Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.02.2000, Az.: 9 L 313/00
Anwalt; Anwaltsverschulden; Fristenkontrolle; Fristversäumung; Hilfsperson; Rechtsanwalt; Rechtsmittelbegründungsfrist; Sorgfaltspflicht; Verschulden; Wiedereinsetzung; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Zurechnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.02.2000
- Aktenzeichen
- 9 L 313/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41961
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 24.11.1999 - AZ: 1 A 2245/97
Rechtsgrundlagen
- § 60 VwGO
Gründe
Der Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Der Zulassungsantrag ist unzulässig und daher zu verwerfen, da der am 17. Januar 2000 beim Verwaltungsgericht eingegangene Zulassungsantrag des Klägers nicht innerhalb der Monatsfrist des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO gestellt worden ist. Dem Kläger ist das angegriffene Urteil vom 24. November 1999 nach der zu den Gerichtsakten genommenen Postzustellungsurkunde am 10. Dezember 1999 durch Niederlegung zugestellt worden. Die Frist für die -- rechtzeitige -- Stellung des Zulassungsantrages lief damit bereits am 10. Januar 2000 ab.
Dem Kläger kann auch nicht wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Den mit der Einlegung des Zulassungsantrages beauftragten Prozessbevollmächtigten des Klägers trifft zwar zunächst an der Fristversäumung zum 10. Januar 2000 unmittelbar kein Verschulden. Er hat mit seinem beim Oberverwaltungsgericht per Telefax am 11. Februar 2000 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen, dass in dem ihm am 10. Januar 2000 vom Kläger zur Verfügung gestellten Konvolut von Originalunterlagen insgesamt acht Postzustellungsurkunden gewesen seien, darunter auch eine Postzustellungsurkunde vom 17. Januar 2000, mit der dem Kläger ein -- zeitlich dem Urteil folgender -- Kostenfestsetzungsbeschluss zugestellt worden sei. Die mit der Notierung der Fristen beauftragte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte sei angewiesen worden, anhand der maßgeblichen Postzustellungsurkunde die Monatsfrist für den Zulassungsantrag zu notieren. Zu oberst habe die Postzustellungsurkunde vom 17. Dezember 1999 gelegen, die von der ansonsten äußerst zuverlässig und gewissenhaft arbeitenden Angestellten dem Urteil vom 24. November 1999 zugeordnet worden sei. Diese fehlerhafte Zuordnung sei ihm als Prozessbevollmächtigten erst durch die Einleitungsverfügung des Senats vom 27. Januar 2000, zugegangen am 28. Januar 2000 (Freitag), bekannt geworden. Das Verschulden der mit der Notierung der Frist für den Zulassungsantrag beauftragten Hilfsperson muss sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, und damit auch der Kläger, nicht gemäß § 60 Abs. 1 VwGO iVm § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (zum Verschulden von Hilfspersonen vgl. Kopp, VwGO, Kommentar, 11. Aufl. 1998, Rdnr. 21 zu § 60).
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert aber -- an dem weiteren -- Fristerfordernis des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat diese Zwei-Wochen-Frist mit seinem am 11. Februar 2000 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag nicht gewahrt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wahrung der Zwei-Wochen-Frist ist -- entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers -- nicht der 28. Januar 2000, also der Zeitpunkt des Zuganges der Senatsverfügung mit dem Hinweis auf die Fristversäumnis zum 10. Januar 2000. Vielmehr ist insoweit auf den Zeitpunkt der Bearbeitung des Zulassungsantrages durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers abzustellen, also auf den 17. Januar 2000, einem Montag. Die Zwei-Wochen-Frist lief damit am 7. Februar 2000 ab. Der erst am 11. Februar 2000 beim Senat eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist verspätet. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist anzulasten, dass er die laufenden Fristen nicht eigenverantwortlich geprüft hat, als ihm die Akten im Zusammenhang mit der fristgebundenen Bearbeitung des Zulassungsantrages vorgelegt worden sind. Von der Verpflichtung zur eigenständigen Prüfung der Fristen wird er nicht dadurch befreit, dass die vorausgehende Notierung der Fristen durch seine Angestellte vorgenommen worden ist. Die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der Fristen ist nicht delegierbar (BVerwG, Beschl. v. 8.3.1999 -- 3 B 31.99 --, zitiert nach BVerwG-DAT; BGH, Beschl. v. 11.2.1992 -- VI ZB 2/92 -- NJW 1992, 1632; BGH, Beschl. v 6.7.1994 -- VIII ZB 12/94 -- NJW 1994, 2831; Müller, Typische Fehler bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, NJW 1998, 681, 686 [BGH 20.11.1997 - III ZR 310/95]). Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Frist für die Einlegung des Zulassungsantrages eigenständig geprüft, als ihm am 17. Januar 2000 die Akten zur Anfertigung des Zulassungsantrages vorgelegt worden waren, so hätte er festgestellt, dass die Frist bereits am 10. Januar 2000 abgelaufen war. Am 17. Januar 2000 ist das bis dahin bestehende "Hindernis" für die Einhaltung der Frist weggefallen. Ab diesem Tage lief die Zwei-Wochen-Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO.