Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.05.2010, Az.: 5 ME 54/10
Notwendigkeit einer Beteiligung des Schulbezirkspersonalrats im Falle einer länger als ein Schuljahr dauernden Abordnung eines am Gymnasium beschäftigten Beamten ohne das Ziel einer Versetzung; Wirksamkeit einer Entscheidung des Schulbezirkspersonalrats im Falle einer unzureichenden Beteiligung des zuständigen Schulpersonalrats der abgebenden Schule
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.05.2010
- Aktenzeichen
- 5 ME 54/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 16066
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0504.5ME54.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO
- § 122 Abs. 2 S. 3 VwGO
- § 79 Abs. 2 NPersVG
- § 79 Abs. 4 NPersVG
Fundstellen
- DVBl 2010, 794
- DÖV 2010, 614
- NdsVBl 2010, 303-304
- NordÖR 2011, 203
- PersV 2010, 347-348
- SchuR 2011, 107
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der gemäß § 95 Abs. 2 S. 1 NPersVG gebildete Schulbezirkspersonalrat ist zu beteiligen, wenn eine länger als ein Schuljahr dauernde Abordnung eines am Gymnasium beschäftigten Beamten der BesGr. A 15 mit Amtszulage und abwärts ohne das Ziel einer Versetzung beabsichtigt ist.
- 2.
Hat der Schulbezirkspersonalrat dem zuständigen Schulpersonalrat der abgebenden Schule nicht ordnungsgemäß gemäß § 79 Abs. 4 S. 1 NPersVG Gelegenheit zur Äußerung gegeben, beeinträchtigt dies nicht die Wirksamkeit der Entscheidung des Schulbezirkspersonalrats.
Gründe
Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Aus den innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründen, auf die der Senat seine Prüfung zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt sich aber nicht, dass sie begründet ist.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in einem Fall, für den das Gesetz die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ausgeschlossen hat (§ 105 Abs. 2 NBG, § 54 Abs. 4 BeamtStG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Das bedeutet, dass das Gesetz für den Regelfall einer Abordnung davon ausgeht, dass das private Interesse des Beamten, von den Folgen einer Abordnungsverfügung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens verschont zu bleiben, hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit zurückzutreten hat. Nur in Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit der Anordnung offensichtlich ist, sich also schon bei summarischer Prüfung ergibt, oder wenn im Einzelfall außergewöhnlich schwerwiegende private Interessen des Beamten auf dem Spiel stehen, kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen (beschließender Senat, Beschl. v. 26.03.2009 - 5 ME 36/09 -, Beschl. v. 5.3.2003 - 5 ME 64/03 -).
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass weder die eine noch die andere Voraussetzung hier erfüllt ist. Der Senat macht sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Aus den von der Antragstellerin aufgezeigten Gesichtspunkten folgt nicht die offensichtliche Rechtswidrigkeit der streitigen Abordnungsverfügung.
Nach § 27 Abs. 2 NBG kann der Beamte aus dienstlichen Gründen zu einer seinem Amt entsprechenden Tätigkeit abgeordnet werden. Ein innerdienstliches Spannungsverhältnis kann einen dienstlichen Grund in diesem Sinne darstellen, einen an diesem Spannungsverhältnis beteiligten Beamten im Interesse der reibungslosen Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Dienstes abzuordnen, und zwar unabhängig davon, wer an der Entstehung des Spannungsverhältnisses die Schuld trägt, da entscheidend allein dessen objektive Beteiligung hieran ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 06.02.2009 - 5 ME 434/08 - und Beschl. v. 16.03.1973 - V OVG B 17/73 -, DVBl. 1973, 278 <279>; BVerwG, Urt. v. 25.1.1967 - BVerwG VI C 58.65 -, BVerwGE 26, 65 <67>).
Die Antragstellerin bestreitet nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ohne Erfolg, dass ein dauerhaftes Spannungsverhältnis innerhalb der Dienststelle vorliegt. Zwar hat die Antragsgegnerin in der angefochtenen Abordnungsverfügung keine zeitlich unmittelbar vor Erlass der Verfügung aufgetretenen Konflikte am Gymnasium B. aufgezeigt. Der letzte Konflikt zwischen der Antragstellerin, ihrer Kollegin C. und der Schulleiterin trat nach Aktenlage im Mai 2009 auf. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss aber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass ein andauerndes Spannungsverhältnis nicht durch ständig neue Konflikte gekennzeichnet sein müsse, dass sich die verhaltensbedingten Unzuträglichkeiten nachteilig auf den Schulbetrieb ausgewirkt hätten und noch auswirken würden, wie die längere Erkrankung der Kollegin der Antragstellerin zeige, und dass im vorliegenden Fall die Wiederholung verhaltensbedingter Unzuträglichkeiten nicht ausgeschlossen werden könne. Dies hat die Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung in erster Linie damit begründet, dass die Antragstellerin einerseits Lehrerin und Mitglied des Kollegiums des Gymnasiums und andererseits Mutter eines Sohnes an dieser Schule ist und die Konflikte dadurch entstanden seien, dass es der Antragstellerin nicht durchgehend gelinge, diese beiden Rollen zu trennen.
Diese Begründung hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung nicht zu widerlegen vermocht. Soweit sie vorträgt, sie habe vor etwa vier Wochen das Gespräch mit der Kollegin C. gesucht, zeigt dies bereits eine Dauerhaftigkeit der Spannungen, die seit einem Vorfall im Juni 2008 bestehen. Das weitere Vorbringen der Antragstellerin, der Vorfall im Mai 2009 sei nicht in erster Linie ausschlaggebend für die längere Erkrankung der Kollegin C. gewesen, bleibt ebenfalls erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die längere Erkrankung der Kollegin C. nur beispielhaft dafür genannt, dass sich die verhaltensbedingten Unzuträglichkeiten noch nachteilig auf den Schulbetrieb auswirken. Das ärztliche Attest der D. Kliniken vom 11. Mai 2009, wonach die Kollegin C. aufgrund des allgemeinen psychischen Gesundheitszustandes, aktuell auch vor dem Hintergrund einer anhaltenden Konfliktsituation am Arbeitsplatz derzeit nicht arbeitsfähig sei, weist zudem auf ein innerdienstliches Spannungsverhältnis hin. Ob - wie die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 16. April 2010 vorträgt - der Schwächeanfall der Kollegin "erst nach der Bestätigung der Fehlkorrektur durch den Fachobmann eingetreten" ist, ist unbeachtlich. Denn die Antragstellerin hat sich jedenfalls mit ihrem Verhalten gegenüber der Kollegin, das ausweislich der Stellungnahme des Schulbezirkspersonalrats vom 25. November 2009 auch der Schulpersonalrat des Gymnasiums B. als unkollegial und unwürdig angesehen hat, an den Konflikten an der Schule beteiligt. Dasselbe gilt hinsichtlich ihres an die Schulleiterin gerichteten Schreibens vom 20. Januar 2009. Es ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 16. April 2010 unbeachtlich, dass dieser Brief nicht an die Kollegin gerichtet gewesen ist und ob dieser Brief an diese Kollegin weitergeleitet ist. Denn der Inhalt und der Tonfall dieses Schreibens vom 20. Januar 2009 zeigen, dass die Antragstellerin an der Störung des Betriebsfriedens beteiligt ist. Dabei kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf den Standpunkt zurückziehen, sie habe den Brief lediglich als Mutter eines Schülers und nicht als Beamtin geschrieben. Zutreffend hat die Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung ausgeführt, dass der Umstand, dass die Antragstellerin der Schulleiterin in diesem Brief eine Tonbandaufzeichnung mit einem Wutausbruch der Kollegin für den Fall angeboten hat, dass deren Entfernung aus dem Dienst anstehe, dafür spricht, dass die Antragstellerin in ihrer Rolle als Mutter Kenntnis über Vorgänge an der Schule erhalten hat, die sie dann im dienstlichen Kontext genutzt hat.
Der weitere Vortrag der Antragstellerin, dass die Kollegen seit Mai 2009 vertrauensvoll miteinander arbeiten würden, ist unsubstantiiert. Diesem Vortrag stehen außerdem das Schreiben der Antragstellerin vom 24. Mai 2009 über ihre gegen die Schulleiterin erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde, in dem sie der Schulleiterin einen massiven Vertrauensbruch vorwirft, sowie das Gedächtnisprotokoll der Kollegin E. vom 4. Mai 2009 über den Verlauf einer nach einer Schulvorstandssitzung vom 4. Mai 2009 durchgeführten Besprechung im Kollegenkreis über das Thema Schulklima entgegen.
Soweit die Antragstellerin nunmehr in ihrem Schriftsatz vom 16. April 2010 vorträgt, die Schulleiterin habe dem Schulpersonalrat gegenüber das Fehlen einer solchen Störung eingestanden und geäußert, das in keinem Falle der Betriebsfrieden durch die Vorkommnisse, an denen sie, die Antragstellerin, beteiligt gewesen sei, gestört sei, hat sie entsprechende Bekundungen der Schulleiterin nicht vorgelegt. Eine solche Stellungnahme der Schulleiterin befindet sich auch nicht in den Verwaltungsvorgängen. In dem Votum des Schulpersonalrats vom 22. Dezember 2009 ist vielmehr von einem Spannungsverhältnis zwischen Schulleitung und der Antragstellerin die Rede.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei den Schulbezirkspersonalrat beteiligt, der zu der angefochtenen Abordnung am 16. Dezember 2009 seine Zustimmung erteilt hat.
Gemäß § 79 Abs. 1 NPersVG beteiligt die zur Entscheidung befugte Dienststelle in Angelegenheiten, die sie oder ihre Beschäftigten betreffen, den bei ihr gebildeten Personalrat. Die Schulen sind Dienststellen, bei denen ein Schulpersonalrat gebildet wird (§ 94 Abs. 1, § 95 Abs. 1 Satz 1 NPersVG). § 79 Abs. 2 NPersVG bestimmt, dass die zur Entscheidung befugte übergeordnete Dienststelle in Angelegenheiten, die nicht nur sie oder die bei ihr Beschäftigten betreffen, die bei ihr gebildete und für den betroffenen Bereich zuständige Stufenvertretung beteiligt. Für die öffentlichen Schulen sind als Stufenvertretungen im Sinne von § 79 Abs. 2 NPersVG die Schulbezirkspersonalräte im Gebiet jedes der bis zum 31. Dezember 2004 bestehenden Regierungsbezirke gebildet (§ 95 Abs. 2 Satz 1 NPersVG).
Nach § 79 Abs. 1 und 2 NPersVG ist die Frage, ob der Personalrat oder die Stufenvertretung zu beteiligen ist, ausschließlich danach zu entscheiden, welche Dienststelle zur Entscheidung befugt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2001 - BVerwG 6 P 1.01 -, [...], Rn. 16 des Langtextes). Die dienstrechtlichen Befugnisse zur Entscheidung über eine länger als ein Schulhalbjahr dauernde Abordnung ohne das Ziel der Versetzung betreffend am Gymnasium beschäftigte Beamte der BesGr. A 15 mit Amtszulage und abwärts sind gemäß Ziff. 3.1 i.V.m. Ziff. 3.2 Buchstabe i des Runderlasses des MK v. 31. Mai 2007 ("Dienstrechtliche Befugnisse", Nds. MBl. 2007, 487) der Antragsgegnerin übertragen worden. Hieraus folgt, dass im vorliegenden Fall einer Abordnung für die Dauer von zwei Jahren der Schulbezirkspersonalrat zu beteiligen gewesen ist. Dem steht nicht die Regelung in Ziff. 6.2.1.2 Abs. 3 des Runderlasses des MK v. 31. Mai 2007 ("Dienstrechtliche Befugnisse", Nds. MBl. 2007, 487, 489) entgegen, wonach die Zuständigkeit des Schulpersonalrats gemäß § 79 Abs. 1 NPersVG hiervon unberührt bleibt. Denn die Ziffer 6.2.1.2 dieses Erlasses befasst sich mit den von den Schulen wahrzunehmenden, durch diesen Erlass übertragenen dienstrechtlichen Befugnissen, nicht mit der hier maßgeblichen, der Antragsgegnerin übertragenen dienstrechtlichen Befugnis.
Nach § 79 Abs. 2 NPersVG tritt in den Fällen, in denen die übergeordnete Dienststelle zur Entscheidung befugt ist und die nicht nur sie oder die bei ihr Beschäftigten betreffen, die Stufenvertretung an die Stelle des (örtlichen) Personalrats. In diesen Fällen ist die Stufenvertretung die zuständige und verantwortliche Personalvertretung mit allen Rechten und Pflichten, die sonst für den Personalrat maßgeblich sind (§ 79 Abs. 8 NdsPersVG; vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, § 79 Rn. 11, 32). Die Einschaltung des Personalrats ist in § 79 Abs. 4 NPersVG geregelt, nach dessen Satz 1 die Stufenvertretung den zuständigen Personalräten Gelegenheit zur Äußerung gibt, bevor sie nach Absatz 2 in Angelegenheiten beschließt, die einzelne Beschäftigte oder Dienststellen betreffen. Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg einwenden, der Schulbezirkspersonalrat habe den Schulpersonalrat des abgebenden Gymnasiums B. nicht ordnungsgemäß angehört. Allerdings hat der Schulbezirkspersonalrat den Schulpersonalrat des Gymnasiums B. mit Anschreiben vom 16. Dezember 2009 (Rückseite Bl. 312 BA B) gebeten, sich zu der beabsichtigten Abordnung ohne Fristsetzung zu äußern, eine Äußerung jedoch nicht abgewartet, sondern am selben Tag mit Anschreiben an die Antragsgegnerin die Zustimmung zur Abordnung der Antragstellerin erteilt (siehe ebenfalls Rückseite Bl. 312 BA B). Es kann jedoch dahinstehen, ob der Schulbezirkspersonalrat damit seine Anhörverpflichtung verletzt hat, zumal der Schulpersonalrat des Gymnasiums B. mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 der Abordnung der Antragstellerin nicht zugestimmt hat, oder ob der Schulbezirkspersonalrat auf eine (erneute) Äußerung des Schulpersonalrats verzichten durfte, weil dieser bereits im zunächst angestrebten Versetzungsverfahren ablehnend Stellung genommen hatte und weil anschließend im Nichteinigungsverfahren zwischen dem Schulbezirkspersonalrat und der Antragsgegnerin die Abordnung der Antragstellerin als gegenüber der Versetzung mildere Maßnahme in Aussicht gestellt worden war. Denn die Nichterfüllung der Anhörverpflichtung des örtlichen Personalrats beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit der Entscheidung der Stufenvertretung. Der Betroffene hat bei einem solchen internen Verfahrensmangel keinen rechtlichen Ansatz, eine Maßnahme der Dienststelle anzufechten. Der Anspruch des Personalrats der nachgeordneten Dienststelle auf Anhörung besteht nur gegenüber der Stufenvertretung (vgl. zum Ganzen: Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., § 79 Rn. 20 m.w.N.). Im Übrigen wäre der Schulbezirkspersonalrat an die ablehnende Stellungnahme des Schulpersonalrats nicht gebunden gewesen (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., § 79 Rn. 19 m.w.N.)
Die ergänzende pauschale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen der Antragstellerin genügt schon nicht dem in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO enthaltenen Darlegungserfordernis und ist daher unbeachtlich.
Außergewöhnlich schwerwiegende private Interessen der Antragstellerin, die zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die auf die Dauer von zwei Jahren bis zum voraussichtlichen Abitur des Sohnes der Antragstellerin gerichtete Abordnung führen könnten, hat die Antragstellerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht geltend gemacht.