Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2000, Az.: 1 K 5513/98
Bebauungsplan; Bebauungsplanfestsetzung; Festsetzung; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.02.2000
- Aktenzeichen
- 1 K 5513/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 42084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 47 VwGO
- § 1 BauGB
- § 9 BauGB
- § 214 BauGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
§ 9 BBauG/BauGB erlaubt weder zeitlich gestaffelte, unterschiedliche Festsetzungen noch bedingte Festsetzungen. Das gilt auch dann, wenn eine Nutzung, wie der Bodenabbau, aus der Natur der Sache zeitlich begrenzt ist und sich daher die Frage nach der Folgenutzung aufdrängt.
Tatbestand:
Der Antragsteller, der Eigentümer des fast 4 ha großen Grundstückes Flurstück 57/1 der Flur 1 Gemarkung ... ist, wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 25 "Seeufer" der Antragsgegnerin, soweit der Bebauungsplan dieses Grundstück als "Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft" festsetzt.
Das Grundstück des Antragstellers liegt am Ostrand des Ortsteiles .... Es grenzt im Südwesten mit einer Frontlänge von ca. 60 m an die Straße Am ... und ist bis auf einen im Südwesten 40 m bis 70 m, im Südosten 20 m bis 30 m breiten Uferstreifen Bestandteil des sogenannten ... Sees, der durch Nassauskiesung etwa in der Zeit zwischen 1959 und 1972 entstanden ist.
Der 1965/66 aufgestellte Bebauungsplan Nr. 3 ..., der Flächen westlich der Straße ... als allgemeines Wohngebiet festsetzt, schließt auch das Grundstück des Antragstellers ein. Er kennzeichnet nur einen kleinen nordöstlichen Teil des Grundstückes als vorhandene Wasserfläche; die im Plan eingezeichnete "geplante Uferlinie" sieht vor, dass etwa zwei Drittel des Grundstückes Seefläche werden soll. Die "geplante Uferlinie" des Bebauungsplans Nr. 3 deckt sich im Wesentlichen mit dem vom Antragsteller vorgelegten "Entwicklungsplan" des Niedersächsischen Landesverwaltungsamts -- Naturschutz und Landschaftspflege -- vom März 1961, der Bestandteil der Genehmigung des Sand- und Kiesabbaus durch den Landkreis ... vom 22. August 1962 war. Das (damals noch ungeteilte) Grundstück Flurstück 57 setzt der Bebauungsplan als "Sondergebiet -- Erholungsgebiet, vorläufig Sandgewinnungsgelände" fest und erläutert dies -- auf der Uferfläche -- in der Planzeichnung als "Platz für Hotel und Cafe bei Ausbau des Seegebietes zur Erholungsfläche nach Abschluss der Sandgewinnung".
Für das nordwestlich anschließende Gelände hat die frühere Gemeinde ... 1965 den Bebauungsplan Nr. 1 ... aufgestellt, der Flächen nordöstlich der Straße ... als allgemeines Wohngebiet und Wochenendhausgebiet festsetzt und ebenfalls eine Wasserfläche "nach beendetem Kiesabbau" kennzeichnet.
1992 hat der Antragsteller eine Bauvoranfrage für die Errichtung eines Hotels gestellt. Die Antragsgegnerin hat ihr Einvernehmen versagt. Daraufhin hat der Antragsteller die Bauvoranfrage zurückgezogen.
1992 hat die Antragsgegnerin beschlossen, den Bebauungsplan Nr. 25 ... aufzustellen, der den Geltungsbereich der Bebauungspläne Nr. 1 ... und Nr. 3 ... umfasst. Zweck des Bebauungsplanes ist es, das Seeufer, das durch Auskiesung relativ schmal geworden ist, für Natur und Landschaft zu sichern und auf der Ostseite der Straße Am See (im Bereich des früheren Bebauungsplanes Nr. 1) einige Baugrundstücke bereitzustellen. Im Zuge der frühzeitigen Bürgerbeteiligung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 29. September 1994 den Vorschlag gemacht, am ... See eine Wasser-Ski-Lift-Anlage zuzulassen. Anregungen und Bedenken wurden während der Auslegung vom 17. Januar 1995 bis 16. Februar 1995 nicht vorgetragen. Am 10. April 1995 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung. Der Landkreis ... machte eine Verletzung von Rechtsvorschriften nicht geltend. Die Durchführung des Anzeigeverfahrens hat die Antragsgegnerin im Amtsblatt für den Landkreis ... am 31. Oktober 1995 bekannt gemacht. Der Bebauungsplan setzt das Grundstück des Antragstellers als Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft fest, soweit es nicht Wasserfläche ist. Nach § 2 Nr. 1 der textlichen Festsetzungen ist auf dem Grundstück des Antragstellers die artenreiche Flora und Fauna zu sichern und einer natürlichen Sukzession zu überlassen.
In der Begründung des Bebauungsplanes heißt es (Seite 5), es sei das wesentliche Ziel des Bebauungsplanes, den vorhandenen Bewuchs aus Bäumen und Sträuchern am West-, Süd- und Ostrand des ... Sees zu erhalten und sich im Sinne einer natürlichen artenreichen Natur weiterentwickeln zu lassen. Die Festsetzung des Bebauungsplanes Nr. 3 Sondergebiet "Hotel und Cafe" sei 30 Jahre nicht verwirklicht worden; inzwischen hätten sich die Zielvorstellungen der Gemeinde für diesen Bereich geändert (Seite 11): durch den Kiesabbau, der über die geplante Uferlinie hinaus Flächen einbezogen habe, sei der Uferbereich schmaler geworden, so dass neben einem Uferstreifen kein Bauland mehr zur Verfügung stehe. Da der Antragsteller die Vorteile eines zusätzlichen Kiesabbaues gehabt und "durch sein Handeln die Gründe für die Änderung der Planung geschaffen" habe, sei sein Interesse an der Beibehaltung der Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 3 nicht besonders schutzwürdig (Seite 25 f.). Einen Anspruch auf Entschädigung wegen der Änderung und Aufhebung einer zulässigen Nutzung hätten die betroffenen Grundstückseigentümer nicht, weil sie nicht innerhalb von sieben Jahren von den durch den Bebauungsplan Nr. 3 eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht hätten.
Der Antragsteller hat am 15. Dezember 1998 den Normenkontrollantrag gestellt und vorgetragen, die Gemeinde sei bei der Abwägung von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die Uferlinien, die die Bebauungspläne Nr. 1 und 3 aus den Jahren 1965/66 enthielten, seien damals bereits teilweise überholt gewesen. Die heutigen Uferlinien seien bereits damals teilweise vorhanden gewesen. Er, der Antragsteller, habe im Rahmen des rechtlich Zulässigen von den Bodenabbaumöglichkeiten Gebrauch gemacht und dürfe nun nicht dafür bestraft werden. Er habe 1992 eine Bauvoranfrage für den Bau eines Hotels und Cafes an den Landkreis gerichtet, die der Landkreis mit der Begründung abgelehnt habe, die Voraussetzungen für die Genehmigung des Vorhabens nach dem Bebauungsplan Nr. 3 lägen noch nicht vor. Der Bebauungsplan Nr. 3 enthalte nämlich eine zeitliche Komponente: "Platz für Hotel und Cafe bei Ausbau des Seegebietes zur Erholungsfläche nach Abschluss der Sandgewinnung". Er, der Antragsteller, habe seine Voranfrage zurückgezogen, weil die Antragsgegnerin eine Veränderungssperre beschlossen habe. Es könne aber keine Rede davon sein, dass er seit der Aufstellung des Bebauungsplanes vor rund 30 Jahren keine Anstalten zur Verwirklichung der Festsetzungen des Bebauungsplanes gemacht habe. Unabhängig vom Planungsschadenrecht verlören die Nutzungsmöglichkeiten aber auch nicht ihr abwägungsrelevantes Gewicht. Im Übrigen sei der Uferstreifen auf seinem Grundstück aber auch nicht schutzwürdig. Da Ruderalfluren auch an anderer Stelle relativ leicht entwickelt werden könnten, sei eine Bebauung des Uferstreifens mit den Belangen von Natur und Landschaft vereinbar.
Der Antragsteller beantragt,
den am 10. April 1995 vom Rat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 25 "Seeufer" für nichtig zu erklären, soweit er das Grundstück des Antragstellers als Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft (M1) festsetzt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag abzuweisen.
Sie erwidert, sie, die Antragsgegnerin und die ehemalige Gemeinde ... hätten die 1965/66 geplanten Uferlinien im Einvernehmen mit dem Antragsteller eingezeichnet. Der Antragsteller habe größere Flächen abgebaut, so dass das Konzept einer naturbelassenen Fläche zwischen der baulichen Nutzung und den Uferrändern nicht mehr erreichbar sei. Wegen des gegenüber den Bebauungsplänen Nr. 1 und 3 veränderten Bodenabbaues habe die Nachfolgenutzung anders geregelt werden müssen. Sie, die Antragsgegnerin, habe im Rahmen der Abwägung das Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Bebaubarkeit des Flurstückes 57/1 gesehen, aber dem öffentlichen Interesse an der Freihaltung der vom Bodenabbau nicht erfassten Restfläche des Flurstückes 57/1 Vorrang eingeräumt, weil sie durch natürliche Sukzession zu einer für Natur und Landschaft wertvollen Fläche geworden sei, zumal der Antragsteller durch die Erweiterung des Bodenabbaues die Gründe für die Planänderung selbst geschaffen habe. Im Übrigen sei es zweifelhaft, ob der Bebauungsplan Nr. 3 für das Grundstück 57/1 ein Baurecht geschaffen habe. Es sei zweifelhaft, ob eine Sondergebietsfestsetzung zulässig sei und ob sie bestimmt genug sei.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers ist zulässig, weil der Antragsteller Eigentümer eines Grundstückes im Planbereich ist und mit dem Hinweis auf die gegenüber dem Bebauungsplan Nr. 3 geänderte Festsetzung für sein Grundstück eine Rechtsverletzung geltend macht (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.3.1998 -- 4 CN 6.97 --, BRS 60 Nr. 44). Der Normenkontrollantrag ist rechtzeitig gestellt (Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGO-ÄndG v. 1.11.1996 -- BGBl. I S. 1626).
Der Normenkontrollantrag ist unbegründet, weil die Fehler im Abwägungsvorgang, die der Antragsgegnerin unterlaufen sind, auf das Abwägungsergebnis ohne Einfluss gewesen sind.
Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange bei der Aufstellung der Bauleitpläne gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Gebot gerechter Abwägung stellt Anforderungen an den Vorgang der Abwägung und an das Ergebnis, die das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 12.12.1969 -- IV C 105.66 --, BVerwGE 34, 301/304) wie folgt formuliert hat:
Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gesetzten Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
Die Antragsgegnerin hat die vom Antragsteller beanstandete Änderung der Festsetzung eines Sondergebiets "Erholung" für Hotel und Cafe auf seinem Grundstück Flurstück 57/1 am Südostufer des ... Sees nicht nur damit begründet, dass sich ihre Zielvorstellungen geändert haben (Seite 11), sondern auch damit, der Antragsteller habe selbst Anlass zur Planänderung gegeben, weil er den Bodenabbau weiter ausgedehnt habe als im Bebauungsplan Nr. 3 vorgesehen. Damit hat die Begründung einen unzutreffenden "Zungenschlag" erhalten, weil nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keineswegs auszuschließen ist, dass die im Bebauungsplan Nr. 3 gekennzeichnete, aber nicht normativ festgelegte geplante Uferlinie im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans Nr. 3 bereits überholt war, und zum anderen das vom Bebauungsplan Nr. 25 verfolgte Konzept eines Uferstreifens mit Vegetation in natürlicher Sukzession zwischen See und Bebauung dem Bebauungsplan Nr. 3 nicht zugrunde lag.
Die Begründung des Bebauungsplans Nr. 25 führt zur Situation des Flurstücks 57/1 wörtlich aus:
Die Beeinträchtigung privater Belange entsteht insoweit bei demselben Eigentümer, der vorher die Vorteile des zusätzlichen Kiesabbaus hatte und der durch sein Handeln die Gründe für die Änderung der Planung geschaffen hat. Seine Interessen sind aus der Sicht der Gemeinde nicht besonders schutzwürdig; denn er musste eigentlich damit rechnen, dass die Gemeinde nicht auf den Uferstreifen verzichten würde.
In den Augen der Antragsgegnerin hat danach der Antragsteller durch die Ausdehnung des Kiesabbaus über die geplante Uferlinie im Bebauungsplan Nr. 3 den Anlass für die Planänderung gegeben. Dies wird den tatsächlichen Gegebenheiten aber nicht gerecht. Zwar gibt der vom Antragsteller vorgelegte Plan des Bodenabbaus mit der Einzeichnung von Jahreszahlen im Bereich der Uferlinie des ... Sees wenig für seinen Vortrag im Normenkontrollverfahren her, der Kiesabbau habe bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans Nr. 3 die geplante Uferlinie überschritten, denn der vom Antragsteller vorgelegte Plan ist weder in irgendeiner Weise autorisiert, noch lässt er den zeitlichen und räumlichen Fortschritt des Abbaus erkennen. Jedoch findet sich bereits in einem Vorentwurf des Bebauungsplans Nr. 3 vom 25. April 1963 die im Bebauungsplan Nr. 3 dargestellte "vorhandene" und "geplante" Uferlinie. Dabei deckt sich die geplante Uferlinie mit dem vom Niedersächsischen Landesverwaltungsamt -- Naturschutz und Landschaftspflege -- aufgestellten Entwicklungsplan, der als Anlage der Genehmigung des Sand- und Kiesabbaus vom 22. August 1962 durch den Landkreis ... beigefügt war. Die von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Luftbilder von 1959 und 1969 lassen zudem erkennen, dass die Auskiesungen im Bereich des ... Sees in der Zeit von 1959 bis 1969 im Wesentlichen durchgeführt worden sind. Damit lässt sich zwar nicht nachweisen, dass der Abbau im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans Nr. 3 die geplante Uferlinie tatsächlich überschritten hatte, der Vortrag des Antragstellers erscheint jedoch plausibel, dass gerade in der Zeit von 1962 bis 1965 das Grundstück Flurstück 57 ausgekiest worden ist. Wenn der Kiesabbau 1965 bereits die "geplante Uferlinie" überschritten hatte und die Gemeinde den Bebauungsplan Nr. 3 am 13. Oktober 1965 gleichwohl beschlossen hatte, konnte die Änderung im Jahre 1995 kaum damit begründet werden, der Antragsteller habe durch sein Handeln die Gründe für die Änderung der Planung selbst geschaffen.
Auch soweit die Begründung zum Bebauungsplan Nr. 25 auf das Konzept eines Uferrandstreifens mit natürlicher Vegetation zwischen Bebauung und See abstellt, die durch die Ausweitung des Kiesabbaus in Frage gestellt sei, erscheint die Abwägung nicht frei von Mängeln. Dem alten Bebauungsplan Nr. 3 lässt sich ein derartiges Konzept nicht entnehmen. Der Bebauungsplan Nr. 3 enthält keinerlei Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche für das Grundstück des Antragstellers. Die Begründung erwähnt nur, dass im Nordostteil des Plangebiets ein Sondergebiet vorgesehen ist, in dem nach Beendigung des Sandabbaus die Errichtung von Bauten für ein Erholungsgebiet geplant ist. Eine naturbelassene Fläche zwischen Seeufer und Bebauung schließt der Bebauungsplan Nr. 3 zwar nicht aus, Andeutungen für einen Uferstreifen mit natürlicher Vegetation lassen sich dem Bebauungsplan Nr. 3 aber nicht entnehmen. Die Festsetzung des Sondergebiets "Erholungsgebiet" auf dem Grundstück des Antragstellers weist nicht auf eine ökologische Zielsetzung hin. Selbst wenn der Antragsteller mit dem Bodenabbau über die geplante Uferlinie des Bebauungsplans Nr. 3 hinausgegangen ist, hat dies doch erst unter Berücksichtigung der veränderten Zielsetzung der Gemeinde -- Erhaltung der Ufervegetation statt Bebauung -- Anlass zur Planänderung gegeben.
Die Gemeinde hat die Beeinträchtigung der Belange des Antragstellers als "nicht sehr groß" eingeschätzt, weil er seit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 3 vor rund 30 Jahren keine Anstalten gemacht habe, die geplante Sondergebietsnutzung zu verwirklichen. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, denn der Antragsteller hat 1992 eine Bauvoranfrage für einen Hotelneubau gestellt, zu dem die Gemeinde ihr Einvernehmen mit der Begründung versagt hat, dass die geplante intensive Nutzung des Kiessees als Gebiet für Freizeit und Erholung nicht in die Realität umgesetzt worden sei. Der Antragsteller hat daraufhin seine Bauvoranfrage zurückgezogen. Sicher spricht die lange Zeit seit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 3 und dem Abschluss der Sandausbeute gegen ein besonderes Interesse des Antragstellers an der im Bebauungsplan Nr. 3 festgesetzten Nutzung. Andererseits hat die Gemeinde auch den späten Versuch des Antragstellers in dieser Richtung nicht unterstützt, sondern im Gegenteil blockiert. Anzumerken ist auch, dass die Verwirklichung eines im Bebauungsplan vorgesehenen Erholungsgebietes auch von der Gemeinde "angeschoben" werden kann, die Antragsgegnerin wohl aber auch keine Anstalten in dieser Richtung gemacht hat.
Schließlich ist der Begründung des Bebauungsplans Nr. 25 auch zu entnehmen, dass die Vegetation im Bereich des Grundstücks des Antragstellers nicht so wertvoll ist, dass die Änderung der Festsetzung "Sondergebiet -- Erholungsgebiet" in eine Fläche "für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft" geradezu zwingend ist. Die vorhandene Uferfläche des Grundstückes des Antragstellers ist eine Ruderalfläche mit Brombeere, Rainfarn und zum Teil artenreichem Gehölzaufkommen. Die Begründung des Bebauungsplans misst dieser Fläche "eine gewisse Biotopfunktion" (Seite 22) und "eine allgemeine Bedeutung für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes" bei. Die Biotopkartierung rückt die Bedeutung der Ruderalfluren mit der Bemerkung zurecht, dass "dieser Biotoptyp vergleichsweise weit verbreitet ist und sich auch an anderer Stelle relativ leicht wieder entwickeln lässt".
Letztlich kann allerdings offen bleiben, inwieweit der Antragsgegnerin Fehler bei der Abwägung unterlaufen sind, weil die Mängel des Abwägungsvorgangs nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Ergebnis ohne Einfluss gewesen sind. Die Festsetzung des Grundstücks des Antragstellers als "Sondergebiet -- Erholungsgebiet" im Bebauungsplan Nr. 3 ist nämlich unwirksam. Die Belange des Antragstellers sind nicht in qualifizierter Weise schutzwürdig, weil das Grundstück des Antragstellers nur ein Uferrandstreifen eines Kiessees bzw. Brachfläche ohne baurechtliche Nutzbarkeit ist und die Belange von Natur und Landschaft sich unter diesen Umständen ohne weiteres auch dann durchsetzen, wenn ihnen keine hervorragende Bedeutung zukommt.
Die Unwirksamkeit der Festsetzung des Grundstücks des Antragstellers als "Sondergebiet -- Erholungsgebiet" ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
§ 9 BBauG/BauGB und die ergänzenden Vorschriften der BauNVO enthalten eine abschließende Aufzählung der in einem Bebauungsplan zulässigen Festsetzungen. Der Gemeinde steht über den insoweit abschließenden Katalog des § 9 BBauG/BauGB ein planungsrechtliches "Festsetzungsfindungsrecht" nicht zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.5.1993 -- 4 NB 32.92 --, DVBl. 1993, 1097; Urt. v. 11.2.1993 -- 4 C 18.91 --, BVerwGE 92, 56 = DVBl. 1993, 654). Den Festsetzungen nach § 9 BBauG/BauGB sind zeitliche Begrenzungen fremd; das BBauG/BauGB enthält -- abgesehen von § 9 a BBauG -- keine Vorschriften über den zeitlichen Geltungshorizont der Bebauungspläne und ihrer Festsetzungen (Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 9 Rdn. 14; Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl. 1999, § 9 Rdn. 7). BBauG beziehungsweise BauGB erlauben daher nur eine eindeutige Festsetzung einer Fläche etwa als Sondergebiet Erholung, aber keine zeitlich gestaffelte Festsetzung "Sondergebiet -- Erholungsgebiet, vorläufig Sandgewinnungsgelände", wie es in der Legende des Bebauungsplanes Nr. 3 heißt. Die textliche Erläuterung des Sondergebietes auf dem Grundstück des Antragstellers legt zudem eine bedingte Festsetzung des Erholungsgebietes nahe: Hotel und Cafe werden von dem Ausbau des Seegebietes zur Erholungsfläche nach Abschluss der Sandgewinnung abhängig gemacht. Auch wenn die Festsetzung insgesamt nicht sonderlich klar ist, wird man sowohl aus der Legende als auch der textlichen Erläuterung des Sondergebietes in der Planzeichnung entnehmen müssen, dass der Bodenabbau jedenfalls als Festsetzung für die Gegenwart im Vordergrund stand. Davon abgesehen ist auch eine bedingte Festsetzung mit § 9 BBauG/BauGB nicht vereinbar. Die Gemeinde kann zwar eine Folgenutzung nach einem Bodenabbau ins Auge fassen und beispielsweise in der Begründung darlegen, sie kann sie aber ohne Verzicht auf die Festsetzung des zunächst vorgesehenen Bodenabbaues nicht mit Rechtssatzqualität festsetzen. Bei Nutzungen, die wie der Bodenabbau zeitlich begrenzt sind, mag sich die Frage nach der Folgenutzung aufdrängen. Im Hinblick auf den Katalog der zulässigen Festsetzungen nach § 9 BBauG/BauGB ist die Gemeinde auf eine Änderung des Bebauungsplanes zu verweisen, wenn sich die zunächst festgesetzte Nutzung erledigt. Gerade in solchen Fällen liegt das Bedürfnis für eine Änderung der Festsetzung auf der Hand. Unter dem Blickwinkel einer sachgerechten Abwägung erscheint zudem eine Änderung des Bebauungsplanes in dem Zeitpunkt, in dem sich die zunächst festgesetzte Nutzung erledigt, beziehungsweise kurz davor sehr viel sachgerechter als die Festsetzung der Folgenutzung lange vor dem Auslaufen der zunächst festgesetzten Nutzung.
Ob und unter welchen Umständen wegen einer bestandskräftigen Genehmigung des Bodenabbaues auf eine Festsetzung der Kiesgewinnung verzichtet werden kann, bedarf hier keiner Erörterung, weil § 35 BBauG nach § 29 BBauG 1960 jedenfalls auf den Abbau des Antragstellers nicht anwendbar war. Wegen der fehlenden bodenrechtlichen Kontrolle konnte eine Baugenehmigung nach der damals geltenden Baupolizeiverordnung jedenfalls keinen "Bestandsschutz" bewirken.
Gegen eine Auslegung der Festsetzung des Grundstücks des Antragstellers, die den zeitlich vorrangigen Sandabbau ausblendet und die bauliche Nutzung in den Vordergrund rückt, spricht hier auch, dass der Bebauungsplan keinerlei Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und den überbaubaren Flächen enthält. Nach § 30 BBauG war zwar eine rudimentäre Festsetzung nicht schlechthin ausgeschlossen, aber wenn es der Gemeinde 1965 wirklich schon um die normative Festlegung einer baulichen Nutzung gegangen wäre, hätte es nahe gelegen, das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Fläche festzusetzen. Ohne eine solche Bestimmung richtete sich das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Fläche nach § 35 BBauG, was nicht nur schwierig zu bestimmen, sondern auch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet gewesen wäre.
Das bedeutet hier, dass der Bebauungsplan Nr. 3 dem Antragsteller keinen Anspruch auf die Zulassung einer Bebauung eingeräumt hat. Für das Ufergrundstück gilt keine Festsetzung, die eine Bebauung erlaubt. Unter diesem Gesichtspunkt kann offen bleiben, ob der Abwägungsvorgang fehlerhaft ist. Selbst wenn der Bodenabbau des Antragstellers schon bei Erlass des Bebauungsplanes über die geplante Uferlinie hinaus die heutige Ausdehnung erreicht hatte und die vorhandene Vegetation nicht besonders schutzwürdig ist, führt das nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes. Nach dieser Vorschrift sind Mängel im Abwägungsvorgang nämlich nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Unabhängig davon, ob die etwaigen Fehler im Abwägungsvorgang offensichtlich sind (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 29.1.1992 -- 4 NB 22.90 --, NVwZ 1992 = BRS 54 Nr. 15; Beschl. v. 20.1.1995 -- 4 NB 43/93 --, BRS 57 Nr. 22), sind sie jedenfalls nicht von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB setzt voraus, dass sich der Fehler im Abwägungsvorgang in dem Sinne auf den Planinhalt ausgewirkt hat, dass die konkrete Möglichkeit besteht, ohne den Mangel wäre das Ergebnis der Planung anders ausgefallen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.8.1981 -- 4 C 57.80 --, BVerwGE 64, 33 = DVBl. 1982, 354); eine abstrakte Vermutung reicht insoweit nicht aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.1.1995, a.a.O.). Auch wenn sich die Gemeinde bei der Ausdehnung der im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes vorhandenen Bodenabbaues und über die Wertigkeit der Ruderalfluren auf dem Grundstück des Antragstellers im Verhältnis zu der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 3 geirrt hat, ist die Abwägung doch nicht zu beanstanden, wenn man davon ausgeht, dass die Festsetzung des Sondergebietes -- Erholungsgebiet im Bebauungsplan Nr. 3 unwirksam war. Bei dieser Vorgabe bedarf eine Festsetzung als Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft nämlich kaum einer Rechtfertigung, weil die Fläche als Brachland auch bisher für den Eigentümer wenig Wert hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).