Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.02.2000, Az.: 2 M 172/00

Anlassbeurteilung; Auswahlentscheidung; Beurteilung; Bewerbungsverfahrensanspruch; dokumentierte Leistungssteigerung; Regelbeurteilung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.02.2000
Aktenzeichen
2 M 172/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41526
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 2 B 6346/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der Auswahlentscheidung sind nicht nur die letzten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber zu berücksichtigen, sondern zusätzlich auch alle nachprüfbaren Angaben, die sich auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung beziehen und aus denen sich das aktuelle Leistungsbild der Bewerber ergibt.

2. Die Angaben zum Leistungsstand der Bewerber sind nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie in schriftlicher Form dokumentiert sind. Es kann vielmehr im Einzelfall ausreichen, wenn eine Leistungssteigerung dargelegt und glaubhaft gemacht worden ist.

Gründe

1

Durch Beschluss vom 21. Dezember 1999 hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Ablauf eines Monats, nachdem über den Widerspruch der Antragstellerin entschieden worden ist, untersagt, den Beigeladenen unter Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 zum Kriminalhauptkommissar zu befördern.

2

Die gegen den Beschluss vom 21. Dezember 1999 gerichteten Anträge des Antragsgegners und des Beigeladenen auf Zulassung der Beschwerde sind nicht begründet. Denn die von dem Antragsgegner und dem Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

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1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind entgegen der Ansicht des Antragsgegners und des Beigeladenen nicht erfüllt.

4

Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Derartige Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus den Zulassungsanträgen des Antragsgegners und des Beigeladenen nicht.

5

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat. Denn die von dem Antragsgegner zu Gunsten des Beigeladenen getroffene und der Antragstellerin mit Schreiben vom 1. Dezember 1999 mitgeteilte Auswahlentscheidung ist rechtsfehlerhaft.

6

Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners unterliegt als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder Richtlinien verstoßen hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2000 - 2 M 4517/99 -; Beschl. v. 11.08.1995 - 5 M 2742/95 - m.w.N.).

7

Die Ermessensausübung des Dienstherrn bei der Entscheidung über die Übertragung eines Dienstpostens und bei der Beförderungsauswahl hat sich an dem sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 BRRG und § 8 Abs. 1 NBG ergebenden Leistungsgrundsatz als dem entscheidenden Auswahlkriterium zu orientieren. Grundlage des Leistungsvergleichs bei der Auswahlentscheidung sind in erster Linie die letzten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber. Zusätzlich sind jedoch auch alle nachprüfbaren Angaben zu berücksichtigen, die sich auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung beziehen und aus denen sich das aktuelle Leistungsbild der Bewerber ergibt. Denn der Dienstherr muss seiner Auswahlentscheidung einen vollständigen Sachverhalt zugrunde legen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2000, aaO). Insoweit können auch andere Gesichtspunkte Bedeutung erlangen, und zwar insbesondere dann, wenn die Ergebnisse der dienstlichen Beurteilungen verschiedener Bewerber nicht wesentlich voneinander abweichen. Es bleibt dann grundsätzlich der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, zwischen mehreren möglichen und den Leistungsgrundsatz wahrenden Auswahlkriterien zu wählen, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.11.1993 - BVerwG 2 ER 301.93 -, DVBl. 1994, 118; Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2000, aaO; Beschl. v. 18.11.1999 - 5 M 2989/99 -; Beschl. v. 10.05.1999 - 2 M 1679/99 -).

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Der Leistungsgrundsatz und der Grundsatz der Chancengleichheit gebieten es, der Auswahlentscheidung zeitnahe Beurteilungen der Bewerber zugrunde zu legen und seit der letzten Beurteilung dokumentierte Leistungssteigerungen zu berücksichtigen. Unter welchen Voraussetzungen zurückliegende Regelbeurteilungen nach diesem Maßstab noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung darstellen, lässt sich nicht generalisierend, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantworten. Dabei können diese Umstände eine erneute aus Anlass der Bewerbung zu erstellende Beurteilung auch dann gebieten, wenn Beurteilungsrichtlinien wie die hier maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien für den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen vom 4. Januar 1996 (- BRLPol -, Nds. MBl. S. 169) eine Anlassbeurteilung grundsätzlich nicht vorsehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.11.1999, aaO; Beschl. v. 05.08.1999 - 2 M 2045/99 -). Eine starre Grenze, bei der die erforderliche Aktualität einer Beurteilung verloren geht, lässt sich nicht generell festlegen. Je länger der Beurteilungszeitraum allerdings zurückliegt und je kürzer er ist, umso eher besteht die Gefahr, dass die betreffende Beurteilung keine hinreichende Aussagekraft mehr für den Vergleich der miteinander konkurrierenden Bewerber hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 05.08.1999, aaO).

9

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsgegner, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, angesichts der hier maßgeblichen Einzelfallumstände seiner Auswahlentscheidung nicht die letzte Regelbeurteilung der Antragstellerin vom 1. Juni 1997 zugrunde legen dürfen.

10

Es kann offen bleiben, ob der Umstand, dass der Stichtag der genannten Regelbeurteilung der Antragstellerin, nämlich der 1. Juni 1997, im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung des Antragsgegners (Dezember 1999) 2 1/2 Jahre zurücklag, allein schon ausreicht, die Verlässlichkeit der Beurteilung als Grundlage der Auswahlentscheidung in Frage zu stellen (vgl. zu dieser Problematik auch Nds. OVG, Beschl. v. 19.01.2000 - 5 M 3424/99 -; Beschl. v. 18.11.1999, aaO; Beschl. v. 11.11.1999 - 5 M 3912/99 -; Beschl. v. 05.08.1999, aaO; Beschl. v. 18.03.1999 - 5 M 4824/98 -). Denn die zu diesem Zeitablauf noch hinzutretenden weiteren besonderen Umstände dieses Einzelfalles gebieten es, für die Antragstellerin eine neue Beurteilung zu erstellen, weil die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Regelbeurteilung der Antragstellerin vom 1. Juni 1997 eine verlässliche Bewertung ihrer Qualifikation nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung nicht mehr ermöglicht.

11

Es ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin seit der letzten Regelbeurteilung, die sich auf den Zeitraum vom 1. März 1996 bis zum 31. Mai 1997 bezieht, während dessen ihr der Dienstposten "Fachlehrerin im Aufgabenfeld 14.5 - Datenverarbeitung -" übertragen war, auf zwei anderen Dienstposten eingesetzt war. Sie war mit Wirkung vom 1. Dezember 1997 auf dem Dienstposten einer "Fortbilderin im Aufgabenfeld FEM/Technik" bei dem Antragsgegner tätig. Seit Juli 1998 ist sie auf dem Dienstposten einer "Fachlehrerin im Fortbildungsfeld FEM/Technik" bei dem Antragsgegner eingesetzt (vgl. zur Berücksichtigung von Veränderungen des Tätigkeitsbereichs seit der letzten Regelbeurteilung Nds. OVG, Beschl. v. 19.01.2000, aaO; Beschl. v. 11.11.1999, aaO).

12

Zum anderen sind die Gespräche zu berücksichtigen, die die Antragstellerin in den vergangenen beiden Jahren mit dem für sie zuständigen Erstbeurteiler, Polizeioberrat H., bezüglich ihres Leistungsstandes geführt hat. Die Antragstellerin hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 14. Dezember 1999 vorgetragen, Polizeioberrat H. habe ihr im Sommer 1999 im Rahmen eines Personalgesprächs mitgeteilt, dass im Falle einer Neubeurteilung aufgrund einer festgestellten kontinuierlichen Leistungssteigerung eine Anhebung in die Wertungsstufe 5 in Betracht kommen würde. Während eines am 14. Dezember 1999 mit Polizeioberrat H. geführten weiteren Personalgesprächs habe dieser erklärt, dass im Falle einer Neubeurteilung eine Anhebung ihrer Beurteilung auf die Wertungsstufe 5 erfolgen würde, da sie seit der letzten Beurteilung eine entsprechende Leistungssteigerung aufzuweisen habe. Polizeioberrat H. hat hierzu am 17. Dezember 1999 schriftlich dargelegt, er habe am 12. Juni 1998 die hervorragenden Leistungen der Antragstellerin gelobt und dabei auch in Aussicht gestellt, dass zukünftig bei gleichbleibenden Leistungen durchaus aus seiner Sicht des Erstbeurteilers die Wertungsstufe 5 vergeben werden könne. Es sei dabei selbstverständlich auch deutlich gemacht worden, dass das normale Verfahren hinsichtlich Ranking und Beteiligung des Zweitbeurteilers berücksichtigt werden müsse. Am 14. Dezember 1999 sei er von der Antragstellerin kurz befragt worden, ob er sich an dieses Gespräch im Sommer 1999 erinnern könne. Das habe er bejaht. Allerdings sei er bei genauer Prüfung des Vorgangs zu der Überzeugung gekommen, dass das Gespräch im Sommer 1998 stattgefunden habe. Spezielle inhaltliche Dinge seien am 14. Dezember 1999 nicht mehr angesprochen worden.

13

Es ist, wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, unerheblich, ob sich Polizeioberrat H. im Juni 1998 oder im Sommer 1999 in der in seiner Stellungnahme vom 17. Dezember 1999 geschilderten Weise zu den dienstlichen Leistungen der Antragstellerin geäußert hat. Denn von ausschlaggebender Bedeutung ist, dass Polizeioberrat H. die dienstlichen Leistungen der Antragstellerin unstreitig als hervorragend bezeichnet und ihr in Aussicht gestellt hat, dass sie aus seiner Sicht des Erstbeurteilers bei gleichbleibenden Leistungen die Wertungsstufe 5 erhalten könnte. Im Hinblick auf diese Äußerung und angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin seit der letzten Regelbeurteilung vom 1. Juni 1997 auf zwei anderen Dienstposten eingesetzt war, besteht ein konkreter Anlass zur Überprüfung in einem Beurteilungsverfahren, ob seit der letzten Regelbeurteilung eine Leistungssteigerung stattgefunden hat (vgl. zu ähnlichen Fallkonstellationen Nds. OVG, Beschl. v. 19.01.2000, aaO; Beschl. v. 11.11.1999, aaO).

14

Der Antragsgegner und der Beigeladene können demgegenüber nicht mit Erfolg geltend machen, die Äußerung des Polizeioberrates H. sei nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht nach Maßgabe der in den Beurteilungsrichtlinien vom 4. Januar 1996 (aaO) enthaltenen Bestimmungen dokumentiert worden sei und auch keine Abstimmung mit dem Zweitbeurteiler stattgefunden habe.

15

Wie bereits dargelegt wurde, sind bei der Auswahlentscheidung nicht nur die letzten dienstlichen Beurteilungen der Bewerber zu berücksichtigen, sondern zusätzlich auch alle nachprüfbaren Angaben, die sich auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung beziehen und aus denen sich das aktuelle Leistungsbild der Bewerber ergibt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2000, aaO). Die Angaben zum Leistungsstand der Bewerber sind nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie in schriftlicher Form dokumentiert sind, z.B. in einer Gesprächsnotiz im Sinne der Nr. 13.2 Abs. 5 BRLPol. Es kann vielmehr, wie im vorliegenden Fall, ausreichen, wenn eine Leistungssteigerung dargelegt und mit einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht worden ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.01.2000, aaO).

16

Der Umstand, dass Polizeioberrat H. es unterlassen hat, seine Einschätzung des Leistungsstandes der Antragstellerin nach dem in den Beurteilungsrichtlinien vom 4. Januar 1996 (aaO) vorgesehenen Verfahren mit dem Zweitbeurteiler abzustimmen und das in den Beurteilungsrichtlinien vorgegebene Richtwertesystem zu beachten, ist unerheblich. Die Beachtung von Richtwerten und die Durchführung von Beurteilerkonferenzen ist nach Nr. 11 und 12 BRLPol nur für die Erstellung von Regelbeurteilungen vorgesehen. Vor der Erstellung von Anlassbeurteilungen ist dieser zusätzliche Aufwand nicht erforderlich (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.01.2000, aaO; Beschl. v. 11.11.1999, aaO).

17

Auch der Einwand des Antragsgegners, das mit Polizeioberrat H. geführte Gespräch habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem die Antragstellerin auf einem nach der Besoldungsgruppe A 10 bewerteten Dienstposten tätig gewesen sei, vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses zu begründen. Von maßgeblicher Bedeutung ist, dass Polizeioberrat H. die Leistungen der Antragstellerin im Juni 1998 unstreitig als hervorragend bezeichnet und ihr in Aussicht gestellt hat, dass sie aus seiner Sicht des Erstbeurteilers bei gleichbleibenden Leistungen die Wertungsstufe 5 erhalten könnte. Angesichts dieser Äußerung und der Tatsache, dass die Antragstellerin nur kurz darauf, nämlich im Juli 1998, mit der Wahrnehmung eines nach der Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Dienstpostens betraut worden ist, ist es geboten, für die Antragstellerin eine Anlassbeurteilung zu erstellen.

18

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses ergeben sich schließlich auch nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners, es verstoße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, wenn lediglich die Leistungsentwicklung der Antragstellerin seit der letzten Regelbeurteilung berücksichtigt werde, nicht jedoch die weitere Leistungsentwicklung des Beigeladenen und der übrigen Bewerber. Sofern auch der Beigeladene und die anderen Bewerber Leistungssteigerungen seit ihrer letzten Regelbeurteilung dargelegt und glaubhaft gemacht haben sollten, ist es geboten, vor der Auswahlentscheidung auch für diese Beamten Anlassbeurteilungen zu erstellen.

19

Es besteht auch die realistische, nicht nur entfernte Möglichkeit, dass die Antragstellerin bei Vermeidung des vorstehend dargestellten Rechtsfehlers (Fehlen einer zeitnahen dienstlichen Beurteilung) ausgewählt wird (vgl. zu diesem Erfordernis im Einzelnen Nds. OVG, Beschl. v. 18.03.1999, aaO; ebenso Beschl. v. 09.02.2000, aaO; Beschl. v. 03.12.1999 - 2 M 3363/99 -; Beschl. v. 05.08.1999, aaO). Ob eine solche Situation gegeben ist, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.02.2000, aaO; Beschl. v. 05.08.1999, aaO).

20

Nach dem zurzeit überschaubaren Sachverhalt kann nicht verlässlich beurteilt werden, ob die Antragstellerin, die in der letzten Regelbeurteilung die Wertungsstufe 4 erhalten hat, während der Beigeladene in seiner letzten Regelbeurteilung die Wertungsstufe 5 erzielt hat, in der neu zu erstellenden Beurteilung eine höhere Wertungsstufe als der Beigeladene erreichen kann.

21

Es besteht jedoch die realistische Möglichkeit, dass die Antragstellerin im Vergleich zu dem Beigeladenen eine zumindest im Wesentlichen gleiche Beurteilung erhalten kann. Denn die Antragstellerin hat, wie bereits ausgeführt wurde, eine entsprechende Leistungssteigerung seit ihrer letzten Regelbeurteilung vom 1. Juni 1997 dargelegt und glaubhaft gemacht.

22

In Fällen, in denen die gleiche Wertungsstufe zuerkannt wird, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der Dienstvereinbarung vom 1. September 1998 über die "Kriterien zur Erstellung von Orientierungslisten zur Vorbereitung von Beförderungsauswahlentscheidungen von Polizeivollzugsbeamten bei dem Bildungsinstitut der Polizei Niedersachsen", die der Antragsgegner seiner Auswahlentscheidung zugrunde gelegt hat, für die Besoldungsgruppen A 10 bis 12 die unter 2.1.2.2 der Dienstvereinbarung genannten Kriterien in der dortigen Reihenfolge als Hilfskriterien heranzuziehen. Danach würde angesichts des Umstandes, dass sowohl die Antragstellerin als auch der Beigeladene  auf Dienstposten tätig sind, die nach der Besoldungsgruppe A 11 bewertet sind, das Polizeidienstalter im gehobenen Dienst ausschlaggebend sein. Danach wäre das Rangdienstalter maßgeblich. Bezüglich beider Hilfskriterien wäre die Antragstellerin dem Beigeladenen vorzuziehen, da sie 8 Jahre länger im gehobenen Dienst tätig ist und nahezu 10 Jahre vor dem Beigeladenen zur Kriminaloberkommissarin befördert worden ist. Zwar können nach Nr. 3.1 Abs. 3 der Dienstvereinbarung in besonders gelagerten Fällen davon abweichende Beförderungsentscheidungen getroffen werden. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass eine dienstliche Beurteilung der Antragstellerin, die die Zeit vom 1. Juni 1997 bis zur Auswahlentscheidung im Dezember 1999 einbezieht, zu einer Auswahl der Antragstellerin führen kann. Denn in welcher Weise der Antragsgegner sein Auswahlermessen unter Berücksichtigung der nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen erneuten dienstlichen Beurteilung ausüben wird, ist gegenwärtig nicht feststellbar.

23

2. Die von dem Antragsgegner erhobene Divergenzrüge (§ 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

24

Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschriften ist gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgestellt hat, der mit einem ebensolchen Grundsatz in einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeführten Gerichte nicht übereinstimmt. Ein solcher Grundsatz, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, muss zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen sein; er muss sich aber aus der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich ergeben. Eine Divergenz liegt dagegen nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht einen im Einzelfall nicht in Frage gestellten Grundsatz stillschweigend übergeht, nicht hinreichend anwendet, außer acht lässt oder (rechtsfehlerhaft) für nicht anwendbar erachtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.03.1988 - BVerwG 7 B 46.88 -, Buchholz 310 § 132 Nr. 260; Beschl. v. 10.07.1995 - BVerwG 9 B 18.95 -, InfAuslR 1996, 29 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 17.11.1999 - 2 M 4373/99 -).

25

Nach diesem Maßstab liegt eine Divergenz zwischen dem angefochtenen Beschluss und dem im Zulassungsantrag des Antragsgegners bezeichneten Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 (aaO) nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung vielmehr, wie die Entscheidungsgründe zeigen, den in der vorstehend genannten Entscheidung des beschließenden Gerichts aufgestellten Grundsatz, dass es geboten ist, einer Auswahlentscheidung zeitnahe und aktuelle Beurteilungen aller Bewerber zugrunde zu legen und seit der letzten dienstlichen Beurteilung dokumentierte Leistungssteigerungen zu berücksichtigen, zugrunde gelegt. Mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft im Falle der Antragstellerin das Vorliegen einer dokumentierten Leistungssteigerung angenommen, hat der Antragsgegner keinen entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz bezeichnet, den das Verwaltungsgericht in Abweichung von dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. März 1999 (aaO) aufgestellt hat. Der Antragsgegner rügt vielmehr eine fehlerhafte Anwendung des in der genannten Entscheidung aufgezeigten Grundsatzes. Schon aus diesem Grund kann daher die Divergenzrüge keinen Erfolg haben.

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3. Schließlich sind auch nicht die Voraussetzungen des von dem Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erfüllt.

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Das Verwaltungsgericht hat allerdings dadurch, dass es dem Beigeladenen die Antragsschrift der Antragstellerin vom 15. Dezember 1999 zusammen mit dem angefochtenen Beschluss übersandt hat, ohne ihm zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben, gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Denn ein besonderer Grund, der es hätte rechtfertigen können, dem Beigeladenen nicht die Möglichkeit einzuräumen, kurzfristig zu dem Antrag Stellung zu nehmen, lag nicht vor. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner dem Verwaltungsgericht ausweislich des richterlichen Vermerks vom 17. Dezember 1999 telefonisch zugesagt hatte, den Beigeladenen vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu befördern.

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Der Zulassungsgrund des § 146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO setzt jedoch die Rechtserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels voraus. Die angefochtene Entscheidung muss auf dem Verfahrensmangel beruhen können (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.11.1997 - 2 L 4173/97 -). Das ist hier nicht der Fall. Der Beigeladene hat mit seinem Zulassungsantrag zwar dargelegt, was er vorgetragen hätte, wenn ihm im erstinstanzlichen Verfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre. Sein Vorbringen entspricht jedoch dem erstinstanzlichen Vorbringen des Antragsgegners, das das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht ohne den Rechtsverstoß eine für den Beigeladenen günstigere Entscheidung getroffen hätte.