Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.08.2002, Az.: 8 L 2826/99
Abschiebungsschutz; gemischt-ethnische Herkunft; Kosovo-Albaner
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.08.2002
- Aktenzeichen
- 8 L 2826/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43590
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 06.08.2003 - AZ: BVerwG 1 B 449.02
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 Nr 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein jugoslawischer Staatsangehöriger aus der Provinz Kosovo, der seine albanische Volkszugehörigkeit von einem albanischen Vater ableitet, einen albanischen Namen führt, als erste Sprache albanisch spricht und moslemischen Glaubens ist, kann Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht allein deshalb beanspruchen, weil er von einer serbischen Mutter abstammt.
Gründe
Der 1965 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger moslemischen Glaubens aus der Provinz Kosovo. Er reiste am 18. Dezember 1994 aus seinem Heimatstaat aus und vier Tage später auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier beantragte er seine Anerkennung aus Asylberechtigter und begründete sein Asylgesuch damit, dass die Polizei seines Heimatortes B. nach ihm gesucht habe, um ihn dem Fronteinsatz in Bosnien zuzuführen. Ferner habe er im Kosovo Schwierigkeiten gehabt, weil seine verstorbene Mutter Serbin gewesen sei. Die Albaner hätten ihn für einen Serben gehalten, die Serben hätten ihn als Albaner angesehen.
Mit Bescheid vom 13. Januar 1995 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorlägen und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ebenfalls nicht bestünden; zugleich forderte es den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien an.
Daraufhin hat der Kläger am 8. Februar 1995 Klage erhoben und geltend gemacht, dass er angesichts seiner Weigerung, am Angriffskrieg der Serben gegen Bosnien teilzunehmen, politisch motivierte Bestrafung und damit politische Verfolgung zu befürchten habe.
Der Kläger hat, nachdem er die Klage hinsichtlich der Gewährung von Asyl zurückgenommen hatte, beantragt,
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen
der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG vorliegen, und den Bescheid des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 13. Januar 1995 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegen-
steht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 23. Februar 1999 das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Es hat weiterhin die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorliegen, und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit darin das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG verneint und die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien angedroht worden ist.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG, weil er als albanischer Volkszugehöriger moslemischen Glaubens aus der Provinz Kosovo für den Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Form einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung zu befürchten habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die durch Beschluss des 3. Senats des erkennenden Gerichts vom 7. Juli 1999 zugelassene Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten. Nachdem dieser zunächst beantragt hatte, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen, soweit das Verwaltungsgericht ihr stattgegeben hatte, hat der Kläger mit Einwilligung der übrigen Verfahrensbeteiligten die Klage im Hinblick auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG sowie die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG und die damit verbundene Aufhebung des angefochtenen Bescheides zurückgenommen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt nunmehr sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 4. Kammer (Einzelrichter) – vom 23. Februar 1999 teilweise zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit diese nicht zurückgenommen wurde.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen,
und erwidert, dass er nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG die Feststellung von Abschiebungshindernissen beanspruchen könne. Angesichts seiner gemischt-ethnischen Herkunft habe er für den Fall seiner Rückkehr in den Kosovo Übergriffe und Gewaltakte der albanischen Bevölkerungsmehrheit zu befürchten. Schutz und Sicherheit vor Anfeindungen könne ihm der albanischstämmige Teil seiner Familie nicht gewährleisten, da sein Vater nach dem Tode seiner serbischen Mutter eine Albanerin geheiratet und die Beziehungen zu ihm abgebrochen habe.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren zur Sache nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Der Senat hat das mit Verfügung vom 5. August 2002 in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial zum Gegenstand der Beratung gemacht und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.
Das Verfahren ist einzustellen, soweit der Kläger im zweiten Rechtszug mit Einwilligung der übrigen Beteiligten die Klage im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG zurückgenommen und in diesem Zusammenhang die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13. Januar 1995 begehrt hat (§§ 125 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 3 VwGO).
Im Hinblick auf die noch streitbefangene Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, die das Verwaltungsgericht gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG ungeprüft gelassen hat und die der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten als Berufungsführer zum Gegenstand seines Berufungsbegehrens machen kann (BVerwG, Urt. 27.6.1995 – 9 C 7.95 und 9 C 8.95 –, NVwZ 1996, 79; DVBl. 1995, 1308), hat die Berufung Erfolg. Sie führt zur teilweisen Änderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit der Kläger diese aufrechterhalten hat.
Diese Entscheidung trifft der Senat gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für zulässig und begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur persönlichen Anhörung des Klägers nicht für erforderlich hält.
Eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren ist entbehrlich, weil sich der Kläger im Verwaltungsverfahren, im ersten Rechtszug und im Berufungsverfahren ausreichend zu seinem Verfolgungsschicksal geäußert hat.
Der nach der Anhörungsverfügung vom 5. August 2002 schriftsätzlich gestellte Beweisantrag des Klägers zwingt ebenfalls nicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder einer Beweisaufnahme. Der Beweisantrag im Schriftsatz vom 20. August 2002 bezieht sich auf die Ergänzung zuvor eingeholter Auskünfte des Kosovo-Information Project – KIP – vom 31. August 2001 sowie 18. Oktober 2001. Der Einholung ergänzender Auskünfte bedarf es hier nicht, da das vorliegende Erkenntnismaterial bereits eine verlässliche Beurteilung der Situation von Personen mit gemischt-ethnischer Herkunft zulässt.
Der Kläger hat nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorliegen.
Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Da Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt werden, setzt § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG eine erhebliche, individuell konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit voraus, die sich nicht schon aus der allgemeinen Situation im Kosovo herleiten ließe. Allgemeine Gefahren, die nicht nur dem betreffenden Ausländer, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, begründen auch dann kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, wenn sie den Ausländer konkret und individualisierbar treffen (BVerwG, Urt. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77). Die Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG sperrt nicht die möglicherweise geringere Betroffenheit eines Einzelnen, sondern die Tatsache, dass er sein Fluchtschicksal mit vielen anderen Personen teilt, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme im Bundesgebiet eine politische Leitentscheidung im Sinne des § 54 AuslG befinden soll (BVerwG, Urt. v. 8.12.1998, a.a.O.). Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2, 3, 4 oder 6 Satz 1 AuslG zustehen, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Einzelfall Schutz vor der Durchführung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Das ist der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 2, § 54 AuslG Abschiebungsschutz zu gewähren; in solchen Fällen ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass derartige Gefahren im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen sind (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324).
Einer derartigen extremen Gefahrenlage würde der Kläger nach dem vom Senat in das Verfahren eingeführten und ausgewerteten Erkenntnismaterial im Kosovo, der nach wie vor Teil der Bundesrepublik Jugoslawien ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2000 - A 14 S 1167/98 - u. Beschl. v. 26.5.2000 - A 14 S 709/00 -; Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2000, a.a.O.; VGH Kassel, Urt. v. 15.2.2000, a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 15.5.2000 - 5 A 5355/99.A -; Thür. OVG, Urt. v. 17.5.2000 - 3 KO 202/97 -; AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. v. 8.12.1999), nicht ausgesetzt sein.
Im Kosovo wird ein Leben über dem Existenzminimum durch die Zivilpräsenz der UNO, die Aktivitäten von über 300 Hilfsorganisationen und die KFOR-Truppen gewährleistet. Deren Einsatz hat zur Folge, dass Rückkehrer in den Kosovo nicht in eine ausweglose Situation geraten.
Der Aufbau einer zivilen Übergangsverwaltung und die Wiederherstellung kommunaler Strukturen in Umsetzung der UN-Resolution machen erkennbare Fortschritte. Die Mission der Vereinten Nationen im Kosovo – UNMIK -, die inzwischen in drei Säulen gegliedert ist, hat auf der Grundlage der UN-Resolution de facto die Verantwortung für das gesamte öffentliche Leben im Kosovo übernommen und ist in den Verwaltungen aller Landkreise vertreten. Sie hat durch den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der UN, Kouchner, verschiedene Verordnungen erlassen, die den rechtlichen Rahmen ihrer Tätigkeit regeln. Nach der Verordnung Nr. 1 vom 25. Juli 1999 ist die gesamte gesetzgebende und vollziehende Gewalt in bezug auf den Kosovo auf die UNMIK übergegangen, die durch den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der UN ausgeübt wird. Durch eine weitere Verordnung der UNMIK ist das vor 1989 geltende Recht wieder eingeführt worden, soweit es nicht dem Zweck der UN-Resolution widerspricht oder die UNMIK anderslautende Verordnungen erlässt. Am 15. Dezember 1999 haben Vertreter der UNMIK und die albanische Seite außerdem ein gemeinsames Abkommen unterzeichnet, in dem die Bildung eines gemeinsamen Regierungsrates mit maßgeblichen albanischen Führern vereinbart wurde, der seitdem unter dem Vorsitz eines UN-Vertreters tagt. Schließlich hat die UNMIK Wahlen für die Gemeinderäte in den 30 Gemeinden des Kosovo, die die Gemeindevorsitzenden und die Verwaltungschefs wählen, organisiert, die am 28. Oktober 2000 bei einer Wahlbeteiligung von ca. 79 % stattfanden und zu einer Stärkung der gemäßigten Kräfte geführt haben, da die LDK unter dem Vorsitz von Ibrahim Rugova 58 % der Stimmen, die Partei des früheren Führers der UCK, Thaci, aber lediglich 27, 3 % der Stimmen erhielt (AA, Lagebericht v. 21.11.2000; UNHCR, Bericht v. 9.12.1999 zur Lage im Kosovo; dpa v. 15.12.1999 u. 6.11.2000; Nürnberger Zeitung v. 16.3.2000; Süddeutsche Zeitung v. 16.3.2000, 26.10.2000 u. 30.10.2000; Die Welt v. 30.10.2000; Neue Zürcher Zeitung v. 31.10.2000).
Der Wiederaufbau der Infrastruktur des Kosovo und die Entwicklung der Wirtschaft zeigt ebenfalls deutliche Fortschritte. Die Weltbank hat für einen Zeitraum von 18 Monaten 25 Millionen Dollar von insgesamt 60 Millionen Dollar dafür bewilligt. Die EU-Kommission hat beschlossen, für die Region im Kosovo bis zum Jahr 2006 insgesamt 5,5 Milliarden Euro aufzubringen. Für die Umsetzung des von der EU finanzierten Wiederaufbauprogramms ist am 1. Februar 2000 eine Wiederaufbau-Agentur eingerichtet worden, die zusammen mit der ihr vorgeschalteten EU-Task Force wichtige Wiederaufbauprojekte auf dem Weg gebracht hat (AA, Lagebericht v. 21.11.2000). Seit Juni 1999 wurde im Rahmen einer großen internationalen Hilfsoperation, an der neben den Organisationen der Vereinten Nationen und anderen internationalen humanitären Organisationen mehr als 250 Nichtregierungsorganisationen unter der Koordination der UNMIK beteiligt waren, mehr als 850.000 in das Kosovo zurückgekehrten Menschen dabei geholfen, ihr Leben wieder aufzubauen (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNMIK, Positionspapier zur Rückkehr v. Oktober 2000).
Rückkehrer in den Kosovo müssen nicht auf Dauer mit völlig unzureichenden Wohnverhältnissen oder mit Obdachlosigkeit rechnen. Zwar wurden im Zuge des Kosovo-Krieges fast 120.000 Häuser in Mitleidenschaft gezogen und 100.000 Häuser schwer beschädigt. Die Wiederaufbaumaßnahmen und die Bereitstellung von umfangreichen Kontingenten an Wohncontainern sind inzwischen jedoch weit vorangeschritten. Zahlreiche Hilfsorganisationen, u.a. das Technische Hilfswerk, haben Baumaterialien zur Verfügung gestellt, die den Wiederaufbau beschleunigen (vgl. UNHCR v. 9.12.1999 an OVG Lüneburg; AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. 8.12.1999; Gesellschaft für bedrohte Völker, Bericht v. 17.8.1999 und Bericht v. 1.2.2000; SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim; UNHCR v. 7.3.2000 an OVG Lüneburg). Inzwischen konnten nach Angaben von UNHCR und UNMIK ca. 17.000 Häuser repariert werden (AA, Lagebericht v. 21.11.2000). Außerdem konnten schon vor Einbruch des Winters 1999/2000 etwa 400.000 Menschen winterfeste Räume zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich wurden temporäre Sammelunterkünfte bereitgestellt (UNHCR, Lagebericht v. September 2000). Daher haben die im Jahr 2000 in den Kosovo zurückgekehrten Personen bis auf wenige Ausnahmen Unterkunft finden können (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNMIK, Positionspapier zur Rückkehr v. Oktober 2000). Inzwischen werden längerfristig angelegte Programme zum Wiederaufbau von Wohnraum von der Abteilung für Wiederaufbau der UNMIK, der JIAS, und Entwicklungshilfeorganisationen durchgeführt und koordiniert. Abteilungen der JIAS haben auch die Bereitstellung von Notunterkünften, die Bedürftigen zur Verfügung stehen, übernommen (UNHCR, Lagebericht v. September 2000). Die Einschätzung, dass im Kosovo trotz der großen Zahl der Rückkehrer und der mittlerweile weitgehend erschöpften Unterbringungskapazitäten (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNMIK, Positionspapier zur Rückkehr v. Oktober 2000; SFH v. 5.9.2000 an VG Frankfurt) eine Wohnraumsicherung gewährleistet werden kann, teilen der VGH Bad.-Württ. (Urt. v. 17.3.2000 u. Beschl. v 26.5.2000, a.a.O.), der 12. Senat des Nds. OVG (Urt. v. 24.2.2000, a.a.O.) und der VGH Kassel (Urt. v. 15.2.2000, a.a.O.).
Im Kosovo ist die Versorgung mit Lebensmitteln und sonstigen Bedarfsgütern ebenfalls gewährleistet. Alle Nahrungsmittel sind in den Lebensmittelgeschäften wieder verfügbar. Auf den Märkten werden Obst, Gemüse, Plastikwaren, Installationsbedarf und Baumaterialien angeboten. Zusätzliche Nahrungsmittellieferungen erfolgen durch die humanitären Organisationen, die aus dem Ausland zahlreiche Unterstützung erhalten. Zusätzliche Verteilungsorganisationen wie etwa die Organisation „Mutter Theresa“ und die orthodoxe Kirche haben dazu beigetragen, dass eine ausreichende Versorgung der im Kosovo lebenden Bevölkerung mit den notwendigen Nahrungsmitteln gesichert ist (AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. 18.5.2000; UNHCR v. 2.12.1999 an OVG Lüneburg; Bericht der UNMIK „Die UN im Kosovo“; SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim; Gesellschaft für bedrohte Völker v. 1.2.2000; UNHCR v. 7.3.2000). Die Gesundheits- und Sozialbehörde der UN-Verwaltung für den Kosovo hat zudem mit dem Aufbau eines Sozial(hilfe)systems begonnen, das seit Juni 2000 vorerst von Familien, die kein arbeitsfähiges Mitglied und keine anderen Einkunftsquellen haben, in Anspruch genommen werden kann (UNHCR, Lagebericht v. September 2000). Nach dem teilweisen Rückzug der internationalen Hilfsorganisationen aus der Nahrungsmittelhilfe erfolgt diese inzwischen auch über die Sozialfürsorge (UNHCR, Lagebericht v. September 2000; UNHCR, Aufbau eines Sozial(hilfe)systems , September 2000; UNHCR v. 6.11.2000 an VG Schleswig u. VG Regensburg).
Rückkehrer in den Kosovo drohen auch keine sonstigen Nachteile und Gefahren, die sie in eine ausweglose Lage bringen könnten. Dies gilt insbesondere für die Minengefährdung als Folge des Kosovo-Krieges. Ursprünglich waren 3.500 Gebiete als minengefährdet bezeichnet worden - insbesondere im Westen des Kosovo (SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim). Seit August 1999 sind die Unfälle mit Minen und aufgrund ausgelöster Kampfmittel jedoch zurückgegangen. Inzwischen gibt es zahlreiche Minenräumprogramme, die der Sicherung von Gebäuden und Schulen sowie der Freiräumung von Einrichtungen der Stromversorgung dienen (SFH v. 8.12.1999 an VGH Mannheim; AA, Lagebericht v. 8.12.1999; UNHCR v. 9.12.1999 an VGH Mannheim; AA v. 18.10.1999 an VG München). An diesen Programmen wirken 16 Organisationen mit (AA, Lagebericht v.21.11.2000). Darüber hinaus gibt es seit Sommer 1999 mehrere Informationsprogramme im ganzen Kosovo zur Minengefahr, so dass die Schweizerische Flüchtlingshilfe den Rückgang von Unfällen auch darauf zurückführt, dass die Bevölkerung durch diese Programme ausreichend in Kenntnis gesetzt worden ist. Bei Beachtung dieser Hinweise erscheint die Gefährdung hinreichend beherrschbar (SFH v. 8.12.1999, a.a.O.; vgl. ferner VGH Bad.-Württ., Urt. v. 17.3.2000, a.a.O.; OVG Münster, Urt. v. 5.5.2000, a.a.O.), zumal die wichtigsten Räumaufgaben inzwischen abgeschlossen sein sollen und eine vollständige Räumung nach Einschätzung von Experten innerhalb von zwei Jahren erfolgen kann (AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. 18.5.2000).
Ferner hat sich die im Jahr 1999 teilweise festzustellende Gewaltbereitschaft im Kosovo inzwischen erheblich reduziert. Dies beruht einerseits auf dem Einsatz der KFOR-Streitkräfte, die mittlerweile über mehr als 40.000 Soldaten verfügen, und andererseits auf der Tätigkeit zusätzlicher Polizeikräfte aus dem Ausland. Inzwischen besteht eine internationale Polizeitruppe, die eine Vielzahl von Stationen und Unterstationen im Kosovo errichtet hat. Von den benötigten 4.700 Vollzugskräften sind knapp 4.000 vor Ort. Außerdem ist mit dem Aufbau einer lokalen multi-ethnischen Polizei begonnen worden; im August 2000 hatten bereits 1.681 Männer und Frauen die Ausbildung abgeschlossen, in der Ausbildung befinden sich weitere ca. 560 angehende Polizisten. Der Aufbau des Justizsystems geht ebenfalls voran; bislang wurden ca. 400 Richter und Staatsanwälte aus allen ethnischen Gruppen ernannt. Zwar können die KFOR-Truppen und die Polizei Zusammenstöße, insbesondere Konflikte zwischen Serben und Albanern, nicht überall im Kosovo vollständig verhindern. Angehörige der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen müssen sich aber nicht an den entsprechenden Brennpunkten den dort vorhandenen Gefahren aussetzen, sondern können sich ihnen in zumutbarer Weise entziehen (vgl. u.a.: AA, Lageberichte v. 21.11.2000 u. 8.12.1999; SFH v. 20.11.1999; Süddeutsche Zeitung v. 23.3.2000; Frankfurter Rundschau v. 15.3.2000; Die Welt v. 24.3.2000; Neue Zürcher Zeitung v. 12.9.2000; dpa v. 22.11.2000).
Rückkehrer in den Kosovo drohen auch nicht gesundheitliche Risiken und Gefahren, die nicht beherrschbar wären und sie in eine existenzielle Notlage bringen könnten. Der Gesundheitssektor ist durch den Kosovo-Krieg im Sommer 1999 zwar erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Inzwischen aber haben die medizinischen Versorgungseinrichtungen im Kosovo in den meisten Orten das Vorkriegsniveau erreicht. Zahlreiche Ärzte sind in die Kliniken und in die Praxen zurückgekehrt. Außerdem bemühen sich die internationalen Hilfsorganisationen um die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung. Alle Kliniken sind inzwischen wieder in Betrieb. Das internationale Rote Kreuz stellt den regionalen Hospitälern in Djakovica, Gyjilane, Mitrovica, Pec, Prishtina und Prizren im Rahmen eines Hilfsprogramms die technische Grundausstattung zur Verfügung. Die Versorgung mit Medikamenten, die in der Universitätsklinik in Prishtina am besten ist, lässt allerdings noch zu wünschen übrig. Die internationale Gemeinschaft kann aber in der Regel jedes Medikament beschaffen, wenn es die Finanzlage zulässt. Notfallpatienten werden außerdem in den medizinischen Einrichtungen der KFOR, die vorrangig der Truppe zur Verfügung stehen, behandelt. Für Patienten, die mangels unzureichender Ausstattung oder Kapazitäten weder in den Krankenhäusern noch in den Feldhospitälern der KFOR-Truppen behandelt werden können, besteht die Möglichkeit zur Evakuierung. Die medizinische Infrastruktur im ländlichen Raum wurde ebenfalls verbessert. Die medizinische Grundversorgung und die Versorgung in akuten Notfällen ist daher für jedermann grundsätzlich gewährleistet, wenngleich die Situation weiterhin als kritisch einzustufen ist, was die Versorgung mit Medikamenten, medizinischen Apparaturen und qualifiziertem Personal sowie die Behandlungsmöglichkeiten bestimmter akuter oder chronischer Krankheiten angeht (AA, Lageberichte v. 21.11.2000, 18.5.2000 u. 8.12.1999; AA v. 15.2.2000 an VG Sigmaringen; SFH v. 20.11.1999 u. 5.9.2000; Berichte des Büros des zivilen Koordinators für Kosovo v. 27.10.1999, 18.12.1999 u. 29.1.2000; UNHCR v. 7.3.2000 u. 11.10.2000 an VG Schleswig; SFH v. 30.3.2000).
Der Kläger, der einen albanischen Namen führt, als erste Sprache albanisch spricht und moslemischen Glaubens ist, kann Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auch angesichts seiner Abstammung von einer serbischen Mutter nicht beanspruchen. Zwar weist der UNHCR in seinem Bericht "UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo" vom April 2002, den auch das Auswärtige Amt zur Grundlage seiner Einschätzung in dem ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) vom 4. Juni 2002 gemacht hat, darauf hin, dass Kosovo-Albaner gemischt-ethnischer Herkunft bei ihrer Rückkehr mit ernsthaften Problemen einschließlich physischer Gewalt konfrontiert werden könnten. Die Darstellungen des UNHCR über die Sicherheitsprobleme von Albanern gemischt-ethnischer Abstammung rechtfertigen indes nicht die Annahme, dass für diesen Personenkreis eine extreme allgemeine Gefahrenlage vorliegt, die bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu berücksichtigen wäre. Dies kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass sich dem Bericht des UNHCR aufgrund der darin beschriebenen Situation lediglich die Schlussfolgerung entnehmen lässt, dass diese Personen nicht in den Kosovo zurückkehren sollten. Der UNHCR hat hingegen nicht erklärt, dass eine Rückkehr angesichts der derzeitigen Sicherheitslage für diese Personen unter keinen Umständen zu verantworten ist. In seinem Positionspapier von April 2002 heißt es vielmehr, dass Anträge von Kosovo-Albanern gemischt-ethnischer Herkunft sorgsam geprüft werden sollten, um die Notwendigkeit der Gewährung internationalen Schutzes zu ermitteln. Dieser Hinweis erlaubt die Annahme, dass der Schutz des mit Sicherheitsproblemen konfrontierten Personenkreises unter anderem durch die Inanspruchnahme der internationalen Sicherheitskräfte gewährleistet werden kann, so dass von einer extremen Gefahrenlage nicht auszugehen ist. Diese Einschätzung wird auch durch die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse des Kosovo-Information-Project vom 31. August und 18. Oktober 2001 bestätigt.
Mit Blick auf die noch aufrecht erhaltene Klage ist auch die Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden; sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 Abs. 2 AuslG. Nach der letztgenannten Bestimmung soll die Androhung den Staat bezeichnen, in den der Ausländer abgeschoben werden soll. Insoweit genügt es, wenn der betreffende Staat bezeichnet ist, mag auch in einem Gebiet dieses Staates die zentrale Regierung Staatsgewalt effektiv nicht mehr ausüben. Bei der Durchführung der Vollstreckung ist später sicherzustellen, dass der Ausländer nicht in Gefahrengebiete abgeschoben wird, in denen er politische Verfolgung zu besorgen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Ausländerbehörde gehalten, dem Ausländer den beabsichtigten Abschiebeweg mitzuteilen und ihm die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes vor der Durchführung der Abschiebung zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 16.11.1999 - 9 C 4.99 -).