Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.08.2002, Az.: 1 LB 3335/01
Ablagerung; Bauaufsicht; Bauschutt; Gefahr; Unterlassungsgebot; Verwaltungsvollstreckung; Zuwiderhandlung; Zwangsgeldandrohung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.08.2002
- Aktenzeichen
- 1 LB 3335/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43977
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 24.06.1999 - AZ: 4 A 1551/98
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 1 S 2 Halbs 1 VwVG
- § 13 Abs 6 S 2 VwVG
- § 65 Abs 3 GefAbwG ND
- § 67 Abs 2 S 2 GefAbwG ND
- § 70 Abs 3 S 2 GefAbwG ND
- § 89 Abs 4 S 1 BauO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Nach dem Nds. Gefahrenabwehrrecht ist die Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot zulässig. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage vom Verwaltungsvollstreckungsrecht des Bundes.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch darum, ob eine Zwangsgeldandrohung des Rechtsvorgängers der Beklagten bestimmt genug (gewesen) ist, mit der dieser den Kläger abhalten wollte, weitere Lkw-Ladungen zur Modellierung eines Golfplatzes abladen zu lassen.
Der Rechtsvorgänger der Beklagten, der Landkreis C., genehmigte dem Kläger durch Bauschein vom 21. Juli 1997 auf einem Grundstück in B., Ortsteil F., durch Einbau von Fremdboden einen Golfplatz zu gestalten. In den Auflagen zu Nrn. Z1 bis Z10 regelte er im Einzelnen, welche Art und Güte dieser Boden haben, wie sein Einbau vonstatten gehen solle und welche Maßnahmen der Kläger zur Vermeidung unkontrollierter Herkunft zu ergreifen habe. Nach Durchführung mehrerer Ortsbesichtigungen und Gespräche, in denen sich der Kläger (zunächst) zu Kontrollmaßnahmen verpflichtet hatte, untersagte der Landkreis C. dem Kläger unter Anordnung des Sofortvollzuges durch (hier ebenfalls nicht angefochtenen, aber relevanten) Bescheid vom 4. Dezember 1997 die Anlieferung jeglichen weiteren Bodens/Füllmaterials sowie von Bauschutt, Baustellenabfällen, Siebrückständen, Aschen und Schlacken auf dem Golfplatz F., bis diese Stoffe durch ihn freigegeben würden. Falls der Kläger diesem Verbot zuwiderhandele, werde er pro Lastzug ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- DM gegen ihn festsetzen.
Nachdem der Landkreis C. bei einer weiteren Ortsbesichtigung vom 8. Dezember 1997 die Anlieferung von Boden festgestellt hatte, welcher den Anforderungen der Baugenehmigung nicht entsprach, setzte er durch Bescheid vom 11. Dezember 1997 gegen den Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,-- DM fest und drohte für jeden Lastzug, der dort vor Freigabe durch ihn nachweislich Boden anliefere, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,-- DM an. Über die gegen die beiden zuletzt genannten Bescheide eingelegten Widersprüche ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Einen Eilantrag stellte der Kläger nicht.
Nachdem der Landkreis C. weitere Zuwiderhandlungen bei einer weiteren Ortsbesichtigung vom 27. Februar 1998 festgestellt hatte, setzte er mit dem hier angegriffenen und zum Teil noch streitgegenständlichen Bescheid vom 5. März 1998 ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000,-- DM fest und drohte für den Fall, dass der Kläger dem Verbot, jeglichen weiteren Boden und Füllmaterial sowie Bauschutt, Baustellenabfälle, Siebrückstände, Aschen und Schlacken anzuliefern, auch weiter zuwiderhandele, ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM für jeden Lkw an, der nachweislich auf der Baustelle entladen werde. Das festgesetzte Zwangsgeld errechnete er dabei so, dass er von der Größe der aufgeschütteten Fläche (100 m x 20 m bei 2,5 m Höhe) auf eine Anlieferungsmenge von 5.000 m³ schloss und auf dieser Grundlage bei einem spezifischen Gewicht von 1,6 t/m³ auf eine Anlieferungsmenge von 8.000 t kam. Dies entspreche 200 Lastzugladungen zu je 40 t. Von den sich rechnerisch daraus ergebenden 400.000,-- DM setze er jedoch nur 100.000,-- DM fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, über den nicht entschieden worden ist.
Am 16. März 1998 hat er gegen den zuletzt genannten Bescheid Untätigkeitsklage erhoben. Zu deren Begründung hat er unter anderem geltend gemacht: Der angelieferte Boden habe nicht der Verfügung vom 4. Dezember 1997 widersprochen; zumindest wäre eine Freigabe angesichts der Unbedenklichkeit des angelieferten Materials eine bloße Formalie gewesen. Ein Zwangsgeld habe zudem weder erneut angedroht noch festgesetzt werden dürfen, weil die Androhung nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtswidrig sei; denn es sei ihm in der Sache für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht worden. Diese Androhung sei zu unbestimmt. Die Berechnung bewirke, dass die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze eines Zwangsgeldes überschritten werde/werden könne.
Der Kläger hat beantragt,
die Verfügung des Rechtsvorgängers der Beklagten aufzuheben und diesen zu verurteilen, an ihn 100.796,-- DM nebst der weiteren im Beitreibungsverfahren entstandenen Verwaltungsvollstreckungskosten zu zahlen.
Der Rechtsvorgänger der Beklagten hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Anordnung verteidigt, jede Lkw-Ladung auf ihre Unbedenklichkeit überprüfen zu lassen. Das sei eine nach den vorangegangenen Zuwiderhandlungen des Klägers gebotene Kontrollmaßnahme gewesen. Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes seien nicht zu beanstanden.
Durch Urteil vom 24. Juni 1999, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Darin hat es insbesondere ausgeführt, die Androhung sei rechtmäßig. Die Grundsätze, welche das Bundesverwaltungsgericht in seinem Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 (- 1 A 10.95 -, NVwZ 1998, 393 = DVBl. 1998, 230) entwickelt habe, seien auf den vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit des Sachverhalts (nicht für jeden Fall der Zuwiderhandlung sei hier das Zwangsgeld angedroht worden) und der zu würdigenden gesetzlichen Vorschriften nicht zu übertragen. Aus dem Wegfall des § 35 Abs. 4 Satz 2 NSOG 1951 könne nicht geschlossen werden, der niedersächsische Gesetzgeber habe diese Regelung mit der Schaffung des NSOG (v. 17.11.1981, GVBl. S. 347) auch inhaltlich aufgeben wollen. Die Zwangsgeldfestsetzung sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da der Kläger der Verbotsverfügung vom 4. Dezember 1997 zuwidergehandelt habe und die Zwangsgeldhöhe dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Zuwiderhandlung entspreche.
Dem daraufhin gestellten Zulassungsantrag hat der Senat durch Beschluss vom 30. November 1999 – 1 L 3475/99 – nur insoweit stattgegeben, als sich der Kläger gegen die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 5. März 1998 wendet. Die gegen die Teilzurückweisung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 14. September 2001 – 1 BvR 43/00 – (V.n.b.) nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit der Berufung hat der Kläger zunächst nur die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung vom 5. März 1998 erstrebt. Weil der Golfplatz im Jahre 2000 endgültig herstellt worden ist und seit Mai 1998 keine Beanstandungen mehr auftraten - der Kläger hatte die Firma UBG aus Burgwedel mit dem Bodenmanagement des Golfplatzes beauftragt - erstrebt er stattdessen die Feststellung, die Zwangsgeldandrohung im Bescheid des Landkreises C. sei rechtswidrig gewesen. Als berechtigtes Interesse an dieser Feststellung macht er zum einen Präjudizinteresse für die Geltendmachung von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen geltend. Die gleiche Zwangsgeldandrohung sei auch in den vorangegangenen Bescheiden des Landkreises C. enthalten gewesen. Bei einer ihm antragsgemäßen Bescheidung seines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens werde der Anspruchsteller von der Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn absehen. Zum anderen könne er ein Rehabilitationsinteresse geltend machen, weil ihn der Landkreis C. in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts in die Nähe einer „Abfallmafia“ gerückt habe, in deren Diensten er die Herstellung des Golfplatzes genutzt habe. Dieser in der Presse (HAZ v. 25.6.1999 und dem GOLFmagazin 9/99) verbreitete Vorwurf müsse aus der Welt.
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, die Zwangsgeldandrohung sei bei zutreffender Auslegung der Bescheide „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ ausgesprochen worden und verstoße daher gegen die Grundsätze, welche das Bundesverwaltungsgericht im zitierten Gerichtsbescheid entwickelt habe. Außerdem sei sie zu unbestimmt.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Verfügung des Landkreises C. vom 5. März 1998 hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den nunmehr gestellten Feststellungsantrag für unzulässig, weil der Kläger die Einwendungen gegen die angegriffene Zwangsgeldandrohung in den darüber gegebenenfalls zu führenden Verfahren ausreichenden Umfangs geltend machen könne. Ein Rehabilitationsinteresse bestehe nicht. Im Übrigen verteidigt sie die angegriffene Entscheidung und meint, der Landkreis C. habe in dem angegriffenen Bescheid nicht für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht.
Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, welche in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der nunmehr gestellte Antrag ist zulässig.
Die Zwangsgeldandrohung vom 5. März 1998 hat sich erledigt. Sie kann keine dem Kläger nachteiligen Rechtswirkungen mehr entfalten. Der Golfplatz ist ohne weitere Beanstandungen zwischenzeitlich baulich fertig gestellt worden. Es ist daher nicht mehr damit zu rechnen, dass die Beklagte gestützt auf die Androhung vom 5. März 1998 weitere Zwangsgelder gegen den Kläger festsetzen wird.
Der Kläger ist in zulässiger Weise vom Anfechtungs- zum Fortsetzungsfeststellungsantrag übergegangen; dieser Übergang unterliegt nicht den für eine Klageänderung geltenden Regeln.
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, die Rechtswidrigkeit der erledigten Zwangsgeldandrohung festgestellt zu sehen. Diese Feststellung wäre ihm „von Nutzen“, er könnte mit ihr „etwas anfangen“ (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 113 Rdn. 90). Denn die Bescheide vom 4. und 11. Dezember 1997 enthielten Zwangsgeldandrohungen, welche der erledigten im Wesentlichen glichen und über deren Rechtmäßigkeit die Beteiligten dieses Verfahrens unverändert kontroverser Auffassung sind. Diese sind noch nicht bestandskräftig, namentlich nicht in die Untätigkeitsklage einbezogen gewesen. Es ist damit zu rechnen, dass die Behörden zu einem dem Kläger günstigen Ergebnis gelangen, wenn der hier gestellte Feststellungsantrag Erfolg hat.
Der damit zulässige Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Die umstrittene Zwangsgeldandrohung gilt zwar für jeden Fall der Zuwiderhandlung und ist damit derjenigen vergleichbar, welche Gegenstand der Rechtsfindung des Bundesverwaltungsgerichts im Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 (a.a.O.) war. Sie ist rechtlich jedoch nicht zu beanstanden.
Entgegen der Annahme der Beklagten hat ihr Rechtsvorgänger der Sache nach „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM angedroht. Das zeigt nicht nur die Formulierung auf Seite 4 oben des Bescheides vom 5. März 1998 („Falls Sie dem Verbot der Anlieferung von jeglichem weiteren Boden/Füllmaterial sowie auch Bauschutt, Baustellenabfällen, Siebrückständen, Aschen und Schlacken auch weiterhin nicht nachkommen sollten, werde ich nunmehr ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000,-- DM für jeden Lkw, der nachweislich auf der o.g. Baustelle entladen wird, festsetzen, welches ich nach den §§ 65 Abs. 3 und 70 NGefAG hiermit androhe.“). Dies zeigt vielmehr auch die Berechnung des festgesetzten Zwangsgeldes. Denn rechnerisch ergab sich erst einmal ein Zwangsgeld von (200 x 2.000 =) 400.000,-- DM. Offenbar wegen § 67 Abs. 1 Satz 1 NGefAG wurde dieses dann auf 100.000,-- DM reduziert. Die Sachlage entspricht damit voll und ganz dem Sachverhalt, welcher dem Gerichtsbescheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1997 (a.a.O.) zugrunde lag. Seinerzeit war dem Kläger unter anderem verboten worden, Vertragsabschlüsse herbeizuführen und abgeschlossene Versicherungsverträge zu verlängern. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung war ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- DM angedroht und waren dann 40.000,-- DM festgesetzt worden, nachdem der Kläger nachweislich 40 Tierhalterhaftpflichtversicherungen abgeschlossen hatte.
Die so verstandene Zwangsmittelandrohung ist entgegen der Kommentierung von Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert (NBauO, 7. Aufl., § 89 Rdn. 119; ebenso wohl Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., Rdnr. 387) rechtmäßig. Ihre Zulässigkeit folgt für den vorliegenden Fall schon aus § 70 Abs. 1 Satz 3 NGefAG (dazu sogleich). Sie steht aber auch dann in Einklang mit niedersächsischem und übergeordnetem Recht, wenn kein Eilfall im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist.
Nach § 70 Abs. 1 Satz 3 NGefAG i.V.m. § 89 Abs. 4 Satz 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde von der Androhung eines Zwangsmittels, namentlich des Zwangsgeldes absehen, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere, wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Ein solcher Fall war hier am 5. März 1998 gegeben; dementsprechend kann eine Androhung nicht beanstandet werden, welche sozusagen über die rechtliche Verpflichtung hinaus und damit nur „deklaratorisch“ dem Pflichtigen verdeutlicht, womit er im Falle fortdauernd polizeiwidrigen Verhaltens zu rechnen hat.
Am 5. März 1998 war eine Sachlage gegeben, welche den Rechtsvorgänger der Beklagten berechtigte, in (direkter oder entsprechender) Anwendung von § 70 Abs. 1 Satz 3 NGefAG von jedweder Androhung des Zwangsgeldes abzusehen. Dem Kläger war durch vollziehbare Verfügung vom 4. Dezember 1997 vollständig und ausnahmslos verboten worden, Material jeder Art zur Modellierung des Golfplatzes anzuliefern. Sein Versuch darzulegen, das gleichwohl eingebaute Material sei aber unbedenklich gewesen und habe nicht dieser Verfügung widersprochen, geht nicht nur rechtlich vollständig fehl. Denn mit der Verfügung vom 4. Dezember 1997 sollte er gezwungen werden, unabhängig von der Qualität des Materials jegliche Anlieferung bis zu dem Tag zu unterlassen, an dem er ein befriedigendes, das heißt ein „Bodenqualitätsmanagement“ vorgelegt hatte, welches dem Landkreis C. präventive Kontrollen der Bodenzusammensetzung zur Vermeidung anderenfalls drohender, weitaus kostspieligerer und verwaltungsaufwändigerer repressiver Maßnahmen gestattete. Die Behauptung, das angelieferte Material sei unbedenklich gewesen, ist darüber hinaus als qualifiziertes Eingeständnis des Vorhabens zu werten, ungeachtet des Inhalts der Verbotsverfügung vom 4. Dezember 1997 weiterhin Material anzuliefern und sich von der darin enthaltenen Zwangsmittelandrohung nicht beeindrucken zu lassen. Dementsprechend hatte der Kläger mit dieser Einstellung („omnimodo facturus“) nicht nur auf den Schutz der Zwangsgeldandrohung verzichtet. Dieser besteht unter anderem darin, den Polizeipflichtigen zu veranlassen, von dem verbotenen Tun doch Abstand zu nehmen. Dieses Schutzes bedarf es daher dann nicht, wenn sein Verhalten zeigt, dass er sich von einer solchen Androhung in keinem Fall würde beeindrucken lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.8.1996 – 4 B 100.96 -, NVwZ 1997, 381, 382 r. Sp. u.). Der Kläger hatte durch diese Einstellung vielmehr darüber hinaus auch eine Sachlage begründet, in der die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (§ 1 lit. b NGefAG) notwendig wurde. Denn andere Zwangsmaßnahmen als die Festsetzung von Zwangsgeldern standen dem Landkreis C. nicht zur Verfügung. Das Gelände war von verschiedenen Seiten anzufahren; die Möglichkeit, die weitere Anlieferung unkontrollierten Füllmaterials durch die Anbringung eines oder mehrerer Schlagbäume wirkungsvoll zu unterbinden, war damit nicht eröffnet. Unmittelbarer Zwang gegen den Kläger schied ebenfalls aus.
Aber selbst dann, wenn man die Erleichterungen des § 70 Abs. 1 Satz 3 NGefAG außer Acht ließe, ist diese Art der Zwangsgeldandrohung nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in §§ 65 Abs. 3 und 70 Abs. 3 Satz 2 NGefAG. § 65 Abs. 3 NGefAG lässt es zu, ein und dasselbe Zwangsmittel so lange zu wiederholen, bis der Verwaltungsakt befolgt oder auf andere Weise erledigt ist. § 70 Abs. 3 Satz 2 NGefAG ergänzt diese Befugnis hinsichtlich der Androhung und lässt es zu, mehrere Zwangsmittel anzudrohen, sofern nur die Reihenfolge ihrer Anwendung im Interesse des Polizeipflichtigen angegeben wird. Diese Vorschrift gestattet es nicht nur, mehrere verschiedene Zwangsmittel gestaffelt anzudrohen, sondern „erst recht“, ein und dasselbe Zwangsmittel, namentlich das Zwangsgeld, mehrfach und in gestaffelter, sich steigernder Höhe für den Fall anzudrohen, dass der Baupolizeipflichtige dem Unterlassungsgebot fortdauernd zuwiderhandelt (so mit ausführlicher Begründung und zutreffend VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.1.1980 - VIII 1543/79 -, VBlBW 1980, 71 ff.). Insbesondere Sinn und Zweck der Pflicht, ein Zwangsmittel anzudrohen, werden dabei ausreichend gewahrt. Dieser besteht darin, dem Vollstreckungsschuldner anzuzeigen, womit er im Falle der Nichterfüllung zu rechnen hat. Das geschieht in besonders deutlicher Weise, wenn ihm gestaffelt angedroht wird, welche Zwangsgelder die Behörde bei fortdauernder Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot als Beugemittel einsetzen wird. Denn gerade in diesem Fall wird ihm entsprechend dem Sinn der Androhung das Arsenal behördlicher Zwangsmittel mit dem Ziel vorgezeigt, ihn zur freiwilligen Befolgung der Verfügung zu veranlassen; ihm wird damit für den Fall der Nichtbefolgung deren Anwendung ernstlich in Aussicht gestellt und verdeutlicht, es werde nicht bei einem einzigen Zwangsgeld bleiben, wenn er sich nach dessen Festsetzung weiterhin nicht bequemt, der Verfügung Folge zu leisten.
Erforderlich ist es nach Sinn und Zweck der Zwangsmittelandrohung, dem Polizeipflichtigen für den Fall andauernder Zuwiderhandlung das Arsenal drohender Zwangsmaßnahmen möglichst präzise vor Augen zu führen, darüber hinaus, möglichst bestimmt zu bezeichnen, bei welchen Sachlagen er mit der Festsetzung welchen Zwangsgeldes zu rechnen hat. Dies kann nicht nur, wie in dem vom Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshof (a.a.O.) entschiedenen Fall geschehen, durch kalendarisch bestimmte/ bestimmbare Fristen sichergestellt werden. Es ist vielmehr auch möglich, jedenfalls dann an ein künftiges Verhalten des Polizeipflichtigen anzuknüpfen, wenn dieser es nach seinem Ratschluss bestimmen kann. Das ergibt sich nicht nur aus § 65 Abs. 3 NGefAG, der eine Wiederholung von Zwangsmaßnahmen so lange zulässt, bis die Verfügung vollständig befolgt ist. Das ergibt sich vielmehr auch aus dem vom Kläger zu Unrecht geleugneten, das Polizeirecht im Allgemeinen und Besonderen bestimmenden Gedanken, in effizienter Weise der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu dienen. Dem Schutze des Polizeipflichtigen vor nicht vorherzusehenden Zwangsmaßnahmen (in dem vom Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall hatte es die Behörde nach eigenem Gutdünken in der Hand, nach Ablauf der im Bescheid genannten zwei Monate unvorhersehbar viele Zwangsgelder bis zur vollständigen Befolgung der bauaufsichtsbehördlichen Verfügung festzusetzen) ist hier genügt. Der Kläger konnte ohne weiteres „ausrechnen“, wie viele Zwangsgelder er verwirkte, wenn er weiter Lastkraftwagen „Modelliermaterial“ anliefern ließ. Denn er allein war es, der dies veranlasste.
Die vorstehend entwickelte Auffassung steht nicht im Widerspruch zu den Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 (a.a.O.) angestellt hatte. Dieser beruht vielmehr ganz maßgeblich auf Besonderheiten des Bundesverwaltungsvollstreckungsrechts, welche keine Entsprechung im niedersächsischen Recht haben. Maßgebliche Grundlage des vom Bundesverwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses sind § 13 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 und (vor allem) Abs. 6 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes. Die erstgenannte Vorschrift verbietet - anders als das oben gewürdigte niedersächsische Recht (§ 70 Abs. 3 Satz 2 NGefAG) – die Androhung mehrerer Zwangsmittel. Daneben ordnet die zweitgenannte Vorschrift an, eine neue Androhung sei erst dann zulässig, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel ohne Erfolg geblieben ist. Eine dem entsprechende Vorschrift existiert im Niedersächsischen Gefahren- und Abwehrrecht nicht. § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz wieder, der gleichsam jedem Landesverwaltungsvollstreckungsrecht übergestülpt werden dürfte, welches ihn nicht (ausdrücklich) normiert (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 89 Rdn. 123). § 65 Abs. 3 NGefAG ordnet die Erfolglosigkeit vorheriger Zwangs(geld)maßnahmen als Voraussetzung für neuerliche Zwangsgeldandrohungen und –festsetzungen gerade nicht an.
§ 67 Abs. 2 Satz 2 NGefAG tut dies ebenso wenig und zeigt damit, dass erst auf der Beitreibungsebene die Neigung des Pflichtigen honoriert wird, nunmehr ein rechtmäßiges Verhalten an den Tag zu legen.
Der Umstand, dass sich die Möglichkeit zu gestaffelter Androhung gesteigerter Zwangsgelder für fortdauernde Zuwiderhandlungen gegen ein und dasselbe Verbot nun nicht mehr unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 35 Abs. 4 Satz 2 NSOG v. 21.3.1951, GVBl. S. 79, lautete: „Bei Ordnungsgeboten kann das Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung festgesetzt werden.“), sondern durch Auslegung zu ermitteln ist, führt zu keiner dem Kläger günstigen Rechtsfolge. Dies widerspricht namentlich nicht dem Vorbehalt des Gesetzes. Denn im Gesetz ausreichend angelegt sind auch solche Rechtsfolgen, die sich ihm – wie vorstehend geschehen – durch Auslegung ausreichenden Umfangs entnehmen lassen. Es mag, wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) unter Hinweis auf § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 332 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 oder § 55 Abs. 6 Satz 2 PrPVG a.F. ausgeführt hat, zwar keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellen, Zwangsgelder für jeden Fall der Zuwiderhandlung androhen zu dürfen. Das besagt indes nicht, dass dem Vorbehalt des Gesetzes – umgekehrt – wegen dieser Vorschriften nur dann genügt ist, wenn die Androhung für jeden Fall der Zuwiderhandlung ausdrücklich vorgesehen ist.
Der Umstand, dass die Androhung mehrerer Zwangsgelder im Gesetz nicht mehr ausdrücklich vorgesehen ist, führt auch nicht zur Annahme, der Gesetzgeber habe diesen Grundsatz bei Schaffung des NSOG vom 17. November 1981 (GVBl. S. 347) aufgeben wollen. Dass trotz fehlender Übernahme alter Vorschriften in das neue Recht früheres Gedankengut ohne weiteres „überdauern“ kann, zeigt beispielsweise der Umstand, dass eine dem § 30 Abs. 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 NSOG 1951 entsprechende Vorschrift in das NSOG/NGefAG keinen Eingang gefunden hat, jedoch weiterhin gilt. Nach dieser Vorschrift durften Verfügungen nicht lediglich den Zweck haben, den Verwaltungsbehörden die ihnen obliegende Aufsicht zu erleichtern. Als polizeirechtlicher Grundsatz ist dies noch immer gültig (vgl. Götz, a.a.O., Rdn. 338).
Das NSOG 1981 verfolgte insbesondere das Ziel, das Zwangsmittelrecht zu vereinheitlichen und es den Bürgern sowie den Vollstreckungsbeamten zu ersparen, mit unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen leben und dadurch bedingte Rechtsunsicherheiten ertragen zu müssen (vgl. LT-Drs. 9/1090, S. 49 bis 51 zu A 2.1 sowie A 3). Der darum in Bezug genommene Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz des Bundes und der Länder (ME) – ausgearbeitet von der Ständigen Konferenz der Innenminister (IMK) – orientierte sich bei den Regelungen von Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung von Ge- und Verboten „systematisch und inhaltlich weitgehend“ an „dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes Baden-Württemberg vom 12. März 1974 (GesBl. 1974 S. 93)“ (3.43 der Begründung zu § 31 Abs. 1 MEPolG). Dieses enthält - ebenso wenig wie §§ 34 Abs. 3, 29 Abs. 3, 31 Abs. 3 MEPolG – keine Vorschrift, welche die neuerliche Androhung von Zwangsmitteln an das Erfordernis knüpfte, die Anwendung des zuvor angedrohten dürfe den gewünschten Effekt noch nicht erbracht haben. Insoweit ist auf § 32 Abs. 1 Landespolizeigesetz Baden-Württemberg i.V.m. § 20 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Baden-Württemberg und die oben genannte Entscheidung des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Januar 1980 (- VIII 1543/79 -, VBlBW 1980, 71) zu verweisen. Der mit der Neuregelung des Polizeirechts im Jahre 1981 gehegte Wunsch des niedersächsischen Gesetzgebers, die Landesvollstreckungsregelungen möchten zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit und Ungewissheit des Bürgers vor den verschiedenen Landesregelungen und zum Vorteil der gesetzesanwendenden Beamten und Behörden vereinheitlicht werden, hat sich eben nicht erfüllt. Gerade das Vollstreckungsrecht des Bundes ist andere Wege gegangen. Dasselbe gilt im Übrigen für das Recht Bayerns, welches der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Oktober 1986 (- 22 CS 86.01950 -, NVwZ 1997, 512 [OVG Nordrhein-Westfalen 07.08.1996 - 17 A 1093/95]) zugrunde liegt (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwVG entspricht § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG).
§ 67 Abs. 1 Satz 1 NGefAG ist entgegen der Annahme des Klägers ebenfalls kein Hindernis für die gestaffelte Zwangsgeldandrohung für mehrere Fälle der Zuwiderhandlung zu entnehmen. Nach dieser Vorschrift darf das festgesetzte Zwangsgeld 100.000,-- DM beziehungsweise (neuerdings) 50.000,-- € nicht überschreiten. Es kommt schon in Betracht anzunehmen, dass sich dies nur auf jedes Einzelzwangsgeld bezieht, diese Vorschrift die Summe mehrerer Zwangsgelder daher gar nicht erfasst. Dafür könnte sprechen, dass diese Vorschrift im Gegensatz zu § 65 Abs. 3 NGefAG („Die Zwangsmittel“) und § 70 Abs. 3 Satz 2 NGefAG („mehrere Zwangsmittel“) die Einzahl („Das Zwangsgeld“) wählt und eine inhaltliche Verknüpfung mit § 65 Abs. 3 NGefAG vermissen lässt. Träfe dieses zu, könnte der Kläger gleichsam von vornherein aus § 67 Abs. 1 Satz 1 NGefAG keine Folgen für die vermeintliche Unzulässigkeit gestaffelter Zwangsgeldandrohungen ableiten.
Dies kann aber unentschieden bleiben. Selbst wenn man § 67 Abs. 1 Satz 1 NGefAG eine Sperre entnähme, alle aus Anlass ein und derselben Verfügung festgesetzten Zwangsgelder dürften die dort bestimmte Summe nicht überschreiten, dann wirkte sich diese Vorschrift im Ergebnis als eine Art Kappungsgrenze aus. Für die hier allein interessierende (Vor-)Frage nach der Zulässigkeit gestaffelter Zwangsgeldandrohungen bliebe die Vorschrift in jedem Fall ohne Aussagewert.