im Hauptsacheverfahren von Amts wegen - in der Regel durch Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen - selbst aufzuklären hat. Vorläufiger Rechtsschutz ist nur dann zu gewähren, wenn sich eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse aufdrängt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.08.2011 - 1 ME 107/11 -, juris Rn. 32 und 46; VG Hannover, Beschl. v. 08.10.2021 - 12 B 5201/21 -, juris Rn. 54) oder zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit annehmen lässt. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Kammer geht nach summarischer Prüfung davon, dass die Antragsteller auf ihrem Grundstück eine Geruchsimmissionsbelastung von jedenfalls 20 % der Jahresstunden hinzunehmen haben. Für den Außenbereich, in dem landwirtschaftliche Betriebe regelhaft zulässig sind und das Wohnen einen geringeren Schutzanspruch genießt, sieht die Geruchsimmissions-Richtlinie vor, dass der jeweils geltende Immissionsrichtwert im Wege einer wertenden Betrachtung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls zu ermitteln ist. Dabei kann für landwirtschaftliche Gerüche ein Wert von bis zu 0,25 entsprechend 0,25 % der Jahresstunden angesetzt werden (vgl. die Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL ["Zuordnung der Immissionswerte"]). Erforderlich sind eine Prüfung und Darlegung der maßgeblichen Zumutbarkeitsaspekte des konkreten Einzelfalls und eine wertende Gewichtung aller speziellen Randbedingungen, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat. Zu den bei der Prüfung des Einzelfalls zu berücksichtigenden und zu gewichtenden Aspekten gehören jedenfalls die Ortsüblichkeit und die Siedlungsstruktur, die Nutzung des betreffenden Gebäudes, die historische Entwicklung und die besondere Ortsgebundenheit von Immissionsquellen (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 15.09.2022 - 4 C 3/21 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Urt. v. 10.02.2022 - 1 LB 20/19 -, juris Rn. 30 m.w.N.). Dafür, dass hier ein Immissionswert von mindestens 0,20 anzusetzen ist, spricht zunächst, dass ein solcher Wert nach der Geruchsimmissions-Richtlinie im Einzelfall selbst am Rand eines Dorfgebiets toleriert werden muss (vgl. die Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL ["Zuordnung der Immissionswerte"] und für solche - im Vergleich zum Außenbereich unter Immissionsschutzgesichtspunkten schutzwürdigere - Gebiete in Nr. 3.1 GIRL sonst ein Immissionswert von 0,15 vorgesehen ist. Durch die südlich sowie nördlich von L. vorhandenen Betriebe (s.o.) ist die nähere Umgebung des Grundstücks der Antragsteller in einem mindestens anzusetzenden Umkreis von 1 km bis zu 2 km (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.02.2022 - 1 LB 20/19 -, juris Rn. 32) zudem nicht unerheblich durch Gerüche vorbelastet. Nach dem Inhalt der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 2. Juni 2020 wird aufgrund dieser Vorbelastung am südlichen Ortsrand von L. ein Immissionswert von 0,10 bis 0,11 erreicht. Schutzmindernd wirkt sich auch die Siedlungsstruktur aus. Mit Ausnahme des Wohnhauses der Antragsteller ist - soweit ersichtlich - keine weitere Wohnbebauung im Außenbereich vorhanden, sodass die Wohnnutzung die nähere Umgebung nicht prägt.
Dass das Vorhaben der Beigeladenen auf dem Grundstück der Antragsteller zu einem Immissionswert von mehr als 0,2 führt, hält die Kammer nicht für überwiegend wahrscheinlich. Soweit der Antragsgegner argumentiert, die Beigeladene beabsichtige, den Güllebehälter abzudecken und das Lagervolumen um ca. 250 m3 zu verringern, was zu einer Reduzierung der Emissionen führen werde, geht dies zwar fehl, weil bisher weder eine Abdeckung des Güllebehälters noch eine Verringerung des Lagervolumens genehmigt sind. Dass die Beigeladene offenbar aufgrund geänderter rechtlicher Vorgaben zur Bereitstellung erhöhter Lagerkapazitäten verpflichtet ist, ist hier ebenfalls nicht relevant. Der für den südlichen Ortsrand von L. ermittelte Immissionswert von 0,10 bis 0,11 lässt es jedoch als nicht überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass mit dem genehmigten Güllebehälter auf dem Grundstück der Antragsteller eine Geruchsbelastung von mehr als 20 % der Jahresstunden erreicht wird. Zwar liegt das Wohnhaus der Antragsteller wohl in Hauptwindrichtung der von dem genehmigten Güllebehälter ausgehenden Emissionen (s.o.). Allerdings ist der Immissionswert von 0,10 bis 0,11 zum einen ausgehend von vier - an unterschiedlichen Standorten gelegenen - Betrieben bzw. Güllebehältern ermittelt worden. Zum anderen ist der Abstand der vorhandenen Güllebehälter zur nächstgelegenen Wohnbebauung zum Teil geringer als die Entfernung des genehmigten Behälters zum Wohnhaus der Antragsteller. Von den drei südlich von L. gelegenen Güllebehältern hält der der Ortschaft nächstgelegene Behälter zur Wohnbebauung nur einen Abstand von ca. 230 m. Der Abstand zwischen dem am südöstlichen Ortsrand von L. gelegenen Güllebehälter und dem Ortskern beträgt sogar nur ca. 170 m. Soweit die Antragsteller im Verwaltungsverfahren auch auf die durch das Ausbringen der Gülle verursachten Geruchsimmissionen verwiesen haben, kommt es auf diese Immissionen nach der Geruchsimmissions-Richtlinie nicht an. Danach ist eine Geruchsimmission nur dann nach dieser Richtlinie zu beurteilen, wenn sie nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar ist. Darunter fallen durch landwirtschaftliche Düngemaßnahmen verursachte Gerüche nicht (vgl. Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL sowie die Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 1 GIRL ["Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich"]).
3. Soweit die Antragsteller einwenden, dass das Vorhaben der Beigeladenen auf unter Immissionsschutzgesichtspunkten besser geeigneten Grundstücken verwirklicht werden könne, verhilft ihnen das ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Annahme, das Rücksichtnahmegebot könne allein deshalb verletzt sein, weil es einen aus der Sicht des Nachbarn günstigeren Standort für die emittierende Anlage gebe, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfehlt. Im Gegensatz zum Planfeststellungsrecht mit seiner aus dem Abwägungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffneten Alternativenprüfung ist die bebauungsrechtliche Prüfung an den Bauwunsch des Bauherrn gebunden; er allein bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit - im Regelfall auf der Grundlage seines Bauantrags - von der Behörde zu prüfen ist. Maßgeblich ist allein die Intensität der Belastungen der Nachbarschaft im konkreten Fall; ergibt die Prüfung, dass die Belastungen an dem vom Bauherrn gewählten Standort für den Nachbarn im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbar sind, so muss er die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gibt (BVerwG, Urt. v. 13.10.1998 - 4 B 93.98 -, juris Rn. 5 m.w.N.; VG Hannover, Beschl. v. 08.10.2021 - 12 B 5201/21 -, juris Rn. 57).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 17 Buchst. b und Nr. 7 i.V.m. Nr. 1 Buchst. a der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren (BauR 2021, 1240). Der danach in der Hauptsache anzunehmende Wert von 25.000,- € ist im Hinblick auf das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.