Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.11.2011, Az.: 13 ME 154/11
Vorliegen der Genussuntauglichkeit bei Feststellung von pathologisch-anatomischen Auffälligkeiten der Schlachtkörper wie Entzündungen und Geschwülsten i.R.e. Geflügelfleischuntersuchung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.11.2011
- Aktenzeichen
- 13 ME 154/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 29728
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:1122.13ME154.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 30.06.2011 - AZ: 7 B 645/11
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 2 S. 1 TierNebG
- VO Nr. 1069/2009/EG
Fundstellen
- DVBl 2012, 45-48
- GewArch 2012, 175
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein aufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber einem Geflügelschlacht- und -verarbeitungsbetrieb zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben für die Kategorisierung, Beseitigung und Verwendung tierischer Nebenprodukte ist schon dann angezeigt, wenn nach den vorgefunden betrieblichen Abläufen eine Mischung von Material der Kategorien 2 und 3 insgesamt als Material der Kategorie 3 einer weiteren Verwertung zugeführt wird oder werden soll. Ob bei geänderten technischen und organisatorischen Voraussetzungen bei der Fleischuntersuchung eine weitergehende Trennung in Material der Kategorie 2 einerseits und der Kategorie 3 andererseits möglich wäre, ist für die Entscheidung unerheblich.
- 2.
Bei der Geflügelschlachtung und -verarbeitung erscheint es naheliegend, bei im Rahmen der Fleischuntersuchung festgestellten pathologisch-anatomischen Auffälligkeiten der Schlachtkörper wie beispielsweise Entzündungen und Geschwülsten und einer daraus folgenden Genussuntauglichkeit zugleich regelmäßig vom Vorliegen von Anzeichen für auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten auszugehen und diese deshalb zu "verwerfen". Allein der Verweis auf die zuvor in den lebenden Tierbeständen und bei der Schlachttieruntersuchung durchgeführten Untersuchungen auf übertragbare Krankheiten lässt kein gegenteiliges Regel-Ausnahme-Verhältnis zu.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, wie mit für den menschlichen Verzehr nicht geeigneten Schlachtresten umzugehen ist, die bei der Schlachtung von Geflügel anfallen. Die zur D. gehörende Antragstellerin schlachtet und verarbeitet Geflügel in einem großen Betrieb in E.. Pro Jahr werden dort in zwei "Schlachtlinien" über 80 Mio. Tiere geschlachtet; das Geflügel wird unter der Markenbezeichung "F. " in den Verkehr gebracht.
Das aus verschiedenen Aufzuchtbetrieben angelieferte Geflügel wird im Rahmen einer Schlachttieruntersuchung (Lebendbeschau bzw. Ante-mortem-Inspektion) betriebsseitig und durch den amtlichen Veterinär auch unter Heranziehung der Dokumentationen der Herkunftsbetriebe auf Schlachttauglichkeit untersucht. Die im Rahmen der Schlachttieruntersuchung als schlachttauglich qualifizierten Tiere - insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - werden in die "Schlachtkette" eingehängt und weitgehend automatisiert getötet. Die entfederten aber noch nicht eviszerierten (ausgenommenen) Geflügelschlachtkörper werden zunächst betriebsseitig im Rahmen des dortigen Kontrollkonzepts (HACCP = Hazard Analysis and Critical Control Points) mit Hilfe von EDV-gestützten Videosystemen vorselektiert. Nach der Eviszeration findet die Fleischuntersuchung (Post-mortem-Inspektion) an insgesamt drei Kontrollpunkten statt. Am ersten Kontrollpunkt, der mit betriebseigenem Personal besetzt ist, werden Schlachtkörper insbesondere mit ausgedehnten Entzündungen der Leibeshöhle und/oder der Organe und diejenigen mit Geschwülsten am Eingeweidepaket aussortiert. Anschließend wird das Geflügel an zwei weiteren Kontrollpunkten von amtlichen Veterinären und Fachassistenten am Schlachtband einer kurzen Begutachtung unterzogen, bei der zunächst der Rücken und das Eingeweidepaket und anschließend die Vorderseite betrachtet werden. Bei den Untersuchungen ist insbesondere auf das mögliche Vorliegen von Zoonosen (Krankheiten, die zwischen Menschen und Tieren übertragen werden können) und Tierseuchen zu achten. Weisen die Schlachtkörper bei der amtlichen Fleischuntersuchung pathologisch-anatomische Veränderungen auf, werden sie als genussuntauglich qualifiziert und aussortiert. Für die Untersuchungsschritte des amtlichen Personals stehen bei der eingestellten Bandgeschwindigkeit etwa 0,5 Sekunden pro Tier zur Verfügung. Das vom betriebseigenen und dem amtlichen Personal an den drei Kontrollpunkten aussortierte Geflügel wird "abgeworfen" und über jeweils einen pro Schlachtlinie vorhandenen Schacht mit Vorzerkleinerungsschneidwerk ("Muser") und anschließend über eine gemeinsame Rohrleitung in einen Großcontainer geführt. Bis zum 4. März 2011 wurde das derart aussortierte Geflügel als Material der Kategorie 2 i.S.d. VO (EG) Nr. 1774/2002 entsorgt, was für die Antragstellerin bei einem angefallenen "Verwurf" von nach ihren Angaben etwas über zwei Prozent im Jahre 2010 ca. 300.000 EUR Entsorgungskosten verursachte. Zum 4. März 2011 wurde die VO (EG) Nr. 1774/2002 von der VO (EG) Nr. 1069/2009 abgelöst. Die Antragstellerin und andere Schlachtbetriebe vertraten die Auffassung, dass infolge der Rechtsänderung das bisherige Material der Kategorie 2 nunmehr als Material der Kategorie 3 qualifiziert werden könne. Dies würde der Antragstellerin u.a. ermöglichen, den Verwurf für die Tierfutterproduktion gewinnbringend zu veräußern; die bisherigen Entsorgungskosten würden hingegen wegfallen. Unter Zugrundelegung der im Jahre 2010 angefallen Mengen (3.167.100 kg entsprechend 2,28% des gesamten Lebendtiergewichts von 138.699.228 kg) geht die Antragstellerin von Veräußerungserlösen von bis zu 475.000,00 EUR pro Jahr aus. Die Antragstellerin teilte dem Antragsgegner in Anbetracht des bevorstehenden Inkrafttretens der neuen Verordnung am 11. Februar 2011 mit, dass beabsichtigt sei, den Verwurf ab dem 4. März 2011 als Material der Kategorie 3 zu behandeln und nur noch die auf dem Transport verstorbenen Tiere als Material der Kategorie 2 zu entsorgen. Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller unter dem 25. Februar 2011 mit, dass sich infolge des Inkrafttretens der neuen Verordnung keine substantielle Änderung bei der Schlachttieruntersuchung und der Fleischuntersuchung ergeben habe. Der Antragsteller stellte gleichwohl nach nochmaliger vorheriger Benachrichtigung seine Verfahrensweise um. Nur noch die auf dem Transport verstorbenen Tiere und die vor der amtlichen Fleischuntersuchung bereits betriebsseitig aussortierten Schlachtkörper wurden noch als Material der Kategorie 2 entsorgt; der bei der amtlichen Fleischuntersuchung anfallende Verwurf wurde hingegen in zerkleinerter ("gemuster") Form containerweise als Material der Kategorie 3 an die ebenfalls zur G. gehörende H. veräußert, die u.a. Fette und Proteine als Rohmaterialien für Heimtier- und Fischfutter vertreibt.
Nach einer Überprüfung vor Ort am 14. März 2011 untersagte der Antragsgegner diese Vorgehensweise zunächst mündlich. Mit Bescheid vom 15. März 2011 wurde die Anordnung unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsgeldandrohung auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 TierNebG wiederholt. Unter Nr. 1 des Bescheides wurde angeordnet, dass sämtliche im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung als genussuntauglich beurteilte Schlachtkörper und Schlachtkörperteile als Material der Kategorie 2 einzustufen und der Beseitigung zuzuführen seien. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass bei der Fleischuntersuchung festgestellte pathologisch-anatomische Veränderungen regelmäßig Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten darstellten. Da die Einstufung der als genussuntauglich beurteilten Schlachtkörper als Material der Kategorie 3 fehlerhaft sei, sei eine Anordnung zur Einhaltung der VO (EG) Nr. 1069/2009 zu treffen.
Dagegen hat die Antragstellerin am 23. März 2011 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie vertritt die Auffassung, dass aufgrund der betriebseigenen Maßnahmen und den amtsärztlichen Untersuchungen im Herkunftsbetrieb sowie der Schlachttieruntersuchung nach der Anlieferung im Schlachtbetrieb nahezu ausgeschlossen sei, dass Tierkörper mit Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten die Schlachtung überhaupt erreichen. Dies sei insbesondere durch die Prüfung der vorzuhaltenden Informationen zur Lebensmittelkette (Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil A VO (EG) Nr. 854/2004) gewährleistet. Die nach der Schlachtung bei der amtlichen Fleischuntersuchung als genussuntauglich beurteilten Schlachtkörper wiesen keineswegs regelmäßig zugleich Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten auf; die Selektion durch das amtliche Fachpersonal werde vielmehr nach überwiegend ästhetischen Gesichtspunkten vorgenommen. Nach der neuen Rechtslage sei zudem die Genusstauglichkeit der Schlachtkörper gerade nicht mehr Voraussetzung für das Vorliegen von Material der Kategorie 3. Die betrieblichen Abläufe müssten nicht geändert werden, für die richtige Zuordnung des Verwurfs müsse der Antragsgegner lediglich übertragbare Krankheiten und deren Merkmale definieren und entsprechende Arbeitsanweisungen an die amtlichen Kontrolleure erteilen. Im Übrigen sei bei einer Einordnung des Verwurfs als Material der Kategorie 2 der für 2011 zu befürchtende entgangene Gewinn noch größer als unter Zugrundelegung der Zahlen aus 2010, da das durchschnittliche Gewicht der zu schlachtenden Tiere ab Juli 2011 2.225 g gegenüber zuvor 2.070 g betrage. Das bedeute bei Annahme eines Verwurfs von 2,28% eine Mehrmenge von 336.000 kg, die gewinnbringend weiterverkauft werden könnte, anstatt sie kostenpflichtig zu entsorgen.
Mit einem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 28. März 2011 hat der Antragsgegner seine Verfügung vom 15. März 2011 um Ermessenserwägungen "ergänzt". Ein milderes Mittel sei nicht möglich, nur durch die getroffene Anordnung könne verhindert werden, dass als genussuntauglich beurteiltes Geflügel, das Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweise, in den Stoffkreislauf und insbesondere in Tierfutter gelange. Am 31. März 2011 hat die Antragstellerin daraufhin die Klage und den Antrag "vorsorglich erweitert" und ausdrücklich auch das Schreiben des Antragsgegners vom 28. März 2011 in die Anträge einbezogen, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht auf Seiten des Antragsgegners ein vollständiger Ermessensausfall vorliege, was eine Ergänzungsmöglichkeit ausschließe. Einer Klageerweiterung hat der Antragsgegner als sachdienlich zugestimmt; er sieht einerseits sein Ermessen als beschränkt auf die getroffene Maßnahme an und hält - sollte dies als unzutreffend angesehen werden - ein Nachschieben von Ermessenserwägungen während der noch laufenden Klagefrist für zulässig.
Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die unter Nr. 1 des angegriffenen Bescheides aufgeführte Anordnung, auf die sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lediglich beziehe, wiederhergestellt. Ob die Ermessenserwägungen aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 28. März 2011 berücksichtigt werden dürfen, hat das Verwaltungsgericht offengelassen. Die Anordnung leide an einem anderen durchgreifenden Mangel. Rechtswidrigerweise beinhalte die Verfügung des Antragsgegners ein wesentliches Merkmal der tatbestandlichen Fixierung von Material der Kategorie 3 in Abgrenzung zu Material der Kategorie 2 gerade nicht. Die Verfügung gehe nur vom Begriff der Genussuntauglichkeit aus, ohne hinzuzusetzen, dass zudem der Ausschluss von Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten fehlen müsse, um vollständig zur Kategorisierung nach Stufe 2 zu gelangen. Genussuntauglichkeit könne aus vielen verschiedenen Gründen im Einzelfall eintreten, ohne dass die Schlachtkörper ein Risiko einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit aufwiesen. Der amtliche Veterinär müsse die Feststellung treffen, ob bei genussuntauglichem Material Anzeichen für ein solches Risiko vorliegen. Eine dahingehende Vermutung bei Genussuntauglichkeit bestehe nicht. Die Verfügung des Antragsgegners sei rechtswidrig, weil sie der Antragstellerin in unzulässiger Weise abverlange, stets als genussuntauglich beurteiltes Material als solches der Kategorie 2 zu behandeln, ohne ihr einzuräumen, solches Material als Material der Kategorie 3 weiter zu verwenden, sofern es keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweist. Nur die letztgenannte Berechtigung der Antragstellerin werde mit dem Beschluss wiederhergestellt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu einer vom Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichenden Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. März 2011 wiederhergestellt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antrag abzulehnen.
In materieller Hinsicht kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen bzw. anordnen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes hinter das Interesse des Adressaten an einem Aufschub des Vollzugs desselben zurücktritt. Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs einen entscheidenden Stellenwert. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen.
Die Interessenabwägung zu der Anordnung unter Nr. 1 des angegriffenen Bescheides geht schon deshalb zu Lasten der Antragstellerin aus, weil sich diese Anordnung im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird (dazu nachfolgend 1.). Unabhängig davon geht aber auch eine über die Betrachtung der Erfolgsaussichten hinausgehende Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Lasten der Antragstellerin aus (dazu unten 2.).
1.
Die auf § 12 Abs. 2 Satz 1 TierNebG gestützte Anordnung des Antragsgegners wird sich aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen. Nach dieser Bestimmung kann der Antragsgegner als die nach § 4 Satz 1 Nds. AG TierNebG zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der in § 1 TierNebG genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich sind. Damit sind insbesondere auch - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die in der VO (EG) Nr. 1069/2009 enthaltenen Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte erfasst. Zwar verweist die derzeit gültige Fassung des § 1 TierNebG nach dem Wortlaut in statischer Form (noch) auf die zum 4. März 2011 durch dieVO (EG) Nr. 1069/2009 abgelöste VO (EG) Nr. 1774/2002. In Art. 54 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 1069/2009 ist jedoch bestimmt, dass Verweise auf die VO (EG) Nr. 1774/2002 als Verweise auf die VO (EG) Nr. 1069/2009 gelten und nach Maßgabe einer im Anhang aufgeführten Entsprechungstabelle zu lesen sind. Diese Verordnungsbestimmung beansprucht nach Art. 288 Unterabs. 2 AEUV in den Mitgliedsstaaten unmittelbare Geltung und führt damit dazu, dass den Verweisungen des Tierischen Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes dynamischer Charakter hinsichtlich des aktuellen Unionsrechts zukommt, ohne dass es einer ausdrücklichen Änderung des nationalen Rechts bedarf.
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind aufgrund eines bei der Antragstellerin vorgefundenen Verstoßes gegen die Vorgaben der VO (EG) Nr. 1069/2009 erfüllt. Diese Verordnung kategorisiert tierische Nebenprodukte - also Schlachtreste - nach spezifischen Risikokriterien und knüpft an diese Zuordnung jeweils bestimmte Vorgaben für Beseitigung und gegebenenfalls Verwendung (vgl. Erwägungsgrund 29 VO (EG) Nr. 1069/2009). Das Risiko nimmt von Material der Kategorie 1 bis zu Material der Kategorie 3 ab; die Kategorie 2 ist nach Art. 9 Buchstabe h) VO (EG) Nr. 1069/2009 die "Auffangkategorie", da sie tierische Nebenprodukte umfasst, die nicht zu den beiden anderen Kategorien gehören. Material der Kategorien 1 und 2 ist im Grundsatz zu beseitigen; Material der Kategorie 2 kann nur in den engen Grenzen des Art. 13 VO (EG) Nr. 1069/2009 einer weiteren Verwendung zugeführt werden. Für Material der Kategorie 3 ist nach den Vorgaben desArt. 14 VO (EG) Nr. 1069/2009 eine weitgehende Verwendung für die Produktion insbesondere von Futtermitteln für Nutz- und Heimtiere möglich; Bei Nutztierfutter ist grundsätzlich eine vorherige Drucksterilisation erforderlich, bei der Herstellung von Heimtierfutter ist dies hingegen nicht zwingend.
Art. 10 Buchstabe b) Nr. i VO (EG) Nr. 1069/2009 ordnet Schlachtkörper oder ganze Körper und Teile von Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften als genussuntauglich zurückgewiesen wurden, jedoch keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufwiesen, als Material der Kategorie 3 ein, wenn es von zuvor als schlachttauglich eingestuften Tieren stammt. Diese Voraussetzungen waren hinsichtlich des bei der amtlichen Fleischuntersuchung angefallenen Verwurfs nicht gegeben, so dass die Nebenprodukte nicht (gänzlich) als Material der Kategorie 3 eingeordnet werden durften. Gerade dies und eine sich daran anknüpfende gewinnbringende Veräußerung hatte die Antragstellerin - jedenfalls zunächst - nach Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1069/2009 am 4. März 2011 erklärtermaßen beabsichtigt; diese Vorgehensweise entsprach auch dem Befund bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. März 2011. Der Antragsgegner ist dem sich daraus ergebenden Verstoß gegen die Verordnungsvorgaben mit der von ihm getroffenen Anordnung unter Nr. 1 des Bescheides vom 15. März 2011 in einer im Ergebnis rechtmäßigen Weise begegnet. Im Einzelnen:
aa) Eine für die Geflügelschlachtung maßgebliche Änderung der Rechtslage nach Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1069/2009 am 4. März 2011, die die von der Antragstellerin zunächst beabsichtigte Vorgehensweise rechtfertigen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Zwar ist der Antragstellerin zuzugestehen, dass Art. 10 Buchstabe b) Nr. i VO (EG) Nr. 1069/2009 keine Formulierung mehr enthält wie Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EG) Nr. 1774/2002, wonach die Genusstauglichkeit des Schlachtkörpers - also nach Art. 3 Nr. 4 VO (EG) Nr. 1069/2009 i.V.m. Anhang I Nr. 1.9 VO (EG) Nr. 853/2004 der Körper eines Tieres nach dem Schlachten und Zurichten ("dressing") - ausdrückliche Voraussetzung für die Einordnung genussuntauglicher Schlachtkörperteile als Material der Kategorie 3 war. Nach der alten Rechtslage war die Voraussetzung, dass keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten vorliegen dürfen, auf die als genussuntauglich beurteilten Schlachtkörperteile bezogen. An die Stelle dieser Regelungen ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - in Art. 10 Buchstabe b) Nr. i VO (EG) Nr. 1069/2009 eine nach der normativen Konzeption "zweistufige" Prüfung bei der Fleischuntersuchung getreten, bei der zunächst die Genusstauglichkeit und anschließend - wenn Genusstauglichkeit nicht gegeben ist - Anzeichen übertragbarer Krankheiten zu prüfen sind. Dabei ist diese Prüfung nunmehr auf Schlachtkörper, ganze Körper und Teile von Tieren bezogen. Ungeachtet der redaktionellen Ausgestaltung der Norm bleibt aber der materielle Kern der Vorgaben für die Geflügelschlachtung letztlich unverändert. Als genussuntauglich beurteiltes Geflügel kann nur dann Material der Kategorie 3 sein, wenn es keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweist. Mit den Änderungen lässt sich daher ersichtlich keinesfalls rechtfertigen, sämtliche bei der amtlichen Fleischuntersuchung als genussuntauglich beurteilten Geflügelschlachtkörper als Material der Kategorie 3 einzuordnen. Die normative Differenzierung zwischen Schlachtkörpern, Schlachtkörperteilen bzw. Teilen von Tieren und - nunmehr neu - ganzen Körpern sind nach Auffassung des Senats ohnehin eher auf größere Nutztiere wie Rinder und Schweine zugeschnitten, bei denen nach Anhang I Abschnitt IV Kapitel I und IV VO (EG) Nr. 854/2004 ein einer Obduktion nahekommendes und ungleich komplexeres Prüfungsprogramm für jedes einzelne Tier vorgesehen ist als für Geflügel, bei dem sich die zwingenden Vorgaben für die Fleischuntersuchung nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D und Abschnitt IV Kapitel V Teil B VO (EG) Nr. 854/2004 - mit Ausnahme von Stichproben - zunächst auf eine äußere Inspektion beschränken. Mit der Änderung war offenbar lediglich gewollt, dass nicht etwa abgemolkene Kühe und verbrühte Schweine, die allein deshalb als genussuntauglich für den menschlichen Verzehr qualifiziert wurden, als Material der Kategorie 2 entsorgt werden müssen, obwohl Krankheitsanzeichen bei der obduktionsartigen Fleischuntersuchung nicht festgestellt werden (vgl. dazu Stellungnahme des BMELV vom 25. Februar 2011, Bl. 67 Beiakte A). In entsprechender Weise ist auch der Erwägungsgrund Nr. 35 der VO (EG) Nr. 1069/2009 zu verstehen, wonach angenommenen worden ist, dass seit dem Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1774/2002 bestimmte tierische Nebenprodukte automatisch der Kategorie 2 zugeordnet wurden und damit ihre Verwendungsmöglichkeiten erheblich und - in Anbetracht der betreffenden Risiken - möglicherweise unverhältnismäßig beschränkt wurden. Hinsichtlich abgemolkener Kühe und verbrühter Schweine leuchtet dies ein, da etwa die Verbrühung des Schlachtkörpers zu einem wohl ungerechtfertigten Komplettverlust von hohen Fleischmengen führen würde, wenn allein aus diesem Grunde die Zuordnung zu Material der Kategorie 3 ausscheiden würde. Bei Geflügel, bei dem ein Verlust an Fleischmenge bei Aussortierung einzelner Tiere wesentlich geringer ist, haben die feststellbaren Detailänderungen beim Vergleich der Verordnungen Nr. (EG) Nr. 1774/2002 und Nr. 1069/2009 allerdings nach Einschätzung des Senats keine durchgreifende Bedeutung.
bb) Zwar ist - wie bereits ausgeführt - nach Art. 10 Buchstabe b) Nr. i VO (EG) Nr. 1069/2009 eine zweistufige Prüfung für die Fleischuntersuchung vorgesehen, nämlich zunächst die Genussuntauglichkeitsbeurteilung und anschließend die Prüfung, ob Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten vorliegen, wobei nur bei Bejahung beider Prüfpunkte die Einordnung als Material der Kategorie 3 ausgeschlossen ist. Allerdings kommt es darauf für die Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Nr. 1 des angegriffenen Bescheides nicht an. Genauso wenig ist die von den Beteiligten heftig umstrittene Frage, ob als genussuntauglich beurteiltes Geflügel regelmäßig zugleich Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten aufweist - so der Antragsgegner - oder ob das Gegenteil der Fall ist - so die Antragstellerin -, entscheidungserheblich. Ein aufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber einem Geflügelschlacht- und -verarbeitungsbetrieb zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorgaben für die Kategorisierung, Beseitigung und Verwendung tierischer Nebenprodukte ist nämlich schon dann angezeigt, wenn nach den vorgefundenen betrieblichen Abläufen eine Mischung von Material der Kategorien 2 und 3 insgesamt als Material der Kategorie 3 einer weiteren Verwertung zugeführt wird oder werden soll.
Genau dies entsprach indessen der betrieblichen Vorgehensweise, die sich dem Antragsgegner bei der Vor-Ort-Kontrolle am 14. März 2011 offenbarte. Nach den bei der Betriebskontrolle festgestellten Abläufen wurde der bei der amtlichen Fleischuntersuchung angefallene Verwurf offenbar insgesamt unter Zwischenschaltung eines "Musers" in Container mit Material der Kategorie 3 geleitet und sollte entsprechend verwertet werden. Selbst wenn nur ein kleiner Teil diese Verwurfs zum Zeitpunkt der Aussortierung Anzeichen von übertragbaren Krankheiten aufgewiesen haben sollte, ist in dem Container ein nicht mehr trennbares Gemisch von Material der Kategorie 2 einerseits und Material der Kategorie 3 andererseits angefallen, dass dann als Materialgemisch insgesamt aufgrund der mit Zweck der Kategorisierung verfolgten Risikoeinstufung (vgl. Erwägungsgrund 30 VO (EG) Nr. 1069/2009) und der ausdrücklichen Regelung in Art. 9 Buchstabe g) VO (EG) Nr. 1069/2009 als Material der Kategorie 2 einzustufen ist. Für die betrieblichen Abläufe bleibt hinsichtlich der Beachtung der Vorgaben derVO (EG) Nr. 1069/2009 allein der Unternehmer verantwortlich (vgl. etwa Erwägungsgrund 20 VO (EG) Nr. 1069/2009). Ob bei geänderten technischen und organisatorischen Voraussetzungen bei der Fleischuntersuchung eine Trennung in Material der Kategorie 2 einerseits und der Kategorie 3 andererseits möglich wäre, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Antragstellerin kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, dass es nach ihrer Auffassung Aufgabe des Antragsgegners ist, für die amtlichen Kontrolleure übertragbare Krankheiten und deren Merkmale zu definieren und Arbeitsanweisungen zu erteilen, so dass eine eindeutigere Zuordnung zu den Kategorien 2 und 3 möglich gemacht wird. Im Übrigen tritt der Antragsgegner dem mit der Auffassung entgegen, dass eine solche nähere Differenzierung schon keinen Sinn hat, weil nach den aktuellen betrieblichen Gegebenheiten ohnehin nur ein Entsorgungsschacht für die am Schlachtband aussortierten Tiere zur Verfügung stehe, so dass keine nähere Selektion nach den Kategorien 2 und 3 möglich sei. Das bloße Aufstellen eines weiteren Containers für Material der Kategorie 2, den das Fachpersonal nur erreichen könne, wenn es sich umdreht, genüge nicht.
Dieser Streit kann und muss hier allerdings nicht gelöst werden. Klar ist, dass jedenfalls bei den vorgefundenen Betriebsabläufen, für die die unternehmerische Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben der VO (EG) Nr. 1069/2009 bei der Antragstellerin liegt, der gesammelte und "gemuste" Verwurf eine Mischung aus Materialien der Kategorien 2 und 3 und damit Material der Kategorie 2 darstellte. Nicht mehr und nicht weniger als dieser konkret vorgefundene Zustand war Anlass der Verfügung des Antragsgegners. Sie war ersichtlich auf die bei der Vor-Ort-Kontrolle vorgefundene Betriebssituation zugeschnitten, bei der eine nähere Selektion des als genussuntauglich beurteilten Verwurfs nicht stattfand bzw. stattfinden konnte. Dass - für die Zukunft - über Änderungen der betrieblichen Abläufe und auch der Abläufe bei der Fleischuntersuchung nachgedacht werden könnte und eventuell Änderungen in Betracht kommen, die eine weitere Sortierung des bei der Fleischuntersuchung angefallenen Verwurfs in die "richtigere" Kategorie ermöglichen, ändert an dem Anlass für die Verfügung nichts und steht dieser auch nicht entgegen. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Verfügung des Antragsgegners "für jeden Zeitpunkt" und "unter allen Umständen" vorschreibe, genussuntaugliches Material entsprechend der Kategorie 2 zu behandeln. Mit einer solchen Sichtweise würde die Verfügung unzutreffend von dem konkreten Anlass der Verfügung abgekoppelt, nämlich der Vor-Ort-Kontrolle am 14. März 2011 und der vorherigen ausdrücklichen Ankündigung der Antragstellerin, den Verwurf - jedenfalls weitgehend - undifferenziert als Material der Kategorie 3 behandeln zu wollen. In dieser Situation war die Verfügung nach Auffassung des Senats situationsgerecht und ihrem Inhalt nach geradezu zwingend. Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren auch nochmals in überzeugender Weise deutlich gemacht, dass er den Geltungsgehalt seiner Anordnung auf die vorgefundenen bzw. gegenwärtigen betrieblichen Abläufe bezogen wissen will.
Die unternehmerische Entscheidung über eventuelle künftige Änderungen der Betriebsabläufe, die sicherlich mit erheblich höheren Kosten verbunden sein würden, da eine nähere Inspektion einzelner Tiere zwangsläufig einen höheren zeitlichen und personellen Aufwand erfordern dürfte, kann der Antragstellerin allerdings weder abgenommen noch der Anordnung des Antragsgegners entgegengehalten werden. Die Antragstellerin kann daher nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass ihr Änderungen der technischen und organisatorischen Betriebsabläufe vom Antragsgegner nicht vorgegeben worden seien. Es ist auch nicht ersichtlich, auf welcher öffentlich-rechtlichen Grundlage die Schaffung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine solche genauere Selektion verlangt werden könnte. Änderungen in den Betriebsabläufen aus eigener Motivation der Antragstellerin erscheinen im Übrigen ebenfalls unwahrscheinlich, da sie mehrfach selbst betont hat, dass aus ihrer Sicht keine weitere Beprobung der Schlachtkörper oder eine Verringerung der Bandgeschwindigkeit bei der Fleischuntersuchung stattfinden soll, sondern der Antragsgegner seine Kontrolleure anders instruieren müsse. Die bei der Vor-Ort-Kontrolle vorgefundenen und wohl auch gegenwärtigen betrieblichen Abläufe rechtfertigen es jedoch in keinem Falle - wie es aber von der Antragstellerin erklärtermaßen beabsichtigt war - den Verwurf ohne nähere Differenzierung als Material der Kategorie 3 einer gewinnbringenden Verwertung zuzuführen. Lediglich das Aufstellen eines weiteren Containers für Material der Kategorie 2 jenseits der vorhandenen Abwurfmöglichkeit für das amtliche Fachpersonal, was nach der Behauptung der Antragstellerin nach dem 4. März 2011 geschehen sein soll, reicht bei den derzeit vorgesehenen Untersuchungszeiten von 0,5 Sekunden je Schlachtkörper (vgl. dazu § 9 Abs. 2 AVV-LmH) ersichtlich nicht aus, sondern kommt schon einem "Feigenblatt" nahe.
cc) Ohne dass es darauf nach den vorstehenden Ausführungen noch entscheidungserheblich ankäme, weist der Senat darauf hin, dass er die in dem angegriffenen Bescheid zum Ausdruck kommende Auffassung des Antragsgegners, dass bei festgestellter Genussuntauglichkeit von Geflügel "regelmäßig" auch von bestehenden Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten auszugehen sei, durchaus für naheliegend hält. Der Antragsgegner hat den Anteil des gesamten Verwurfs, der möglicherweise bei einer weiteren Selektion als Material der Kategorie 3 eingeordnet werden könnte, mit 20% eingeschätzt (Flügelbrüche und Maschinenschäden).
Das Verwaltungsgericht hat zwar im Ansatz zutreffend darauf hingewiesen, dass Art. 10 Buchstabe b) VO (EG) Nr. 1069/2009 eine Vermutung des Verdachts übertragbarer Krankheiten bei Genussuntauglichkeit nicht vorsieht und die Feststellung der Genussuntauglichkeit nach Anhang I Abschnitt II Kapitel V VO (EG) Nr. 854/2004 (theoretisch) vielfältige Gründe haben kann. Es ist insoweit jedoch in rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass die allgemeine Regelung in Art. 10 Buchstabe b) Nr. i VO (EG) Nr. 1069/2009 für alle Nutztiere gleichermaßen gilt, der Umfang der vorgesehenen Untersuchungen bei den einzelnen Nutztierarten aber erheblich differiert. Eine differenzierende "Obduktion" aller einzelnen Tiere ist bei Geflügel - im Gegensatz zum Verfahren bei Rindern und Schweinen - nicht vorgesehen, vielmehr ist nach Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D und Abschnitt IV Kapitel V Teil B VO (EG) Nr. 854/2004 nur eine Begutachtung der äußeren Oberflächen bei jedem Tier zwingend. Daraus ergeben sich nach Einschätzung des Senats Beurteilungszwangspunkte: Bei einer lediglich zwingenden äußeren Begutachtung kann das Vorhandensein von "Anzeichen" für übertragbare Krankheiten nicht vertiefend abgeklärt werden. Je weniger eine nähere Untersuchung vorgegeben ist, desto eher wird man allerdings solche Anzeichen anzunehmen haben. Nur dies wird dem Schutzzweck der Verordnungsvorgaben gerecht. Als Material der Kategorie 3 sollen ersichtlich nur solche Schlachtreste verwertet werden dürfen, bei denen das Vorliegen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Dies kommt schon im Wortlaut des Art. 10 Buchstabe b) Nr. i VO (EG) Nr. 1069/2009 zum Ausdruck, wonach "Anzeichen" für solche Krankheiten ausreichend sind, um das Material nicht mehr als solches der Klasse 3 einstufen und verwerten zu können. Daraus und aus den rechtlich vorgegebenen Untersuchungsumfängen für Geflügel lässt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis ableiten, dass bei genussuntauglich beurteiltem Material nur dann keine Anzeichen für auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten bestehen, wenn dies sicher ausgeschlossen werden kann.
Die tatsächlichen Verhältnisse bei der Geflügelschlachtung und - verarbeitung sprechen ebenfalls für die Annahme eines solchen Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei pathologisch-anatomischen Auffälligkeiten: Im Betrieb der Antragstellerin führen nach ihrem eigenen Bekunden gerade auch "ausgedehnte Entzündungen" der Schenkel, der Kloaken, der Leibeshöhle und der Organe sowie ferner "multiple Geschwülste" zur Verwerfung (vgl. Stellungnahme Dr. Ulrich Löhren vom 17. Juni 2011, Bl. 162 ff. d.A.). Wie es bei diesen offenbar durchaus vorkommenden Gründen für die Aussortierung nach Auffassung der Antragstellerin fernliegend sein soll, dass die in die Schlachtlinie gelangten Tiere übertragbare Krankheiten haben, erschließt sich dem Senat nicht. Allein die Überprüfungen im Herkunftsbetrieb und im Schlachtbetrieb vor der Schlachtung und der Rückgriff auf die Informationen zur Lebensmittelkette vermögen es ganz offenkundig nicht auszuschließen, dass Tiere mit umfangreichen Entzündungen in die Schlachtlinie gelangen. Im Übrigen können die Tests an den noch lebenden Tieren nach Einschätzung des Senats nur zum Ausschluss von übertragbaren Krankheiten führen, auf die konkret geprüft worden ist (wie z.B. aviäre Influenza, bekannte Salmonellen). Dass damit sämtliche Krankheitserreger bereits im lebenden Bestand entdeckt werden können, hält der Senat für fernliegend. Die derzeit öffentlich diskutierte Möglichkeit, dass infolge des Einsatzes von Antibiotika in der Geflügelmast und des dadurch entstehenden "Selektionsdrucks" bei Krankheitserregern multiresistente Keime entstehen, sei an dieser Stelle nur angedeutet. Der Senat hält es im Gegensatz zur Antragstellerin jedenfalls für naheliegend, dass gerade auch Infektionen mit Krankheitserregern - seien es nun "normale" Viren und Bakterien oder aber multiresistente Keime - bei der Fleischuntersuchung zu pathologisch-anatomischen Auffälligkeiten führen, wobei denkbare "krasse" Fälle z.B. bei deutlichen Abszessen betriebsseitig bereits aussortiert werden, bevor sie die amtlichen Kontrolleure erreichen. Die Tätigkeit des amtlichen Fachpersonals so darzustellen, dass sich die Aussortierung bei der Fleischuntersuchung lediglich an "ästhetischen" Gesichtspunkten orientiere, hält der Senat für einen eklatanten Verharmlosungsversuch.
b) Die angegriffene Verfügung wird im Hauptsacheverfahren auch nicht als ermessensfehlerhaft aufzuheben sein. Der Senat hat die Frage der etwaigen Ermessensfehlerhaftigkeit des angegriffenen Bescheides nicht etwa deshalb außer Acht zu lassen, weil er sich im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung der vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe zu beschränken hat und der Antragsgegner mit seiner Beschwerde keine Ausführungen zu der aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht tragenden Erörterung eines als möglich angesehenen Ermessensfehlers gemacht hat. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO richtet sich nämlich allein an den Beschwerdeführer, nicht an den Beschwerdegegner; daraus ist abzuleiten, dass das Beschwerdegericht im Fall der Darlegung durchgreifender Gründe gegen die erstinstanzliche Entscheidung durch den Antragsgegner auch das erstinstanzlich bislang unberücksichtigte Vorbringen des Antragstellers bezüglich weiterer möglicher Rechtsverletzungen in seine Prüfung einbeziehen muss, um zu einer Entscheidung in der Sache zu gelangen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.03.2006 - 7 ME 159/04 -, [...] Rdnr. 29 m.w.N.; Bayer. VGH, Beschl. v. 21.05.2003 - 1 CS 03.60 -, [...] Rdnr. 16 unter Hinweis auf eine Analogie zu § 144 Abs. 4 VwGO). Ein zur Aufhebung des angegriffenen Bescheides führender Ermessensfehler ist aber im Ergebnis zu verneinen:
aa) Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen leidet der angegriffene Bescheid nicht unter einem Ermessensfehler, da das Ermessen des Antragsgegners auf ein der Verfügung entsprechendes Einschreiten reduziert war. Das Unionsrecht macht für die Kategorisierung von tierischen Nebenprodukten risikoorientierte zwingende Vorgaben, die das im Wortlaut des vom Antragsgegner zutreffend als Ermächtigungsgrundlage herangezogenen§ 12 Abs. 2 Satz 1 TierNebG "zusammenschrumpfen" lässt. Das Schreiben vom 28. März 2011, in dem mit kurzer Begründung die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Anordnung festgestellt wird, weil keine anderen Möglichkeiten bestanden hätten, stellt daher der Sache nach weder ein (zulässiges) Ergänzen noch ein (unzulässiges) Nachschieben von Ermessenserwägungen dar, sondern in Wahrheit nur eine Vervollständigung der Begründung nach § 39 VwVfG. Sowohl in der angegriffenen Verfügung als auch in dem nachgereichten Schreiben vom 28. März 2011 kommt letztlich klar zum Ausdruck, dass der Antragsgegner keine Wahl zu haben glaubte. Dies trifft aus Sicht des Senats auch zu.
bb) Auch wenn man dies anders sehen wollte und ein unzulässiges Nachschieben von erstmals angestellten Ermessenserwägungen annehmen wollte, hat die Antragstellerin - wenn auch vorsorglich, so doch aber unbedingt und mit ihrem jeweils einzigen Hauptantrag - das Schreiben des Antragsgegners vom 28. März 2011 ausdrücklich in das Klage- und Antragsverfahren einbezogen und so zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht. Diese Dispositionsbefugnis besteht nach Klageerhebung sogar im Falle des Erlasses eines weiteren Bescheides, der an die Stelle eines früheren Bescheides treten soll und ist daher erst recht bei nachgeschobenen Ermessenserwägungen möglich. Der Antragsgegner hat einer solchen Klage- und Antragsänderung auch ausdrücklich zugestimmt, so dass sich die Frage der Sachdienlichkeit i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO nicht stellt (vgl. dazu etwa Kopp/Schenke: VwGO, 17. Aufl., § 91 Rdnr. 20). An dieser selbst geschaffenen prozessualen Situation muss sich die Antragstellerin festhalten lassen, auch wenn sie zugleich einen Ermessensausfall bemängelt. Mit einer etwaigen "formalen" Entscheidung wäre den Beteiligten im Übrigen auch in der Sache nicht geholfen, da die eigentlichen durch die Verfügung aufgeworfenen materiellen Fragen damit nicht geklärt würden. Aus diesem Grunde war es durchaus sinnvoll, das Schreiben vom 28. März 2011 in das Klage- und Antragsverfahren einzubeziehen.
2.
Auch eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Diese beabsichtigte, infolge des Inkrafttretens einer überarbeiteten Verordnung und ihrer eigenen Auslegung der Verordnungsinhalte die bisherigen betrieblichen Abläufe beim Umgang mit Schlachtresten vollständig umzustellen, nämlich zunächst derart, dass ab dem 4. März 2011 überhaupt kein Material der Kategorie 2 mehr anfallen sollte, während bis dahin entsprechender Verwurf im Betrieb als Material der Kategorie 2 abgeholt und der Entsorgung zugeführt wurde. Der Antragstellerin wird also lediglich zugemutet, den bis zum 4. März 2011 geltenden und praktizierten status quo der Entsorgung bis zur Klärung der rechtlichen Situation im Hauptsacheverfahren zunächst aufrechtzuerhalten. Dabei fallen dann selbstverständlich auch die bisherigen Entsorgungskosten wieder an, die vorerst auch nicht in weitere Gewinne "umgekehrt" werden können. Diese Nachteile für die Antragstellerin überwiegen jedoch nach Auffassung des Senats nicht das öffentliche Interesse daran, dass bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren keine risikobehafteten Schlachtreste in Tierfutter und den Stoffkreislauf gelangen.