Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.05.2010, Az.: 4 LA 296/08

Geltendmachung eines Verfahrensmangels in einem Berufungszulassungsverfahren aufgrund einer Ablehnung eines Ablehnungsgesuchts wegen Besorgnis der Befangenheit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.05.2010
Aktenzeichen
4 LA 296/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 24030
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0510.4LA296.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Im Berufungszulassungsverfahren kann eine unrichtige Ablehnung eines Ablehnungsgesuchts wegen Besorgnis der Befangenheit durch das Verwaltungsgericht nicht als Verfahrensmangel geltend gemacht werden.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Denn die von dem Beklagten geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht nach Maßgabe des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dargelegt worden.

2

Die Berufung kann entgegen der Annahme des Beklagten nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen werden. Der Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil zwar eingewandt, das Verwaltungsgericht habe die Kernfrage des Streits, ob der Verlauf der Grenze zwischen dem Grundstück des Beigeladenen zu 2) und dem angrenzenden Grundstück der Beigeladenen zu 1) eine Abrundung "aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig" mache, nicht beantwortet, das Urteil beruhe auch auf einer Verkennung des Begriffs "Erfordernisse der Jagdpflege und Jagdausübung", außerdem habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass die Abrundung nicht bloß als zweckmäßig, sondern als notwendig im Sinne des § 5 Abs. 1 BJagdG erscheine. Das Verwaltungsgericht hat die Aufhebung der angefochtenen Bescheide aber nicht nur damit begründet, dass diese mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BJagdG, d.h. mangels Notwendigkeit der Abrundung aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung, rechtswidrig seien. Vielmehr hat die Vorinstanz auch ausgeführt, dass die Anfechtungsklage bereits deshalb Erfolg habe, weil die in dem Ergänzungsbescheid getroffene Ermessensentscheidung für sich genommen rechtswidrig sei, da der Beklagte die Rechtspositionen der Klägerin und des Beigeladenen zu 2) unzureichend in den Blick genommen und gewürdigt habe. Damit hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf zwei Begründungen gestützt, die sein Urteil jeweils selbständig tragen. Das hat zur Folge, dass dem Zulassungsantrag nur entsprochen werden kann, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht worden ist und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.5.2009 - 5 B 90.08 -; BVerwG, Urt. v. 2.10.2000 - 6 B 75.99 -; BVerwG, Beschl. v. 8.7.1999 - 11 D 9.99 -; Senatsbeschl. v. 25.5.2009 - 4 LA 320/08 -). Diese Voraussetzungen sind hier indessen nicht erfüllt. Denn der Beklagte hat in Bezug auf die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die Anfechtungsklage schon deshalb Erfolg habe, weil die mit dem Ergänzungsbescheid getroffene Ermessensentscheidung rechtswidrig sei, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dargelegt. Wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, liegt insoweit auch der vom Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor.

3

Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil kann nicht wegen des vom Beklagten behaupteten Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugelassen werden.

4

Der Beklagte kann im Berufungszulassungsverfahren nicht mit Erfolg rügen, das Urteil des Verwaltungsgerichts leide an einem erheblichen Verfahrensmangel, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Juli 2008 zu Unrecht die Befangenheit des erkennenden Einzelrichters verneint habe. Denn diese Rüge ist im Berufungszulassungsverfahren nicht zulässig. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 512 ZPO unterliegen der Beurteilung des Berufungsgerichts nur diejenigen dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidungen, die nach den prozessualen Vorschriften anfechtbar sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl., § 54 Rn. 22). Da Entscheidungen über die Ablehnung von Gerichtspersonen nach § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, sind sie einer inhaltlichen Überprüfung durch das Berufungsgericht entzogen. Folglich ist es dem Beklagten verwehrt, im Berufungszulassungsverfahren die angeblich unrichtige Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch als Verfahrensmangel geltend zu machen; § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO regelt eindeutig, dass nur ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel zur Zulassung der Berufung führen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.5.1999 - 4 B 21.99 -, NVwZ-RR 2000, 260 m.w.N.; Nds. OVG, Beschl. v. 8.1.2002 - 1 MA 3669/01 -, NVwZ-RR 2002, 471; Kopp/Schenke, § 124 Rn. 13, § 54 Rn. 22 m.w.N.). Ob in Fällen handgreiflicher Gesetzeswidrigkeit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch etwas anderes gilt, kann hier dahinstehen. Ein derartiger Fall liegt hier nämlich nicht vor, da der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. Juli 2008 zumindest vertretbar erscheint.

5

Der Beklagte kann des Weiteren nicht mit Erfolg rügen, dass sich die Befangenheit des Einzelrichters - und damit der von ihm geltend gemachte Verfahrensmangel - auch daraus ergebe, dass das Gericht das Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2008 gefällt und "damit den Erörterungen und Ergebnissen im Beweistermin am 22.08.2008 vorgegriffen" habe. Zwar heißt es auf Seite 2 des Urteils, das Verwaltungsgericht habe "auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2008 durch ... für Recht erkannt". Der Tatbestand des Urteils enthält aber den ausdrücklichen Hinweis, dass der Einzelrichter "in der mündlichen Verhandlung mit Ortstermin am 22.8.2008 die Örtlichkeit in Augenschein genommen" hat und dass auf die zur Akte genommenen Lichtbilder Bezug genommen wird. Ferner ist das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils wiederholt auf die Ergebnisse der Ortsbesichtigung, die im Rahmen der zweiten mündlichen Verhandlung vom 22. August 2008 durchgeführt worden ist, eingegangen. Außerdem hat das Gericht in den Entscheidungsgründen auf Erklärungen des amtierenden sowie des früheren Kreisjägermeisters, die in der mündlichen Verhandlung am 22. August 2008 als sachverständige Zeugen gehört worden sind, Bezug genommen. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass das Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 18. Juni 2008 und vom 22. August 2008 ergangen ist. Folglich beruht der Umstand, dass auf Seite 2 des Urteils nur die erste mündliche Verhandlung erwähnt worden ist, auf einem offenkundigen Versehen. Daher begründet der vom Beklagten gerügte Umstand weder die Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters noch einen anderen Verfahrensmangel.

6

Der Beklagte hat schließlich auch keinen rügefähigen Verfahrensmangel hinreichend dargelegt, soweit er behauptet hat, die Befangenheit des Einzelrichters komme auch darin zum Ausdruck, dass der Einzelrichter die Erklärungen des Kreisjägermeisters und dessen Amtsvorgängers in der mündlichen Verhandlung am 22. August 2008 im Urteil "sinnentstellend falsch zitiert" habe. Die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil bieten nämlich ebenso wie das Protokoll der mündlichen Verhandlung keine genügenden Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung des Beklagten. Abgesehen davon hat der Beklagte den von ihm geltend gemachten Ablehnungsgrund entgegen § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht glaubhaft gemacht. Daher kann von dem behaupteten Verfahrensmangel nicht ausgegangen werden.