Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.08.2022, Az.: 6 B 275/22

Ausnahmegenehmigung; Bildungsgang; MINT-Schule; Oberschule; pädagogische Gründe; Schulform; Tabletklassen; Technikangebot; unzumutbare Härte; Wahlrecht; Wunschschule; Kein Anspruch auf Gestattung des Besuchs einer MINT-Schule

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
30.08.2022
Aktenzeichen
6 B 275/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 57645
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2022:0830.6B275.22.00

Amtlicher Leitsatz

Weder bei einem gymnasialen Angebot einer Oberschule noch bei einem zusätzlichen Technikangebot im Rahmen des Exzellenz-Netzwerks MINT-Schule handelt es sich nach summarischer Prüfung um eine eigene Schulform oder einen eigenen Bildungsgang, weshalb insoweit das Wahlrecht nach § 59 NSchG nicht besteht. Ein eventuell weiterer Schulwechsel (hier nach zwei Schuljahren) stellt regelmäßig keine unzumutbare Härte im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG dar. Die bloße Behauptung einer ausgeprägten Affinität zu den MINT -Fächern rechtfertigt nicht die Annahme eines pädagogischen Grundes im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren 6 A 267/22 mit Beginn des Schuljahres 2022/23 den Besuch der Oberschule E. in F. im Landkreis Gifhorn zu gestatten,

hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erlassen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Dazu muss ein Antragsteller grundsätzlich glaubhaft machen, dass die gerichtliche Entscheidung eilbedürftig ist (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch besteht (Anordnungsanspruch). Besondere Anforderungen gelten für den Fall, dass die begehrte Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen würde. Da die einstweilige Anordnung grundsätzlich nur zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ausgesprochen werden darf, ist sie in diesen Fällen nur möglich, wenn sonst das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzt würde. So darf die Entscheidung in der Hauptsache ausnahmsweise vorweggenommen werden, wenn ein Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben würde und wenn es dem Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbar wäre, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, weil durch das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre (vgl. z. B. Nds. OVG, B. v. 21.4.2021 - 13 ME 146/21 -, juris Rn. 7; VG Braunschweig, B. v. 8.10.2020 - 6 B 187/20 -, juris Rn. 15 m. w. N.). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.

Der Eilantrag ist auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Eine die Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung erhöhende Vorwegnahme der Hauptsache liegt schon dann vor, wenn die begehrte Entscheidung des Gerichts dem Antragsteller für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens die Rechtsposition vermitteln würde, die er in der Hauptsache (vgl. bspw. Nds. OVG, B. v. 2.2.2021 - 13 ME 41/21 -, juris Rn. 7; B. v. 23.11.1999 - 13 M 3944/99 -, juris Rn. 1; Dombert, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auf. 2017, zweiter Teil Rn. 179 f.). Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller will mit dem Antrag seine vorläufige Beschulung auf einer anderen als der nach der Schulbezirkseinteilung des Landkreises Peine zuständigen Oberschule erreichen, also bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Rechtsposition einnehmen, die er im Hauptsacheverfahren anstrebt.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch allerdings nicht glaubhaft gemacht. Nach den vorliegenden Unterlagen und auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten wird das Hauptsacheverfahren zumindest nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Den Erziehungsberechtigten des Antragstellers steht nach gegenwärtigem Sachstand weder ein Wahlrecht gemäß § 59 Abs. 1 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) auf die Auswahl zwischen der Oberschule G. in A-Stadt und der Oberschule E., noch steht ihnen oder dem Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu.

Soweit - wie im vorliegenden Fall - Schulbezirke festgelegt sind, haben Schülerinnen und Schüler grundsätzlich diejenige Schule zu besuchen, in deren Schulbezirk sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG). Die in diesem Sinne für den im Landkreis Peine wohnhaften Antragsteller zuständige Schule ist gemäß § 3 der Satzung zur Festlegung der Schulbezirke für Schulen in der Trägerschaft des Landkreises Peine die Oberschule A-Stadt (G.), deren Schulbezirk sich auf den gesamten Landkreis Peine erstreckt. Der Besuch einer anderen Schule kann nur gestattet werden, wenn der Besuch der zuständigen Schule für die Schülerin, den Schüler oder deren Familie eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG) oder wenn der Besuch der anderen Schule aus pädagogischen Gründen geboten erscheint (§ 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG). Die Regelung dient dem öffentlichen Interesse an einer Beibehaltung der Schulbezirkseinteilung und der damit verbundenen sinnvollen Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die Schulen (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 4; B. v. 31.7.2018 - 2 ME 405/18 -, juris Rn. 25, B. v. 4.9.2015 - 2 ME 252/15 -, juris Rn. 36). Die Norm steht unter der Prämisse des grundsätzlich vorrangigen Wahlrechts der Erziehungsberechtigten und volljährigen Schülerinnen und Schüler (§ 59 Abs. 1 NSchG). Die Pflicht zum Besuch der nach § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG zuständigen Schule besteht nur dann, wenn es sich insoweit um eine Schule der gewählten Schulform handelt und die Schule zugleich den Bildungsgang anbietet, den die Schülerin bzw. der Schüler besuchen möchte (vgl. auch Brockmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 63 Erl. 5; Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 4).

Weder bei dem gymnasialen Angebot noch bei dem zusätzlichen Technikangebot der Wunschschule im Rahmen des Exzellenz-Netzwerks "MINT-Schule" handelt es sich nach derzeitigem Erkenntnisstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit um eine eigene Schulform oder einen eigenen Bildungsgang, weshalb die Erziehungsberechtigten des Antragstellers die Wunschschule nicht bereits in Ausübung des Wahlrechts nach § 59 NSchG frei und unabhängig von einer Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 4 NSchG für ihn wählen können (siehe hierzu unter 1.). Der Antragsteller hat darüber hinaus auch keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG glaubhaft gemacht (siehe hierzu unter 2.).

1. Das den Eltern des Antragstellers nach § 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG eröffnete Wahlrecht ermöglicht ihnen keine Auswahl zwischen der G. in A-Stadt und der Oberschule E., denn bei den besonderen Angeboten der Oberschule E. handelt es sich nicht um eine von der Oberschule ohne entsprechende Angebote abweichende Schulform (siehe hierzu unter a.); es ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Bewertung auch nicht mit - für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung hinreichender - überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Wunschschule in E. wegen des gymnasialen Angebots oder des zusätzlichen Technikangebot einen gegenüber der zuständigen Schule abweichenden, eigenständigen Bildungsgang anbietet (siehe hierzu unter b.).

a. Bei den Schulen G. und Oberschule E. handelt es sich zunächst nicht um Schulen unterschiedlicher Schulformen im Sinne des § 59 Abs. 1 NSchG. Die Schulformen sind in § 5 Abs. 2 NSchG abschließend (Nds. OVG, U. v. 8.1.2014 - 2 LB 364/12-, juris Rn. 43; Nds. OVG, B. v. 14. November 2018 - 2 LC 1768/17-, juris Rn. 22; Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippman, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 59 Erl. 2.1) aufgezählt. § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. d) NSchG benennt allgemein "die Oberschule" ohne eine Differenzierung hinsichtlich weiterer besonderer Angebote dieser Schulform vorzunehmen. Soweit § 10a Abs. 2 und 3 NSchG unterschiedliche Arten von Oberschulen benennt, stellen diese gemäß § 114 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG lediglich schülerbeförderungsrechtlich unterschiedliche Schulformen dar (vgl. ausführlich VG Braunschweig, B. v. 18.8.2022 - 6 B 268/22 -, n. v., S. 7 f. unter Verweis auf Nds. OVG, B. v. 6.6.2019 - 2 LA 1630/17 -, juris).

b. Auch wenn dem beschließenden Gericht im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes eine abschließende Bewertung nicht, sondern nur eine summarische Prüfung möglich ist, ist nicht mit- im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache gebotener- hinreichend hoher überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Wunschschule in E. im Hinblick auf das dort eröffnete gymnasiale Angebot im Sinne von § 10a Abs. 3 Satz 1 NSchG (siehe hierzu unter aa.) bzw. im Hinblick auf das zusätzliche Technikangebot (siehe hierzu unter bb.) gegenüber der zuständigen Schule einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 NSchG anbietet.

Der Begriff des Bildungsgangs, der auch außerhalb der Regelung des § 59 NSchG an verschiedenen Stellen des Gesetzes Erwähnung findet, wird im Niedersächsischen Schulgesetz terminologisch einheitlich verwendet (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 8). Er bezeichnet die Unterform einer Schulform (vgl. Nolte, in: Galas/Krömer/Nolte/Ulrich, NSchG Kommentar, 11. Auflage 2021, § 59 Rn. 2), deren Eigenständigkeit aufgrund besonderer fachlicher, methodischer, didaktischer und/oder pädagogischer Schwerpunktbildung in einem schulischen Angebot, die sich im Allgemeinen - aber nicht immer - zugleich in einer besonderen Gestaltung des Abschlusses auswirkt, festzustellen ist (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris 2. Leitsatz, Rn. 7; U. v. 8.1.2014 - 2 LB 364/12 -, juris Rn. 48).

Nicht jede Besonderheit oder Schwerpunktbildung etwa im Lehrstoff, im Fremdsprachenangebot und/oder in den Lern- und Erziehungsmethoden begründet bereits einen eigenen Bildungsgang (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris 9; U. v. 8.1.2014 - 2 LB 364/12 -, juris Rn. 48 (58), U. v. 25.3.2014 - 2 LB 147/12 -, juris Rn. 43, U. v. 20.12.1995 - 13 L 2013/93 -). In die Bewertung einzubeziehen ist, ob - ausgehend von den gesetzlich festgelegten Bildungszielen, den einschlägigen Schulformerlassen, den schulformbezogenen ergänzenden Bestimmungen und den curricularen Vorgaben - die besondere Ausgestaltung im Lehrstoff und/oder in den Lern- und Erziehungsmethoden der betreffenden Schule die Annahme eines eigenständigen Bildungsgangs rechtfertigt. Sind insoweit keine wesentlichen Unterschiede gegeben, ist ein eigenständiger Bildungsgang nicht im Hinblick auf lediglich ergänzend oder fakultativ angebotene besondere Bildungsangebote einzelner Schulen, soweit sie nur der fachlichen Profilbildung im Rahmen der Schulformerlasse dienen, festzustellen. Denn diese begründen keine weiteren Unterformen der Schulformen, sondern erweitern nur deren Bildungsgänge (Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippman, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 59 Erl. 2.1).

aa. Nach diesem Maßstab spricht nach summarischer Bewertung des beschließenden Gerichts Überwiegendes dafür, dass ein gymnasiales Angebot einer Oberschule im Sinne des § 10a Abs. 3 Satz 1 NSchG keinen eigenständigen Bildungsgang in Abgrenzung gegenüber einer Oberschule ohne gymnasiales Angebot bildet (vgl. ebenso: Littmann, in: Brockmann/Littmann/Schippman, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 59 Erl. 2.1; Ulrich, in: Galas/Krömer/Nolte/Ulrich, NSchG Kommentar, 11. Auflage 2021, § 63 Nr. 3, so auch RdErl. d. MK v. 1.12.2016 - 26 - 83100 - VORIS 22410 - "Ergänzende Bestimmungen zum Rechtsverhältnis zur Schule und zur Schulpflicht, hier: §§ 58 bis 59a, §§ 63 bis 67 und § 70 Niedersächsisches Schulgesetz", Nr. 3.4.3). Es handelt sich insoweit nicht um eine in fachlicher, methodischer, didaktischer und/oder pädagogischer Hinsicht erheblich abweichende Schwerpunktbildung, sondern vielmehr letztlich um eine größeren (mindestens dreizügigen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4 Verordnung für die Organisation der allgemein bildenden Schulen (SchOrgVO) vom 17. Februar 2011 (Nds. GVBl. S. 62)) Oberschulen eröffnete Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler, die nach Beendigung der Oberschule den Übergang auf ein Gymnasium anstreben, gemeinsam in schulzweigspezifischen Klassenverbänden zu unterrichten (vgl. insoweit auch § 10a Abs. 3 Satz 2 NSchG). Feststellbare Unterschiede - beispielsweise im Hinblick auf die ausdrückliche Inbezugnahme der gymnasialen Lernzielvorgaben gemäß § 11 Abs. 1 NSchG in § 10a Abs. 3 Satz 2 NSchG, die geringfügig differierenden Stundentafeln (vgl. Nr. 3.1 des RdErl. d. MK v. 21.5.2017 - 32-81028 - VORIS 22410 - "Die Arbeit in der Oberschule" sowie dessen Anlagen 1 und 2), die Dauer der Lernkontrollen (Nr. 7.5 des Erlasses "Die Arbeit an Oberschulen"), Art und Umfang berufsorientierender Maßnahmen (Nr. 5.6 des Erlasses "Die Arbeit an Oberschulen") - sind in fachlicher, methodischer, didaktischer und pädagogischer Hinsicht geringfügig; hingegen überwiegen die diesbezüglichen Übereinstimmungen, was schon darin zum Ausdruck kommt, dass die Vorgaben des Erlasses "Die Arbeit an Oberschulen" weitgehend und in den wesentlichen Aspekten - beispielsweise in Bezug auf die Aufgaben und Ziele oder die Organisation von Lernprozessen und die Differenzierung und Förderung - in gleicher Weise für Oberschulen mit gymnasialem Angebot gelten wie für solche ohne dieses. Eine nicht nur unwesentlich abweichende Gestaltung des Abschlusses an einer Oberschule mit gymnasialem Angebot zu dem einer Oberschule ohne einen solchen, ist nicht feststellbar (vgl. zu Unterschieden bspw. § 12 Abs. 4 Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemein bildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen (AVO - Sek I) v. 7.4.1994 (Nds. GVBl. S. 197), zuletzt geändert durch Art. 4 VO v. 25.1.2022 (Nds. GVBl. S. 63)). Letztlich kommt hierin zum Ausdruck, dass auch die Oberschule ohne gymnasiales Angebot im Sinne von § 10a Abs. 3 Satz 1 NSchG konzeptionell darauf angelegt ist, Schülerinnen und Schülern, die dies anstreben und hinreichend befähigt sind, in gleicher Weise den Übergang auf ein Gymnasium zu ermöglichen wie die Oberschule mit gymnasialem Angebot.

bb. Nach summarischer Bewertung spricht auch nicht Überwiegendes für die Annahme, dass das von der Oberschule E. vorgehaltene besondere Technikangebot nach den oben dargestellten Grundsätzen einen eigenständigen Bildungsgang begründet. Dem steht nicht entgegen, dass die Oberschule E. - nicht zuletzt im Hinblick auf die, wenngleich auf der Initiative privater Stifungen (vgl. www.mint-schulen.de) beruhende, Zertifizierung als "MINT"-Schule mit Exzellenzcharakter, einen schulischen Schwerpunkt im technischen Bereich haben dürfte. So findet ausweislich der Darstellungen der Oberschule E. auf ihrer Internetpräsenz (Präsentation für Infoabend und "Kurzinfo für Eltern" unter https://www.obs-E..de/category/elternbriefe/, zuletzt abgerufen am 29.8.2022) Technikunterricht in allen Jahrgängen statt. Nach summarischer Gesamtbetrachtung stellt dies jedoch voraussichtlich lediglich ein besonderes Bildungsangebot der Schule dar, da sich das Technikangebot der Oberschule E. nach summarischer Bewertung nicht so wesentlich von der Beschulung an anderen Oberschulen unterscheidet, als dass hierdurch ein eigenständiger Bildungsgang begründet würde. Nach Nr. 2.4 UAbs. 1 Sätze 2 und 3 des Erlasses "Die Arbeit an Oberschulen" bietet die Oberschule im Rahmen ihrer organisatorischen, personellen und sächlichen Möglichkeiten u. a. einen berufspraktischen Schwerpunkt und mindestens eines der Profile Wirtschaft, Technik oder Gesundheit und Soziales an. Nach der Stundentafel I (Anlage 1 zu Nr. 3.1 des Erlasses "Die Arbeit an Oberschulen") wird zwar im Schuljahrgang 5 nicht verpflichtend Technikunterricht an der Oberschule erteilt. In den Folgejahrgängen sieht die Stundentafel I auch keine verbindliche Stundenzahl allein für das Fach Technik vor. Vielmehr sind in den Schuljahrgängen 6, 9 und 10 die Fächer Technik und Hauswirtschaft als Wahlpflichtunterricht zu erteilen. In den Schuljahrgängen 7 und 8 sind für die Fächer Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft zusammen zwei bzw. drei Stunden vorgesehen. Die Gesamtstundenzahl ist mit acht Stunden festgelegt. Hierneben sieht die Stundentafel I wahlfreien Unterricht in allen Schuljahrgängen in Form von Förderunterricht oder Arbeitsgemeinschaften vor, wobei nach dem Erlass "Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung an den allgemein bildenden Schulen" in der jeweils geltenden Fassung die Schulen ein Stundenkontingent zur schuleigenen Schwerpunktsetzung und Gestaltung in den verschiedenen Schuljahrgängen erhalten. Die Lehrerstunden aus diesem Pool dürfen für Differenzierungs- und Fördermaßnahmen sowie für das Angebot von Wahlunterricht und Arbeitsgemeinschaften verwendet werden. Damit sieht bereits der Erlass "Die Arbeit an Oberschulen" die Möglichkeit vor, dass Oberschulen Schwerpunkte im Lehrstoff setzen und so ein ergänzendes besonderes Bildungsangebot vorhalten können, mit dem der Bildungsgang lediglich erweitert und ausgeformt wird, ohne dass dies zugleich zur Bildung weiterer Unterformen der Schulform Oberschule führt. Dass der von der Oberschule E. angebotene Technikunterricht über diese vorgesehene Möglichkeit der Schwerpunktbildung hinaus so wesentlich vom Unterricht anderer Oberschulen abweichen würde, dass die Annahme eines eigenständigen Bildungsgangs gerechtfertigt erscheint, ist nach derzeitiger Sachlage nicht erkennbar. Die "moderne und hochwertige Ausstattung (insbesondere für berufsvorbereitende Thematiken, z. B. Drehbank, Tischlerausstattung, Fräsmaschine)" (https://mint-schulen.de/niedersachsen/schulen/oberschule-E. /, zuletzt abgerufen am 29.8.2022), das Techniklabor, das den Schülerinnen und Schülern - allerdings erst - ab Jahrgang 7 in Wahlpflichtkursen zur Verfügung steht (https://www.obs-E..de/techniklabor/, zuletzt abgerufen am 29.8.2022) und die Verknüpfung der "MINT"-Fächer mit anderen Fachbereichen (https://mint-schulen.de/niedersachsen/schulen/oberschule-E. /, zuletzt abgerufen am 29.8.2022) ergänzen zwar ebenfalls das Technikangebot der Oberschule E., können jedoch nicht zu der Annahme eines eigenen Bildungsgangs führen. Insbesondere lässt sich hieraus nicht erkennen, dass der Lehrstoff an der Oberschule generell in besonderer Weise ausgestaltet und die verwandte Methodik der Wissensvermittlung etwa durch Projekte nach dem Prinzip "Lernen durch Lehren" (https://mint-schulen.de/niedersachsen/schulen/oberschule-E. /, zuletzt abgerufen am 29.8.2022) sich grundlegend von den Lern- und Erziehungsmethode anderer Oberschulen derart unterscheiden würde, als dass hierdurch die Annahme eines eigenen Bildungsgangs gerechtfertigt wäre.

2. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Beschulung an der Oberschule E..

Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 NSchG haben Schülerinnen und Schüler - soweit für Schulen Schulbezirke festgelegt worden sind - diejenige Schule der von ihnen gewählten Schulform zu besuchen, in deren Schulbezirk sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sofern sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.

Diese die Erfüllung der Schulpflicht betreffende Regelung lässt nach dem aus der Verschärfung der Gesetzesvorschrift im 6. Änderungsgesetz zum NSchG erkennbaren Willen des Gesetzgebers nur Ausnahmeentscheidungen zu, die sich an dem Sinn und Zweck dieser Regelungen ausrichten (LT-Drucksache 13/3635 S. 3; Sten. Ber. 7/9963, 7/9965). Die Befugnis des Schulträgers zu bestimmen, an welcher Schule die Schulpflicht zu erfüllen ist, schränkt die Grundrechte der Eltern und Schüler aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und Art. 2 Abs. 1 GG in zulässiger Weise ein. Das vom Gesetzgeber grundsätzlich als vorrangig bewertete Interesse an einer sinnvollen Nutzung der mit öffentlichen Mitteln geschaffenen schulischen Einrichtungen steht dem Interesse des schulpflichtigen Kindes und seiner Eltern gegenüber, die ihren persönlichen Wünschen und familiären Gegebenheiten am besten entsprechende Schule besuchen zu können.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann eine besondere individuelle Ausnahmesituation im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 NSchG nicht bereits dann angenommen werden, wenn aus der Sicht besorgter und um das Wohl ihres Kindes bemühter Eltern respektable Gründe dafür sprechen, den Schulbesuch in einer anderen Schule zu wünschen. Vielmehr liegt sie nur vor, wenn die Nachteile des Besuchs der zuständigen Pflichtschule auch mit Blick auf das vom Gesetzgeber grundsätzlich vorrangig bewertete öffentliche Interesse an der Erfüllung der Schulbezirkseinteilung im Einzelfall wegen einer unzumutbaren Härte (siehe hierzu unter a.) nicht hinnehmbar oder aus pädagogischen Gründen (siehe hierzu unter b.) geboten ist (vgl. für alles Vorstehende: Nds. OVG, B. v. 17.8.2020 - 2 ME 301/20 -, juris Rn. 7 f.; B. v. 20.7.2020 - 2 ME 288/20 -, juris Rn. 7; VG Braunschweig, B. v. 31.7.2020 - 6 B 142/20 -, n. v.). Erforderlich wird damit eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, d.h. des öffentlichen, vom Gesetzgeber als grundsätzlich vorrangig bewerteten Interesses an einer sinnvollen Nutzung der mit öffentlichen Mitteln geschaffenen schulischen Einrichtungen einerseits sowie des Interesses des schulpflichtigen Kindes und seiner Eltern an dem Besuch einer ihren persönlichen und familiären Gegebenheiten am besten entsprechenden Schule andererseits.

a. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass seine Beschulung in der G. eine unzumutbare Härte im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG begründet.

Eine unzumutbare Härte ist erst dann anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall die Nachteile, die eine Schülerin oder ein Schüler beim Besuch der zuständigen Pflichtschule zu erleiden hätte, ungleich schwerer sind als das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der Schulbezirksgrenzen und der damit verbundenen sinnvollen Verteilung der Schüler auf die von einem Schulträger angebotenen Schule (vgl. Nds. OVG, B. v. 20.7.2020 - 2 ME 288/22 -, juris Rn. 7). Die Annahme einer unzumutbaren Härte muss sich aus der besonderen Situation des Einzelfalls ergeben, die es schließlich rechtfertigt, dem sich hierauf berufenden Schüler und/oder seinen Erziehungsberechtigten im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an der Beachtung der Schulbezirkseinteilung ausnahmsweise eine Sonderstellung einzuräumen (vgl. Nds. OVG, B. v. 2.8.2018 - 2 ME 432/18 -, juris Rn. 4 m. w. N.).

Der Antragsteller beruft sich in diesem Zusammenhang auf seinen Freundeskreis im Einzugsgebiet der Oberschule E., auf die Entfernung der G. in A-Stadt sowohl vom Wohnort als auch von der Nachmittagsbetreuung in H., auf die Notwendigkeit der dortigen Nachmittagsbetreuung infolge der Krebserkrankung seines Großvaters und die fehlende Busverbindung zwischen H. und der Oberschule G., auf die Sensibilität, Unsicherheit und Unruhe, mit der er auf die Scheidung seiner Eltern reagiert habe, auf die Auseinandersetzung seiner Eltern in Bezug auf die zu wählende Schulform sowie auf den vermeidbaren weiteren Schulwechsel und die damit verbundene erforderliche Stabilität des Umfeldes bei einem späteren Besuch des gymnasialen Zweiges. Hierbei handelt es sich zwar um belastende Faktoren. Zu einer Anerkennung einer unzumutbaren Härte im Fall des Besuchs der Pflichtschule führen diese jedoch nicht.

Eine unzumutbare Härte im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG folgt nicht daraus, dass der Freundeskreis des Antragstellers im Einzugsbereich der Wunschschule liegt (so auch: Ulrich, in: Galas/Krömer/Nolte/Ulrich, NSchG Kommentar, 11. Auflage 2021, § 63, Seite 585 m. w. N.; Brockmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 63 Erl. 5.2.1). Mit dem Wechsel von der Grundschule zu einer weiterführenden Schule ist typischerweise ein Verlassen des Klassenverbandes verbunden und die Schülerinnen und Schüler müssen sich bereits mit Blick auf die von ihnen wählbaren unterschiedlichen Schulformen auf neue Klassen einstellen. Damit geht zwangsläufig auch eine Trennung von bisherigen Schulfreunden zumindest während der Unterrichtszeit einher. Es ist kein Grund ersichtlich, warum es dem Antragsteller nicht möglich sein sollte, sich einerseits an der G. zu integrieren und dort neue weitere Freunde zu finden und andererseits weiterhin in seiner Freizeit Kontakt zu seinem bestehenden Freundeskreis zu halten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Sensibilität, Unsicherheit und Unruhe des Antragstellers, mit denen er auf die Scheidung seiner Eltern reagiert hat. Selbst unter Außerachtlassung der fehlenden Glaubhaftmachung dieser Darstellung und der Angabe, dass sich seine psychische Situation momentan verbessert habe, ist trotz der schwierigen familiären Situation auch aufgrund der schweren Krebserkrankung des Großvaters eine dringende Notwendigkeit, das Umfeld des Antragstellers durch eine gemeinsame Beschulung mit seinem Freundeskreis weitgehend stabil zu halten, nicht zu erkennen.

Ebenso stellt ein eventuell weiterer Schulwechsel etwa zur siebten Klasse keine unzumutbare Härte im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG dar. Ein solcher weiterer Schulwechsel stellt gerade keine atypischen Umstände dar und ist grundsätzlich zumutbar (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 15). Zum einen lässt sich darüber hinaus derzeit eine verlässliche Prognose, dass der Antragsteller tatsächlich das gymnasiale Angebot ab der siebten Klasse besuchen werden wird, nicht erstellen. Zum anderen sind Schulwechsel immanenter Bestandteil der schulischen Laufbahn eines jeden Schülers und damit nach Wertung des Niedersächsischen Schulgesetzes ein normaler Weg. Von Schülern kann eine erfolgreiche Umorientierung in aller Regel erwartet werden. Dies gilt gleichermaßen für den Antragsteller und unter Berücksichtigung der besonderen familiären Verhältnisse.

Der Antragsteller hat im Hinblick auf die Entfernung seines Wohnorts zur G. in A-Stadt keine unzumutbare Härte wegen eines zu langen Schulwegs glaubhaft gemacht. Eine solche ist insbesondere nicht bereits dann anzunehmen, wenn die Wunschschule näher am Wohnort liegt als die zuständige Schule. Vielmehr ist eine unzumutbare Härte erst dann anzunehmen, wenn bei einem Besuch der zuständigen Schule die Grenze der zumutbaren körperlichen Belastung überschritten wird (Brockmann, in: Brockmann/Littmann/Schippmann, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 63 Erl. 5.2.1). Der Schulweg zur G. in A-Stadt beträgt nach unbestrittenen Angaben des Antragstellers 7,4 km. § 3 Abs. 1 lit. c) der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreises Peine in der Fassung vom 1. August 2020 geht für Schüler der fünften und sechsten Schuljahrgänge von zumutbaren Schulwegzeiten von bis zu 60 Minuten pro Schulweg in eine Richtung aus. Diese Regelung der Satzung ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, welches Zeiten von bis zu 60 Minuten für den reinen Schulweg für Schüler der fünften und sechsten Schuljahrgänge für zumutbar erachtet (vgl. Nds. OVG, B. v. 24.1.2017 - 2 ME 240/16 -, juris Rn. 10), nicht zu beanstanden. Dass der Schulweg in eine Richtung längere Zeit als 60 Minuten in Anspruch nehmen würde, hat der Antragsteller bereits nicht vorgetragen. Vielmehr geht er selbst davon aus, dass der Schulweg unter Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel etwa 40 Minuten in Anspruch nimmt.

Eine unzumutbare Härte im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 NSchG folgt auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, dass die bisherige Nachmittagsbetreuung bei einer Freundin der Mutter in H. 15 km von der G. in A-Stadt entfernt sei und eine Busverbindung nicht existiere. Insofern haben die Antragsteller bereits die Notwendigkeit der Wahrnehmung dieser Betreuungsmöglichkeit nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass die von der Mutter des Antragstellers übernommene Betreuung und Pflege des schwer an Krebs erkrankten Großvaters einen erheblichen zeitlichen Aufwand neben ihrer Teilzeitbeschäftigung beansprucht. Gleichwohl ist allein unter Berücksichtigung des Alters des Antragstellers, der im Oktober elf Jahre alt wird und damit zunehmend selbständiger wird, des Umstandes, dass es sich auch bei der G. in A-Stadt um eine teilgebundene Ganztagsschule handelt, und der längeren Schulwegzeiten für das Gericht nicht zu erkennen, dass die Betreuung des Antragstellers bei Wegfall der Betreuungsmöglichkeit in H. nicht in dem altersentsprechen erforderlichen Umfang gewährleistet werden könnte, zumal der Vater des Klägers zwar in Vollzeit, jedoch im Schichtsystem bei der Feuerwehr tätig ist und es ihm damit möglich sein dürfte, den Antragsteller zumindest gelegentlich ebenfalls am Nachmittag zu betreuen.

Eine unzumutbare Härte im Sinne der Norm ergibt sich auch nicht etwa aus der "intensiven Auseinandersetzung" der Eltern des Antragstellers in Bezug auf die von ihm zu besuchende Schulform. Diese Streitigkeit der geschiedenen Eltern des Antragstellers stellt keine derart besondere Situation dar, die eine Sonderstellung des Antragstellers und seiner Eltern im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an der Beachtung der Schulbezirkseinteilung rechtfertigen könnte. Eine andere Einschätzung folgt nicht unter Berücksichtigung der oben dargestellten Schwierigkeiten des Antragstellers und den familiären Belastungen, da eine dringende Notwendigkeit, das den Antragsteller bisher stützende stabile Umfeld im Einzugsgebiet der Oberschule E. durch den Besuch eben dieser Schule fortzusetzen, nicht erkennbar ist. Eine solche Notwendigkeit lässt sich auch nicht etwa der Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Baumann vom 13. Juni 2022 entnehmen. Ärztliche Atteste können nur dann eine unzumutbare Härte belegen, wenn sich aus ihnen nachvollziehbar ergibt, dass beim Besuch der zuständigen Schule eine (psychische) Erkrankung des Kindes oder eine Verstärkung einer (psychischen) Erkrankung zu befürchten ist, die den Besuch einer anderen Schule als der zuständigen Schule erforderlich macht, der also durch andere Maßnahmen nicht hinreichend begegnet werden kann (vgl. VG Braunschweig, B. v. 28.8.2019 - 6 B 182/19 -, n. v.; Ulrich, in: Galas/Krömer/Nolte/Ulrich, NSchG Kommentar, 11. Auflage 2021, § 63 Rn 4). Der fachärztlichen Stellungnahme vom 13. Juni 2022 lassen sich jedoch nicht einmal Anhaltspunkte für das Hervorrufen oder Verstärken einer psychischen Krankheit durch eine Beschulung des Antragstellersellers an der G. in A-Stadt entnehmen. Aus dem Schreiben vom 13. Juni 2022 geht vielmehr hervor, dass zum Zeitpunkt der Diagnostik keine Hinweise auf ein kinder- und jugendpsychiatrisches Störungsbild vorlägen. Die Durchführung der Lese-Rechtsreibdiagnostik habe ein unauffälliges Ergebnis ergeben. Der Antragsteller habe gut und konzentriert mitgearbeitet.

b. Das Vorliegen pädagogischer Gründe im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Pädagogische Gründe können vorliegen, wenn die pädagogischen Nachteile, die eine Schülerin bzw. ein Schüler bei dem Besuch der zuständigen Pflichtschule zu erleiden hätte, ungleich schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an einer sinnvollen Verteilung der Schülerströme auf die nach dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständige Schule (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 12; B. v. 20.8.2012 - 2 ME 343/12 -, juris Rn. 6 m. w. N.). Dafür müssen atypische Umstände gegeben sein, die deutlich über die Belastungen hinausgehen, die regelmäßig mit dem Besuch der Pflichtschule verbunden sind und bei deren Vorliegen es den auf den Normalfall bezogenen Leitvorstellungen des Gesetzgebers nicht mehr entspräche, die betroffene Schülerin bzw. den betroffenen Schüler der zuständigen Pflichtschule zuzuweisen; diese Umstände müssen zugleich den Besuch der Wunschschule gebieten (vgl. auch Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 12; B. v. 31.7.2018 - 2 ME 405/18 - juris Rn. 24, v. 4.9.2015 - 2 ME 252/15 -, juris Rn. 36 und v. 20.8.2012 - 2 ME 343/12 -, juris Rn. 6).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der Vortrag des Antragstellers, er könnte sich an der Oberschule E. in seinem Tempo entwickeln, seine Stärken in einem ruhigen, entspannten Lernumfeld für sich entdecken und darin gefördert werden, da er dort in den Klassen 5 und 6 in einer konstanten Lerngruppe bliebe und bei einem Wechsel in den gymnasialen Zweig, der von Klasse 7 bis 10 möglich sei, die Mitschüler und Mitschülerinnen des Jahrgangs bereits alle sehr gut kennen werde, stellt keine pädagogischen Gründe im Sinne von § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG dar. Zum einen ist durch den Besuch der G. in A-Stadt ein späterer Schulwechsel mit dem Ziel der Erlangung des Abiturs nicht ausgeschlossen, sodass dem Antragsteller nicht etwa Bildungschancen abgeschnitten würden. Zum anderen ist, wie bereits oben dargestellt, ein weiterer Schulwechsel als der Schullaufbahn immanenter Bestandteil auch grundsätzlich zumutbar, wobei die Umstände des vorliegenden Einzelfalls nicht derart atypisch wären, dass diese den Besuch der Wunschschule gebieten würden (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen unter 2. a.). Insbesondere ist hierbei nicht erkennbar, dass nicht beide Schulen über pädagogisch qualifiziertes Personal verfügen würden, welches jedenfalls im vergleichbaren Maße befähigt ist, auch unabhängig von einer etwaigen späteren Differenzierung in dem lediglich von der Oberschule E. angebotenen gymnasialen Zweig ein stabiles, verlässliches Umfeld für den Antragsteller zu gewährleisten, damit sich dieser entwickeln und seine Stärken entdecken kann.

Auch der weitere Vortrag des Antragstellers, dass er eine ausgeprägte Affinität zu den "MINT"-Fächern habe, ihm insbesondere die Bereiche Mathematik sowie technisches Denken und handwerkliche Tätigkeiten sehr viel Spaß machen und sein Selbstwertgefühl stärken würden und er den Computer auch als Arbeitsgerät nutze, indem er kleinere Formen der Programmierung versuche, weshalb der Besuch der Oberschule E., die als "MINT"-Schule zertifiziert ist und deren Klassen im gymnasialen Bereich zugleich Tabletklassen seien, rechtfertigt nicht die Annahme eines pädagogischen Grundes. Zwar kann der Wunsch, eine Schule mit besonderem technischen Schwerpunkt zu besuchen, im Einzelfall einen pädagogischen Grund darstellen (Brockmann, in: Brockmann/Littmann/Schippman, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 63 Erl. 5.2.2). Dies setzt jedoch zusätzlich zu einem Angebot individuelle Gründe, die jeweils in der Person der Schülerin oder des Schülers vorliegen, voraus (Nds. OVG, B. v. 7.9.2004 - 13 ME 386/04 -, juris Rn. 6; Brockmann, in: Brockmann/Littmann/Schippman, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 63 Erl. 5.2.2). Vorliegend fehlt es bereits an einer Glaubhaftmachung der geltend gemachten individuellen Gründe. Es ist nach derzeitiger Erkenntnislage für das Gericht nicht hinreichend erkennbar, dass die Unterschiede im technischen Bereich, der gemäß der Stundentafel I zumindest ab Klasse 6 auch an der G. in A-Stadt zu lehren ist, derart gravierend sind, dass ein Besuch der OBS E. aus pädagogischen Gründen geboten erscheint. Zudem ist derzeit noch nicht absehbar, ob der zehnjährige Antragsteller die erst ab Klasse 7 mögliche Nutzung des Techniklabors für sich in Anspruch nehmen und seine Wahlpflichtkurse in zwei Jahren entsprechend wählen wird. Es kann nicht vorausgesagt werden, welche persönliche und schulische Situation in zwei Jahren bestehen wird (vgl. in Bezug auf eine dritte Fremdspräche in Klasse 8 bereits bei Aufnahme in die 5. Klasse Nds. OVG, B. v. 21.11.2018 - 2 ME 512/18 -, juris Rn. 13; Brockmann, in: in: Brockmann/Littmann/Schippman, NSchG, Kommentar, Stand Oktober 2021, § 63 Erl. 5.2.2 m. w. N.). Dies gilt gleichermaßen im Hinblick auf den Besuch von Tabletklassen im gymnasialen Bereich. Zudem ist angesichts der laufend voranschreitenden Digitalisierung der Schulen insofern nicht vorhersehbar, ob auch an der G. A-Stadt oder einer anderen vom Antragsteller möglicherweise ab der 7. Klassen besuchten Schule künftig Tabletklassen eingeführt werden. Ferner handelt es sich hierbei im Wesentlichen um schulische Ausstattungsmerkmale, die für sich genommen keinen pädagogischen Grund darstellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Für das auf eine vorläufige Entscheidung gerichtete Eilverfahren ist der im Hauptsacheverfahren anzusetzende Auffangwert nach ständiger Rechtsprechung der Kammer und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zu halbieren (vgl. Nrn. 38.4 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ-Beilage 2013, 57 ff., sowie Nds. OVG, B. v. 2.8.2018 - 2 ME 432/18 -, juris Rn. 10).