Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.05.2010, Az.: 1 LC 338/07
Anwendbarkeit des § 16 Abs. 5 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) auf baurechtlich genehmigte und später nach § 67 Abs. 2 BImSchG nur angezeigte Anlagen; Baugenehmigung für die Wiedererrichtung eines abgebrannten Putenstalles mit einer kapazitätsbeschränkenden Nebenbestimmung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.05.2010
- Aktenzeichen
- 1 LC 338/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 24151
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0520.1LC338.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 11.10.2007 - AZ: VG 4 A 1873/06
- nachfolgend
- BVerwG - 21.12.2011 - AZ: BVerwG 4 C 12.10
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 5 BImSchG
- § 67 Abs. 2 BImSchG
- Art. 14 Abs. 1 GG
- § 68 Abs. 2 NBauO
- §§ 75 ff. NBauO
Fundstelle
- FStNds 2010, 682-686
Amtlicher Leitsatz
§ 16 Abs. 5 BImSchG ist auf baurechtlich genehmigte und später nach § 67 Abs. 2 BImSchG nur angezeigte Anlagen nicht anwendbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine kapazitätsbeschränkende Nebenbestimmung zu einer ihm vom Beklagten erteilten Baugenehmigung für die Wiedererrichtung eines abgebrannten Putenstalles.
Gegenstand des Genehmigungsverfahrens war ein Ersatzbau für einen baurechtlich am 28. Mai 1999 genehmigten, wegen einer Änderung der 4. BImSchV im Januar 2002 nach§ 67 Abs. 2 BImSchG angezeigten und am 22. Juni 2004 abgebrannten Putenmaststall. Der Kläger selbst und die GbR E. und A. B. betreiben in F. auf Grundflächen des Klägers einen Komplex von vier Außenbereichsställen. Die beiden Ställe des Klägers auf dem Flurstück 20/4 waren mit 3.400 Hähnen (der abgebrannte Stall) und 4.200 Hähnen besetzt, die beiden Ställe der GbR auf dem Flurstück 20/1 jeweils mit 4.500 Hähnen + 1.100 Hennen (insgesamt 18.800 Tiere).
Nach dem Brand vertrat der Kläger die Meinung, den Stall nach § 16 Abs. 5 BImSchG in gleicher Weise ohne erneute Genehmigung wieder errichten zu dürfen, stellte aber mit Rücksicht auf die gegenteilige Auffassung des Beklagten unter dem 24. Juni 2004 einen entsprechenden Bauantrag (für 3.400 Plätze bei 1.443 qm Stallfläche). Dagegen bestanden nach Äußerungen der Landwirtschaftskammer Bedenken, weil die nach der GIRL zulässigen Immissionswerte von 0,2 an benachbarten, nach 1999 errichteten Wohnhäusern insgesamt überschritten würden. Der Wiederaufbau setze deshalb voraus, dass die Zusatzbelastung unter der Irrelevanzgrenze von maximal 0,0049 der Jahresgeruchsstunden liege. Bei Wiederaufbau mit gleichem Tierbesatz und ohne Abluftreinigungsanlage sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Allenfalls könne der bisherige Besatz der drei anderen Ställe (15.400 Tiere) auf vier Ställe verteilt werden.
Da die Meinungsunterschiede über die Genehmigungsbedürftigkeit auch nach Einschaltung anderer Stellen nicht aufgelöst werden konnten, verständigten sich die Beteiligten in einer schriftlichen Vereinbarung vom Oktober 2005 darauf, diese Frage im Rahmen der isolierten Anfechtung einer kapazitätsbeschränkenden Nebenbestimmung zu einer Baugenehmigung klären zu lassen.
Die Baugenehmigung vom 18. Oktober 2005 wurde daraufhin mit folgender, vereinbarter Nebenbestimmung Nr. 14 erteilt:
"In allen vier Stallgebäuden der Gemarkung G., Flur 43, Flurstücke 20/1 (GbR E. und A. B.) und 20/4 (A. B.) dürfen nicht mehr als 15.400 Puten, und zwar 13.200 Hähne und 2.200 Hennen, gehalten und gemästet werden."
Mit seiner dagegen gerichteten Klage hat der Kläger sein Ziel weiter verfolgt, den wieder errichteten Stall ohne Kapazitätsbeschränkung betreiben zu können.
Der Kläger hat beantragt,
die Auflage unter Ziffer 14 des Baugenehmigungsbescheides des Beklagten vom 18. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2006 aufzuheben,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Nebenbestimmung der Baugenehmigung habe beigefügt werden dürfen. Sie sei zum Schutz der Nachbarschaft erforderlich. Die materielle Prüfungspflicht sei nicht im Hinblick auf die Vorschrift des § 16 Abs. 5 BImSchG entfallen, die insoweit eine Konzentrationswirkung nicht begründe. Die Maßnahme sei genehmigungsbedürftig gewesen, weil der Bestandsschutz nach Zerstörung des Gebäudes bis auf die Sohlplatte entfallen sei. Auf Art. 14 GG könne sich der Kläger insoweit nicht berufen. § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB blende nur bestimmte öffentliche Belange aus; Immissionsschutz sei stets zu prüfen. § 16 Abs. 5 BImSchG lasse lediglich das förmliche Verfahren nach den §§ 10 oder 19 BImSchG entfallen. Der Kläger sei auch nicht unzumutbar beeinträchtigt, weil er ohnehin mit Einschränkungen seines Betriebes zu rechnen gehabt hätte. Genehmigungsfähig sei die Anlage nur im Rahmen der nach der GIRL zu bestimmenden Irrelevanzschwelle gewesen.
Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen, am 26. November 2007 eingegangenen Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, die streitige Auflage stehe mit § 16 Abs. 5 BImSchG nicht in Einklang. Der identische Aufbau der durch Brand zerstörten Stallanlage habe keiner erneuten Genehmigung bedurft. Die Baugenehmigung sei lediglich beantragt worden, um den grundsätzlichen Wiederaufbau von der Problematik der Kapazitätsbeschränkung freizuhalten. Eine gesetzliche Grundlage für die Nebenbestimmung finde sich nicht, insbesondere nicht in § 36 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG.
Das Verwaltungsgericht habe den durch § 75 Abs. 1 NBauO eröffneten Prüfungsumfang verkannt. Danach habe eine Überprüfung nach immissionsschutzrechtlichen Vorschriften nur stattzufinden, soweit die Maßnahme genehmigungsbedürftig sei. Der identische Aufbau einer durch Brand zerstörten Anlage sei nach § 16 Abs. 5 BImSchG aber gerade nicht genehmigungsbedürftig. Unzutreffend sei die Ansicht des Verwaltungsgerichts, § 16 Abs. 5 BImSchG lasse lediglich die formelle Genehmigungsbedürftigkeit entfallen. Das entspreche weder dem Willen des Gesetzgebers noch sei es mit Sinn und Zweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vereinbar. Die einmal erteilte Genehmigung verschaffe insgesamt Bestandsschutz auch für den Austausch. Das werde in der Literatur auch in der Kommentierung bei Landmann/Rohmer vertreten (Dietlein, § 4 Rdnr. 67), der auf die Anknüpfung an § 16 GewO a.F. verweise. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Gegenmeinung (Sellner in Landmann/Rohmer und Jarass), beziehe sich nicht auf die "Ersetzung" einer Anlage, sondern auf den "Austausch von Anlageteilen" und stehe damit im Kontext der Änderung einer Anlage.
§ 16 Abs. 5 BImSchG gelte auch für Anlagen, die nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigt worden seien. Dies unterstelle die Anlage insgesamt dem Regime des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Das habe für den Betreiber Nachteile zur Folge, vor allem die rechtliche Möglichkeit nachträglicher Maßnahmen nach § 17 BImSchG, die durch Vorteile wie die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 5 BImSchG angemessen ausgeglichen würden. Es widerspreche der Intention des Gesetzes, diesen Zusammenhang einseitig aufzulösen.
Im Jahr 2002 habe er zusätzlich versucht, ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren für sein Vorhaben durchzuführen. Das sei ihm versagt worden, weil § 16 Abs. 4 BImSchG nur für Änderungen der Anlage gelte, nicht auch für die Fälle des § 16 Abs. 5 BImSchG.
Der Beschleunigungseffekt des § 16 Abs. 5 BImSchG werde durch die vom Verwaltungsgericht vorgezogene Auslegung unterlaufen. Im Übrigen habe mit dieser Regelung gerade ein Schlussstrich unter einen jahrelangen Meinungsstreit gezogen werden sollen. Schließlich habe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 23. November 2006 (- 22 BV 06.2223 -, NVwZ-RR 2007, 382) eine dem Kläger günstige Auffassung vertreten.
Der vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Umstand, dass nach § 24 BImSchG auch nachträgliche Betriebseinschränkungen zulässig seien, ändere hieran nichts. Im Gegenteil bestätige dies nur, dass die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens überflüssig sei.
Das Verwaltungsgericht übersehe schließlich, dass nicht allein § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB einfachrechtlich das Eigentum ausgestalte. Auch § 16 Abs. 5 BImSchG sei eine einfachrechtliche Inhaltsbestimmung. Der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz des Eigentums umfasse nicht nur eine Wertgarantie, sondern enthalte primär Bestandsschutz. Diesen dürfe eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 5 BImSchG nicht leerlaufen lassen.
Die vom Beklagten in seiner Berufungserwiderung aufgezeigte Ungleichbehandlung mit nicht nach BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen bestehe zwar, sei aber vom Gesetzgeber intendiert und sachlich gerechtfertigt. Die weitergehende Prüfung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren führe zu einem entsprechend erweiterten Bestandsschutz. Die baurechtliche Prüfung stelle demgegenüber die Baulichkeit als solche in den Vordergrund. Im Gegenteil komme es zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung, wenn im Baugenehmigungsverfahren bereits immissionsschutzrechtliche geprüfte Aspekte einer erneuten Überprüfung unterzogen werden dürften. Das werde seiner geschützten Rechtsstellung nicht gerecht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, dass es anderenfalls zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung zwischen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen komme. Das werde hier durch den Umstand augenfällig, dass der Tierhaltungsbetrieb des Klägers mit 7.600 Mastplätzen für Puten im Zeitpunkt der Baugenehmigung nach der 4. BImSchV noch genehmigungsbedürftig gewesen sei, inzwischen aber - nach der Änderung der 4. BImSchV zum 30. Oktober 2007 - nicht mehr. Bei einem heute entstehenden vergleichbaren Schaden an der Anlage sei deshalb zweifelsfrei eine Baugenehmigung erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Nebenbestimmung ist nicht zu beanstanden.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung war zunächst die Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens selbst. Aus baurechtlicher Sicht ergab sich diese landesrechtlich aus den §§ 68 ff., 75 ff. NBauO. Die inhaltliche Reichweite der Prüfung bestimmte sich hiernach aus den §§ 2 Abs. 10, 19 NBauO und bundesrechtlich aus § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB (Gebot der Rücksichtnahme) sowie aus § 22 BImSchG. Die 1999 erteilte Baugenehmigung deckte eine Wiedererrichtung nicht ab, weil Baugenehmigungen nur die Ersterrichtung und den Bestandserhalt zum Gegenstand haben (vgl. Grosse-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 75 Rdnr. 22).
Nach § 68 Abs. 2 Satz 2 NBauO bleiben Vorschriften des Bundes- und Landesrechts, nach denen weitere behördliche Entscheidungen eine Baugenehmigung einschließen, zwar unberührt. Eine Genehmigung nach den §§ 4 oder 19 BImSchG, der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG zukommt, ist jedoch nicht erteilt worden. Die nach § 67 Abs. 2 BImSchG erfolgte Anzeige führt nicht zu vergleichbaren Rechtsfolgen, auch wenn das Bundesverwaltungsgericht insoweit die Formulierung "genehmigungsersetzende Anzeige" verwendet (vgl. z.B. Beschl. v. 4.3.2010 - 7 B 38.09 -). Anders als bei § 67 Abs. 9 BImSchG hat sich der Gesetzgeber in diesen Fällen darauf beschränkt, der Behörde auf Grund vorzulegender Unterlagen eine immissionsschutzrechtliche Bewertung zu ermöglichen. Im Übrigen hat es sein Bewenden damit, dass dem Anlageninhaber das Betreiben eines weiteren Genehmigungsverfahrens erspart wird; er hat damit aber keine Genehmigung in der Hand. Seine Anlage ist mit der Anzeige nicht komplett dem Regime der §§ 4 ff. BImSchG unterstellt. Sie unterliegt zwar den Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen, nicht aber ohne weiteres denjenigen an genehmigte Anlagen und des Genehmigungsverfahrens. Insoweit hat es der Gesetzgeber bei der punktuellen Anordnung der Wirkung einzelner Vorschriften belassen (z.B. §§ 15 Abs. 1 Satz 5, 17 Abs. 5 BImSchG; siehe im Einzelnen bei Jarass, BImSchG, 8. Aufl. 2010, § 67 Rdnr. 24 f.; vgl. auch Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 67 Rdnrn. 21 und 29). Dies ist im Wege richterlicher Auslegung ergänzt worden (BVerwG, Urt. v. 25.8.2005 - 7 C 25.04 -, BVerwGE 124, 156 = DVBl. 2005, 1588; Beschl. v. 4.3.2010 - 7 B 38.09 - zu § 18 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BImSchG), allerdings unter ausdrücklicher Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung, wonach dem nach § 67 Abs. 2 BImSchG Anzeigenden nicht dieselbe gesicherte Rechtsposition verschafft werden sollte, wie sie durch eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 oder § 19 BImSchG vermittelt wird (BVerwG, Beschl. v. 27.6.1988 - 7 B 101.88 -, UPR 1989, 25).
Im Übrigen sind die Unterschiede zwischen bau- und immissionsschutzrechtlicher Genehmigung von Tierställen nicht so groß, wie der Kläger meint. Nach der gerichtlichen Erfahrung sind auch bei den nur baurechtlich zu genehmigenden Ställen die gutachtlichen Aufwände häufig recht hoch, wenn sich in der Nachbarschaft schutzwürdige Bebauung findet. Auch hinsichtlich der Möglichkeit nachträglicher Anordnungen ähnelt § 24 BImSchG faktisch dem § 17 BImSchG; schon die bloße Sorge vor solchen Maßnahmen bildet häufig die Grundlage für nachbarliche Abwehransprüche gegen heranrückende Wohnbebauung.
Unabhängig hiervon ist für die Annahme einer Konzentrationswirkung jedenfalls dann kein Raum, wenn Grundlage der Anzeige eine bereits bestehende Baugenehmigung ist, die mit ihren eigenen Rechtswirkungen auch fortbestehen bleibt. Dafür, dass in Ansehung der nach § 67 Abs. 2 Satz 2 BImSchG vorzulegenden Unterlagen auch eine erneute bauplanungsrechtliche Überprüfung vorzunehmen ist, gibt der Gesetzestext nichts her. Die "genehmigungsersetzende" Anzeige tritt nur ergänzend neben die Baugenehmigung, ohne deren Gehalt zu inkorporieren.
Die Wiedererrichtung des Gebäudes war und ist auch nicht unmittelbar bundesrechtlich durch § 16 Abs. 5 BImSchG von einer Genehmigung freigestellt. Nach dieser Vorschrift bedarf es einer Genehmigung nicht, wenn eine genehmigte Anlage oder Teile einer genehmigten Anlage im Rahmen der erteilten Genehmigung ersetzt oder ausgetauscht werden sollen.
Sowohl diejenige Genehmigung, derer es nicht bedarf, als auch die Genehmigung, in deren Rahmen die Ersetzung oder der Austausch stattfindet, sind nach dem Verständnis des Senats nur solche im Sinne der §§ 4, 19 BImSchG. Da die streitige Anlage im Zeitpunkt des Brandes bzw. des vorgesehenen Wiederaufbaus aus der Sicht des Beklagten unter Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV fiel, wäre es insoweit richtigerweise nicht um die Erforderlichkeit (nur) einer Baugenehmigung, sondern einer kompletten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegangen. Erst durch die spätere Änderung der 4. BImSchV hat sich das Genehmigungserfordernis wieder auf eine Baugenehmigung beschränkt.
Der rechtliche Gehalt des § 16 Abs. 5 BImSchG ist allerdings durch Rechtsprechung noch nicht geklärt und in der Literatur umstritten (vgl. Jarass, a.a.O., § 16 Rdnr. 16). Die Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 9. Oktober 1996 (BGBl. I S. 1498) eingeführt. Dieses hat nicht den Regierungsentwurf (BT-Drucksache 13/3996) umgesetzt, sondern eine in den Ausschüssen erheblich veränderte Entwurfsfassung. Im Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BT-Drucksache 13/5100) stellt die dort wiedergegebene Position der CDU den gemeinsamen systematischen Grundansatz heraus, man habe in dem neuen § 15 das Anzeigeverfahren und in dem neuen § 16 das Genehmigungsverfahren geregelt. Diese systematische Klarheit hat die Literatur im Gesetzestext offenbar nicht bestätigt gefunden; es bestehen gerade in systematischer Hinsicht tiefgreifende Meinungsunterschiede über die Zusammenhänge der Detailregelungen.
In welchem Verhältnis § 16 Abs. 5 BImSchG zu Absatz 1 dieser Bestimmung steht und ob sie gesetzessystematisch in § 16 BImSchG überhaupt richtig verankert ist, ist streitig. Der Senat versteht sie im Verhältnis zum Absatz 1 so, dass der Austausch und die Ersetzung - die begrifflich möglicherweise keinen wirklichen Unterschied aufweisen (vgl. Czajka, a.a.O., § 16 Rdnr. 47) - "an sich" jeweils die einschneidendste Variante einer Änderung der Beschaffenheit im Sinne des Absatzes 1 darstellen, weil von der ursprünglichen Substanz nichts verbleibt. Bei diesem Verständnis ist der Absatz 5 in § 16 BImSchG systematisch richtig zugeordnet. Er musste nicht "vor die Klammer" der §§ 15 f. BImSchG gezogen werden, weil sein Anwendungsbereich gerade das Nichtvorliegen einer Änderung im Sinne des § 15 BImSchG voraussetzt. Er stellt aber ein sinnvolles Korrektiv zur Grundregel des § 16 Abs. 1 BImSchG dar.
Streitig ist ferner, ob unter "Genehmigung" im Sinne des § 16 Abs. 5 BImSchG auch die "genehmigungsersetzende" Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG zu verstehen ist (so z.B. Czajka, a.a.O. § 16 Rdnr. 50; Sellner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 16 BImSchG Rdnr.167). Der Senat verneint dies.
Gegen eine erweiternde Auslegung spricht der Wortlaut des Gesetzes vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber ansonsten sorgfältig zwischen Genehmigung und Anzeige unterschieden hat. Insbesondere ist in § 15 Abs. 1 Satz 5 BImSchG in der Fassung, die der Gesetzesentwurf in den Ausschüssen erhalten hat, die entsprechende Geltung für Anlagen angeordnet worden, die nach § 67 Abs. 2 BImSchG anzuzeigen sind. Zwar hat die Begründung zum Regierungsentwurf (S. 9) zu § 15 Abs. 3 in der damaligen Zählung - jetzt § 16 Abs. 5 BImSchG - die Auffassung vertreten, diese Vorschrift gelte auch für nach § 67 Abs. 2 anzuzeigende Anlagen. Dann hätte es jedoch nahe gelegen, dies im Gesetzestext selbst zum Ausdruck zu bringen; das war im Regierungsentwurf nicht geschehen. Unabhängig hiervon hat die Begründung des Regierungsentwurfs nach der weitgehenden Umgestaltung der Entwurfsfassung an Bedeutung verloren. In dem Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BT-Drucksache 13/5100), der die jetzige Gesetzesfassung erarbeitet hat, ist eine solche Auffassung jedenfalls nicht mehr vertreten worden, obwohl dies gerade wegen der Neuordnung der systematischen Zusammenhänge ein Punkt von besonderer Bedeutung gewesen wäre.
Soweit in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, ob sich der Kläger mit der freiwilligen Beantragung einer Genehmigung günstiger gestanden hätte, hat dies auf die Auslegung der hier maßgeblichen Bestimmungen keine unmittelbaren Auswirkungen. Ausgangspunkt war nur eine - jedenfalls so vom Senat verstandene - Erklärung der Klägerseite, anders als gegenwärtig habe er seinerzeit keine rechtliche Möglichkeit zu einer solchen freiwilligen Genehmigungsbeantragung gehabt. Der Vorsitzende hat deshalb darauf hingewiesen, dass die in Betracht gezogene Rechtsgrundlage (§ 16 Abs. 4 BImSchG) bereits zur gleichen Zeit Gesetz geworden sei wie Absatz 5 dieser Vorschrift. Ob sie über ihren Wortlaut hinaus ("Für die nach § 15 Abs. 1 anzeigebedürftigen Änderungen ...") auch auf Fälle des § 16 Abs. 5 BImSchG angewendet werden kann (zweifelnd Jarass, a.a.O., § 16 Rdnr. 22), kann offen bleiben. Sie verhält sich allerdings nur dazu, ob der Anlagenbetreiber einen zwingenden Rechtsanspruch auf Durchführung des Genehmigungsverfahrens hat; dies lässt keinen unmittelbaren Gegenschluss dahin zu, dass in den Fällen des § 16 Abs. 5 BImSchG ein Sachbescheidungsinteresse fehlt. Zwar mag die Behörde ein Interesse daran haben, den sächlichen und personellen Aufwand für solche zusätzlichen Genehmigungsverfahren zu vermeiden. Das ist gegenüber dem Interesse eines Anlagenbetreibers, sich eine rechtssichere Grundlage für seine Anlage zu verschaffen, aber nicht ohne weiteres vorrangig. Der Umstand, dass der vorliegende Fall bei damaliger Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Kläger deutlich günstiger verlaufen wäre, kann bei der Normauslegung jedoch weder zu seinen Lasten noch zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.
Art. 14 Abs. 1 GG steht dem hier gefundenen Ergebnis, dass der Kläger für die Wiedererrichtung des Stalles zunächst einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, nach Änderung der 4. BImSchV jedenfalls einer Baugenehmigung bedurfte, nicht entgegen. Terminologisch stellt sich nicht die Frage eines Bestandsschutzes, weil dieser an den Erhalt zumindest eines Großteils der Substanz anknüpft, sondern diejenige der Schutzwirkung erteilter Genehmigungen (vgl. z.B. Uschkereit, BauR 2010, 718). Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch Gesetz bestimmt; dazu hat das Bundesverfassungsgericht jüngst durch Kammerbeschluss gerade im Zusammenhang mit der Anpassungspflicht immissionsschutzrechtlicher Altanlagen exemplarisch Ausführungen gemacht (BVerfG, 3. K. d.1. Senats, Beschl. v. 14.1.2010 - 1 BvR 1627/09 -, [...] und BeckRS 2010, 46095 - Legehennen). Danach schützen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen schon an sich nur eingeschränkt z.B. vor nachträglichen Rechtsänderungen; in Anbetracht "dynamischer Grundpflichten" sind sie auch nachträglichen Anordnungen nach § 17 BImSchG ausgesetzt. Es besteht kein Anlass, gerade die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 5 BImSchG bei nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigten Anlagen zum verfassungsfesten Kernbestand der Eigentumsverbürgung zu rechnen. Für schlichte Bauvorhaben ist die Genehmigungsbedürftigkeit des (u.U. materiell-rechtlich erleichterten) Wiederaufbaus der selbstverständliche Normalfall; die Besonderheiten des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens erfordern keine abweichende Beurteilung. Sie rechtfertigen eine Anwendung des § 16 Abs. 5 BImSchG allenfalls dann, wenn sich der Betreiber dem "Prüfungsvollprogramm" gestellt und dieses "bestanden" hat. Erst das würde in der Sache die Einräumung einer Rechtsposition rechtfertigen können, die ihm im Falle einer vollständigen Vernichtung des Vorhabens durch Brand das neuerliche Durchschreiten eines Genehmigungsverfahrens ersparte. Ein "Prüfungsvollprogramm" nach dem BImSchG hatte der Kläger im Jahre 2002 nicht zu bestehen. Aus der Rechtswohltat, trotz Überschreitens der in der 4. BImSchV (nunmehr) bestimmten Tierplatzzahlen weitermachen zu dürfen, ohne ein Genehmigungsverfahren nachholen zu müssen, und allenfalls nachträgliche Auflagen befürchten zu müssen, folgt gerade nicht, dem Betreiber ein neuerliches "Zulassungsverfahren" auch dann zu ersparen, wenn das Vorhaben untergegangen ist. Das wäre jedenfalls dann sogar eher als gleichheitssatzwidrige Privilegierung eines nur anzeigepflichtigen Vorhabens anzusehen, wenn das Vorhaben - wie hier - wegen neuerlich geänderter Tierplatzzahlen/4. BImSchV jetzt nicht mehr genehmigungspflichtig ist. Denn damit würde der Kläger sowohl gegenüber dem Tierhalter eher ohne durchgreifenden Sachgrund bevorzugt, der unverändert nur baugenehmigungspflichtige Tierplatzzahlen vorweist, als auch gegenüber demjenigen, der seinerzeit ein aufwendiges Genehmigungsverfahren bestand hatte.
War mithin der Wiederaufbau des Stalles an sich immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig, durfte der als "Minus" erteilten Baugenehmigung auch die umstrittene Nebenbestimmung beigefügt werden; insoweit nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug.
Die fragliche Nebenbestimmung ist allerdings auslegungsbedürftig. Sie bezieht sich dem ersten Eindruck nach nicht allein auf das genehmigte Gebäude selbst, sondern auch auf drei andere Gebäude, die zwar alle auf Grundstücken des Klägers stehen, zum Teil aber von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben werden. Für alle zusammen wird ein maximaler Besatz festgeschrieben, der auf alle Gebäude verteilt werden kann, soweit nicht jeweils die ursprünglich genehmigten Besatzzahlen überschritten werden. Das ist im Ergebnis jedoch verfahrensrechtlich unproblematisch, weil eine Lösung auch in der Form gewählt werden kann, dass es zunächst beim Besatz der bisherigen Ställe verbleibt und der neue Stall bis zum Abschluss des Verfahrens leer steht. Die Nebenbestimmung beschneidet also nicht notwendig zugleich die Schutzwirkung der für die anderen Ställe erteilten Genehmigungen. Sie lässt dem Kläger nur Raum für eigene Dispositionen hinsichtlich der Belegung der vier Ställe, welche er und die Gesellschaft bürgerlichen Rechts an dieser Stelle betreiben. Im Übrigen war sie in dieser Form bereits mit dem Kläger abgesprochen.
Der Senat geht davon aus, dass die Einschätzung des Beklagten zutrifft, nach der GIRL sei insgesamt betrachtet ein über die in den benachbarten Ställen bereits untergebrachten Puten hinaus gehender Besatz für die Nachbarschaft unzumutbar. Der Kläger hat dies nicht in Frage gestellt. Es ist unter diesen Umständen nicht Sache des Gerichts, die genannte Einschätzung von sich aus sachverständig überprüfen zu lassen.