Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.08.2002, Az.: 10 LB 191/01
Altersnachweis; Ausschluss; Beihilfebetrag; Betriebsinhaber; Kürzung; Rindfleischerzeuger; Sanktion; Sonderprämie
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 01.08.2002
- Aktenzeichen
- 10 LB 191/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43901
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.02.2000 - AZ: 6 A 1171/98
Rechtsgrundlagen
- Art 44 Abs 1 EGV 2419/2001
- Art 2 Abs 2 EGV 2988/95
- Art 53 Abs 1 S 2 EGV 2419/2001
- Art 10 Abs 2 EWGV 3887/92
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Anwendung des Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/01 hängt von der durch den EuGH zu beantwortenden gemeinschaftsrechtlichen Frage ab, ob diese Vorschrift über Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) den nach Art. 53 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/01 anzuwendenden Sanktionsregelungen in Art. 10 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 vorgeht.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Versagung einer von ihr für das Jahr 1995 beantragten Sonderprämie für Rindfleischerzeuger.
Die Klägerin erklärte am 20. Februar 1995 ihre Beteiligung am Verfahren auf Gewährung einer Sonderprämie mit voraussichtlich 25 männlichen Rindern der ersten und zweiten Altersklasse. Entsprechend ihrer Beteiligungserklärung beantragte sie am 19. Mai 1995 eine Sonderprämie für 8 männliche Tiere der ersten und zweiten Altersklasse, am 26. Oktober 1995 für 5 männliche Tiere der ersten und zweiten Altersklasse und am 21. Dezember 1995 für ein männliches Tier der ersten Altersklasse und 12 männliche Tiere der ersten und zweiten Altersklasse.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1996 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 21. Dezember 1995 auf Gewährung einer Sonderprämie für 12 männliche Tiere der ersten und zweiten Altersklasse ab, weil für 7 der von der Klägerin zugekauften Tiere der Altersnachweis nicht erbracht worden und damit auch für die fünf weiteren Tiere die Prämie aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Sanktionen zu versagen sei.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und legte zusätzlich zu den mit der Antragstellung am 21. Dezember 1995 eingereichten Unterlagen (Bestandsverzeichnis für das Kalenderjahr 1994, amtstierärztliche Bescheinigungen vom 7. Juli, 27. und 28. September 1994 über am 20. und 22. April 1994 durchgeführte Leukoseuntersuchungen für die Bullen mit den Ohrmarkennummern 35516113, 35516114, 35516115, 33185142, 33185138, 33185139 und 33185140) einen Einkaufsbeleg der Viehhandlung {D.} in {E.} vom 24. Juni 1994 für vier der zugekauften Bullen mit den Ohrmarkennummern 33185138, 33185139, 33185140 und 33185142 vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1998 wies die Bezirksregierung {F.}den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus: Die Sonderprämie werde nach Art. 4 b Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 für Bullen der ersten und zweiten Altersklasse nur nach Erreichen eines Alters von 23 Monaten gewährt. Die Klägerin habe den für die Bewilligung der Sonderprämie erforderlichen und ihr obliegenden Nachweis nicht erbracht, dass die 7 von ihr zugekauften Tiere zum Zeitpunkt der Vermarktung mindestens 23 Monate alt gewesen seien. Nach den Erlassen des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. März und 24. Juni 1996 kämen als Nachweis für das Alter der Tiere im Falle des Zukaufs nur Belege in Frage, die Dritte zeitnah zum Zukauf erstellt hätten und aus denen das Zukaufsdatum, die Ohrmarke und das Geburtsdatum des betreffenden Tieres zu entnehmen seien. Insbesondere kämen hierfür Originalzukaufsbelege des Kälbererzeugers oder des Viehhändlers in Betracht. Sofern das Geburtsdatum der Tiere nachgewiesen werden müsse, weil der Zeitraum zwischen dem Zugang im Betrieb und der Schlachtung weniger als 23 Monate betrage, könne das Geburtsdatum nur vom Kälbererzeuger bescheinigt werden. Leukosebescheinigungen könnten nach dem Erlass vom 24. Juni 1996 nur als Altersnachweis anerkannt werden, wenn sie speziell für den Verkauf von Kälbern bzw. Fressern ausgestellt worden seien. Dabei gelte das Datum der Ausstellung als das bescheinigte Geburtsdatum. Da der Zeitraum zwischen der Ausstellung der amtstierärztlichen Bescheinigungen am 20. bzw. 22. April 1994 und der Schlachtung der Tiere im Oktober bzw. November 1995 keine 23 Monate betragen habe, könnten die vorgelegten Bescheinigungen nicht als Altersnachweis herangezogen werden. Der im Widerspruchsverfahren zusätzlich vorgelegte Kaufbeleg sei ebenfalls weniger als 23 Monate vor der Schlachtung ausgestellt worden und könne deswegen das Alter der Tiere ebenfalls nicht beweisen. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte reiche ein solcher Beleg als Altersnachweis nicht aus, da die Viehhändler regelmäßig nicht über Geburtsunterlagen verfügten. Der Klägerin könne auch eine Sonderprämie für die übrigen Tiere der zweiten Altersklasse, für die sie den Altersnachweis erbracht habe, aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Sanktionen nicht gewährt werden. In ihrem Fall sei nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission die Prämie um 100 % zu kürzen.
Die Klägerin hat am 23. Juli 1998 Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat sie eine Ablichtung des Bestandsregisters des Landwirts {G.} vorgelegt, aus dem die Geburtsdaten für 3 der 7 zugekauften Tiere mit den Ohrmarkennummern 35516113, 35516114 und 35516115 aufgeführt worden sind. Daraufhin hat sich der Beklagte bereiterklärt, für diese drei Zukaufstiere sowie für die 5 selbstgezüchteten Tiere eine anteilige, nach Art. 10 Abs. 2 a der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 um 66,67 % gekürzte Sonderprämie in Höhe von 94,16 DM je Tier, insgesamt 753,28 DM zu gewähren. Insoweit haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: Sie habe einen Anspruch auf eine Sonderprämie für alle 12 männlichen Tiere der zweiten Altersklasse in ungekürzter Höhe. Der erforderliche Altersnachweis sei auch bei den noch streitigen restlichen 4 Zukaufstieren durch die von ihr vorgelegten amtstierärztlichen Leukosebescheinigungen geführt worden. Die hierin verzeichneten Geburtsdaten seien dem Amtstierarzt von dem Kälbererzeuger {H.} genannt worden. Dieser habe keinen Anlass gehabt, die Geburtsdaten unrichtig anzugeben, da er nicht die Absicht gehabt habe, die Tiere selbst zu vermarkten. Auf die Erlasse des Niedersächsischen Landwirtschaftsministers vom 18. März und 24. Juni 1986 könne der Beklagte die ablehnende Entscheidung nicht stützen, soweit darin eine zeitnahe Bescheinigung verlangt werde. Bei den Erlassen handele es sich nicht um eine gesetzliche Vorgabe, sondern nur um eine behördeninterne Absprache, die vom Landwirtschaftsministerium völlig willkürlich festgesetzt worden sei. Wenn hierin das Geburtsdatum mit dem Tag der Ausstellung der amtstierärztlichen Bescheinigung gleichgesetzt werde, handele es sich um eine bloße Fiktion, die durch die Aussage des Kälbererzeugers und den von ihr benannten Zeugen {H.} widerlegt werden könne. Ihr stehe daher auch eine Prämie für die noch streitigen 4 Tiere in Höhe von 1.130,04 DM (4 x 282,51 DM) zu. Schließlich könne die Prämie auch nicht für die 8 Tiere nach Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 gekürzt werden. Bezüglich dieser Tiere habe sie keine unrichtigen Angaben gemacht. Der Beklagte müsse ihr daher auch für diese Tiere noch eine Prämie in ungekürzter Höhe von 1.506,80 DM (8 x (282,51 DM -94,16 DM)( gewähren.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 1996, soweit dieser entgegensteht, und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 6. Juli 1998 in der Fassung des Schriftsatzes des Beklagten vom 28. Januar 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine weitere Sonderprämie für Rindfleischerzeuger (1995) in Höhe von 2.636,84 DM zu bewilligen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.
Durch Urteil vom 17. Februar 2000 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 753,28 DM eingestellt und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 1995 eine weitere Sonderprämie für männliche Rinder in Höhe von 1.506,80 DM zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Verfahren sei einzustellen, soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Klage sei begründet, soweit der Beklagte die Sonderprämie für 8 Tiere nach Art. 10 Abs. 2 a der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1648/95 gekürzt habe. Für 4 männliche Tiere habe der Beklagte die beantragte Sonderprämie zu Recht versagt. Für die zugekauften Tiere mit den Ohrmarkennummern 33185138, 33185139, 33185140 und 33185142 habe die Klägerin den erforderlichen Altersnachweis nicht erbracht. Die von der Klägerin vorgelegten amtstierärztlichen Bescheinigungen, der Einkaufsbeleg der Viehhandlung {D.} sowie ihr Bestandsverzeichnis aus dem Jahre 1994 seien nicht geeignet nachzuweisen, dass die Tiere zum Zeitpunkt der Schlachtung im Oktober bzw. November 1995 ein Alter von 23 Monaten erreicht hätten. Der Einkaufsbeleg datiere vom 24. Juni 1994 und das von der Klägerin vorgelegte Bestandsverzeichnis erbringe nur den Nachweis dafür, dass die Tiere im Jahre 1994 in ihren Bestand gelangt seien. Die Altersangabe in den Leukosebescheinigungen des Amtstierarztes beruhe nicht auf eigenem Wissen, sondern auf Angaben des Kälbererzeugers. In diesem Zusammenhang sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte einen Altersnachweis vom Kälbererzeuger verlange. Nur dieser verfüge über die notwendigen unmittelbaren Informationen. Dabei sei unerheblich, dass der Beklagte vor 1995 geringere Anforderungen an den Nachweis des Mindestalters gestellt habe. Insoweit stehe es dem Beklagten frei, seine Verfahrenspraxis zu ändern. Für einen Vertrauensschutz sei insoweit kein Raum. Für die weiteren 8 Tiere stehe der Klägerin eine ungekürzte Prämie zu. Art. 10 Abs. 2 a der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 komme im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Die Klägerin habe keine falschen Angaben gemacht. Dass sie teilweise aus Rechtsgründen die Prämienvoraussetzungen nicht erfülle, sei unerheblich. Durch die gemeinschaftsrechtlichen gestaffelten Sanktionen in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 sollten Unregelmäßigkeiten und Betrügereien abgewehrt werden.
Gegen diese Entscheidung führt der Beklagte die durch Beschluss des 3. Senats vom 22. Mai 2000 zugelassene Berufung, zu deren Begründung er vorträgt: Die Sanktionsregelung in Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 sei auch dann anzuwenden, wenn die zuständige Behörde die vom Antragsteller gemachten Angaben über die Anzahl der nach seiner Ansicht prämienberechtigten Tiere anders würdige, also für Tiere eine Sonderprämie aus Rechtsgründen ablehne. Unter den festgestellten Tieren i.S. des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 sei nicht nur die zu einem bestimmten Kontrollzeitpunkt festgestellte Anzahl der Tiere zu verstehen, sondern von dieser Formulierung würden auch solche Tiere erfasst, bei denen im Wege der Verwaltungs- oder Vorortkontrolle die fehlende Prämienberechtigung festgestellt werde. Zwar hätten der ehemalige 3. Senat des erkennenden Gerichts und auch das Bundesverwaltungsgericht eine andere Auffassung vertreten. Durch Beschluss vom 18. Januar 2000 habe das Bundesverwaltungsgericht diese Frage aber nunmehr dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Eine sachgerechte Auslegung des Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 könne nur zu dem Ergebnis führen, dass unter festgestellten Tieren in dieser Vorschrift nur die Tiere zu verstehen seien, die alle Voraussetzungen für die Prämiengewährung erfüllten.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als er dadurch verpflichtet worden ist, der Klägerin für das Jahr 1995 eine weitere Sonderprämie für männliche Rinder in Höhe von 1.506,80 DM zu bewilligen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hängt von der Beantwortung der im Beschlusstenor bezeichneten Frage ab. Die Antwort auf diese Frage ist nicht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Deshalb ist gemäß Art. 234 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 (BGBl II S. 766) - EGV - eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) einzuholen.
Nach Art. 4 b Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148/24) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 (ABl. L 215/49) - VO (EWG) Nr. 805/68 - können Erzeuger, die, wie die Klägerin, in ihrem Betrieb männliche Rinder halten, auf Antrag eine Sonderprämie für höchstens 90 Tiere jeder der in Abs. 2 genannten Altersklassen erhalten. Die Prämie wird höchstens zweimal im Leben eines jeden männlichen Rindes gezahlt und zwar zum ersten Mal nach Erreichen des Alters von 10 Monaten und zum zweiten Mal nach Erreichen eines Alters von 22 Monaten. Entsprechend der den Mitgliedsstaaten in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen für die Prämienregelung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 (ABl. L 391/20) - VO (EWG) Nr. 3886/92 - eingeräumten Ermächtigung wurde die Sonderprämie im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten nach § 12 der Verordnung über die Gewährung von Prämien für männliche Rinder, Mutterkühe und Mutterschafe (Rinder- und Schafprämienverordnung) vom 5. Februar 1993 (BGBl I S. 200) - RuSVO - als Schlachtprämie nach der Möglichkeit A des Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3886/92 und damit für die erste Altersklasse oder für die erste und zweite Altersklasse zusammen gewährt. Nach Art. 15 c VO (EWG) Nr. 3886/92 beträgt der Haltungszeitraum für Tiere, für die ein Antrag für beide Altersklassen gestellt wird, vier Monate ab dem 20. Lebensmonat. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf Gewährung einer Sonderprämie nur für Tiere besteht, wenn sie im Zeitpunkt der Schlachtung mindestens 23 Monate alt sind. Diese Prämienvoraussetzungen hat der Antragsteller nach § 11 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation vom 20. September 1995 (BGBl I S. 1146) i.d.F. des Gesetzes vom 2. Mai 1996 (BGBl I S. 656) - MOG - nachzuweisen. Den von ihr danach zu führenden Nachweis hat die Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die sie im Berufungsverfahren nicht angegriffen hat und an die der Senat nach § 88 VwGO gebunden ist, für 4 Tiere nicht erbracht, so dass das Verwaltungsgericht insoweit die Klage abgewiesen hat.
Nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 355/1) - VO (EWG) Nr. 3887/92 - wird der Beihilfebetrag auf der Grundlage der Zahl der festgestellten Tiere berechnet und ist, vorbehaltlich der hier nicht gegebenen höheren Gewalt und dem hier nicht anwendbaren Absatz 5, gemäß Abs. 2 a 2.Spiegelstrich der Beihilfebetrag um den doppelten Prozentsatz zu kürzen, wenn, wie im Falle der Klägerin, die festgestellte Differenz mehr als 2 aber höchstens 4 Tiere beträgt. Diese gemeinschaftsrechtlichen Sanktionen greifen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wie der EuGH im Urteil vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C-63/00 auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2000 (BVerwG 3 C 1 und 13.99) entschieden hat auch dann, wenn die Differenz zwischen der Zahl der angegebenen Tiere und der Zahl der bei der Kontrolle festgestellten Tiere nicht auf falschen Angaben des Antragstellers, sondern darauf beruht, dass hinsichtlich einzelner Tiere die Prämienvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Mit der vorgenannten Entscheidung des EuGH lässt sich die in diesem Verfahren entscheidungserhebliche Frage, ob im Falle der Klägerin die Sanktionen nach Art. 10 Abs. 2 a 2. Spiegelstrich VO (EWG) Nr. 3887/92 anzuwenden sind, nicht beantworten. Maßgeblicher Zeitpunkt ist bei einer Verpflichtungsklage und der Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsanspruch auf die begehrte Entscheidung besteht, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Zeitpunkt der Entscheidung.
Die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 ist durch Art. 53 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3509 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. L 327/11) - VO (EG) Nr. 2419/01 - aufgehoben worden. Gemäß Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/01 finden die in diesem Titel vorgesehenen Kürzungen und Ausschlüsse keine Anwendung, wenn der Betriebsinhaber sachlich richtige Angaben vorgelegt hat oder auf andere Weise belegen kann, dass ihn keine Schuld trifft. Davon ist im Falle der Klägerin auszugehen. Der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht haben der Klägerin den Prämienanspruch für 4 männliche Tiere versagt, weil sie durch die von ihr vorgelegten Bescheinigungen des Amtstierarztes des Landkreises Verden den erforderlichen Altersnachweis als nicht geführt angesehen haben. Demgegenüber hat die Klägerin schriftsätzlich und nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, dass der Beklagte erstmals aufgrund der ministeriellen Erlasse vom 18. März und 24. Juni 1996 im Zusammenhang mit der Bewilligung der Sonderprämie für männliche Rinder im Jahre 1995 seine bisherige Verwaltungspraxis geändert und die Bescheinigungen der Amtstierärzte über durchgeführte Leukosebescheinigungen nicht als den erforderlichen Altersnachweis akzeptiert hat. Der Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt und auch die Richtigkeit der Angaben des Amtstierarztes in den von der Klägerin vorgelegten Leukosebescheinigungen nicht angezweifelt. Mithin ist davon auszugehen, dass die Klägerin jedenfalls an dem ihr zur Last gelegten und von ihr nicht geführten Altersnachweis für die streitigen 4 Tiere keine Schuld i.S. des Art. 44 Abs. 1 VO (EG) 2419/01 trifft. Sie hat auf den Fortbestand der vom Beklagten bis 1995 geübten Verwaltungspraxis vertraut, die dieser für sie nicht erkennbar im Verlauf des Verwaltungsverfahrens aufgrund der Erlasse vom 18. März und 24. Juni 1996 geändert hat. Die Erlasse sind erst zu einem späteren nach der Antragstellung am 21. Dezember 1995 liegenden Zeitpunkt erlassen worden. Gemäß Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/01 ist diese Verordnung aber erst am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften am 13. Dezember 2001 in Kraft getreten und nach Art. 53 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/01 gilt die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 für Beihilfeanträge weiter, die sich auf vor dem 1. Januar 2002 auslaufende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen. Daraus folgt, dass Art. 10 Abs. 2 a 2.Spiegelstrich VO (EWG) Nr. 3887/92 im Falle der Klägerin weiter anzuwenden wäre und die darin bestimmte Sanktion ihr gegenüber greifen würde.
Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. Nr. L 312/1) - VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 - kann eine verwaltungsrechtliche Sanktion aber nur verhängt werden, wenn sie in einem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde. Bei einer späteren Änderung der in einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung enthaltenen Bestimmung über verwaltungsrechtliche Sanktionen gelten die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Es stellt sich damit die entscheidungserhebliche Frage, ob die Regelung in Art. 53 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 2419/01 durch Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 verdrängt wird. Zwar handelt es sich bei der in Art. 53 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/01 getroffenen Regelung um eine gegenüber den Bestimmungen in Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 konkretere und jüngere Regelung, die grundsätzlich der abstrakt generellen Regelung vorgeht (vgl. Hetmeier in Lenz, EG-Vertrag (Kommentar), 2. Aufl., Art. 249 Rdnr. 21 m.w.Hinw.). Angesichts der Verteilung der Kompetenzen auf den Rat und die Kommission und der Gleichberechtigung beider Organe kann jedoch nicht ohne Weiteres und ohne eine Entscheidung des EuGH davon ausgegangen werden, dass die Rechtsvorschriften des einen Organs denen des anderen vorgehen.
Die Beantwortung der im Beschlusstenor bezeichneten Frage ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe im Urteil des EuGH vom 17. Juli 1997 (Rs. C-354/95- Slg. 1997, I - 4559) nicht eindeutig. Zwar sind danach die durch die Verordnung (EG) Nr. 1648/95 vorgenommenen, für den Beihilfeempfänger günstigeren Änderungen der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 auch auf Tatsachen anwendbar, die vor Inkrafttreten der erstgenannten Verordnung eingetreten sind. Für den vorliegenden Fall kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die gemeinschaftsrechtliche Regelung in Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 und eine Anwendung des Art. 44 Abs. 1 VO (EG) Nr. 2419/01 durch die Regelung in Art. 53 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 2419/01 verdrängt werden sollte, zumal davon auszugehen ist, dass der Kommission die vorgenannte Entscheidung des EuGH und die Bestimmung in Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 bekannt waren.
Daher ist eine Aussetzung des Verfahrens analog § 94 VwGO geboten und nach Art. 234 Abs. 2 Buchst. b EGV eine Vorabentscheidung des EuGH zu der im Beschlusstenor bezeichneten Frage, deren Beantwortung sich dem Senat in einer Vielzahl vorliegender Rechtsstreitigkeiten stellt, einzuholen.