Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.05.2010, Az.: 8 ME 84/10
Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Erfüllung der behördlichen Anordnung i.R.e. ungenehmigten Aufstellens einer Grabplatte
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.05.2010
- Aktenzeichen
- 8 ME 84/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 24074
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0519.8ME84.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog
Redaktioneller Leitsatz
Eine Feststellung analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6. November 2009, mit dem dieser den Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert hat, die Grabplatte von der Doppelgrabstätte Nr. ... auf dem Friedhof in C. zu entfernen und einen Antrag auf Gestaltung der Doppelgrabstätte Nr. ... auf dem Friedhof in C. einschließlich der gemäß § 11 Abs. 1 der Friedhofssatzung vorgeschriebenen Unterlagen vorzulegen, abgelehnt. Die von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren angeführten und vom Senat nach§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfenden Gründe rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
Hinsichtlich der im Bescheid vom 6. November 2009 getroffenen Regelung, einen Antrag auf Gestaltung der Doppelgrabstätte Nr. ... auf dem Friedhof in C. einschließlich der gemäß § 11 Abs. 1 der Friedhofssatzung vorgeschriebenen Unterlagen vorzulegen, hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zutreffend wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bereits als unzulässig abgelehnt. Wie jedes gerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers besteht (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.7.2009 - 7 CS 09.1347 -, [...] Rn. 12; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 80 Rn. 136 jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller ist der getroffenen Anordnung nachgekommen und hat unter dem 18. Januar 2010 einen entsprechenden Antrag auf Gestaltung der Grabstätte gestellt. Ein Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist daher insoweit nicht mehr erkennbar. Dieses ergibt sich auch nicht aus einem etwa fortbestehenden Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung. Denn selbst ein etwaiges Fortsetzungsfeststellungsinteresse bezöge sich nur auf das Hauptsacheverfahren. Eine Feststellung analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hingegen unzulässig (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 15.7.2009 - 7 CS 09.1347 -, [...] Rn. 13; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.5.2006 - 1 M 95/06 -, [...] Rn. 4; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 131 jeweils m.w.N.). Denn die im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergehende Entscheidung dient nur der Sicherung eines Rechts oder der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Sie führt jedoch nicht zu einer abschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Eine verbindliche Entscheidung über diese Frage kann nur in einem Hauptsacheverfahren herbeigeführt werden; gerade hierauf ist das Verfahren nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gerichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.01.1995 -7 VR 16/94 -, NVwZ 1995, 586, 587).
Hinsichtlich der im Bescheid vom 6. November 2009 getroffenen weiteren Regelung, die Grabplatte von der Doppelgrabstätte Nr. ... auf dem Friedhof in C. zu entfernen, hat das Verwaltungsgericht nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung zutreffend deren Rechtmäßigkeit angenommen.
Die für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit maßgebliche Sach- und Rechtslage beurteilt sich nach dem jeweils heranzuziehenden materiellen Fachrecht, wobei dies bei der Anfechtungsklage im Allgemeinen und vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.7.2006 - 5 B 90/05 -, [...] Rn. 6; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 113 Rn. 97 jeweils m.w.N.). Die hier im Hauptsacheverfahren angefochtene Beseitigungsverfügung findet danach ihre Rechtsgrundlage in den §§ 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 11 Abs. 1 und 10 Abs. 8 der Friedhofssatzung des Antragsgegners vom 7. August 2006 - FS 2006 -. Die vorausgegangene Friedhofssatzung aus dem Jahre 1981 ist hingegen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ohne Belang, zumal die zu entfernende Grabplatte in ihrer derzeitigen Form nach den unwidersprochenen Feststellungen der Antragsgegnerin erst im Oktober 2009 errichtet worden ist.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FS 2006 sind nicht genehmigte Grabmale innerhalb eines Monats nach schriftlicher Aufforderung zu entfernen. Für die hier streitgegenständliche Grabplatte ist die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 FS 2006 erforderliche Genehmigung unstreitig nicht erteilt worden.
Die Grabplatte ist in ihrer derzeitigen Form aller Voraussicht nach auch nicht genehmigungsfähig. Nach § 10 Abs. 8 Satz 1 und 2 FS 2006 darf die vom Sockel umfasste Fläche der Grabstätte nur bis zur Hälfte durch ein Grabmal, eine Bekiesung aus Quarziten mit einer Körnung von 8 bis 32 mm oder einer Platte aus Natur- oder Kunststein bedeckt werden. Diesen Anforderungen genügt die vom Antragsteller errichtete Grabplatte nicht. Nach den unwidersprochenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid vom 6. November 2009 bedeckt die Grabplatte die 2,24 m x 2,00 m (= 4,48 m²) große Grabstätte lediglich auf zwei Freiflächen von 0,74 m x 0,44 m (= 0,65 m²) nicht. Abgesehen davon, dass auch diese Freiflächen nicht, wie von § 10 Abs. 8 Satz 2 FS 2006 gefordert, gärtnerisch gestaltet, sondern mit einem in § 10 Abs. 8 Satz 1 FS 2006 genannten Material belegt sind, bedeckt schon die Grabplatte selbst mehr als 85% der Grabstätte. Für sie kann daher (auch in ihrer derzeitigen Form) auf der Grundlage des § 10 Abs. 8 FS 2006 keine Genehmigung erteilt werden.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der in § 10 Abs. 8 Satz 1 und 2 FS 2006 getroffenen Bestimmungen bestehen nach dem Beschwerdevorbringen unter Berücksichtigung der Ausführungen in den vorausgegangenen Beschlüssen des Senats vom 11. Mai 2007 - 8 ME 30/07 - und vom 8. April 2009 - 8 LA 6/09 - nicht. Insbesondere stellt sich die Frage der Rückwirkung der FS 2006 im vorliegenden Verfahren nicht, denn Streitgegenstand ist allein die erst im Oktober 2009 errichtete Grabplatte.
Dem sich aus der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ergebenden Vollzugsinteresse stehen auch keine ausnahmsweise überwiegenden Interessen des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzuges entgegen. Der Antragsteller hat die Grabplatte ungenehmigt aufstellen lassen. Ihm war bewusst, dass er damit im Widerspruch zu den jedenfalls aus der Sicht der Antragsgegnerin geltenden friedhofsrechtlichen Bestimmungen über die Grabmalgestaltung handelte. Es ist ihm unverändert möglich, die Grabplatte ohne Substanzbeschädigung von der Grabstätte zu entfernen und bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage in einem eventuellen Hauptsacheverfahren anderweitig aufbewahren zu lassen. Dass ihm dies unzumutbar wäre, macht der Antragsteller selbst nicht geltend.
Schließlich hat die Antragsgegnerin das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Verwaltungsaktes entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht nur pauschal, sondern hinreichend einzelfallbezogen schriftlich begründet und damit auch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. So ist im angefochtenen Bescheid eingehend und nachvollziehbar ausgeführt worden, dass aufgrund der derzeitigen Gestaltung des Grabmals dessen Bruchsicherheit und Lagefestigkeit nicht hinreichend zu überprüfen ist und die vom Antragsteller errichtete Grabplatte andere Nutzungsberechtigte dazu animiert hat, ebenfalls den Gestaltungsvorschriften zuwider zu handeln und Grabstätten entgegen den geltenden Vorschriften zu gestalten. Dass die Antragsgegnerin diesen Zustand erst während des laufenden gerichtlichen Verfahrens durch Bildmaterial und Erklärungen der anderen Grabnutzungsberechtigten dokumentiert hat, ist entgegen der Auffassung des Antragstellers unerheblich. Maßgeblich ist die Sachlage im Zeitpunkt des Erlasses der Beseitigungsverfügung. Dass diese Sachlage von der nachträglichen Dokumentation abweicht, hat der Antragsteller nicht dargetan. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte.