Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.05.2010, Az.: 11 PA 104/10

Auferlegung von höheren Kosten für die Reinigung einer urinverschmutzten Gewahrsamszelle ; Verpflichtung zur Selbstreinigung einer Gewahrsamszelle durch Beamte oder Zulässigkeit der Reinigung durch Dritte i.S.d. Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.05.2010
Aktenzeichen
11 PA 104/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 14984
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0503.11PA104.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 05.03.2010 - AZ: S 1 A 768/09

Amtlicher Leitsatz

Zur Auslegung der Ziffer 108.2.3.1 AllGO

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO bedürftigen Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, in dem das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, für das erstinstanzliche Klageverfahren gegen den Kostenbescheid der Beklagten in Höhe von 98, 54 EUR Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen (eingeschränkten) Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger gemäß Ziffern 108.2.1 und 108.2.2 AllGO zu Recht zur Zahlung von 41 EUR für die Beförderung in einem Polizeifahrzeug und von weiteren 22 EUR für eine "Übernachtung" in einer Gewahrsamzelle, d.h. von insgesamt 63 EUR herangezogen worden ist. Einwände hiergegen macht der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Insbesondere findet nach der bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend zitierten Senatsrechtsprechung im Rahmen der Anfechtungsklage gegen einen Gebührenbescheid für Gewahrsamskosten keine - vom Kläger ursprünglich für notwendig erachtete - Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Gewahrsamnahme mehr statt, wenn diese - wie hier - auf einer wirksamen (amts-)richterlichen Entscheidung beruht.

3

Dem Verwaltungsgericht ist auch in der weiteren Annahme zu folgen, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg bietet, soweit sich der Kläger dem Grunde nach gegen die Heranziehung zu den Kosten für die Reinigung der von ihm durch Urin verschmutzten Gewahrsamszelle wendet. Wie sich aus dem - den Vorgaben der Polizeigewahrsamsordnung entsprechend geführten - Festnahmebuch und den weiteren detaillierten Angaben des PK Hess ergibt, ist der Kläger in der Zelle zwischen der Einlieferung am 1. Dezember 2008 gegen 19.00 Uhr und seiner Entlassung am Folgetag um 7.00 Uhr insgesamt zehnmal in Abständen vom maximal 100 Minuten kontrolliert worden. Ihm ist dabei - teilweise sogar ausdrücklich - die Möglichkeit geboten worden, eine Toilette aufzusuchen. Warum er ungeachtet dessen zu einem von ihm nicht näher bezeichneten Zeitpunkt gezwungen gewesen sein soll, in die Zelle zu urinieren, ist nicht zu erkennen und wird von ihm auch nicht konkret darlegt. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt deshalb insoweit auch keine Beweiserhebung "ins Blaue" in Betracht.

4

Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussichten bestehen allerdings, soweit dem Kläger Reinigungskosten vom mehr als 25 EUR nach §§ 1, 13 NVwKostG, d.h. als Auslagen, in Rechnung gestellt worden sind. Dem Rückgriff auf die genannte Bestimmung zum Auslagenersatz könnte hier die vorrangige und von der Beklagten in ihrem insoweit wechselnden Vorbringen teilweise selbst als Rechtsgrundlage angeführte Ziffer 108.2.3.1 AllGO entgegenstehen. Danach beträgt bei einer "Gewahrsamnahme nach § 18" (Nds. SOG) die "Gebühr"/der "Pauschbetrag" für die "Reinigung eines Dienstraumes wegen außergewöhnlicher Verschmutzung" 25 EUR. Dass diese Bestimmung nicht auf die Reinigung durch Fremdfirmen - wie hier erfolgt - anzuwenden ist, lässt sich jedenfalls eindeutig weder dem Wortlaut (anders etwa ausdrücklich Ziffer 15.4.2 der baden-württembergischen Verordnung des Innenministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden vom 26. September 2006 sowie Ziffern 120. 21 und 120.61 der Kostenverordnung für die innere Verwaltung in Bremen vom 20. August 2002, jeweils über [...] abrufbar) noch dem Sinn und Zweck der AllGO entnehmen. Das zu Grunde liegende NVwKostG zwingt ebenfalls nicht zu einer solchen Auslegung, da nach § 13 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG auch Auslagen Bestandteil der jeweiligen Kostenziffer, also "einpauschauliert" sein können und ein solches Verständnis hier nahe liegt. Da es grundsätzlich nicht zu den amtsangemessenen Aufgaben eines Polizeibeamten gehört, Diensträume oder Polizeifahrzeuge (vgl. Ziffer 108.2.3.2 AllGO) selbst zu reinigen, dürfte diese Aufgabe nämlich regelmäßig von Dritten übernommen werden und damit Auslagen i.S.d. NVwKostG anfallen. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass der Begriff "Diensträume" eng zu verstehen sein und sich nicht auch auf die hier verunreinigte Gewahrsamzelle beziehen soll. Auch insoweit spricht mehr dafür, dass gerade für diesen Raum im Falle einer Gewahrsamnahme eine besondere Verschmutzungsgefahr besteht. Andernfalls hätte es sich angeboten, die Kostenerhebung wegen (schuldhafter) besonderer Verschmutzung von Sachen im polizeilichen Dienstgebrauch anlässlich einer Amtshandlung nicht nur für die Gewahrsamnahme, sondern umfassend zu regeln - wie dies etwa in den zuvor genannten Kostenregelungen in Bremen und in Baden-Württemberg erfolgt ist. Ob die so verstandene Ziffer 108.2.3.1 AllGO dann in allen Fällen der Verschmutzung abschließend ist oder bei außerordentlich hohen Reinigungskosten nicht doch den Rückgriff auf die der Höhe nach unbegrenzte Auslagenerstattung zulässt (vgl. hierzu allgemein Loeser, NVwKostG, § 13, Ziffer 2.1), ist bei den hier in Rede stehenden Zusatzkosten von weiteren 10, 54 EUR nicht zu klären. Ebenso wenig ist in diesem Verfahren der Frage weiter nachzugehen, ob für die - dem Grunde nach angezeigte - professionelle Reinigung vorliegend im Einzelfall überhaupt sog. Sonderreinigungskosten in voller Höhe von 35,54 EUR angemessen waren.

5

Die Entscheidung über die Beiordnung des Bevollmächtigten beruht auf § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.