Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 10.10.2023, Az.: 10 A 3472/20

Aufkläung von Straftaten; Begehung durch Personal; Gaststätte; Kamera-Monitor-System; Sitzbereich für Gäste; Straftaten; Überwachung der Sitzbereiche eines Wettbüros; Videoüberwachung; Wettbüro; Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung (Kamera-Monitor-System) von Sitzbereichen eines Wettbüros

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
10.10.2023
Aktenzeichen
10 A 3472/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 39210
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:1010.10A3472.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für die Überwachung von Sitzbereichen eines Wettbüros, in denen sich Gäste aufhalten, stellen weder die Vorgaben in § 7 Abs. 3 Nr. 1 Spielverordnung noch die aus § 10c des Nds. SpielbG rechtliche Verpflichtungen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO dar, die eine Videoüberwachung dieser Bereiche erforderlich machen.

  2. 2.

    Die Überwachung der Sitzbereiche eines Wettbüros mit einem Kamera-Monitor-System (sog. verlängertes Auge) ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO nicht gerechtfertigt, weil sie nicht zur Verhinderung oder Aufklärung der vorgetragenen Straftaten geeignet ist.

  3. 3.

    Die Überwachung der Sitzbereiche eines Wettbüros mit einem Kamera-Monitor-System ist auch deswegen nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO gerechtfertigt, weil sie nicht erforderlich ist. Die Begehung der Sitzbereiche durch vorhandenes (Wach-) Personal stellt ein milderes Mittel gegenüber der dauerhaften Videoüberwachung der Bereiche dar.

Urteil
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2023 durch die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts Reccius, die Richterin am Verwaltungsgericht Hesse, die Richterin am Verwaltungsgericht Gogolin sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Wiegand und Evers für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Anweisung des Beklagten, die Videoüberwachung in einem von ihr betriebenen Wettbüro so einzurichten, dass die Erhebung von personenbezogenen Daten von Personen in den Sitzbereichen während der Öffnungszeiten ausgeschlossen ist.

Die Klägerin verfügt über ein Filialnetz für Wettannahmen der Pferdewett- und Sportwettvermittlung. In ihren Wettbüros halten sich Gäste auf, die in einer vertraglichen Beziehung zu den Wettanbietern stehen. Sie nutzen die Räumlichkeit der Klägerin zum Verweilen, zur Abgabe der eigentlichen Wetteinsätze an die Sportwettveranstalter sowie, um dort Sportereignisse zu verfolgen.

Die hier in Rede stehende Filiale in der D. in A-Stadt besteht aus drei Räumen. Von dem Eingangsbereich aus gelangt man in das Wettbüro, auf der rechten Seite befindet sich der Bistro-Bereich und im hinteren Teil ein Büroraum, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Im Untergeschoss liegen die sanitären Einrichtungen. Im Wettbüro und in dem Bistro-Bereich befinden sich mehrere Geldspieler, Wettautomaten sowie Tische und Stühle. Wegen der weiteren Einzelheiten der räumlichen Begebenheiten wird auf den Grundriss und die vorgelegten Fotos verwiesen (Bl. 36 ff., Bl. 52 des Verwaltungsvorgangs).

Die Geschäftsführung der Klägerin ließ Mitte des Jahres 2016 insgesamt elf Kameras installieren, die nicht über eine Zoom-, Schwenk- oder Drehfunktion verfügen und keinen Ton aufzeichnen.

Im September 2018 wendete sich eine Bürgerin an den Beklagten und teilte mit, dass im Bereich des Gehweges vor der Filiale der Klägerin zwei Domkameras installiert seien. Sie bat um Prüfung und umgehende Entfernung der Kameras, da sie den Gehweg unbeobachtet nutzen wolle.

Daraufhin wandte sich der Beklagte unter dem 18. September 2018 an die Klägerin, unterrichtete sie über die bei ihr eingegangene Beschwerde und teilte mit, sie nehme diese zum Anlass, ihre Videoüberwachung insgesamt datenschutzrechtlich zu prüfen. Sie bat um Auskunft dazu, ob die Klägerin die Videoüberwachung vor ihrem Wettbüro in der D. veranlasst habe und - gegebenenfalls - um die Beantwortung von insgesamt 15 Fragen zu der Videoüberwachung.

Im Dezember 2018 wies der Beklagte die Klägerin an, die 15 Fragen zu beantworten. Nachdem sich die Klägerin daraufhin nicht gemeldet hatte, setzte der Beklagte in der Folgezeit zunächst ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 Euro und später ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro fest. Daraufhin legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber dem Beklagten und kündigte die Beantwortung der Fragen und die Übernahme der Verwaltungskosten an.

Unter dem 19. März 2019 übermittelte ein Geschäftsführer der Klägerin Bilder zu insgesamt neun Kameras und nahm zu dem Fragenkatalog des Beklagten wie folgt Stellung: Die Anlage zur Videoüberwachung sei installiert worden, um das Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter und Gäste zu stärken. Sie diene der Prävention (u. a. durch Abschreckung) und dem Aufdecken von Straftaten zum Schutz ihres Eigentums sowie der Beweissicherung. Zudem solle milieubezogene Kriminalität effektiv bekämpft werden, da es sich durch mehrere tausend ausreisepflichtige illegale Ausländer in A-Stadt um einen Kriminalitätsschwerpunkt handele. Die Mitarbeiter seien vor Inbetriebnahme der Videoüberwachung informiert worden. Sie hätten die Videoüberwachung begrüßt, weil zuvor mehrere Straftaten vorgekommen seien. Innerhalb des Wettbüros seien neun Kameras eingesetzt. Der öffentliche Straßenraum oder Nachbargrundstücke würden nicht überwacht, sondern nur öffentlich zugängliche Laufzonen und Eingänge des Gastraumes, der Wett- und der Schranktresen sowie das Büro mit dem Tresor. Eine Überwachung der Sozialräume oder sanitären Anlagen sowie der Bereiche, in denen die Kunden verweilten, finde nicht statt. Innerhalb der Geschäftszeiten hielten sich Kunden und Mitarbeiter in den Geschäftsräumen auf, außerhalb der Geschäftszeiten niemand mit einem berechtigten Interesse. Die Videoüberwachung werde durch Beobachtung des zentralen Überwachungsmonitors mit allen Kameras am Kassenarbeitsplatz von dem Personal durchgeführt. Für die Kunden seien die Bilder nicht einsehbar. Darüber hinaus finde durchgängig tagsüber und nachts eine Aufzeichnung der Überwachungsbilder auf einem lokalen Speicher statt. Nach sechs bis acht Tagen lösche sie die gespeicherten Daten durch Überschreibung. Seit 2015 seien in der Unternehmensgruppe mehrere Straftaten in den Wettbüros begangen worden. Vor allem seien Geschäftsräume außerhalb der Öffnungszeiten durch Mitarbeiter betreten worden, die Tresore geöffnet und Bargeld entwendet worden, es hätten sich Überfälle unter Einsatz von Waffengewalt ähnlich wie bei Tankstellen ereignet, mehrere Täter hätten Trickbetrug durch das Erzwingen von Wechselgeldfehlern begangen, Schaufensterscheiben seien eingeschmissen worden, es habe sonstiges asoziales Verhalten und milieubedingte Kriminalität in den Geschäftsräumen gegeben, so wie zum Beispiel Übergabe von Drogen gegen Bargeld. In der hier in Rede stehenden Filiale hätten sich eine Unterschlagung von Bargeld (Juni 2015, Schaden 6.000,00 Euro), ein fingierter Einbruch (August 2016, Schaden von 12.500,00 Euro) und ein Überfall durch einen maskierten Täter (Juli 2018, Schaden von 15.000,00 Euro) ereignet. Wegen der weiteren Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin wird auf seine Stellungnahme sowie die dazugehörigen Bilder (Screenshots) der neun Kameras verwiesen (Bl. 45-57 des Verwaltungsvorgangs).

Mit Schreiben vom 25. März 2019 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass auf die Erhebung der festgesetzten Zwangsgelder in Höhe von 1.500,00 Euro und in Höhe von 3.000,00 Euro verzichtet werde. Er wies darauf hin, dass die von der Klägerin durchgeführte Videoüberwachung teilweise datenschutzrechtlich unzulässig sei. Zur Erreichung des mit der Videoüberwachung verfolgten Zwecks sei die Überwachung der Arbeits- und Sitzplätze nicht erforderlich. Zudem beeinträchtige die Videoüberwachung die Persönlichkeitsrechte der sich in den Sitzbereichen länger aufhaltenden Personen erheblich. Auch stehe die Speicherdauer im Widerspruch zu datenschutzrechtlichen Anforderungen. Schließlich sei die Hinweisbeschilderung unzureichend. Der Beklagte bat um Vorlage von Nachweisen für die Behebung der von ihm monierten Punkte bis zum 26. April 2019.

Im darauffolgenden Jahr tauschten sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Beklagte zu dem Umfang und der konkreten Ausgestaltung der Videoüberwachung aus. Die Klägerin folgte den meisten Beanstandungen des Beklagten oder es wurden Einigungen erzielt. Auch bezüglich der Kameras 1, 3, 4, 5 und 9 folgte die Klägerin den Beanstandungen des Beklagten jedenfalls insoweit, als dass diese während der Betriebszeiten nunmehr als "verlängertes Auge" der Beschäftigten (sogenanntes Kamera-Monitor-System) liefen und eine Aufzeichnung der Aufnahmen nur noch außerhalb der Betriebszeiten stattfand. Im Übrigen blieb die Ausgestaltung der Videoüberwachung durch diese Kameras aber streitig.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trug dazu im Wesentlichen vor: Ein Unschärfefilter, wie ihn der Beklagte für die Kameras 1, 3, 4, 5 und 9 verlange, sei technisch nicht umsetzbar. Die Neuinstallation eines anderen Kamerasystems sei aufgrund der damit verbundenen Kosten unverhältnismäßig. Kamera 1 sei erforderlich, weil zum Aufklären von Straftaten sowohl der Weg zu den sanitären Einrichtungen als auch der Weg zurück aufgezeichnet werden müsse. Es sei schon vorgekommen, dass Täter in den Sanitäranlagen Waffen und Rucksäcke deponiert hätten. Die Bereiche seien für die Beschäftigten hinter dem Tresen nicht einsehbar. Deswegen bedürfe es für die Sicherheit der Kunden und Beschäftigten und zur Wahrnehmung des Hausrechts einer Videoüberwachung dieser Bereiche. Der von Kamera 5 erfasste "tote Winkel" könne nicht durch das Personal kontrolliert werden, weil dieses den Blick auf den Eingang zu richten habe, um die Einhaltung der streng zu beachtenden Einlassregeln zu kontrollieren. Es sei den Beschäftigten nicht zuzumuten, den Bereich in Augenschein zu nehmen, und sich damit möglichen Gefahren auszusetzen, die entstünden, wenn sie Täter bei Rauschgiftgeschäften oder - konsum auf frischer Tat ertappten. Gerade, wenn Kunden Rauschgift konsumierten, neigten sie zu völlig unvorhersehbarem, oft aggressivem Verhalten. Die Klägerin treffe ihren Beschäftigten gegenüber eine Fürsorgepflicht. Aus diesen Gründen könnten die Beschäftigten auch nicht die Überwachung der Erfassungsfelder der Kameras 3, 4 und 9 übernehmen; Kamera 9 überwache Geldspielgeräte und solle bei Manipulationen an den Automaten zur Identifizierung der Täter beitragen (Schreiben vom 31.7.2019, Bl. 118 ff., vom 10.1.2020, Bl. 136 ff. und vom 21.2.2020, Bl. 145 ff. des Verwaltungsvorgangs).

Der Beklagte hielt dem entgegen, der Sitzbereich der Gäste im Erfassungsbereich der Kamera 1 sei durch Beschäftigte an der Theke im Gaststättenbereich einsehbar, sodass eine zusätzliche Überwachung der Bereiche zur Verhinderung des Drogenkonsums nicht erforderlich sei. Die Zugangskontrolle, die Kontrolle des Tresors und die Dokumentation von Überfällen und Trickbetrügereien könne mit der Überwachung der übrigen, nicht mehr beanstandeten Kameras erfolgen. Gleiches gelte für die Erfassungsfelder der Kameras 3, 4 und 9. Der von Kamera 5 erfasste Bereich liege zwar im toten Winkel, könne aber problemlos regelmäßig durch anwesendes Personal kurz in Augenschein genommen werden, ohne das weite Wege zurückgelegt oder der Tresen ohne Personal zurückgelassen werden müsse. Der Gastronomiebereich - Kameras 1 und 5 - sei durchaus mit einem Café vergleichbar, weil dieser speziell zum Verzehr vorgesehene Bereich zum Verweilen und Kommunizieren einlade. Die Manipulation von Spielautomaten erfolge durch Bearbeitung des hinteren oder seitlichen Bereiches des Gerätes, sodass es insoweit genüge, die Geräte selbst zu überwachen, und nicht auch die Sitzbereiche der Gäste. Anstelle der Anschaffung eines neuen Überwachungssystems könnten auch die vorhandenen Kameras mit einer Folie abgeklebt werden (Schreiben vom 29.10.2019, Bl. 121 ff. und vom 11.3.2020, Bl 155 ff. des Verwaltungsvorgangs).

Mit dem Bescheid vom 20. Mai 2020 stellte der Beklagte fest, dass die von der Klägerin durchgeführte Videoüberwachung nicht den datenschutzrechtlichen Vorschriften entspreche. Unter der Ziffer 1 wies er die Klägerin an, die Ausgestaltung der von ihr betriebenen Videoüberwachung so einzurichten, dass die Erhebung von personenbezogenen Daten von Personen in den Sitzbereichen während der Öffnungszeiten ausgeschlossen ist (Kameras 1,3, 4, 5 und 9) und die Überarbeitung der Kameraeinstellungen durch die Übersendung entsprechender Screenshots bis zum 25. Juni 2020 nachzuweisen oder andernfalls die Abschaltung der Kameras während der Öffnungszeiten innerhalb dieser Frist zu bestätigen. Unter Ziffer 2 wies er die Klägerin außerdem an, bis zum 25. Juni 2020 durch Vorlage eines Bildes oder einer Kopie den Nachweis zu erbringen, dass Betroffene von der Videoüberwachung gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. e und Abs. 2 lit. b DS-GVO über die Empfänger bzw. die Kategorie der Empfänger der personenbezogenen Daten und auf das Bestehen des Beschwerderechts bei der Aufsichtsbehörde informiert werden. Für den Fall der nicht, nicht vollständigen oder nicht fristgerechten Umsetzung drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro bezüglich der Ziffer 1 und in Höhe von 800,00 Euro bezüglich der Ziffer 2 des Bescheids an.

Seine Anweisung unter Ziffer 1 begründete er wie folgt: Die Videoüberwachung widerspreche den Vorgaben der DS-GVO, weil die Interessen der betroffenen Gäste des Wettbüros gegenüber den Interessen der Klägerin überwiegen. Der überwiegende Teil der sich im Verzehrbereich oder an den Automaten zur Freizeitgestaltung aufhaltenden Personen gebe keinen Anlass für eine Überwachung. Vorfälle zur Manipulation von Spielgeräten seien für die Vergangenheit nicht vorgetragen worden. Hinsichtlich des Vortrages, die Videoüberwachung sei erforderlich, um den Rauschgiftkonsum frühzeitig zu verhindern, weil dieser zu aggressiven Handlungen gegenüber dem Personal führe, sei schon nicht deutlich geworden, ob und wie die Videoüberwachung zur Zweckerreichung geeignet sein könne. Einerseits solle der Konsum verhindert werden, andererseits werde vorgetragen, bereits die Inaugenscheinnahme durch Personal könne gefährlich sein. Er gehe davon aus, dass das bei den Toilettenzugängen bereits vorhandene Sicherheitspersonal eine gelegentliche Bestreifung vornehmen könne, sodass es einer Videoüberwachung der Sitzbereiche nicht bedürfe. Die Klägerin brauche auch keine neue Videoanlage beschaffen, weil das vorhandene System bereits die Möglichkeit der Privatzonenmaskierung biete. Die Sitzbereiche könnten unproblematisch aus dem Erfassungsbereich genommen werden. Zur Begründung der Ziffer 2 führte der Beklagte aus, die Klägerin habe bislang keinen Nachweis darüber erbracht, dass die datenschutzrechtlich vollständigen Informationen vorliegen. Für beide Ziffern führte der Beklagte aus, die Ausübung des Ermessens führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Androhung des Zwangsgeldes sei erforderlich, weil eine freiwillige Erfüllung der gesetzlich geforderten Maßnahmen derzeit nicht erkennbar sei.

Dagegen hat die Klägerin am 24. Juni 2020 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, sie habe ein berechtigtes Interesse an der Videoüberwachung. Wettbüros und Wettannahmestellen seien kriminalitätsbelastete Orte. Übergriffe seien szenetypisch. Bei den zu vermeidenden oder aufzuklärenden Straftaten müsse es sich nicht ausschließlich um solche handeln, die zu Lasten des Vermögens der Klägerin gingen, sondern auch die milieubedingte Kriminalität wie Drogenhandel oder Betrug sei umfasst. Das Begehen solcher Straftaten in ihrem Wettbüro könne dazu führen, dass gesetzestreue Kunden das Wettbüro meiden. Anders als durch das Überwachen (auch) der Sitzbereiche werde man den Handel mit Betäubungsmitteln kaum überwachen können.

Auch sei sie glücksspielrechtlich dazu angehalten, die Manipulation der Spielgeräte zu verhindern. Zum Beispiel müsse sie Geldspielgeräte sofort aus dem Verkehr ziehen, wenn diese in ihrer ordnungsgemäßen Funktion gestört seien; ein Versäumnis sei bußgeldbewehrt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Nr. 6b SpielVO). Der Betrieb eines Geldspielgerätes abweichend von der zugelassenen Bauart lasse zudem die rechtfertigende Wirkung der Bauartzulassung entfallen. Ein Betrieb ohne Erlaubnis sei gemäß § 284 StGB strafbar. Durch das Überwachen der Sitzbereiche könnten auch Vorbereitungshandlungen vor dem eigentlichen Ansetzen zur Manipulation eines Geräts aufgedeckt werden. Sie müsse nicht abwarten, bis Straftaten tatsächlich begangen würden.

Zudem könne die Klägerin durch die Videoüberwachung auch ggf. gesperrte Spieler oder Minderjährige entdecken.

Das temporär beschäftigte Wachpersonal könne wegen des dazwischenliegenden Treppenhauses die Erfassung durch die Kameras 1, 3 und 4 nicht obsolet machen. Gerade zu Stoßzeiten sei es nicht möglich, den Bereich unten unbeaufsichtigt zu lassen. Die Mitarbeiter an der Theke könnten diesen Bereich ebenfalls nicht verlassen. Gerade die Erfassung der Kamera 5 ermögliche es den Angestellten, vom Tresen aus das Geschehen zu beobachten und im Ernstfall schnell reagieren zu können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Die Kamera 9 überwache Geldspielgeräte, solle bei Manipulationen an den Automaten ein schnelles Eingreifen ermöglichen und zur Identifizierung der Täter beitragen. Ein Unschärfefilter, wie ihn der Beklagte fordere, sei kein gleich effektives Mittel. Bei Rauschgifthandel stünden die Personen üblicherweise nah beieinander, sodass ein Unschärfefilter die Erkennung strafrechtlich relevanter Handlungen verhindere. Eine Ausweitung der Beschäftigung von Wachleuten sei nicht möglich, weil deren permanente Beobachtung einen deutlich gravierenderen Eingriff gegenüber der Videoüberwachung bedeute und der Klägerin die damit verbundenen wirtschaftlichen Aufwendungen nicht zumutbar seien. Eine Beobachtung (nur) der Laufwege würde weder Manipulationen an den Spielgeräten noch verdächtige Handlungen in dem Bereich des toten Winkels erfassen.

Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die Videoüberwachung für den von ihr betroffenen Personenkreis nicht überraschend, sondern aufgrund regelmäßiger strafrechtsrelevanter Vorfälle sozialadäquat sei. Für ein übersteigert angepasstes Verhalten der Gäste bestünden keine Anhaltspunkte; im Gegenteil empfänden die sich legal verhaltenden Gäste diese als eine ihre Sicherheit gewährleistende Maßnahme. Zudem erführen die Gäste beim Eintreten in das Lokal von der Videoüberwachung. Dabei sei einzubeziehen, dass es die freie Entscheidung der Gäste sei, das Lokal trotz der Überwachung zu betreten und dort zu verweilen. Selbst wenn man dem Verzehrbereich trotz seiner untergeordneten Bedeutung ein kommunikatives Element beimessen wolle, umfasse die Videoüberwachung jedenfalls keinen Ton und wahre deswegen das Recht auf Achtung des Privatlebens.

Der Beklagte habe die von dem niedersächsischen Landesgesetzgeber vorgenommenen Wertungen in Bezug auf staatliche Spielbanken zu beachten. Die Interessenlage sei vergleichbar. Somit sei § 10c Abs. 1 des Niedersächsischen Spielbankengesetzes (NSpielbG) unionsrechtskonform anzuwenden; die Rechtfertigung der Videoüberwachung in einem Bereich, der mit dem Geschäftsfeld der Klägerin vergleichbar sei, habe sich an Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 lit. c DS-GVO zu orientieren. Die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber staatlichen Spielbanken sei nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich der Beschäftigten sei zu berücksichtigen, dass die Videoüberwachung nicht heimlich erfolge und sich die Beschäftigten jederzeit hinter den Tresen begeben könnten, wo eine Erfassung nicht stattfinde.

Die Androhung des Zwangsgeldes sei rechtswidrig, was sich aus der Rechtswidrigkeit der Grundverfügung ergebe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2020 hinsichtlich Ziffer 1 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, dass sie ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Videoüberwachung nicht grundsätzlich in Abrede stelle. Die Aufklärung von Straftaten obliege jedoch nicht der Klägerin, sondern den Strafverfolgungsbehörden. Die Videoüberwachung der Sitzbereiche sei nicht erforderlich. Die Gäste würden bereits beim Passieren des Eingangsbereiches erfasst; zudem seien sowohl der Eingangsbereich zum Bistro als auch der zum Wettbüro von der Theke aus einsehbar, sodass die Gewährleistung des Jugendschutzes sowie der Ausschluss gesperrter Spieler auf andere Weise ausgemacht werden könnten. Zur Verhinderung und Aufklärung eines Raubüberfalls sei die Erfassung des Sitzbereichs nicht erforderlich, denn selbst wenn sich ein möglicher Täter vor der Tat dort aufhalte, nutze er anschließend die Laufwege zur Kasse, die ohnehin erfasst würden. Dies gelte ebenso für Personen, die sich unbefugt Zugang zu den Geschäftsräumen verschaffen wollten, sowie für die Verhinderung von Körperverletzungsdelikten.

Hinsichtlich des Konsums von und des Handels mit Drogen stelle ein regelmäßiger Rundgang des Wachpersonals oder der Beschäftigten durch den Sitzbereich ein ebenso effektives und weniger eingriffsintensives Mittel gegenüber einer permanenten Videoüberwachung dar. Der Sitzbereich liege direkt hinter der Wettannahmestelle und verfüge über (nur) vier Tische, sodass der Aufwand einer persönlichen Überwachung nicht erheblich sei. Soweit die Klägerin angebe, bereits ein Passieren drogenkonsumierender Gäste durch ihre Mitarbeiter sei zu gefährlich, werde nicht deutlich, wie eine permanente Videoüberwachung den Drogenkonsum unterbinden solle; insoweit sei bereits die Eignung in Frage zu stellen. Selbst wenn die Überwachung durch Beschäftigte der Klägerin mangels entsprechender Kapazitäten der Belegschaft nicht möglich sei und die Überwachung die Einstellung neuer Personen erforderlich mache, führe der damit verbundene finanzielle Mehraufwand nicht automatisch dazu, dass die Videoüberwachung erforderlich werde. Der finanzielle Mehraufwand müsse vielmehr von einigem Gewicht im Verhältnis zu der gesamten Geschäftstätigkeit der Klägerin sein.

Die Gefährdungslage müsse sich jedenfalls aus bestimmten konkreten Ereignissen ergeben; der pauschale Verweis auf eine bestimmte Szene oder den schlechten Ruf eines Orts genüge nicht. Weder die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Vorfälle, welche die gesamte Unternehmensgruppe der Klägerin betreffen, noch diejenigen Straftaten, welche sich in dem hier in Rede stehenden Wettbüro ereignet hätten, könnten die streitige Videoüberwachung rechtfertigen. Es sei nicht ersichtlich, wie eine Videoüberwachung der Sitzbereiche die aufgeführten Vorfälle und Straftaten überhaupt verhindern könne. Sollte der Drogenkonsum in dem Wettbüro ein derart massives Problem darstellen, sei an eine Einlasskontrolle oder an die Erteilung von Hausverboten gegenüber auffällig gewordenen Spielern zu denken.

In Bezug auf die Verhinderung der Manipulation von Spielgeräten sowie der Einhaltung der Überwachungspflicht sei das in dem Sitzbereich befindliche Spielgerät ausweislich seiner Anordnung nicht von der Erfassung auszunehmen. Außerdem könnten Manipulationsversuche zugeordnet werden, weil Laufwege von den Kameras erfasst würden und Manipulationsversuche durch das Wachpersonal erkannt und unterbunden werden könnten. Die Überwachung könne durch das bereits vorhandene Personal übernommen werden, womit keine weiteren Kosten anfielen. Auch bei Einsatz eines Unschärfefilters könnten ungewöhnliche Bewegungsmuster in den Sitzbereichen erkannt werden. Den Mehrwert, etwaige Vorbereitungshandlungen - wie das Auspacken eines zur Manipulation des Geräts erforderlichen Werkzeuges - zu beobachten, stufe sie als gering ein.

Den szenetypischen Besonderheiten eines Wettbüros (gegenüber einem Café) sei dadurch bereits Rechnung getragen worden, dass eine Videoüberwachung der Räumlichkeiten - bis auf die Sitzbereiche - für zulässig erachtet worden sei. Der überwiegende Teil der Gäste biete keinen Anlass für eine Videoüberwachung. Auch könne man nicht pauschalisierend für alle Gäste annehmen, diese seien mit der Videoüberwachung einverstanden.

Das NSpielbG sei nicht entsprechend anwendbar. Gemeinsam hätten Spielbanken und Wettbüros, dass ein Geldgewinn möglich sei. In Spielbanken könnten die Spiele - zum Beispiel Roulette oder Black Jack - aktiv beeinflusst werden, während der Ausgang einer Wette gerade nicht beeinflussbar sei. Im Übrigen - selbst wenn § 10c NSpielbG anwendbar sei - würden die Sitzbereiche nicht dieser Regelung unterfallen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (hiernach: BDSG) ist für Rechtsansprüche aus der der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, hiernach: DS-GVO) nach Artikel 78 Abs. 1 und 2 der DS-GVO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Verwaltungsgericht Hannover ist gemäß § 20 Abs. 3 BDSG örtlich zuständig. Die Klage gegen die Verfügungen des Beklagten aus dem Bescheid vom 20. Mai 2020 ist als Anfechtungsklage statthaft.

II. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 20. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die unter Ziffer 1 ausgesprochene Anweisung, die Ausgestaltung der von der Klägerin betriebenen Videoüberwachung so einzurichten, dass die Erhebung von personenbezogenen Daten von Personen in den Sitzbereichen während der Öffnungszeiten ausgeschlossen ist (Kameras 1,3, 4, 5 und 9) und die Überarbeitung der Kameraeinstellungen durch die Übersendung entsprechender Screenshots nachzuweisen, ist rechtmäßig.

a) Die Rechtsgrundlage für diese Anweisung findet sich in Art. 58 Abs. 2 lit. d DS-GVO. Danach verfügt die Aufsichtsbehörde über sämtliche Befugnisse, die es ihr gestatten, den Verantwortlichen anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit der DS-GVO zu bringen.

b) Der Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Beklagte ist für den Erlass des Bescheides zuständig. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 30. Juni 2017 (BDSG), § 22 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes vom 16. Mai 2018 (NDSG) und Art. 55 f. DS-GVO. Die Klägerin ist vor Erlass des angegriffenen Bescheids angehört worden.

c) Die Anweisung ist auch materiell rechtmäßig. Die Videoüberwachung durch die fünf streitgegenständlichen Kameras steht in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in Einklang mit der DS-GVO. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO müssen personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden. Die hier in Rede stehende Videoüberwachung, bei der die im Wettbüro der Klägerin installierten Kameras 1, 3, 4, 5 und 9 als "verlängertes Auge" der Beschäftigten genutzt werden, verstößt gegen die DS-GVO, weil sie nicht nach Art. 6 DS-GVO gerechtfertigt ist.

aa. Die DS-GVO ist anwendbar. Nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt diese Verordnung für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Bei der Beobachtung der Gäste des Wettbüros durch Kameras, die als "verlängertes Auge" der Beschäftigten genutzt werden, handelt es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 und Nr. 2 DS-GVO. Nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO meint "Verarbeitung" jeden Vorgang, der mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten ausgeführt wird. Die sich an diese Begriffsbestimmung anschließende, ersichtlich umfassende Aufzählung von Vorgängen in Art. 4 Nr. 2 DSGVO zeigt, dass der Begriff der Verarbeitung jeglichen Umgang mit personenbezogenen Daten erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2019 - 6 C 2/18 -, juris Rn. 43). Die Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO "personenbezogen", wenn es sich um Informationen handelt, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Die Aufzeichnung des Bildes einer Person durch Kameras ermöglicht es den Betrachtern der Bilder, die erfassten Personen zu identifizieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2019 - 6 C 2/18 -, juris Rn. 43).

bb. Das hier eingesetzte Kamera-Monitor-System ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung gemäß Art. 6 DS-GVO rechtswidrig. Danach ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter Art. 6 Abs. 1 lit. a - f genannten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist nicht der Fall.

aaa. Zunächst haben die von der Videoüberwachung betroffenen Personen (s. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) nicht nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben. Eine Einwilligung ist gemäß Art. 4 Nr. 11 DS-GVO jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Damit betroffene Personen in Kenntnis der Sachlage ihre Einwilligung geben können, sollten sie mindestens wissen, wer der Verantwortliche ist und für welche Zwecke ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen. Es sollte nur dann davon ausgegangen werden, dass sie ihre Einwilligung freiwillig gegeben haben, wenn sie eine echte oder freie Wahl haben und somit in der Lage sind, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 42 zur DS-GVO). Danach liegt im vorliegenden Fall keine Einwilligung der Gäste vor. Es kann bereits nicht angenommen werden, dass die Gäste beim Betreten des Wettbüros - auch nicht bei deutlich sichtbar angebrachten Hinweisen auf die Beobachtung - den Umfang und die Ausgestaltung der Videoüberwachung sowie deren Zwecke zur Kenntnis nehmen, sodass schon keine Willensbekundung "in informierter Weise" stattfinden kann (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23.2.2007 - 1 BvR 2368.06 -, juris Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 27.3.2019 - 6 C 2.18 -, juris Rn. 23). Auch kann im Eintritt in das Wettbüro und den dortigen Aufenthalt ohne ausdrücklichen Protest keine unmissverständliche Willensbekundung erkannt werden (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23.2.2007, a.a.O.). Schließlich haben die Gäste auch keine freie Wahl, ob sie mit der Videoüberwachung der Sitzbereiche während ihres Aufenthaltes in dem Wettbüro einverstanden sind; sie können sich nur zu ihrem Nachteil entscheiden, das Wettbüro gar nicht erst zu betreten.

bbb. Die Videoüberwachung ist auch nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, welcher der Verantwortliche unterliegt. Gemeint ist damit die Verpflichtung kraft Rechts der Union oder eines Mitgliedstaates, vgl. Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1. Die in einer Vorschrift des objektiven Rechts vorgesehene "rechtliche Verpflichtung" muss sich dabei unmittelbar auf die Datenverarbeitung beziehen; allein der Umstand, dass ein Verantwortlicher, um irgendeine rechtliche Verpflichtung erfüllen zu können, auch personenbezogene Daten verarbeiten muss, reicht nicht aus (Albers/Veit in: BeckOK DatenschutzR, 44. Ed. 1.5.2023, DS-GVO Art. 6 Rn. 48 m.w.N.). Nach diesem Maßstab vermögen die in § 7 Abs. 3 Nr. 1 Spielverordnung genannten Vorgaben, wonach Geld- oder Warenspielgeräte unter anderem dann unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen sind, wenn sie in ihrer ordnungsgemäßen Funktion gestört sind, keine rechtliche Verpflichtung in diesem Sinne zu bieten, weil diese rechtliche Vorgabe keinen unmittelbaren Bezug zu einer irgendwie gearteten Datenverarbeitung herstellt.

Die Videoüberwachung ist auch nicht zur Erfüllung der Verpflichtung aus § 10c des Niedersächsischen Spielbankgesetzes (NSpielbG) erforderlich. Nach § 10 c Abs. 1 Satz 1 NSpielbG sind zu den dort bestimmten Zwecken die Eingänge, die Ausgänge, die Bereiche, in denen üblicherweise der Transport, die Zählung oder die Aufbewahrung von Bargeld oder Spielmarken erfolgt, sowie die Spielräume der Spielbank, die Spieltische und Glücksspielautomaten der Spielbank mit Videokameras zu überwachen. Die Vorschrift ist bereits nicht anwendbar, weil es sich bei dem Wettbüro der Klägerin nicht um eine im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 NSpielbG zugelassene Spielbank handelt. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf das Wettbüro der Klägerin kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Interessenlage nicht vergleichbar ist. Spielbanken sind Örtlichkeiten, in denen Spiele mit grundsätzlich hoher Manipulationsanfälligkeit und herausragendem Suchtpotenzial angeboten werden, zu denen traditionell Tischspiele mit und ohne Bankhalter wie Roulette, Black Jack und Poker sowie spezielle stationäre Automatenspiele gehören, welche den Einschränkungen des gewerblichen Spiels und des Online-Glücksspiels nicht unterliegen (vgl. Begründung zur Änderung des NSpielbG vom 13.10.2021, Landtag-Drs. 18/10075, S. 17). Derartige Spiele finden im Wettbüro der Klägerin nicht statt; soweit auch in ihren Räumlichkeiten Spielautomaten aufgestellt sind und in dem (der Öffentlichkeit nicht zugänglichen) Bürobereich mit größeren Mengen Bargeld umgegangen wird, hat der Beklagte die Videoüberwachung nicht beanstandet.

Unabhängig davon folgt eine Verpflichtung zu einer Videoüberwachung, wie die Klägerin sie derzeit betreibt, selbst dann nicht aus § 10 c NSpielbG, wenn man die Vorschrift auf den vorliegenden Fall analog anwenden wollte. Unter "Spielräumen" sind solche Bereiche zu verstehen, in denen sich Gäste zum Zwecke der Teilnahme an Spielen aufhalten. Bereiche wie die hier in Rede stehenden, die fast ausschließlich - mit Ausnahme vereinzelter Automaten, an denen Wetten abgegeben werden können - dem Aufenthalt oder dem Verzehr von Getränken dienen, sind dort gerade nicht angesprochen. Der Gesetzgeber hat zuletzt die zu überwachenden Bereiche angepasst und "die gegebenenfalls getrennt von den Eingängen vorhandenen Ausgänge" aufgenommen (vgl. Landtag-Drs. 18/10075, S. 37). Er hat sich also bewusst gegen die Aufnahme von anderen, dem Aufenthalt von Gästen dienenden Bereichen entschieden. Dafür, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, solche vornehmlich dem Aufenthalt dienenden Bereiche gerade nicht mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Videoüberwachung zu belegen, spricht auch, dass die Regelung überhaupt explizit Bereiche nennt, in denen die Videoüberwachung stattzufinden hat. Wäre die Videoüberwachung einschränkungslos auch in Bereichen obligatorisch, in denen keine manipulationsanfälligen Spiele stattfinden, hätte der Gesetzgeber anstelle einer expliziten Aufzählung von Bereichen schlicht die verpflichtende Videoüberwachung für die gesamte Spielbank anordnen können.

ccc. Die Videoüberwachung ist auch nicht nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO gerechtfertigt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

(1) Das berechtigte Interesse an der hier noch streitigen Videoüberwachung durch die Kameras 1, 3, 4, 5 und 9 ist anzunehmen.

Als berechtigt darf jedes rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse des Verantwortlichen angesehen werden, soweit es von der Rechtsordnung nicht missbilligt wird. Das berechtigte Interesse muss auf einen konkreten Verarbeitungs- oder Nutzungszweck gerichtet sein. Aus Art. 5 Abs. 1 lit. b DS-GVO folgt, dass das Interesse nur berechtigt sein kann, wenn die Verarbeitung legitim ist (vgl. Taeger in: Taeger/Gabel, DSGVO-BDSG-TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 129). Es muss zum Zeitpunkt der Datenverarbeitung entstanden und vorhanden sein und darf zu diesem Zeitpunkt nicht hypothetisch sein (EuGH, Urteil vom 11.12.2019 - C-708/18 -, juris Rn. 44). Der Verantwortliche hat sein berechtigtes Interesse substantiiert vorzutragen und zu belegen (vgl. Art. 5 Abs. 2 DS-GVO; Taeger in: Taeger/Gabel, DSGVO-BDSG-TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 135; vgl. auch EuGH, Urteil vom 24.2.2022 - C-175/20 -, juris Rn. 77; BVerwG, Urteil vom 2.3.2022 - 6 C 7.20 -, juris Rn. 50). Dieser speziellen Substantiierung bedarf es nur dann nicht, wenn eine Situation gegeben ist, die nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise gefährlich ist und der Überwachung bedarf. Eine solch abstrakte Gefährdungslage kann beispielsweise bei Einkaufszentren und Kaufhäusern anzunehmen sein (vgl. zur alten Rechtslage Nds. OVG, Urteil vom 29.9.2014 - 11 LC 114/13 -, juris Rn. 44; vgl. VG Hannover, Urteil vom 13.3.2023 - 10 A 1443/19 -, juris Rn. 57; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Grundsätze auch im Anwendungsbereich der DS-GVO Taeger in: Taeger/Gabel, DSGVO-BDSG-TTDSG, 4. Aufl. 2022, Art. 6 Rn. 135).

Die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten stellen grundsätzlich berechtigte Interessen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO dar. Sie können eine Videoüberwachung jedoch nur dann als objektiv begründbar rechtfertigen, wenn eine Gefährdungslage besteht, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Eine solche Gefährdung kann sich nur aus tatsächlichen Erkenntnissen ergeben; subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit reichen nicht aus (vgl. zum alten Recht BVerwG, Urteil vom 27.3.2019 - 6 C 2/18 -, juris Rn. 28 m.w.N.). Allerdings kann bei der Beurteilung aller Umstände des jeweiligen Falles nicht zwingend verlangt werden, dass die Sicherheit des Eigentums und der Personen zuvor beeinträchtigt wurde (EuGH, Urteil vom 11.12.2019 - C-708/18 -, juris Rn. 44). Konkrete Vorfälle müssen nicht in jedem Fall beim Überwachenden selbst stattgefunden haben, sondern die Gefahrenlage kann sich auch daraus ergeben, dass vergleichbare Vorfälle oder Übergriffe in der unmittelbaren Nachbarschaft stattgefunden haben (vgl. Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen" der Datenschutzkonferenz - DSK - vom 17. Juli 2020, S. 8 f. m.V.a. Art. 5 Abs. 2 DS-GVO und EuGH, Urteil vom 11.12.2019 - C-708/18 -, juris Rn. 44; Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte des European Data Protection Board vom 29.1.2020, Rn. 18 ff.).

Danach hat die Klägerin - dies hat auch der Beklagte anerkannt - grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Videoüberwachung ihres Wettbüros dargelegt, um damit Straftaten zu unterbinden und nachzuverfolgen. Sie hat konkrete Straftaten benannt, die sich in den hier in Rede stehenden Räumlichkeiten ereignet haben und durch den Verweis auf Vorkommnisse in anderen Filialen dargelegt, dass (unter anderem) aufgrund der größeren Mengen Bargeld, mit denen in Wettbüros umgegangen wird, ein potentiell hohes Risiko für das Begehen von Straftaten besteht. Dementsprechend hat der Beklagte der Klägerin die Überwachung diverser Bereiche der Liegenschaft zugestanden (Kameras 2, 6, 7 und 8). Dabei hat der Beklagte die Videoüberwachung der Laufwege zugelassen, sodass etwaige Straftäter jedenfalls beim Verlassen der Räumlichkeiten erfasst werden, sowie die Orte, an denen mit Bargeld umgegangen wird (z.B. der Tresor). Außerhalb der Öffnungszeiten dürfen die Videoaufnahmen aufgezeichnet werden, um das unbefugte Betreten der Filiale abzuwenden oder ggf. nachverfolgen zu können.

(2) Die Videoüberwachung ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung zur Wahrung der Interessen der Klägerin aber nicht erforderlich. Die personenbezogenen Daten sollten für die Zwecke, zu denen sie verarbeitet werden, angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke ihrer Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein; sie sollten nur verarbeitet werden dürfen, wenn der Zweck der Verarbeitung nicht in zumutbarer Weise durch andere Mittel erreicht werden kann (vgl. Erwägungsgrund 39 zur DS-GVO).Voraussetzung für die Erforderlichkeit der Videoüberwachung ist also, dass kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um die Interessen des Verantwortlichen zu erreichen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 6 Rn. 147a). Die Einschränkungen beim Datenschutz müssen sich "auf das absolut Notwendige" beschränken (vgl. EuGH, Urteil vom 11.12.2019 - C-708/18 -, juris Rn. 46). Eine bloße Zweckdienlichkeit der Datenverarbeitung reicht jedenfalls nicht aus und auch das Ansinnen einer "bestmöglichen Effizienz" macht die Datenverarbeitung noch nicht zu einer erforderlichen. Entsprechend kann die Erforderlichkeit auch nicht allein damit begründet werden, dass es sich bei der beabsichtigten Datenverarbeitung um die aus Sicht des Verantwortlichen wirtschaftlich sinnvollste Alternative handelt (Petri in: Kühling/Buchner/Buchner, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 6 Rn. 147a m.w.N.).

Nach diesem Maßstab ist die Videoüberwachung der Sitzbereiche durch die Kameras 1,3, 4, 5 und 9 nicht erforderlich. Es ist derzeit nicht ersichtlich, dass die Erhebung der dadurch gewonnenen personenbezogenen Daten überhaupt geeignet - also erheblich - ist, um die von der Klägerin verfolgten Zwecke zu erreichen. Auf Grundlage der bisherigen Unterlagen ist nicht erkennbar, dass die von der Beklagten konkret benannten Straftaten überhaupt im Zusammenhang mit einem Aufenthalt von Gästen in den Sitzbereichen gestanden haben. Die Klägerin stützt sich im Wesentlichen auf befürchtete Straftaten und sonstiges Fehlverhalten, welches in der "Szene" oder dem "Milieu", aus dem die Gäste der Klägerin stammen, üblich sein soll. Die von der Klägerin benannten Straftaten lassen teilweise eindeutig erkennen, dass sich der oder die Täter(in) vor der jeweils begangenen Tat gerade nicht in den Sitzbereichen aufgehalten oder die Tat als solche dort stattgefunden hat; dies gilt für die Öffnung des Tresors, der sich in dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereich befindet, sowie für die Entwendung von Bargeld durch Beschäftigte der Klägerin, einen Überfall unter Einsatz von Waffengewalt, eingeschmissene Schaufensterscheiben und das unberechtigte Betreten der Geschäftsräume außerhalb der Öffnungszeiten. Die übrigen von der Klägerin genannten Taten und Vorkommnisse lassen nicht erkennen, ob diese in den für Gäste vorgesehenen Sitzbereichen stattgefunden haben; dies gilt für die Angabe "milieubedingte Kriminalität in den Geschäftsräumen, zum Beispiel Übergabe von Drogen gegen Bargeld" und Trickbetrug durch das Erzwingen von Wechselgeldfehlern. Konkrete Vorfälle in der Nachbarschaft hat die Klägerin zwar behauptet, jedoch nicht substantiiert. Soweit sie sich auf die befürchtete Manipulation von Spielgeräten und die ihr glückspielrechtlich obliegende Verpflichtung, manipulierte Geräte unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen, beruft, hat sie derartige Vorfälle weder für die hier in Rede stehende noch für andere Filialen oder Einrichtungen in der Nachbarschaft vorgetragen. Es fehlen auch nähere Angaben dazu, wie "Vorbereitungshandlungen" für eine Manipulation von Spielgeräten konkret aussehen und aus welchem Grund sie befürchtet, dass solche gerade in den Sitzbereichen für Gäste stattfinden könnten. Den Konsum von und Handel mit Rauschgift hat sie bislang nur behauptet, aber nicht belegt. Auch hinsichtlich der weiteren, im Laufe des gerichtlichen Verfahrens genannten Straftaten, die sich im Zeitraum vom 3. August 2016 und dem 9. Oktober 2021 in der hier streitgegenständlichen Filiale ereignet haben sollen, nämlich eine Unterschlagung von Bargeld, ein Diebstahl von Bargeld durch einen Kunden, ein Diebstahl eines Gegenstandes durch einen Kunden und zwei Raubüberfälle, ist nicht erkennbar, dass diese Straftaten im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in den Sitzbereichen des Wettbüros standen.

Es ist außerdem nicht erkennbar, dass die Videoüberwachung der Sitzbereiche überhaupt dazu geeignet wäre, die von der Klägerin genannten Straftaten - sowohl die in der Unternehmensgruppe als auch die in der hier in Rede stehenden Filiale begangenen - zu verhindern oder bei der Aufklärung dieser Straftat einen nennenswerten Mehrwert zu bringen. Dies gilt insbesondere für die genannten Raubüberfälle, Einbrüche und Sachbeschädigungen, die - soweit ersichtlich - nicht von Personen begangen worden sind, die sich zuvor in dem Wettbüro aufgehalten haben. Auch diejenigen Straftaten, die von Beschäftigten der Klägerin begangen worden sind, wie zum Beispiel das unberechtigte Betreten der Geschäftsräume außerhalb der Öffnungszeiten, die Unterschlagung von Bargeld oder die Öffnung der Tresore und Entwendung von Bargeld, ließen sich nicht durch eine Überwachung der Sitzbereiche für Gäste verhindern. Einzig denkbar wäre dies bezüglich des genannten Trickbetruges durch das Erzwingen von Wechselgeldfehlern oder den Handel mit sowie Konsum von Rauschgift. Insoweit ist aber fraglich, ob die Beschäftigten in der Lage wären, die Monitore derart aufmerksam zu beobachten, dass ihnen Wechselgeldfehler oder der Konsum von Rauschmitteln überhaupt auffallen könnte.

Die Fortsetzung der Videoüberwachung in ihrer jetzigen Form ist auch nicht deswegen erforderlich, weil andernfalls unzumutbar hohe Betriebskosten entstünden. Bei dem Bestreben, Kosten einzusparen, handelt es sich grundsätzlich um ein berechtigtes Interesse. Allerdings muss der Verantwortliche darlegen, dass er diese Kosten auch durch andere Vorkehrungen, insbesondere durch organisatorische Veränderungen anstelle der Videoüberwachung nicht vermeiden oder in einer hinnehmbaren Größenordnung halten kann. Die Kostenersparnis kann die Erforderlichkeit der Videoüberwachung jedenfalls nur dann begründen, wenn die ansonsten entstehenden Kosten im Verhältnis zu dem Umfang der geschäftlichen Tätigkeit ins Gewicht fallen oder gar deren Wirtschaftlichkeit in Frage stellten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2019 - 6 C 2.18 -, juris Rn. 32). Die Klägerin hat dazu nicht substantiiert vorgetragen. Aus dem von ihr hierzu zitierten Urteil des OVG des Saarlandes vom 14. Dezember 2017 ergibt sich nicht, ob der dortige Kläger substantiierte Angaben dazu gemacht hat, aus welchem Grund ihm der Einsatz von Wachpersonal wirtschaftlich nicht zumutbar ist (Az. 2 A 662/17 -, juris Rn. 47). Zudem ist der dortige Fall auch schon deswegen nicht mit dem hier zu entscheidenden vergleichbar, weil es sich bei dem dortigen Kläger um eine Apotheke gehandelt hat, die - im Gegensatz zu der Klägerin - nicht ohnehin Wachpersonal beschäftigt.

Die Klägerin kann ihrem berechtigten Interesse daran, dass kein Rauschgift in ihrer Filiale gehandelt oder konsumiert wird oder andere Straftaten begangen werden, auch durch mildere und gleich effektive Mittel begegnen. Dem Beklagten dürfte darin zu folgen sein, dass die bereits vorhandenen Beschäftigten in regelmäßigen Abständen die Sitzbereiche begehen könnten. Der Auffassung der Klägerin, die Präsenz von Wachleuten werde von Gästen als deutlich gravierenderer Eingriff wahrgenommen, sodass darin kein milderes Mittel zu sehen sei, kann nicht gefolgt werden. Anders als in der von der Klägerin dazu angeführten Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts steht hier keine "permanente Beobachtung" der Gäste durch Wachleute in Rede (vgl. Urteil vom 29.9.2014 - 11 LC 114/13 -, juris Rn. 57), sondern gelegentliche Rundgänge von ohnehin anwesendem Personal. Hinsichtlich der von der Klägerin bezweckten Abschreckungswirkung wirken auch nur gelegentlich die Räumlichkeit abschreitende Beschäftigte mindestens ebenso effektiv abschreckend wie die vorhandenen Kameras (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 12.3.2021 - 18 K 8202/19 -, n.v.). Ihre Beschäftigten können sich vor eventuell aggressiv auftretenden Gästen schützen, indem sie die Polizei kontaktieren, anstatt sie selbst anzusprechen oder des Hauses zu verweisen. Für die Beschäftigten dürfte der zeitliche und personelle Aufwand, die fünf streitigen Kameras neben ihren anderen Aufgaben dauerhaft aufmerksam zu beobachten, um die in den Sitzbereichen befürchteten Vorbereitungshandlungen für Straftaten zu entdecken, als ebenso hoch zu bewerten sein wie die Durchführung regelmäßiger Kontrollgänge durch die Sitzbereiche. Der Gefahr von durch Betrug erzwungenen Wechselgeldfehlern könnte die Klägerin begegnen, indem die Gäste ihre Getränke nur noch am Tresen bezahlen, der außerdem von der nicht mehr streitgegenständlichen Kamera 2 erfasst wird.

Aus dem bisherigen Vortrag der Klägerin ist auch nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das von dem Beklagten vorgeschlagene mildere Mittel, die streitigen Kameras mit einer Folie zu versehen oder eine "Privatzonenmaskierung" einzurichten, sodass die sitzenden Gäste nicht mehr identifizierbar sind, nicht ebenso geeignet ist, wie die Videoüberwachung in ihrer derzeitigen Form. Ihr Vortrag, in dem Fall seien Vorbereitungshandlungen für eine Manipulation eines Spielgerätes schwieriger erkennbar, ist ohne konkretere Angaben dazu, wie solche Vorbereitungshandlungen aussehen, nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon sind solche Manipulationsversuche offenbar bislang nicht vorgekommen; jedenfalls ist dies nicht vorgetragen worden.

Schließlich führt auch die in § 10 c NSpielbG zum Ausdruck gekommene Wertung des Niedersächsischen Gesetzgebers nicht dazu, die Videoüberwachung für das hier in Rede stehende Wettbüro als erforderlich anzusehen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen (s. II. 1. c. bb. bbb.).

(3) Im Übrigen und selbst für den Fall, dass die Verarbeitung der durch die Videokameras 1, 3, 4, 5 und 9 verarbeiteten personenbezogenen Daten zur Wahrung des berechtigten Interesses der Klägerin erforderlich wäre, überwiegen im vorliegenden Fall die Interessen der von der Videoüberwachung betroffenen Personen das Interesse der Klägerin. Ausgangspunkt der Abwägung sind einerseits die Auswirkungen, die eine Datenverarbeitung für die betroffene Person mit sich bringt, und andererseits die Interessen des Verantwortlichen oder Dritten. In diesem Zusammenhang sind Art, Inhalt und Aussagekraft der betroffenen Daten an dem mit der Datenverarbeitung verfolgten Zweck zu messen. Außerdem können die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person einbezogen werden; entscheidend soll sein, ob die betroffene Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung angesichts der näheren Umstände "vernünftigerweise absehen kann", dass eine Datenverarbeitung für einen bestimmten Zweck stattfinden wird (vgl. Petri in: Kühling/Buchner/Buchner, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 6 Rn. 149 ff.)

Für die von der Videoüberwachung betroffenen Gäste streitet ihr Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten nach Art. 8 GRCh sowie ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK. Demgegenüber hat die Klägerin ein Interesse an dem Schutz ihres Eigentums, der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten sowie an der Gewährleistung der Einhaltung der ihr obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen (Jugendschutz, gesperrte Spieler, glücksspielrechtliche Vorgaben bezüglich der Spielautomaten).

Zugunsten der Klägerin ist hier zu berücksichtigen, dass die Videoaufnahmen nicht gespeichert werden und ihr in der Vergangenheit durch begangene Straftaten erhebliche Vermögensschäden entstanden sind. Demgegenüber dienen die Bereiche einem längeren Verweilen von Gästen, die ganz überwiegend keinerlei böse Absichten hegen. Die Überwachung erfolgt anlasslos, regelmäßig und personengenau und betrifft in den allermeisten Fällen Personen, die weder die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten noch dem Eigentum der Klägerin schaden möchten (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 12.3.2021 - 18 K 8202/19 -, S. 23). Eine durchgängige Überwachung auch bei Beschäftigungen, die in keinem Zusammenhang zu der Art des Etablissements stehen, in dem sich die Gäste aufhalten, können sie auch nicht "vernünftigerweise" erwarten.

cc. Der Beklagte hat das ihm gemäß Art. 58 Abs. 2 DS-GVO zustehende Entschließungs- und Auswahlermessen schließlich auch fehlerfrei ausgeübt. Gemäß Art. 58 Abs. 2 DS-GVO verfügt der Beklagte über sämtliche Abhilfebefugnisse, die es ihm gestatten, den Verantwortlichen anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge gegebenenfalls auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen (Buchstabe d) sowie eine vorübergehende Beschränkung oder Verbot der Verarbeitung zu verhängen (Buchstabe f). Die Aufsichtsbehörde kann von ihrer Abhilfebefugnis Gebrauch machen, wenn sie einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen festgestellt hat. Bei der Ausübung des ihr dann eingeräumten Ermessens hat sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Bei festgestellten Verstößen ist die Aufsichtsbehörde in der Regel gehalten, dagegen mit dem Ziel der Abstellung des Verstoßes vorzugehen. Hinsichtlich des Entschließungsermessens ist daher von einem intendierten Ermessen auszugehen, wenn die Aufsichtsbehörde - wie hier - einen Rechtsverstoß festgestellt hat.

Es ist auch kein Fehler bei der Ausübung des Auswahlermessens zu erkennen. Bei der Auswahl der geeigneten Abhilfemaßnahme nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO muss die Aufsichtsbehörde den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten und insofern auch die Eingriffsintensität berücksichtigen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.1.2020 - VGH 1 S 3001/19 -, juris Rn. 61; VG Mainz, Urteil vom 24.9.2020 - 1 K 584/19.MZ -, juris Rn. 51). Das hier ausgesprochene Verbot der Videoüberwachung in den Sitzbereichen ist geeignet, um die beeinträchtigten Rechte der Gäste zu wahren. Es war auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. In Art. 58 Abs. 2 DS-GVO ist kein abgestuftes System dahingehend zu erkennen, dass der Beklagte zuerst eine Verwarnung hätte aussprechen müssen. Eine Verwarnung kommt regelmäßig bei einfachen Verletzungen der DS-GVO in Frage, welche zu keiner erheblichen Gefährdung des Datenschutzgrundrechts geführt haben. Eine Verwarnung wird eine Datenschutz-Aufsichtsbehörde aussprechen, wenn die Schwelle zur Verhängung einer Geldbuße noch nicht erreicht ist; die Verwarnung lässt sich daher auch als "kleine Schwester der Geldbuße" bezeichnen, also als Abhilfemaßnahme, die bei geringfügigen Verstößen gegen die DS-GVO oder sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit "anstelle einer Geldbuße" (so explizit Erwägungsgrund 148 Satz 2 DS-GVO) verhängt werden kann (Selmayr in: Ehmann/Selmayr, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 58 Rn. 20 m.w.N.). Hier steht gerade kein geringfügiger Verstoß in Rede, sondern die Gäste des Wettbüros werden anlasslos und dauerhaft gefilmt und beobachtet. Der Beklagte hat dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insofern schon im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen, als dass er die Videoüberwachung in weiten Teilen des Wettbüros nicht mehr beanstandet.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.