Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.05.2024, Az.: 7 MS 83/23

Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung und zum Betrieb einer Deponie; Berücksichtigung des klimaschutzrechtlichen Berücksichtigungsgebots

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.05.2024
Aktenzeichen
7 MS 83/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 14685
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0507.7MS83.23.00

Fundstellen

  • DVBl 2024, 859-861
  • DÖV 2024, 666
  • NordÖR 2024, 457-460

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Seit Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) gehören der globale Klimaschutz und die Klimaschutzziele des KSG zu den öffentlichen Belangen, die in die Gesamtabwägung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens einzustellen sind (BVerwG, Urteil vom 04.05.2022 - 9 A 7.21 -, juris).

  2. 2.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG von der Planfeststellungsbehörde, mit einem - bezogen auf die konkrete Planungssituation - vertretbaren Aufwand zu ermitteln, welche CO 2 -relevanten Auswirkungen das Vorhaben hat und welche Folgen sich daraus für die Klimaziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes ergeben. Der Behörde kommt insoweit die Pflicht zu, die zu erwartende Menge an Treibhausgasen, welche aufgrund des Projekts emittiert werden, zu ermitteln; bei unverhältnismäßigem Ermittlungsaufwand kommt (zumindest) eine Schätzung in Betracht (BVerwG, Beschluss vom 22.06.2023 - 7 VR 3.23 -, juris m.w.N.).

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 1. September 2022 zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie I. -Stadt, Gemeinde J. -Stadt, - AZ.: ... - wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, eine nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Naturschutzvereinigung, wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie I. -Stadt, Gemeinde J. -Stadt, - AZ.: ... -, vom 1. September 2022.

Die Beigeladene (Vorhabenträgerin) beantragte mit Schreiben vom 2. März 2015 bei dem Antragsgegner als Planfeststellungsbehörde die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens gemäß § 35 Abs. 2 KrWG zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlich zugänglichen Deponie der Deponieklasse I am Standort I. -Stadt in der J. -Stadt (BA 001, S. 234). Nach Einleitung des Planfeststellungsverfahrens durch den Antragsgegner und einer ersten Auslegung der Planunterlagen vom 9. April 2015 bis 8. Mai 2015 erfolgte aufgrund von Änderungen und Ergänzungen der Planung eine erneute Auslegung vom 6. Juni 2018 bis zum 5. Juli 2018. Mit Planfeststellungsbeschluss vom 1. September 2022 stellte der Antragsgegner den Plan zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie I. -Stadt, J. -Stadt, fest.

Die geplante Deponiefläche umfasst in der Gemarkung I. -Stadt in der J. -Stadt in der Flur L. die Flurstücke M., N., O., P., Q., R., S. und T., die alle im Eigentum der Vorhabenträgerin stehen. Die geplante Deponiefläche wird bisher von der Vorhabenträgerin als Sandabbaufläche betrieben und genutzt.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Klage vom 7. November 2022 (7 KS 44/22), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich mit dem am 13. Oktober 2023 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen das planfestgestellte Vorhaben und begehrt im vorliegenden Verfahren die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners.

Er macht im Wesentlichen formelle Unzulänglichkeiten des Planfeststellungsbeschlusses sowie die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere auch die Verletzung umweltbezogener Vorschriften, sowie Abwägungsfehler, u.a. mit Blick auf § 13 KSG, geltend. Der Antragsgegner und die Beigeladene sind seinem Begehren entgegengetreten und verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

II.

Der nach §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den auf der Grundlage des § 35 Abs. 2 KrWG ergangenen Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 1. September 2022 hat in der Sache Erfolg.

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einerseits oder deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten.

Gemäß § 80c Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt dabei u.a. für Verfahren nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 VwGO - zu denen das vorliegende Planfeststellungsverfahren gehört - für die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§§ 80 und 80a VwGO) ergänzend § 80c Abs. 2 bis 4 VwGO.

Dies zugrunde gelegt leidet der angegriffene Planfeststellungsbeschluss derzeit jedenfalls an einem Abwägungsfehler im Sinne eines Abwägungsdefizits. Es ist in diesem Zusammenhang unschädlich, dass die §§ 35, 36 KrWG die Geltung des Abwägungsgebots nicht ausdrücklich anordnen, weil das Abwägungsgebot für den Bereich der Planentscheidungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt, dessen Einhaltung daneben keiner eigenen Prüfung mehr bedarf; es ist unmittelbar verfassungsrechtlich gesichert und tritt ergänzend neben das einfache (Fach-) Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.1978 - IV C 79.76 -, juris; Urteil des Senats vom 31.07.2018 - 7 KS 17/16 -, juris; vgl. auch: Mann in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl., § 36 Rn. 60). Die Beachtung des Abwägungsgebots wird im Übrigen in § 75 Abs. 1a VwVfG, welcher durch die Verweisung in § 38 Abs. 1 Satz 1 KrWG Anwendung findet, vorausgesetzt.

Inhaltlich verlangt das Abwägungsgebot, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung eingestellt wird, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2011 - 9 A 24.10 -, juris). Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind gemäß § 75 Abs. 1a VwVfG nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 VwVfG bleiben unberührt. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.12.2016 - 4 A 4.15 -, juris, und vom 19.12.2017 - 7 A 7.17 -, juris; Urteile des Senats vom 04.07.2017 - 7 KS 7/15 -, juris, und vom 31.07.2018 - 7 KS 17/16 -, juris). Gerichtlich zu beanstanden ist es aber, wenn die Prüfung ergibt, dass bestimmten öffentlichen Belangen im konkreten Fall kein ausreichendes Gewicht zukommt, um entgegenstehende private Belange zu überwinden oder gar diese Prüfung nicht ausreichend präzise vorgenommen werden kann (Urteil des Senats vom 18.09.2003 - 7 LB 2437/01 -, BeckRS 2003, 24656).

Gemessen daran lässt sich eine hinreichende Abwägung durch die Planfeststellungsbehörde nicht feststellen.

Seit Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) gehören der globale Klimaschutz und die Klimaschutzziele des KSG zu den öffentlichen Belangen, die in die Gesamtabwägung einzustellen sind (BVerwG, Urteil vom 04.05.2022 - 9 A 7.21 -, juris) und daher auch im vorliegenden Planfeststellungsverfahren, das bei Inkrafttreten des Bundes-Klimaschutzgesetzes noch nicht abgeschlossen war, zu berücksichtigen waren. Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG erfordert, dass im Rahmen der Abwägung die Auswirkungen der Planungsentscheidung auf den Klimaschutz - bezogen auf die in §§ 1 und 3 KSG konkretisierten nationalen Klimaschutzziele - zu ermitteln und die Ermittlungsergebnisse in die Entscheidungsfindung einzustellen sind; daran fehlt es in der Abwägung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses gänzlich.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangt das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG von der Planfeststellungsbehörde, mit einem - bezogen auf die konkrete Planungssituation - vertretbaren Aufwand zu ermitteln, welche CO2-relevanten Auswirkungen das Vorhaben hat und welche Folgen sich daraus für die Klimaziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes ergeben. Der Behörde kommt insoweit die Pflicht zu, die zu erwartende Menge an Treibhausgasen, welche aufgrund des Projekts emittiert werden, zu ermitteln; nur bei unverhältnismäßigem Ermittlungsaufwand kommt (zumindest) eine Schätzung in Betracht (BVerwG, Beschluss vom 22.06.2023 - 7 VR 3.23 -, juris m.w.N.). Zu den CO2-relevanten Auswirkungen des Vorhabens, welche in die Abwägung einzustellen sind, verhält sich der Planfeststellungsbeschluss im Rahmen der Gesamtabwägung jedoch überhaupt nicht. Die Berücksichtigungspflicht ist sektorübergreifend im Sinne einer Gesamtbilanz zu verstehen. Klimarelevant sind dabei nicht nur die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSG genannten Sektoren, die als potentiell emissionsverursachende Sektoren den Minderungszielen des § 3 KSG unterworfen sind, sondern alle in Anlage 1 des Bundes-Klimaschutzgesetzes genannten Sektoren (BVerwG, Urteil vom 04.05.2022, a.a.O.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss bei den Planungen und Entscheidungen die Frage in den Blick genommen werden, ob und inwieweit diese Einfluss auf die Treibhausgasemissionen haben und die Erreichung der sich aus dem KSG ergebenden Klimaziele gefährden können, und zwar sowohl in der Bau- als auch in der nachfolgenden Betriebsphase. Zwar führt der Antragsgegner mit seinem Hinweis auf eine fehlende Operationalisierung des KSG sinngemäß zu Recht an, dass es für die Ermittlung der klimarelevanten Auswirkungen oder für deren Bewertung gegenwärtig keine konkretisierenden Vorgaben gibt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Berücksichtigungsgebot zurzeit nicht handhabbar wäre und gar keine Anwendung finden würde (BVerwG, Urteil vom 04.05.2022, a.a.O.).

Der von dem Antragsteller geltend gemachten Einbeziehung der Klimaschutzbelange in die Gesamtabwägung steht nicht die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG entgegen, wonach subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch oder aufgrund des Gesetzes nicht begründet werden. Dem Antragsteller steht als anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung nach § 3 UmwRG gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG unabhängig von der Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte ein Klagerecht gegen den streitigen Planfeststellungsbeschluss als Zulassungsentscheidung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zu, da zu den umweltbezogenen Vorschriften auch die Klimaschutzziele gehören und der Antragsteller in Folge dessen auch die Frage der ordnungsgemäßen Einbeziehung der Klimaschutzbelange in Ermessens- und Abwägungsentscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen kann (BVerwG, Urteil vom 04.05.2022, a.a.O.).

Soweit der Antragsgegner und die Beigeladene die Auffassung vertreten, eine hinreichende Befassung mit dem Thema "Klimaschutz" ergebe sich schon aus dessen Berücksichtigung im Rahmen der UVP, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen unterscheidet der Planfeststellungsbeschluss schon nach seiner Gliederung explizit zwischen der Umweltverträglichkeitsprüfung ("C.") als Bestandteil der Begründung ("IV.") einerseits und der Gesamtabwägung ("VII.") andererseits. Zum anderen können UVP und Gesamtabwägung sich zwar inhaltlich thematisch überschneiden, weil sich Ermittlungspflichten in Bezug auf Klimawirkungen auch aus dem UVPG ergeben; die UVP zielt allerdings allein auf eine formalisierte, verfahrensrechtlich ausgestaltete, aber in erster Linie tatsächliche Prognose der erheblichen Umweltauswirkungen, die lediglich dazu beiträgt, die Prüfung der Zulassungsfähigkeit eines Vorhabens bzw. die Planungsentscheidung anhand der dafür im Fachrecht sodann normierten materiell-rechtlichen Maßstäbe - zu denen § 13 KSG zählt - vorzubereiten (Fellenberg in: Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 1. Aufl., § 13 KSG Rn. 34); sie ersetzt hingegen nicht die eigenständige Abwägung sich gegenüberstehender Belange. Ungeachtet dessen lässt sich den betreffenden Stellen des Planfeststellungsbeschlusses auch nicht eine im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte Auseinandersetzung entnehmen, inwieweit diese Einfluss auf die Treibhausgasemissionen haben und die Erreichung der sich aus dem KSG ergebenden Klimaziele gefährden können. Eine derartige Abwägung hat schließlich durch die zuständige Planfeststellungsbehörde selbst - ggf. im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens - zu erfolgen, so dass auch nicht etwaige entsprechende Ausführungen der Beigeladenen in den eingereichten Schriftsätzen, ungeachtet der Frage, ob diese ausreichend wären, durch das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes herangezogen werden können.

Der so vorliegende Abwägungsmangel ist auch erheblich im Sinne von § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG, weil er offensichtlich ist, und - schon mangels hinreichender Anhaltspunkte - jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass er auf das Abwägungsergebnis von Einfluss sein kann.

Für das Verfahren nach § 80c Abs. 2 VwGO (Außerachtlassung dieses Mangels und ggf. Fristsetzung zur Behebung) besteht nach Abwägung aller Umstände nach Auffassung des Senats derzeit kein Raum. Nach § 80c Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht Mängel, insbesondere auch Abwägungsmängel wie vorliegend, außer Acht lassen, wenn offensichtlich ist, dass diese in absehbarer Zeit behoben werden. Erfasst werden von dieser Vorschrift solche Mängel, bei denen das Gericht aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sicher davon ausgehen darf, dass der Mangel zeitnah behoben sein wird (Köhler in: Posser/Wolf/Decker, BeckOK VwGO, 68. Ed., § 80c Rn. 9.1). Die künftige Fehlerheilung darf nicht von ungewissen Ereignissen oder unwägbaren Faktoren abhängig sein (BT-Drs. 20/5570, 17). Von einer zeitnahen Behebung kann in der Regel dann ausgegangen werden, wenn ein ergänzendes Verfahren bereits eingeleitet ist. Es bedarf zumindest über die bloße Kenntnis vom Mangel hinaus greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Behebungsabsicht durch die Behörde (Köhler in: Posser/Wolf/Decker, BeckOK VwGO, a.a.O.). Zur richterlichen Überzeugungsbildung kann auch das bisherige Verhalten der Behörde im Zusammenhang mit dem Mangel von Bedeutung sein (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 30.06.2023 - 9 B 2279/21.T -, BeckRS 2023, 16563).

Nach Maßgabe dessen sind derzeit weder tatsächliche Anhaltspunkte für eine künftige, zeitnahe Behebungsabsicht durch die Planfeststellungsbehörde noch hinsichtlich eines bereits eingeleiteten ergänzenden Verfahrens ersichtlich oder vorgetragen, auch lässt das bisherige Verhalten der Behörde nicht darauf schließen. Der Antragsgegner vertritt vielmehr - trotz des Hinweises des Antragstellers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - bisher durchgehend die Auffassung, dass es weitergehender Erwägungen, als im Planfeststellungsbeschluss bereits enthalten, hinsichtlich des § 13 KSG durch die Planfeststellungsbehörde nicht bedürfe. Soweit die Planfeststellungsbehörde in diesem Zusammenhang auch darauf abstellt, dass bereits im Erörterungstermin "die meisten in der Begründung vorgetragenen Argumente vorgetragen und ausführlich erörtert" worden seien, vermag dies bereits deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen, weil Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens die im Rahmen des - schriftlichen - Planfeststellungsbeschlusses getroffenen Entscheidungen und Erwägungen sind, nicht hingegen vorhergehende, die im laufenden Verwaltungsverfahren oder innerhalb einzelner Verfahrensabschnitte erfolgt sein mögen.

Erweist sich der Planfeststellungsbeschluss aller Voraussicht nach - jedenfalls bei der zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Sach- und Rechtslage - aufgrund der vorstehenden Erwägungen als rechtswidrig, kommt es für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die weiteren Einwendungen des Antragstellers gegen das Vorhaben ebenso wenig an wie auf die Ausführungen des Antragsgegners und der Beigeladenen zur Vollzugsfolgenabwägung. Letztere ist - wie zu Beginn ausgeführt - nur dann von Bedeutung wenn - anders als vorliegend - es nicht möglich ist, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen.

Da der Senat keine Entscheidung im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung trifft, kommt auch eine Beschränkung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf bestimmte Maßnahmen im Sinne von § 80c Abs. 3 VwGO nicht in Betracht. Nur wenn das Gericht im Rahmen einer Vollzugsfolgenabwägung entscheidet, soll es danach die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Regel auf diejenigen Maßnahmen des angefochtenen Verwaltungsaktes beschränken, bei denen dies erforderlich ist, um andernfalls drohende irreversible Nachteile zu verhindern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese einen eigenen Antrag nicht gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Ziff. 1.5 sowie in Anlehnung an Ziff. 34.4 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).