Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.11.2011, Az.: 5 ME 319/11
Annahme einer die Beförderung ausschließende Eignungsbeschränkung eines Beamten bei Befinden in der Freistellungsphase der Altersteilzeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.11.2011
- Aktenzeichen
- 5 ME 319/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 29724
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:1104.5ME319.11.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 33 Abs. 2 GG
Fundstellen
- DVBl 2011, 1568
- DÖD 2012, 21-22
- FStBay 2012, 693-696
- NVwZ-RR 2012, 77-78
- PersR 2012, 188
- RiA 2012, 35-37
- ZBR 2012, 350-351
Amtlicher Leitsatz
Eine die Beförderung ausschließende Eignungsbeschränkung eines Beamten ist anzunehmen, wenn und solange er sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet.
Gründe
I.
Mit der vorliegenden Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel weiter, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Beförderung der Beigeladenen oder anderer Bewerber(innen) zu untersagen, bevor nicht über sein Beförderungsbegehren rechtskräftig entschieden worden ist.
Der Antragsteller ist Konrektor (A 13 NBesO) und war zuletzt an der Grundschule E. tätig. Seit dem 1. August 2011 befindet er sich in der Freistellungsphase des Blockmodells der Altersteilzeit.
In November 2008 bewarben sich der Antragsteller und die Beigeladene, die Rektorin (A 13 NBesO) ist, auf die im Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen (11/2008) ausgeschriebene, nach A 14 NBesO bewertete Stelle der Rektorin/des Rektors der Grundschule E.. Aus Anlass ihrer Bewerbung wurden beide unter dem 10. Juni 2009 dienstlich beurteilt, wobei die Beigeladene die Gesamtbewertung "B - übertrifft erheblich die Anforderungen" und der Antragsteller die Gesamtbewertung "C - die Leistungen entsprechen voll den Anforderungen" erhielt. Der Antragsteller hat am 29. Juli 2009 gegen seine Beurteilung bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben (3 A 70/09) und sich zur Begründung im Wesentlichen auf eine Befangenheit des Beurteilers berufen.
Nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter dem 14. Juni 2011 mitgeteilt hatte, dass die Auswahlentscheidung aufgrund eines Notenvorsprungs zugunsten der Beigeladenen getroffen worden sei, hat der Antragsteller am 4. Juli 2011 bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht (3 B 11/11). Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass sich die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung schon daraus ergebe, dass ihr die - wie im Klageverfahren 3 A 70/09 dargelegt - fehlerhafte Anlassbeurteilung vom 10. Juni 2009 zugrunde liege; außerdem könne die Auswahlentscheidung auch deshalb nicht auf die Anlassbeurteilung vom 10. Juni 2009 gestützt werden, weil diese deutlich älter als zwei Jahre sei und damit keinen aktuellen Leistungsvergleich ermögliche.
Mit Urteil vom 10. August 2011 hat das Verwaltungsgericht Osnabrück die gegen die Anlassbeurteilung gerichtete Klage (3 A 70/09) abgewiesen, weil ihr aufgrund des Umstandes, dass der Antragsteller zum 1. August 2011 in die Freistellungsphase des Altersteilzeitmodells getreten sei, das Rechtschutzbedürfnis fehle. Die Beurteilung verliere ihre rechtliche Zweckbestimmung, Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidungen zu sein, wenn sie sich - wie hier - nicht mehr negativ auf die berufliche Entwicklung des Beamten auswirken könne. Eine Beförderung des Antragstellers in der Freistellungsphase des Altersteilzeitmodells sei ausgeschlossen. Denn Sinn und Zweck der Beförderung sei nicht vorrangig die Belohnung der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen, sondern die erfolgreiche Wahrnehmung des angestrebten Beförderungsamtes. Ziel der Neubesetzung sei es, eine funktionsgerechte Wahrnehmung des Beförderungsamtes möglichst auf Dauer zu gewährleisten. Dies setze voraus, dass der Amtsinhaber das Amt für eine angemessene Zeit ausüben werde. Ob der Antragsteller auf die Rechte aus der Altersteilzeitverfügung verzichten würde, sei rechtlich unerheblich, weil dies als zukünftiges ungewisses Ereignis nicht geeignet sei, die bestehende Tatbestandswirkung zu beseitigen. Ebenso irrelevant sei, ob die Antragsgegnerin diese Verfügung nach § 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) beseitigen würde oder überhaupt könnte. Den vom Antragsteller gegen dieses Urteil gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom heutigen Tage (5 LA 321/11) abgelehnt.
Mit streitgegenständlichem Beschluss vom 18. August 2011 (3 B 11/11) hat das Verwaltungsgericht Osnabrück den gegen die Beförderungsentscheidung gerichteten Eilantrag des Antragstellers abgelehnt, weil es an einem Anordnungsanspruch fehle. Insoweit könne offen bleiben, ob - und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen - eine Änderung oder Aufhebung der Altersteilzeitbewilligung noch in der Freistellungsphase möglich sei. Denn dass das Bewerbungsverfahren mit einer Auswahlentscheidung zugunsten des Antragstellers fortgeführt und beendet werden könne, sei nicht ersichtlich. Griffen die im Klageverfahren 3 A 70/09 gegen die Anlassbeurteilung erhobenen Einwände des Antragstellers durch, so müsste er nach Aufhebung der Anlassbeurteilung erneut beurteilt werden. Gegenstand einer solchen Beurteilung hätte u.a. eine Unterrichtsbesichtigung zu sein. Da sich der Antragsteller jedoch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinde und dies erst ändern (lassen) wolle, wenn seine Bewerbung um die Rektorenstelle Erfolg habe, sei nicht erkennbar, auf welcher rechtlichen Grundlage er während der Freistellungsphase in Bezug auf aktuell zu erbringende dienstliche Leistungen dienstlich beurteilt werden könne. Die Durchführung stieße zudem auf praktische Schwierigkeiten, weil der Antragsteller seit dem 1. August 2011 nicht mehr im Schuldienst tätig sei und damit insbesondere die Arbeit mit der Klasse und der Lerngruppe, welche der zu besichtigenden Unterrichtsstunde voranzugehen habe, nicht durchführbar sei. Zur Durchsetzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs hätte der Antragsteller also die Rechtswirkungen der Altersteilzeitbewilligung außer Kraft setzen (lassen) müssen. Das Inaussichtstellen einer Rückkehr zur Vollzeittätigkeit nach erfolgreicher Auswahlentscheidung reiche insoweit nicht aus.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Die Antragsgegnerin tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen; die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte nebst Beiakten in dem die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 10. Juni 2009 betreffenden Verfahren 5 LA 321/11 (3 A 70/00) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Die von dem Antragsteller mit seiner Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der beschließende Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Aufhebung oder Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Der Antragsteller hat auch im Beschwerdeverfahren unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht gemäߧ 123 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft machen können.
Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt ein Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (Bewerbungsverfahrensanspruch). Ein Anordnungsanspruch besteht in Fällen der Konkurrenz von Bewerbern um die Übertragung eines höherwertigen Amtes oder eines Beförderungsdienstpostens dann, wenn es nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand überwiegend wahrscheinlich ist, dass die von dem Dienstherrn in dem Besetzungsverfahren getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des jeweiligen Antragstellers rechtsfehlerhaft ist, weil dessen Bewerbungsverfahrensanspruch keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Hinzu kommen muss, dass die Auswahl des Antragstellers in einem weiteren - rechtmäßigen - Auswahlverfahren zumindest möglich erscheint, wozu es ausreicht, dass die Aussichten, selbst ausgewählt zu werden, mindestens "offen" sind (BVerfG, Beschluss vom 24.11.2002 - 2 BvR 857/02 -, [...] Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, [...] Rn. 16).
Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht dem Begehren des Antragstellers, die Beförderungsstelle einstweilen nicht zu besetzen, im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen. Von einer zumindest offenen Chance des Antragstellers, die Stelle des Rektors an der Grundschule E. zu erhalten, kann derzeit nicht ausgegangen werden. Aus der Bewilligung der Altersteilzeit ergibt sich eine Eignungsbeschränkung des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen, welche die Ablehnung seiner Bewerbung rechtfertigt.
Die für das Beförderungsamt erforderliche Eignung besitzt ein Beamter nicht, wenn feststeht, dass er das neue Statusamt nicht für eine angemessene Zeit ausüben wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.8.1996 - BVerwG 2 C 23.95 -, [...] Rn. 22). Denn die Beförderung erfolgt nicht vorrangig, um einen Beamten für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen zu belohnen, sondern im Hinblick auf die von ihm im neuen Amt künftig wahrzunehmenden Aufgaben (Nds. OVG, Beschluss vom 29.9.2005 - 5 ME 203/05 -, [...] Rn. 4 und vom 18.10.2006 - 5 ME 232/06 -, [...] Rn. 14; Bay. VGH, Beschluss vom 19.2.2007 - 3 CE 06.3302 -, [...] Rn. 62). Hieran anknüpfend verneint die Rechtsprechung die Eignung für ein Beförderungsamt, wenn der Beamte das neue Statusamt wegen einer Altersteilzeit nicht oder nicht mehr für eine angemessene Zeit bzw. in zeitlich nennenswertem Umfang ausüben wird (Nds. OVG, Beschluss vom 29.9.2005, a.a.O., Rn. 4f. und vom 18.10.2006, a.a.O., Rn. 13f.; Bay. VGH, Beschluss vom 19.2.2007, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2007 - 1 A 4138/06 -, [...] Rn. 9ff. und vom 13. April 2010 - 6 B 152/10 -, [...] Rn. 3; VG München, Beschluss vom 29.6.2004 - M 5 K 01.2988 -, [...] Rn. 15; VG Magdeburg, Beschluss vom 14.1.2009 - 5 B 338/08 -, [...] Rn. 10ff.). So liegt es hier. Der Antragsteller befindet sich seit dem 1. August 2011 in der Freistellungsphase der Altersteilzeit, die dem Eintritt in den Ruhestand unmittelbar vorausgeht. Damit steht er für die im Beförderungsamt zu erbringende Leistung derzeit nicht mehr zur Verfügung.
Hiervon ist der Sache nach auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Wenn es darauf abhebt, dass der Antragsteller zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs die von der Bewilligung der Altersteilzeit ausgehenden Rechtswirkungen hätte beseitigen lassen müssen (Beschlussabdruck, S. 7), dann liegt dem die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde, dass eine die Beförderung ausschließende Eignungsbeschränkung eines Beamten anzunehmen ist, wenn und solange er sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet.
Das Verwaltungsgericht hat dementsprechend auch zu Recht herausgestellt (Beschlussabdruck, S. 7), dass das durch den Antragsteller erfolgte Inaussichtstellen einer Rückkehr zur Vollzeittätigkeit für den Fall des Ergehens einer für ihn günstigen Auswahlentscheidung nicht ausreicht, um die Eignungsbeschränkung als beendet anzusehen und dem streitgegenständlichen Eilantrag zum Erfolg zu verhelfen. Denn dieses Vorbringen berücksichtigt gerade nicht, dass eine positive Auswahlentscheidung ohne vorherige (Veranlassung der) Beseitigung der Altersteilzeitbewilligung nicht ergehen kann.
Aus diesem Grunde greifen auch die Ausführungen des Antragstellers
- er habe mit Schreiben vom 18. Januar 2009 erklärt, " im Falle einer Ernennung zum Schulleiter der Grundschule E. unverzüglich einen Antrag auf Beendigung der am 01.08.2008 begonnenen Altersteilzeit" zu stellen; in dieser "Verzichtserklärung für den Fall der Ernennung " sei als Minus auch die Erklärung enthalten, dass er zum Zwecke der dienstlichen Beurteilung zeitweise in den aktiven Dienst zurückkehre (Beschwerdebegründung vom 5. September 2011, S. 2; Hervorhebungen nicht im Original) -
nicht durch. Aus den hervorgehobenen Passagen wird deutlich, dass der Antragsteller nach wie vor davon ausgeht, dass zunächst eine Beförderungsentscheidung zu seinen Gunsten erfolgt und er sich (erst) danach um Rückgängigmachung der Altersteilzeitbewilligung bemüht bzw. dass zunächst eine einstweilige Freihaltung der Rektorenstelle erfolgt und er sich danach zum Zwecke der Erstellung einer dienstlichen Beurteilung (zeitweise) in den aktiven Dienst zurückbegibt. Eine Ernennung bzw. das Ergehen einer positiven Eilentscheidung kommt jedoch nicht in Betracht, solange sich der Antragsteller als Folge der Altersteilzeitbewilligung de facto im Ruhestand (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29.9.2005, a.a.O., Rn. 4) befindet.
Unter Zugrundelegung des zutreffenden rechtlichen Ausgangspunktes, dass eine Beförderung während der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht in Betracht kommt, hätte der Antragsteller - dem im vorliegenden Verfahren die Darlegung der in seiner Sphäre liegenden Umstände und die Glaubhaftmachung der tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen obliegt - zunächst darlegen müssen, dass eine Rückkehr in den aktiven Dienst zu erwarten ist oder hierfür jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2010, a.a.O., Rn. 3). Dass der Antragsteller indes die Rechtswirkungen der Altersteilzeit unabhängig "vom Fall der Ernennung" beenden möchte oder dass er gar bereits einen entsprechenden Antrag auf "Rückgängigmachung" der Altersteilzeitbewilligung gestellt hätte, ist weder vorgetragen noch im Übrigen ersichtlich. Damit ist schon eine Wahrscheinlichkeit für eine Rückkehr des Antragstellers in den Schuldienst nicht erkennbar.
Aus denselben Gründen vermag auch das weitere Vorbringen des Antragstellers - wenn nach Auskunft der Antragsgegnerin schon eine Rückgängigmachung der Altersteilzeit insgesamt möglich gemacht werden müsste, dann müsste dies erst recht für eine partielle Rückgängigmachung zum Zwecke der Erstellung einer dienstlichen Beurteilung gelten (Beschwerdebegründung vom 5. September 2011, S. 3) - eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht zu rechtfertigen. Denn auch insoweit gilt, dass der Antragsteller eine Absicht, die Rückgängigmachung der Altersteilzeitbewilligung unabhängig vom Ausgang des Beförderungsverfahrens zu erwirken, nicht glaubhaft gemacht hat.
Nach alledem ist weiterhin davon auszugehen, dass der Antragsteller derzeit aufgrund des Umstands, dass er sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, für eine Beförderung nicht mehr in Betracht kommt. Dementsprechend kann er durch eine Beförderung der Beigeladenen nicht in eigenen Rechten verletzt sein, so dass es der Sicherung dieser Rechte durch einstweilige Freihaltung der ausgeschriebenen Beförderungsstelle nicht bedarf.