Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.08.2002, Az.: 9 LA 152/02

Abwasserbeseitigungssystem; Abwassergebühr; Anlagenteil; Beteiligung; Dritter; Einnahme; Ermittlung; Gebührenkalkulation; Kommunalabgabe; Nachbargemeinde; öffentliche Einrichtung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.08.2002
Aktenzeichen
9 LA 152/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.01.2002 - AZ: 1 A 2167/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird ein Abwasserbeseitigungssystem auch von Dritten (hier der Nachbargemeinde) in Anspruch genommen, so müssen hierfür in die Gebührenkalkulation Einnahmen eingestellt werden, die entsprechend der Beteiligung des Dritten an den Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung (also nicht nur an den Kosten für die in Anspruch genommenen Anlageteile) ermittelt worden sind.

2. Nach dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff können Kosten für notwendige Reparaturmaßnahmen in der jeweiligen Kalkulationsperiode voll in Ansatz gebracht werden, während der Aufwand für Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen in der Kalkulation nur durch die Einstellung neuer Abschreibungsbeträge berücksichtigt werden kann.

3. Zinsvorteile aus erhaltenen Abschreibungserlösen müssen dem Gebührenhaushalt gutgeschrieben werden, soweit die Erlöse sich auf nicht von der Gemeinde, sondern durch Beiträge und Zuschüsse finanzierte Anlageteile beziehen oder aus "Bewertungsgewinnen" bei einer Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert resultieren.

Gründe

1

Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat entsprechend den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass in dreifacher Hinsicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen.

2

1. Der Kläger wendet sich zunächst gegen die von der Beklagten in ihrer Gebührenkalkulation vorgenommenen Bewertung des Umstands, dass ihr Schmutzwasserbeseitigungssystem auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung von 1980 teilweise auch von der Nachbargemeinde in Anspruch genommen wird. Nach dem Vertrag beteiligt sich die Nachbargemeinde nicht an den Kosten des Gesamtsystems, sondern nur an den Kosten für die mitbenutzte Kläranlage und das Leitungsnetz, soweit es die Nachbargemeinde mit dem Klärwerk verbindet. Die Beklagte hat den von der Nachbargemeinde als Benutzungsentgelt gezahlten Betrag (95.570,90 DM) bei ihrer Gebührenkalkulation von den Gesamtkosten abgezogen und den verbleibenden Betrag auf die Gebührenpflichtigen in ihrem Gemeindegebiet verteilt. Das Verwaltungsgericht hat diese Vorgehensweise als rechtmäßig angesehen, weil bei den gemeinsam benutzten Teilen des Abwasserbeseitigungssystems rechtlich zwei öffentlichen Einrichtungen vorlägen und die Nachbargemeinde nur das Klärwerk sowie die Zuleitung dorthin in Anspruch nehme, so dass sie sich nicht notwendig auch an den Kosten für das übrige Abwasserbeseitigungssystem der Beklagten beteiligen müsse. Der Kläger rügt die Auslegung des Einrichtungsbegriffs und meint, für die Einwohner der Nachbargemeinde müsse der gleiche Tarif gelten wie für die Gebührenpflichtigen im Gebiet der Beklagten. Seine Einwände sind geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts hervorzurufen:

3

Nach § 1 Abs. 1 ihrer Abwasserbeseitigungssatzung betreibt die Beklagte eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung zur Schmutzwasserbeseitigung. Alle im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenen und der zentralen Schmutzwasserbeseitigung dienenden Anlagen gehören demnach zum über Beiträge und Gebühren refinanzierbaren Schmutzwasserbeseitigungssystem der Beklagten. Die Art der Finanzierung der einzelnen Anlageteile und der Umfang des Benutzerkreises sind allein für die Aufwandsermittlung und -verteilung von Bedeutung, spielen also für die Festlegung des Einrichtungsbegriffs keine Rolle. Vorliegend ist demnach für den Einrichtungsbegriff ohne Belang, dass Teile der öffentlichen Einrichtung der Beklagten, insbesondere die Zuleitungen von der Nachbargemeinde zum Klärwerk, auch von der Nachbargemeinde finanziert und genutzt worden sind. Diese Teile gehören schon wegen deren begrifflicher und tatsächlicher Zuordnung zum Abwasserbeseitigungssystem der Beklagten zu deren öffentlicher Einrichtung. Ob sie zugleich auch Bestandteil einer öffentlichen Einrichtung der Nachbargemeinde sein können (was entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts schon angesichts der Belegenheit der Sache eher unwahrscheinlich ist), kann vorliegend offen bleiben, weil die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten beschlossenen Gebührensatzes davon nicht abhängt.

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Vom Ansatz her hat das Verwaltungsgericht zwar zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats (z.B. Urt. v. 23.9.1992 - 9 L 67/90 - NSt-N 1994, 22) darauf abgestellt, dass die von der Nachbargemeinde entrichteten und in die Gebührenkalkulation eingestellten Benutzungsentgelte "kostendeckend" sein müssten, weil anderenfalls die Gebührenpflichtigen im Gebiet der Beklagten die entstehenden Kostenunterdeckungen auszugleichen hätten und daher mit nicht betriebsbedingten Kosten belastet würden. Das Gericht hat dabei aber den Begriff der Kostendeckung im Abwassergebührenrecht verkannt. Die Regelungen über die Kostenbeteiligung nach § 5 NKAG stellen - wie auch die entsprechenden beitragsrechtlichen Vorschriften in § 6 NKAG - auf eine Kostenerstattung nicht hinsichtlich der tatsächlich benutzten Teile des Abwasserbeseitigungssystems, sondern hinsichtlich der Gesamtanlage ab und gehen davon aus, dass alle die Anlage Nutzenden und von ihr Bevorteilten in gleicher Weise an der Kostendeckung für die Gesamtanlage zu beteiligen sind. Für die Höhe der Gebühr oder des Beitrags ist es daher beispielsweise unerheblich, ob der Abgabenpflichtige in der Nähe des Klärwerks oder weit davon entfernt wohnt bzw. welche Teile des Abwasserbeseitigungssystem, insbesondere welche Leitungen er tatsächlich in Anspruch nimmt. Folglich ist auch für den hier in Rede stehenden Begriff der Kostendeckung belanglos, welche Teile des Abwasserbeseitigungssystems von der Nachbargemeinde benutzt werden, auf welchem Weg also deren Abwässer in das Klärwerk der Beklagten gelangen. Unter Kostenbeteiligungsgesichtspunkten ausschlaggebend ist allein, dass die Nachbargemeinde das Abwasserbeseitigungssystem der Beklagten in gleicher Weise in Anspruch nimmt wie alle Gebührenpflichtigen im Gebiet der Beklagten, ohne dass es insoweit auf die Belegenheit der entwässerten Grundstücke ankommt. Daher müssen alle Benutzer gleichermaßen an den Gesamtkosten des Abwasserbeseitigungssystems der Beklagten, zu denen auch die Kosten für die von der Nachbargemeinde nicht benutzten Leitungsteile gehören, beteiligt werden. Dies setzt die Ermittlung des Verhältnisses voraus, in dem die von der Nachbargemeinde eingeleitete Abwassermenge zur auf dem Gebiet der Beklagten anfallenden Abwassermenge steht. Entsprechend diesem Verhältnis sind die Gesamtkosten der Abwasserbeseitigung auf die Nachbargemeinde einerseits und den Gebührenhaushalt der Beklagten andererseits aufzuteilen. Bei einem solchen Vorgehen hätten sich nach den Ausführungen des Klägers auf Seite 8 oben seiner Antragsschrift, denen die anwaltlich vertretene Beklagte nicht substantiiert widersprochen hat, die gebührenfähigen Kosten der Beklagten um ca. 82.000,- DM verringert. In diesem Umfang beruht der von der Beklagten beschlossene Gebührensatz daher voraussichtlich auf einem überhöhten Kostenansatz.

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2. Der Kläger wendet sich ferner dagegen, dass die Beklagte Aufwand für die Erneuerung von Teilstrecken ihres Leitungsnetzes im vollen Umfang in die Gebührenkalkulation eingestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat gegen diese Vorgehensweise Einwände nicht erhoben, weil die Erneuerung von Teilen des Leitungsnetzes wegen des Gesamtanlagenprinzips keine beitragsfähige Erneuerung i.S. von § 6 NKAG darstelle. Aus dieser für sich genommen richtigen Annahme scheint das Gericht (unausgesprochen) zu folgern, dass der - somit nicht beitragsfähige - Aufwand dann aber jedenfalls zu den gebührenfähigen Kosten zählen müsse. Dem kann nicht gefolgt werden:

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Ob gebührenfähige Kosten vorliegen, beurteilt sich - unabhängig von der Refinanzierbarkeit des Aufwands über Beiträge nach § 6 Abs. 1 NKAG - allein nach § 5 Abs. 2 NKAG. Ist ein Aufwand - etwa wegen Fehlens eines Beitragstatbestands - nicht beitragsfähig, so besagt dies folglich nicht, dass er automatisch in die Gebührenkalkulation eingestellt werden kann. Seine Refinanzierbarkeit über Gebühren setzt vielmehr voraus, dass er zu den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermittelnden Kosten der Einrichtung i.S. von § 5 Abs. 2 NKAG zählt. Darunter versteht man den gesamten in Geld ausgedrückten betriebsbedingten Verzehr an Wirtschaftsgütern zum Zweck der betrieblichen Leistungserbringung (vgl. Hatopp, Kommentar zum NKAG, 27. Ergänzungslieferung 2001, § 5 Ziff. 13).

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Dem Verwaltungsgericht kann auch nicht in seiner Auffassung beigepflichtet werden, dass der Aufwand für die Herstellung und Erneuerung von Teilen des Leitungsnetzes im vollen Umfang auf der Kostenseite in die Gebührenkalkulation eingestellt werden dürfe. Diese Ansicht verkennt den betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff. Er umfasst die Summe aller absatzbestimmten und innerbetrieblichen Leistungen innerhalb eines Zeitabschnitts, hier einer Kalkulationsperiode i.S. von § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG (vgl. Hatopp, aaO). Da Kosten also periodenbezogen sein müssen, können in eine Gebührenkalkulation nur diejenigen Ausgaben eingestellt werden, die der Abwasserbeseitigung in der gewählten Kalkulationsperiode dienen. Aufwendungen, mit denen auch die Aufgabenerfüllung in späteren Zeiträumen sichergestellt wird, sind dem Anlagevermögen zuzurechnen. Zu gebührenfähigen Kosten i.S. des § 5 Abs. 2 NKAG können solche längerfristigen Investitionen nur dadurch werden, dass sie über eine Abschreibung i.S. von § 5 Abs. 2 Satz 4 NKAG der jeweiligen Kalkulationsperiode zugeordnet und auf diese Weise in betriebswirtschaftliche Kosten umgewandelt werden. Die Abschreibung erfasst dabei diejenige Wertminderung, die Anlagegüter durch die Nutzung zur Leistungserstellung, hier der Abwasserbeseitigung, innerhalb einer bestimmten Periode erfahren. Der Wertverlust wird in Form von Kosten auf die einzelnen Jahre entsprechend der Nutzung aufgeteilt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.9.1980 - 3 C 2/79 - KStZ 1981, 193). Die aus Abschreibungen erzielten und nicht dem Gebührenhaushalt, sondern dem Vermögenshaushalt zuzuführenden (vgl. § 22 GemHVO) Entgelte dienen der Finanzierung von Investitionsaufwendungen. Bei Berücksichtigung dieser betriebswirtschaftlichen Vorgaben gilt für die Ansatzfähigkeit von Kosten, die anlässlich der Erhaltung des Leitungsnetzes entstehen, grundsätzlich folgendes:

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Die Kosten für notwendige Reparaturmaßnahmen können in der jeweiligen Kalkulationsperiode voll in Ansatz gebracht werden. Unter diesen Begriff fallen alle Maßnahmen, durch die örtlich begrenzte Schäden behoben und dadurch die Betriebsbereitschaft in der jeweiligen Kalkulationsperiode aufrechterhalten wird (vgl. DIN EN 752-5). Diese Maßnahmen sind rein periodenbezogen und ändern weder die betriebsüblichen Nutzungszeiten noch die Abschreibungsfristen. Damit lassen sie sich im vollen Umfang derjenigen Kalkulationsperiode zuordnen, in der sie angefallen sind.

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Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt bei Renovierungen und Erneuerungen nicht mehr vor. Zu den Renovierungen zählen alle Maßnahmen zur Verbesserung der allgemeinen Funktionsfähigkeit von Abwasserleitungen und -kanälen unter vollständiger oder teilweise Einbeziehung ihrer ursprünglichen Substanz (vgl. DIN EN 752-5). Erneuerung bedeutet die Herstellung neuer Abwasserleitungen und -kanäle in der bisherigen oder einer anderen Linienführung (vgl. aaO). Renovierung und Erneuerung schaffen damit im Gegensatz zur Reparatur einen neuen Anlagevermögensgegenstand und setzen deshalb betriebswirtschaftlich neue Abschreibungsfristen im Hinblick auf die betriebsübliche Nutzungsdauer in Lauf. Sie wirken sich nicht nur periodenbezogen aus, sondern bezwecken gerade die langfristige Verbesserung des Anlagevermögens. Der Aufwand für Renovierung und Erneuerung ist daher im Vermögenshaushalt, nicht aber im Gebührenhaushalt zu berücksichtigen. Letzterer kann nur die neuen Abschreibungsbeträge auf der Kostenseite ausweisen.

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Die vom Verwaltungsgericht anscheinend befürwortete Einstellung des gesamten Renovierungs- und Erneuerungsaufwands in eine einzige Kalkulationsperiode verbietet sich nicht nur aus den dargelegten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, sondern auch im Blick auf das Äquivalenzprinzip und den allgemeinen Gleichheitssatz. Damit ist es in dem Regelfall, dass solcher Aufwand ungleichmäßig in den verschiedenen Kalkulationsperioden entsteht, unvereinbar, dass der jeweilige Benutzerkreis zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme die gesamten Investitionen in das Anlagevermögen - mehr oder weniger zufällig - allein und auf einmal zahlen muss, obwohl die Verbesserung des Anlagevermögens gerade auch den Gebührenpflichtigen in späteren Kalkulationsperioden zugute kommt. Gegen die gesamte Einstellung spricht schließlich auch, dass sie bei bereits abgeschriebenen Anlageteilen zu einer unzulässigen Doppelbelastung der Gebührenzahler führt.

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Mit diesen Maßstäben ist es unvereinbar, dass das Verwaltungsgericht die Einstellung des gesamten "Herstellungsaufwands" von jeweils jährlich weit über 500.000,- DM ohne jede Differenzierung als rechtmäßig angesehen hat. Denn gerade Herstellungsmaßnahmen haben, soweit es sich wirklich um Renovierungen und Erneuerungen gehandelt hat, langfristig das Anlagevermögen der Beklagten verbessert und dürfen daher im Gebührenhaushalt nur über Abschreibungen berücksichtigt werden. Nur soweit sich unter der Position Herstellungsaufwand auch bloße Reparaturmaßnahmen verbergen, sind sie in der hier streitgegenständlichen Kalkulationsperiode voll ansatzfähig. Wie hoch der Anteil an Reparaturmaßnahmen ist, wird im Berufungsverfahren zu klären sein.

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3. Der Kläger wendet sich schließlich gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe Zinsvorteile aus erhaltenen Abschreibungen (nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers allein 1996 in Höhe von 516.000,- DM) nicht zur Entlastung der Gebührenpflichtigen berücksichtigen müssen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Bezugnahme des Verwaltungsgerichts auf das Urteil des OVG Münster vom 1. September 1999 (9 A 3342/98 - NVwZ-RR 2000, 383, 385) geht schon deshalb fehl, weil die Entscheidung sich auf das Nebeneinander von kalkulatorischen Zinsen und Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert bezieht, nicht aber auf die Behandlung von Zinserträgen aus Abschreibungserlösen. Dem vom Verwaltungsgericht ferner zitierten Urteil des OVG Münster vom 5. August 1994 (9 A 1248/92 - KStZ 1994, 213, 217 = NVwZ 1995, 1233, 1236) vermag sich der Senat für das niedersächsische Landesrecht nicht anzuschließen. Nach dem Urteil müssen Zinsen aus zurückgeflossenen Abschreibungsbeträgen nie dem Gebührenhaushalt gutgeschrieben werden. Die Gemeinde soll über sie im Rahmen ihres allgemeinen Haushalts vielmehr frei verfügen dürfen, weil sie das in die Abwasserbeseitigung investierten Kapital auch auf andere Weise, insbesondere zinsbringend, hätte verwenden können und sie dann selbstverständlich über die Zinsen hätte verfügen dürfen. Entsprechendes müsse gelten, wenn das im Abwasserbeseitigungssystem gebundene Kapital durch Abschreibungen wieder in frei verfügbares Kapital umgewandelt werde.

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Diese Argumentation überzeugt indessen lediglich insoweit, als die Gemeinde zur Finanzierung ihres Abwasserbeseitigungssystems Eigenkapital aufgebracht hat, mithin hinsichtlich des von der Gemeinde selbst aufgebrachten Finanzierungsanteils. Nur in diesem Umfang liegt Eigenkapital vor, dass auch anders hätte zinsbringend verwendet werden können. Soweit daher Zinserträge aus Abschreibungserlösen in Bezug auf Eigenkapital vorliegen, ist die Gemeinde in der Tat nicht zu einer Gutschrift zu Gunsten des Gebührenhaushalts verpflichtet (anders OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 30.1.1995 - 2 L 128/94 - DÖV 1995, 474 = KStZ 1996, 113,.wonach alle Zinserträge aus Abschreibungserlösen dem Gebührenhaushalt gutzuschreiben sind).

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Die Argumentation des OVG Münster im Urteil vom 5. August 1994 greift hingegen nicht bei Zinsvorteilen aus Abschreibungserlösen, die sich auf nicht von der Gemeinde, sondern durch Beiträge und Zuschüsse finanzierte Anlageteile beziehen oder aus "Bewertungsgewinnen" bei einer Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert resultieren. In diesen Fällen würde eine freie Verfügbarkeit der Zinsvorteile aus den Abschreibungserlösen zu dem systemwidrigen Ergebnis führen, dass die Gemeinde Gewinne aus der Abwasserbeseitigung nur deshalb erzielt, weil Dritte in die Abwasserbeseitigung investiert haben bzw. zu Gunsten der Erhaltung von Abwasserbeseitigungssystemen eine Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert durch § 5 Abs. 2 letzter Satz NKAG zugelassen worden ist. Systemgerecht und mit dem Kostenüberschreitungsverbot lediglich vereinbar ist es vielmehr, dass diejenigen Zinserträge, die aus "Bewertungsgewinnen" nach § 5 Abs. 2 letzter Satz NKAG und aus Abschreibungen von aus Drittmitteln finanzierten Anlageteilen resultieren, dem Abwassergebührenhaushalt - und damit den Gebührenschuldnern, die die Drittmittel ja in erheblichem Umfang durch Beiträge aufgebracht haben - gutgeschrieben werden und nicht (letztlich als Gewinn aus der Abwasserbeseitigung) in den allgemeinen Gemeindehaushalt einfließen, zu dem die Zinserträge - anders als bei der Abschreibung von durch Eigenkapital der Gemeinde finanzierten Anlageteilen - keinen Bezug haben. Verfahrensmäßig lässt sich dieser Zustand dadurch erreichen, dass die - bei der Beklagten etwa 50 % ausmachenden - Mittel aus den Abschreibungen von drittfinanzierten Anlageteilen, die nicht für Abwasserbeseitigungszwecke verwendet werden, in einer fiktiven Rücklage angesammelt und mit einem jährlichen kalkulatorischen Zins belegt werden, den der allgemeine Gemeindehaushalt an den Gebührenhaushalt zu entrichten hat. Das so gewonnene Ergebnis entspricht letztlich der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 NKAG, dass der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Kapitalanteil bei der kalkulatorischen Verzinsung unberücksichtigt bleibt.

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Der Senat weist klarstellend darauf hin, dass eine Gutschrift von Zinserträgen zu Gunsten der Gebührenpflichtigen regelmäßig nur dann geboten sein kann, wenn die Kosten der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung vollständig über die - neben den Beiträgen und Zuschüssen gezahlten - Gebühren gedeckt sind. Verbleiben zu Lasten des allgemeinen Gemeindehaushalts trotz der Gebühreneinnahmen noch Restkosten, so ist es durchaus sachgerecht, dem Gemeindehaushalt bis zur Höhe dieser Kosten alle Zinserträge aus Abschreibungen, also auch solchen von drittfinanzierten Anlageteilen, und aus Bewertungsgewinnen zufließen zu lassen. Ein solcher Fall ist nach dem im Zulassungsverfahren erkennbaren Sach- und Streitstand vorliegend nicht gegeben. Daher unterliegt es ernstlichen Zweifeln, wenn das Verwaltungsgericht generell von einer freien Verfügbarkeit der Zinserlöse aus Abschreibungen ausgeht.