Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.06.2023, Az.: 5 A 5999/21
Approbation; Approbation als Arzt; Bundeszentralregister; Tilgungsfrist; Totschlag; Unwürdigkeit; Verwertungsverbot; Würdigkeit; Zusammenhang zu ärztlicher Tätigkeit; Erteilung der ärztlichen Approbation
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.06.2023
- Aktenzeichen
- 5 A 5999/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 27172
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0621.5A5999.21.00
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- BÄO § 3
- BZRG § 51 Abs. 1
- BZRG § 52 Abs. 1 Nr. 4
Fundstellen
- GesR 2023, 719-723
- MedR 2023, 1028
Amtlicher Leitsatz
Ein vorsätzliches Tötungsdelikt im privaten Rahmen kann dem Kläger im Approbationsverfahrens nach dessen Tilgung aus dem Bundeszentralregister nicht mehr entgegengehalten werden.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 2. September 2021 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Approbation als Arzt zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung der ärztlichen Approbation.
Er ist 1946 in Leipzig geboren und machte sich nach einer Lehre und dem Abschluss eines Wirtschaftsstudiums selbständig. Die berufliche Tätigkeit weitete sich im Laufe der Zeit derartig aus, dass der Kläger laut eigenen Angaben daraus ein Jahreseinkommen zwischen 80.000 Euro und 200.000 DM erzielte. Im Jahr 1979 begann er ein Medizinstudium. 1985 verstarb sein Geschäftspartner, die Firma des Klägers zerbrach und er geriet in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Die Schulden beliefen sich nach Angaben des Klägers zum damaligen Zeitpunkt auf ca. 1,4 Mio. DM. Am 27. November 1985 bestand der Kläger seine letzte mündliche Prüfung im Rahmen seines Medizinstudiums nicht, wodurch sich auch die Hoffnung zerschlug, einige Kredite zu stunden.
Am 13. Dezember 1985 erschoss der Kläger mit einer Schrotflinte den Freund seiner ehemaligen Freundin und fügte dieser mit dem Gewehr eine Trümmerfraktur des Nasenbeins sowie Wunden an Nase und Wangen zu. Sein anschließender Versuch, sich selbst das Leben zu nehmen, ging fehl. Das Landgericht Hannover verurteilte ihn mit rechtskräftigem Urteil vom 10. September 1986 wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren (Az. D.). Die Sachverständigen berichteten von einer narzisstischen Persönlichkeit mit schizoiden Zügen und grandiosen Überhöhungstendenzen des Klägers. Das Mordmerkmal der bewussten Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers konnte das Gericht dem Kläger nicht nachweisen. Zudem könne eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden, sodass das Gericht im Rahmen der Strafzumessung von der Milderungsmöglichkeit nach § 21 i. V. m. § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch machte. Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung führte das Gericht weiter aus, dass zu bedenken sei, dass der Kläger durch die Taten seine Berufswünsche nicht mehr werde verwirklichen können. Es erscheine ausgeschlossen, dass er eine Approbation als Arzt erlange. Darüber hinaus sei er derart verschuldet, dass er nach der Strafverbüßung kaum noch eine sozial gesicherte Existenz aufbauen könne. Schließlich sei auch noch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Ereignissen am 13. Dezember 1985 um eine einmalige Situationstat gehandelt habe.
Nach erfolgreicher Anfechtung der Prüfungsentscheidung (siehe dazu VG Hannover, Urteil vom 11.6.1987 - 6 VG A 141/86 und Nds. OVG, Urteil vom 17.1.1989 - 10 OVG A 339/87) wiederholte und bestand der Kläger die ärztliche Prüfung Jahr 1989 die ärztliche Prüfung und beantragte 1990 erstmalig die Approbation als Arzt. Der Antrag wurde abgelehnt, Eilanträge und Klage des Klägers blieben ohne Erfolg.
1997 beantragte der Kläger erneut die Erteilung der Approbation als Arzt, welche ihm wiederum versagt wurde. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (VG Hannover, Urteil vom 2.3.1999 - 5 A 1471/98 -). In dem Beschluss über die (abgelehnte) Zulassung der Berufung vom 3. Juni 1999 - 8 L 1794/99 - bestätigte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, dass aus den vom Kläger im Dezember 1985 begangenen Straftaten die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes folge und zum Entscheidungszeitpunkt entgegenzuhalten sei. Wer wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bestraft wurde, sei grundsätzlich auf Lebenszeit unwürdig, den Arztberuf auszuüben. Einen Anhaltspunkt für die Wiedererlangung der Würdigkeit ergebe sich aber aus den Regelungen des BZRG zum Verwertungsverbot.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom 3. Mai 2000 wurde gegen den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen festgesetzt.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt vom 29. Dezember 2005 wurde gegen den Kläger wegen Körperverletzung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen festgesetzt. Ihm war vorgeworfen worden, am 28. Oktober 2004 in einer Gaststätte in B-Stadt einen anderen Gast grundlos angespuckt und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben. Bei dem Versuch, den Schlag abzuwehren, habe der Geschädigte eine leichte Schürfwunde an der rechten Hand erlitten. Ein Einspruch des Klägers gegen den Strafbefehl und ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden als unzulässig verworfen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Einen weiteren Antrag auf Erteilung der Approbation nahm der Kläger im November 2005 zurück.
Unter dem 16. November 2007 beantragte der Kläger sodann erneut bei dem inzwischen zuständigen Beklagten die Erteilung der Approbation als Arzt. Er begründete dies damit, dass die Straftat vom Dezember 1985 mittlerweile 22 Jahre zurückliege und selbst das überlebende Tatopfer sich bei einem Telefonat im August 2007 überrascht gezeigt habe, dass er weiterhin keine Approbation habe. Vor diesem Hintergrund sei kein Raum mehr für einen Widerstand gegen die Aufhebung des Verbotes. Das Arbeitsamt werde die Leistungen für ihn kürzen. Auch unterstelle man ihm mangelhafte Bemühungen um die Zulassung. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens holte der Beklagte ein Behördenführungszeugnis hinsichtlich des Klägers ein. In dem Führungszeugnis vom 18. Februar 2008 war lediglich die Verurteilung vom 29. Dezember 2005 durch das Amtsgericht B-Stadt enthalten.
Mit Verfügung vom 24. Juli 2008 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Approbationserteilung ab, da die Verurteilung weiterhin im Zentralregister geführt werde, wo sie erst mit Ablauf des 9. September 2011 tilgungsreif sei. Die dagegen erhobene Versagungsgegenklage blieb abermals erfolglos. Das Verwaltungsgericht Hannover urteilte, dass der Beklagte die beantragte Approbationserteilung wegen fortbestehender Unwürdigkeit zu Recht versagt habe (Urteil vom 19.8.2009 - 5 A 3940/08 -). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei geklärt, dass eine festgestellte Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht auf ewig die Approbationserteilung verhindere oder ihre Wiedererteilung ausschließe. Zu der Frage, nach welchem Zeitablauf ein angehender Arzt, dem § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO entgegengehalten werde, wieder als würdig anzusehen sei, folgte die Kammer den Erwägungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 3. Juni 1999. Die Straftat sei danach weiterhin verwertbar. Unter Berücksichtigung der weiteren Verurteilung wegen Körperverletzung mit Strafbefehl vom 29. Dezember 2005, wofür die Tilgungsfrist gemäß § 46 Abs. 2a) BZRG zehn Jahre beträgt, trete die Tilgung sämtlicher Eintragungen nicht vor Ablauf des 28. Dezember 2015 ein. Den dagegen erhobenen Berufungszulassungsantrag lehnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss 10. Dezember 2009 - 8 LA 185/09 - ab.
Im Jahre 2014 gab es erfolglose Versuche zwischen dem Kläger und dem Beklagten, eine außergerichtliche Lösung zu finden, und dem Kläger z. B. eine Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung gem. § 10 BÄO zum 1. Januar 2016 auszustellen. Nach Einschätzung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ließen die Gesamtumstände erkennen, dass der Kläger sich nicht so weit geändert habe, dass er nunmehr langfristig charakterfest sei. Der bisherige Zeitraum reiche dafür nicht aus. Den erneuten Antrag des Klägers auf Erteilung der Approbation lehnte der Beklagte daher mit Bescheid vom 7. Januar 2019 ab. Das dagegen gerichtete Klageverfahren wurde eingestellt, nachdem der Kläger das Verfahren nicht weiter betrieb (5 A 798/19).
Mit Schreiben vom 9. Juli 2021 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Erteilung der Approbation als Arzt. Der Beklagte lehnte diesen Antrag nach Rücksprache mit dem Ministerium für Soziales mit Bescheid vom 2. September 2021, zugestellt am 9. September 2021, erneut ab. Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein angehender Arzt, der wegen eines solchen Tötungsdelikts bestraft werden musste, grundsätzlich auf Lebenszeit unwürdig sei, den Arztberuf auszuüben. Erschwerend kämen die beiden Verurteilungen aus dem Jahr 2000 und 2005 hinzu, die erkennen ließen, dass der Kläger nicht in der Lage sei, die auferlegten Verbote abstrakt gefährlichen Verhaltens einzuhalten, und die körperliche Integrität einer anderen Person missachtet und dieser willentlich Schaden zugefügt habe. Die Verurteilungen seien auch weiterhin verwertbar, da das Landgericht Hannover bereits festgestellt habe, dass die bewusste Zerstörung fremden Lebens mit dem Arztberuf prinzipiell unvereinbar sei und ein wegen vorsätzlichen Totschlags verurteilter Arzt daher grundsätzlich auf Lebenszeit unwürdig sei. Zudem sei die Tat, ungeachtet der persönlichen Umstände, die zur Tat geführt haben mögen, besonders aggressiv begangen worden. Selbst bei Vorliegen eines grundsätzlichen Verwertungsverbots dürften die Verurteilungen gem. § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG berücksichtigt werden, da sich aus der bewussten Zerstörung fremden Lebens und der beiden anderen Verurteilungen zeige, dass der Kläger nicht in der Lage sei, die auferlegten Verbote abstrakt gefährlichen Verhaltens einzuhalten. Diese Umstände wögen in ihrer Gesamtschau so schwer, dass eine Ausnahme von der wegen der begangenen Straftaten indizierten dauernden Unwürdigkeit nicht möglich sei. Weitere Anhaltspunkte, die eine solche Ausnahme rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Zudem habe der Kläger kein aktuelles Führungszeugnis vorgelegt. Die Ablehnung sei auch verhältnismäßig, da die Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG einerseits und der Schwere der Delikte sowie des Ansehensverlustes für die Ärzteschaft zu seinen Lasten ausfalle.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 30. September 2021, eingegangen bei Gericht am 5. Oktober 2021, Klage erhoben. Zur Begründung verweist er darauf, dass die Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt sei. Der Beklagte dürfe keine gelöschten Eintragungen heranziehen. Er sei auch nicht befugt, die Eignung der Antragsteller zu prüfen. Ihm sei eine Approbation in Aussicht gestellt worden. Sein Antrag vom 19. August 2016 sei erst am 9. Januar 2019 abgelehnt worden. Es beständen keine Widrigkeiten in der Öffentlichkeit, vielmehr würden ihm von der Ärzteschaft gute Beurteilungen ausgestellt. Er legt dazu zwei Schreiben von Ärzten aus dem Jahr 1992 vor, die sich für den Kläger einsetzen, sowie ein Schreiben eines Arztes aus E. aus dem Jahr 2020, der ihn als Assistenten beschäftigen wolle. Im ländlichen Raum bestehe ein akuter Ärztemangel. Auch im Bereich der Pandemiebekämpfung würden Mediziner gesucht. Er habe in E. tätig werden wollen, allerdings habe der dortige Kollege seine Praxis mittlerweile schließen müssen. Er legt zur Ergänzung das Schreiben seiner damaligen Rechtsanwältin vom 26. Juni 2014 an den Beklagten vor, die die Möglichkeit einer Berufsausübung begründet. Mit dem ebenfalls vorgelegten Schreiben vom 13. November 2014 habe der Beklagte mitgeteilt, dass er sich zur Vermeidung eines Rechtsstreits vorstellen könne, dem Kläger zum 1. Januar 2016 eine eingeschränkte Berufserlaubnis für eine ärztliche Tätigkeit für eine Praxis in E. zu erteilen.
Mittlerweile sei die Aufnahme des Arztberufes aus Altersgründen faktisch ausgeschlossen.
Der Kläger engagiere sich ehrenamtlich, z. B. zur Förderung der Deutschen Sprache und als Lern- und Lesehelfer an Brennpunktschulen. In der Verwaltungsakte befinden sich zudem zahlreiche Nachweise über verschiedene Praktika und Fortbildungen für den Zeitraum bis 1997. Seit 2012 bekommt der Kläger eine Altersrente.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 2. September 2021 die begehrte Approbation als Arzt zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den angefochtenen Bescheid. Im Schreiben vom 13. November 2014 sei lediglich ein Vergleichsvorschlag enthalten, der sich zudem auf eine Berufserlaubnis gem. § 8 BÄO bezogen habe, bei der die Voraussetzungen des § 3 BÄO - u.a. die Würdigkeit - gerade noch nicht vorliegen müssten.
Im Rahmen eines Erörterungstermins wurde die Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter umfangreich erörtert. Der Kläger hat dabei die Bereitschaft erklärt, auf die tatsächliche Ausübung der ärztlichen Heilkunde dauerhaft und unwiderruflich zu verzichten, sofern ihm die Approbation erteilt würde. Dem vom Berichterstatter vorgeschlagenen Vergleich, wonach dem Kläger die Approbation unter Aufhebung des Bescheides vom 2. September 2021 erteilt und gleichzeitig das Ruhen der Approbation unter Anordnung der sofortigen Vollziehung angeordnet würde, haben die Beteiligten nicht zugestimmt. Der Kläger hat insbesondere darauf verwiesen, dass sonst auch Therapien und Medikamentierung in eigener Sache ausgeschlossen wären. Die Beteiligten haben sich aber im Rahmen des Erörterungstermins mit einem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Sie alle waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht im erklärten Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts einen Anspruch auf Erteilung der Approbation als Arzt gem. § 3 Abs. 1 BÄO. Der ablehnende Bescheid vom 2. September 2021 ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Nach § 2 Abs. 1 der BÄO bedarf derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes den ärztlichen Beruf ausüben will, der Approbation als Arzt. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass sich der Antragsteller nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO).
Der Beklagte hat die beantragte Approbationserteilung zu Unrecht wegen einer fortbestehenden Unwürdigkeit des Klägers versagt.
Die Würdigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen richterlichen Nachprüfung unterliegt. Dabei ist eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO anzunehmen, wenn der Antragsteller durch sein Verhalten das zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen nicht besitzt oder dieses nicht erreichen kann. Es kommt dabei darauf an, ob ein bestimmtes Fehlverhalten, das nicht im Zusammenhang mit der (angestrebten) Ausübung des Berufs stehen muss, mit der Vorstellung in Übereinstimmung gebracht werden kann, die die Allgemeinheit mit der Einschätzung einer Arztpersönlichkeit und dem ärztlichen Berufsbild verbindet. Die Achtung und der umfassende Schutz der menschlichen Gesundheit sowie des menschlichen Lebens gehören zum Kernbereich des ärztlichen Berufsbildes und sind maßgebliche Bestandteile für das ärztliche Ethos. Mit diesem Berufsbild lässt sich die vorsätzliche, gewaltsame Tötung eines Menschen in keiner Weise vereinbaren.
In der Rechtsprechung ist weiter geklärt, dass eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes die Approbationserteilung nicht auf ewig verhindern oder ihre Wiedererteilung ausschließen kann. Dieser Gedanke erscheint für den Bereich der Wiedererteilung der Approbation auch in § 8 Abs. 1 BÄO und entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Inhalt und Grenzen des Geltungsbereiches des Art. 12 GG. Die Frage, nach welchem (bestimmten) Zeitablauf ein angehender Arzt, dem § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO entgegengehalten wird, wieder als würdig oder als hinreichend zuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs anzusehen ist, wird von der Bundesärzteordnung nicht beantwortet und ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Eufach0000000005s zur Unzuverlässigkeit eines Arztes (Beschluss vom 16. Juli 1996 - BVerwG 3 B 44.96 -). Ob das Verhalten, das zu Feststellung der Unwürdigkeit eines angehenden oder praktizierenden Arztes für seinen Beruf geführt habe, die Feststellung weiterhin rechtfertigt, hängt zum einen von seiner Eigenart und zum anderen davon ab, ob sich die Aufnahme oder Wiederaufnahme der ärztlichen Tätigkeit im Blick auf dieses Verhalten schon wieder oder überhaupt noch mit dem ärztlichen Berufsbild in Einklang bringen lässt.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 3. Juni 1999 - 8 L 1794/99 -, n. V. über das Begehren des Klägers festgehalten, dass ein angehender Arzt, der wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bestraft werden musste, grundsätzlich auf Lebenszeit unwürdig sei, den Arztberuf auszuüben. Darin liege kein automatischer Ausschluss vom Beruf, sondern diese Annahme rechtfertige sich daraus, dass die bewusste Zerstörung fremden Lebens mit dem Arztberuf prinzipiell unvereinbar sei. Gleichwohl sei zu prüfen, ob beim Kläger ein besonders gelagerter Fall vorliege, der es ausnahmsweise rechtfertige, den Kläger abweichend von diesem Grundsatz bereits zu diesem Zeitpunkt zur ärztlichen Tätigkeit zuzulassen. Einen Anhalt dafür gebe, ab wann dem Kläger die begangene Straftat nicht mehr vorgehalten werden dürfe, weil sie nach den Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes einem Verwertungsverbot unterliege. Hier sei die Tilgungsfrist nach § 51 Abs. 1, § 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 BZRG noch nicht abgelaufen, so dass sich ein Eingehen auf die Besonderheiten des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG erübrige.
Auch das erkennende Gericht hat in seinem Urteil vom 19. August 2009 - 5 A 3940/08 - ausgeführt, dass die Verurteilung des Klägers wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung weiterhin verwertbar sei, weil die Tilgung der Tat aus dem Jahre 1985 unter Berücksichtigung der weiteren Verurteilung wegen Körperverletzung im Dezember 2005 nicht vor Ablauf des 28. Dezember 2015 eintrete. Im Fall des Klägers seien auch keine Gesichtspunkte erkennbar, die ihn ausnahmsweise früher die Würdigkeit wiedererlangen ließen. Dazu führt das Gericht die beiden Verurteilungen des Klägers durch das Amtsgericht B-Stadt an. Dieses Verhalten, welches zudem auch erst wenige Jahre zurückliege, schließe eine Wiedergewinnung der Würdigkeit im Falle des Klägers zum derzeitigen Zeitpunkt noch aus. Zu Recht habe der Beklagte ausgeführt, dass das Vertrauen in die Ärzteschaft erschüttert würde, wenn dem Kläger die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt werden würde. Die Ablehnung der Approbationserteilung sei auch mit Blick auf Art. 12 GG und Art. 1 Abs. 1 GG verhältnismäßig. Der Kläger könne auch nach Wiedererlangung der Würdigkeit erneut einen Antrag auf Approbationserteilung stellen. Dass dies für den mittlerweile 62-jährigen Kläger nur noch eingeschränkt in Betracht komme, sei für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht erheblich. Denn bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Arztes für die Berufsausübung könne bei älteren oder gesundheitlich eingeschränkten Ärzten kein anderer Maßstab angelegt werden als bei jüngeren und voll leistungsfähigen Kollegen. Dass die berufliche Lebensplanung des Klägers durch die fehlende Approbation nicht verwirklicht werden konnte, verletze in Anbetracht der vom Kläger begangenen Straftaten dessen Grundrechte nicht.
In der Entscheidung über den dagegen erhobenen Berufungszulassungsantrag führte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss 10. Dezember 2009 - 8 LA 185/09 - weiter aus, dass die Approbationsbehörde bei der Entscheidung über die Eignung eines Bewerbers als Arzt auch strafgerichtliche Verurteilungen berücksichtigen könne, die zwar nicht mehr in ein Führungszeugnis aufzunehmen, aber weiterhin im Bundeszentralregister enthalten seien. Das Verwaltungsgericht könne zum Zwecke der Rechtspflege gem. § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG auch so uneingeschränkt Auskunft erhalten. Zudem würden der Approbationsbehörde auf Grund der gesetzlichen Mitteilungspflicht der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 EGGVG i. V. m. Nr. 26 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen ältere Verurteilungen ohnehin regelmäßig zielgerichtet und nicht nur zufällig bekanntgegeben. § 41 Abs. 1 BRZG lasse daher nicht den Schluss zu, im Approbationsverfahren solle den beteiligten Behörden und Gerichten bewusst keine Kenntnis von älteren Verurteilungen des Bewerbers gewährt werden, und kann schon deshalb keine Grundlage für ein darauf beruhendes ungeschriebenes Verwertungsverbot darstellen. Dem stehe zusätzlich § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG entgegen, wonach abweichend von dem in § 51 Abs. 1 BZRG ausdrücklich normierten Verwertungsverbot selbst eine getilgte Verurteilung berücksichtigt werden dürfe, wenn der Betroffene die Zulassung zu einem Beruf beantragt und die Zulassung sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Diese Bestimmung sei vom Gesetzgeber gerade für das ärztliche Approbationsverfahren geschaffen worden (vgl. Hase, BZRG, § 52, Rn. 5, m. w. N.) und schließe aus, die Verurteilung eines approbierten Bewerbers wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren allein wegen Zeitablaufs generell außer Acht zu lassen.
Nach diesen Maßstäben kann die Straftat bzw. die Verurteilung aus dem Jahre 1986 dem Kläger nicht mehr vorgehalten werden, da diese getilgt ist und gem. § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr verwertet werden darf. Danach dürfen eine Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung im Bundeszentralregister über eine strafgerichtliche Verurteilung getilgt worden oder zu tilgen ist. Die Straftaten des Klägers sind Ende 2015 getilgt worden.
Die Tat kann dem Kläger auch nicht aufgrund der Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG über die Tilgung hinaus vorgehalten werden.
Nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG darf die frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG weiter berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person (u. a.) die Zulassung zu einem Beruf beantragt, falls die Zulassung, Einstellung oder Erteilung der Erlaubnis sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde.
Sinn und Zweck der Vorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG ist eine Durchbrechung des materiell-rechtlichen Verwertungsverbots und des Resozialisierungsgedankens. Eine Verwertung bereits getilgter Straftaten ist danach nur gerechtfertigt, wenn dies im Hinblick auf Art und Schwere der Straftaten unter Berücksichtigung ihrer etwaigen Situationsgebundenheit und das Risiko für die Verletzung hochrangiger Rechtsgüter geboten ist. Denklogisch kommt diese - eng auszulegende - Ausnahmeregelung nur zum Tragen, wenn die getilgte Verurteilung anderweitig bekannt ist, da eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister ausgeschlossen ist (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 BZRG). Die Vorschrift ist zudem nur in den Bereichen relevant, in denen wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit ganz besondere Anforderungen an die persönliche Eignung des Betroffenen zu stellen sind. Dafür müssen schwerwiegende Gründe vorliegen. Allein das Vorhandensein einer getilgten oder tilgungsreifen Verurteilung genügt regelmäßig nicht (Bücherl in: BeckOK StPO, 46. Edition, Stand 1.1.2023, § 52, Rn. 8; Hase, Bundeszentralregistergesetz, 2. Auflage 2014, § 52, Rn. 5). Auch die Art des begangenen Delikts kann - für sich allein genommen - keine konkrete Gefahrenprognose tragen (vgl. Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, 5. Auflage 2015, § 52, Rn. 14). Vielmehr müsste durch die Zulassung eine beschreibbare konkrete, schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit entstehen (Rebmann/Uhlig, BZRG, 1985, § 52, Rn. 13). Eine tatsächliche Realisierung dieser Gefahr muss allerdings nicht im Einzelnen nachgewiesen werden; vielmehr genügt es, wenn eine erhebliche Gefährdung nach Sachlage nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Bücherl in: BeckOK StPO, 46. Edition, Stand 1.1.2023, Rn. 8 mit Verweis auf: Götz/Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz, 4. Aufl. 2000, Rn. 13). Weil die Durchbrechung des Verwertungsverbots gerade an die Berufszulassung anknüpft, sind auch nur solche Gefahren zu berücksichtigen, die im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu berücksichtigen wären, bzw. deren Abwehr der Zulassungsvorbehalt gerade dient.
Daraus folgt zunächst, dass sich eine Gefahr im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG nicht schon aus dem hohen Alter und der fehlenden praktischen Erfahrung des Klägers ergibt, der das Medizinstudium erst nach der Verurteilung abgeschlossen und den Arztberuf nie ausgeübt hat. Die (praktische) Qualifikation des Klägers ist zwar gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 4 BÄO i. V. m. der Approbationsordnung für Ärzte eine Voraussetzung für die Erteilung der Approbation, sie gilt jedoch als mit dem erfolgreichen Abschluss eines Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule nachgewiesen. Daher werden die Anforderungen an Weiterbildungen, Fortbildungen und Qualitätssicherung erst im Rahmen der Berufsordnung der Ärztekammer und bei der Kassenzulassung über § 95 ff. SGB V gestellt. Die jahrelange Dequalifizierung des Klägers ist daher kein Kriterium, das bei der Erteilung der Approbation gem. § 3 BÄO ins Gewicht fällt, und fällt damit auch aus dem Anwendungsbereich des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG. Auch eine Gefährdung des Ansehens des Berufsstandes, auf der die Annahme der Unwürdigkeit des Klägers maßgeblich beruht, stellt keine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG dar (so auch Götz, Das Bundeszentralregister, 3. Auflage 1985, § 52, Rn. 10). Sie beruht auf abstrakten Erwartungen und Zuschreibungen, nicht auf einer konkreten Rechtsgütergefährdung. Faktisch folgt daraus, dass die Annahme der Unwürdigkeit für sich genommen kaum die Durchbrechung des materiell-rechtlichen Verwertungsverbots tragen kann, sofern nicht weitere Umstände des Einzelfalls hinzutreten.
Solche Umstände begründet nicht schon ein Risiko beliebiger, kleinerer Straftaten, die selbst nicht die Schwelle zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG erreichen. Erforderlich ist vielmehr, dass eine erhebliche, konkrete Gefahr für einen größeren Personenkreis entsteht. Ob das der Fall ist, ist anhand der Bestrafung und der ihr zugrundeliegenden Tat von der zuständigen Behörde zu prüfen.
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers zielt die Vorschrift auf Fälle, in denen zwischen der früheren Tat und dem erwarteten künftigen Verhalten des Betroffenen ein Zusammenhang besteht. In der Gesetzesbegründung wird zu § 50 Nr. 4 BZRG a. F. entsprechend ausgeführt (BT-Drs. VI/1550, S. 23):
"Einem Bewerber, der sich um die Zulassung bzw. Wiederzulassung zu einem Beruf oder die Einstellung in den öffentlichen Dienst bemüht, soll grundsätzlich die frühere Tat nicht mehr entgegengehalten werden können. Dieser für die Resozialisierung wichtige Grundsatz wird bei der Prüfung der in einzelnen Berufsordnungen (z. B. Bundesärzteordnung, Bundesnotarordnung) festgelegten Zulassungsvoraussetzungen künftig von erheblicher Bedeutung sein (vgl. z. B. § 6 der Bundesnotarordnung: "Nur solche Bewerber sind zu Notaren zu bestellen, die nach ihrer Persönlichkeit und ihren Leistungen für das Amt eines Notars geeignet sind."). § 50 Nr. 4 sieht eine Ausnahme für die Fälle vor, in denen "die Zulassung oder Einstellung sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde". Hiervon sind nur Berufe und Amtsstellungen betroffen, bei denen wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit ganz besondere Anforderungen an die persönliche Eignung des Bewerbers zu stellen sind (z. B. Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Richter, Lehrer). Die Entscheidung darüber, wann im Einzelfall eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit zu befürchten ist, muß der Verwaltungspraxis bzw. der Rechtsprechung überlassen bleiben. Selten wird allein die zurückliegende Tat nach Ablauf der Tilgungsfrist noch die Annahme einer Gefährdung rechtfertigen. Bei den Ausschußberatungen sind vor allem Fälle ins Auge gefaßt worden, in denen zwischen der früheren Tat und dem späteren Verhalten des Betroffenen ein Zusammenhang besteht. So könnte die Anwendung der Ausnahmevorschrift z. B. bei der Entscheidung über die Wiedererteilung einer Approbation an einen Arzt, der früher wegen im Zustand der Trunkenheit begangener schwerer Behandlungsfehler verurteilt worden war und die Approbation verloren hatte, dann gerechtfertigt sein, wenn der Betroffene nach wie vor zum Alkoholgenuß neigt und sich nur in Verbindung mit der früheren Tat der hinreichend sichere Schluß ziehen läßt, daß auch eine künftige ärztliche Tätigkeit hiervon beeinflußt würde (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung). [...]."
Einen solchen vom historischen Gesetzgeber geforderten Zusammenhang zwischen der früheren Tat und einer andauernden Gefahr durch eine künftige Tätigkeit als Arzt kann die Kammer nicht erkennen. Die - unbestritten - schweren Straftaten zum Nachteil der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers und deren neuen Freundes hatten einen allein privaten Hintergrund. Zwar ist die Zerstörung des Lebens und die Schädigung der körperlichen Unversehrtheit von erheblicher Bedeutung und steht den persönlichen und charakterlichen Anforderungen an die Ausübung des ärztlichen Berufs diametral entgegen. Allerdings kann aus dieser einmaligen Tat im privaten Umfeld nicht der Schluss gezogen werden, dass eine künftige ärztliche Tätigkeit hiervon beeinflusst würde. Diese Tat alleine kann daher die Annahme einer fortbestehenden Gefährdung der Allgemeinheit nicht tragen. Es gibt auch keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass sich eine vor 38 Jahren zutage getretene Missachtung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit noch heute bei einer tatsächlichen Ausübung als Arzt im beruflichen Kontext zeigen würde. Vielmehr ist zu Gunsten des Klägers zumindest auch zu berücksichtigen, dass schon das Landgericht von einer affektiven Entäußerung und einmaligen Situationstat ausging. Ein Zusammenhang zu der ärztlichen Tätigkeit ergeben sich auch nicht unter Berücksichtigung der einmaligen Tat vom 28. Oktober 2004, deretwegen eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen gegen den Kläger festgesetzt worden war. Ihm war vorgeworfen worden, in einer Gaststätte einen anderen Gast grundlos angespuckt und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben. Schon dem Unwertgehalt nach bleibt diese Tat weit hinter der Ursprungstat zurück; sie gibt als einzig aktenkundiges Rohheitsdelikt seit der Ursprungstat auch keinen hinreichenden Aufschluss über unveränderliche Charakterzüge des Klägers, die neuerliche schwere Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit erwarten ließen.
Auch außerhalb der Tilgungsvorschriften ergeben sich keine Aspekte, die für eine Durchbrechung des Verwertungsverbots im Sinne einer unbegrenzten und lebenslangen Unwürdigkeit sprechen würden. Die nach § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB späteste Verfolgungsverjährung der Ursprungstat, die noch nicht eingetreten ist, könnte als absolute Grenze der Vorwerfbarkeit zwar eine Verwertung vor dem Eintritt der Tilgung gebieten, wenn sich diese aufgrund weiterer, geringfügiger Straftaten weiter verzögert. Die absolute Verfolgungsverjährung kann jedoch für sich genommen keine weitere Verwertung einer bereits getilgten Tat tragen.
Zugunsten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass er die Tat gestanden hat und nach glaubhaften Angaben aufrichtig bereut. Seitdem hat sich der Kläger nicht - vergleichbar - strafbar gemacht. Die weiteren Straftaten liegen mittlerweile ebenfalls 23 bzw. 18 Jahre zurück. Die dazwischenliegende Straffreiheit ist - weit überwiegend - nicht allein mit einem schwebenden behördlichen Verfahren zu erklären. Der Kläger hat sich zwischenzeitlich ehrenamtlich engagiert und damit versucht, seinen Beitrag zur Gesellschaft beizutragen. Sein beharrliches Bestreben, die Approbation im höheren Alter zu erlangen, ist seiner Persönlichkeit zuzuschreiben und in rechtlicher Hinsicht ohne Bedeutung.
Das Gericht kann schließlich bei Erteilung der Approbation bei realistischer Betrachtung der Umstände auch faktisch keine schweren Gefahren für einen größeren Personenkreis erkennen. Der Kläger hat im Klageverfahren selbst ausgeführt, dass die Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit in seinem Alter faktisch ausgeschlossen ist. Der Nutzen der Approbation wird sich daher darauf beschränken, dass er sich als approbierter Arzt bezeichnen darf und für sich selber Medikamente und Rezepte verschreiben bzw. ausstellen darf. Ein tatsächlicher Kontakt mit Patienten ist - außer in einem privaten Rahmen - kaum zu erwarten. Dazu trägt auch bei, dass neben den inhaltlichen Anforderungen an eine kassenärztliche Zulassung auch als Arzt für Privatpatienten u. a. eine Berufshaftpflichtversicherung, Kammerbeiträge und Versorgungsbeiträge zu entrichten wären. Das Gericht kann nicht erkennen, dass der Kläger schon diese finanziellen Anforderungen wird erfüllen können und wollen. Den Erwerb einer bestehenden Praxis erachtet das Gericht als fernliegend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Kammer sieht keinen Grund, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen. Die Kammer weicht weder von der Rechtsprechung der dort genannten Divergenzgerichte ab, noch wirft der Rechtsstreit über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, auf die nicht aus der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung beantwortet werden könnten.