Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.03.2023, Az.: 14 LC 32/22

Allgemeinverfügung; Corona-Pandemie; Fitnessstudio; Schließung; Infektionsschutzrecht; Betriebsuntersagung für Fitnessstudios durch Allgemeinverfügung zu Beginn der Corona-Pandemie

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.03.2023
Aktenzeichen
14 LC 32/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 17248
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0330.14LC32.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 10.11.2020 - AZ: 3 A 69/20

Fundstelle

  • GewArch 2023, 289-290

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage gegen eine durch Allgemeinverfügung angeordnete Betriebsschließung fehlt, wenn der Kläger inhaltsgleiche Verpflichtungen aufgrund einer Rechtsverordnung weiterhin zu beachten hätte.

  2. 2.

    Jedenfalls für eine Übergangszeit am Anfang des Pandemiegeschehens konnte ohne Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden.

  3. 3.

    Bei der Beurteilung der Frage, ob die streitgegenständliche Regelung einen legitimen Zweck verfolgt und hierzu geeignet, erforderlich und angemessen ist, kommt der Exekutive und auch der eine Allgemeinverfügung erlassenden Behörde ein Einschätzungsspielraum zu.

  4. 4.

    Die Betriebsuntersagung für Fitnessstudios durch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung verstieß nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere lag keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Friseurhandwerk vor.

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 10. November 2020 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die durch Allgemeinverfügung des Beklagten verfügte Schließung ihres Fitnessstudios im Zuge der Corona-Pandemie.

Durch die "Allgemeinverfügung des Landkreises E. zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV auf dem Gebiet des Landkreises E." vom 17. März 2020 ordnete der Beklagte auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a.F. i.V.m. § 1 NdsVwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG u.a. die Schließung von Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen an (Ziff. 1), wovon auch die Klägerin als Betreiberin des Fitnesszentrums "A." in A-Stadt betroffen war. Die Allgemeinverfügung trat mit ihrer Bekanntmachung am 18. März 2020 in Kraft und war bis zum 18. April 2020 befristet. Mit der Allgemeinverfügung wurden auch weitere Betriebe für den Publikumsverkehr geschlossen (Ziff. 1) und Zusammenkünfte unterschiedlicher Art untersagt (Ziff. 2). Ausdrücklich von der Schließungsanordnung ausgenommen (Ziff. 1) wurden Geschäfte des Einzelhandels, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Friseure, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungsverkäufe, Bau-, Garten und Tierbedarfsmärkte sowie der Großhandel und Dienstleister aus dem Gesundheitsbereich.

Der Beklagte begründete die Allgemeinverfügung u.a. damit, dass vor dem Hintergrund der dynamischen Verbreitung von Infektionen mit dem neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 und Erkrankungen an Covid-19 unverzüglich vollumfänglich wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik sowie zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden müssten. Die Vermeidung sozialer Kontakte, die sich als das einzig wirksame Vorgehen zur Erreichung des Ziels der Entschleunigung des Infektionsgeschehens erweise, trage in besonderer Weise zum Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen bei, da gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 derzeit weder ein Impfstoff noch spezifische Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden. Den angeordneten Maßnahmen komme als das einzig wirksame Mittel zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und zur Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems eine derart erhebliche Bedeutung zu, dass sich die mit ihnen verbundenen tiefgreifenden Freiheitseinschränkungen als verhältnismäßig erwiesen.

Ab dem 28. März 2020 galt zudem die "Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie" vom 27. März 2020 des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (Nds. GVBl. 2020 S. 48). Gemäß § 6 Abs. 2 dieser Verordnung wurden alle nicht dringend notwendigen Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden könne, untersagt, dies gelte u.a. für Friseurinnen und Friseure. Die Verordnung wurde am 4. April 2020 durch die "Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie" vom 2. April 2020 ersetzt (Nds. GVBl. 2020, S. 55). Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 5 dieser Corona-Verordnung waren u.a. Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen für den Publikumsverkehr und für Besuche geschlossen. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung blieben zudem die Dienstleistungen von Friseurinnen und Friseuren untersagt. Die Verordnung wurde am 8. April von der "Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie" vom 7. April 2020 abgelöst (Nds. GVBl. 2020, S. 63). Diese Verordnung sah weiterhin in § 1 Abs. 3 Nr. 5 die Schließung der Fitnessstudios sowie in § 7 Abs. 2 Nr. 1 das Verbot der Dienstleistungen von Friseurinnen und Friseuren vor. Erst mit der am 25. Mai 2020 in Kraft getretenen "Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus" vom 22. Mai 2020 des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wurde die Schließung der Fitnessstudios aufgehoben und eine Öffnung unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen ermöglicht. Friseurinnen und Friseure durften ihre Dienstleistungen ab dem 4. Mai 2020 wieder erbringen (vgl. Art. 2 Ziff. 3 lit. a der "Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus" vom 24. April 2020; Nds. GVBl. 2020, S. 84).

Gegen die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 17. März 2020 hat die Klägerin am 14. April 2020 Klage erhoben, soweit diese die Schließung der Fitnessstudios vorgesehen hat. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die zunächst als Anfechtungsklage erhobene Klage sei nach Erledigung der Allgemeinverfügung durch Zeitablauf als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das besondere Feststellungsinteresse folge aus der mit dem gerichtlichen Ausspruch der Rechtswidrigkeit verbundenen Präjudizwirkung. Sie beabsichtige, für die Dauer der Schließung Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus handele es sich bei der vollständigen Schließung ihrer Betriebsstätte um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff. In der Sache selbst sei ihr Fortsetzungsfeststellungsbegehren begründet. § 28 Abs. 1 IfSG in der seinerzeit gültigen Fassung sei keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Schließung ihres Fitnessstudios durch Allgemeinverfügung gewesen. Davon abgesehen sei die vollständige Betriebsschließung ihres Fitnessstudios unverhältnismäßig gewesen. Betriebsschließungen seien lediglich "ultima ratio". Die damalige Infektionslage habe das Ergreifen derartig schwerwiegender Maßnahmen (noch) nicht gefordert.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 18.03.2020 zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises E. rechtswidrig war, soweit in Ziff. 1 der Betrieb von Fitnessstudios untersagt worden ist.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, § 28 Abs. 1 IfSG a.F. sei eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Schließung der Fitnessstudios auch im Wege der Allgemeinverfügung gewesen. Die angefochtene Maßnahme sei seinerzeit auch notwendig und verhältnismäßig gewesen.

Mit Urteil vom 10. November 2020 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Allgemeinverfügung des Beklagten zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises E. vom 18. März 2020 rechtswidrig gewesen ist, soweit in Ziff. 1 die Schließung von Fitnessstudios angeordnet worden ist.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die ursprünglich als Anfechtungsklage erhobene Klage sei nunmehr als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung sei jedenfalls hinsichtlich der Schließung der Fitnessstudios rechtswidrig gewesen und habe die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Sätze 1 und 4 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung des erledigten (Dauer-)Verwaltungsaktes sei der gesamte Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und ihrem Außerkrafttreten.

Rechtsgrundlage für den Erlass der streitbefangenen Allgemeinverfügung sei § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gewesen, zunächst in der Fassung von 1. März 2020, dann in der Fassung vom 28. März 2020. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. stelle zwar eine verfassungsgemäße und insbesondere hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage dar. Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. könnten zudem auch in Form einer persönlichen Allgemeinverfügung ergehen. Unzutreffend sei die Annahme der Klägerin, die Schließung von Geschäften und Einrichtungen habe als präventive Maßnahme nur auf Rechtsgrundlagen aus dem 4. Abschnitt des IfSG gestützt werden können. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. könnten im Übrigen auch sonstige Dritte ("Nichtstörer") Adressaten von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckungen zu schützen.

Die formell rechtmäßige Allgemeinverfügung sei in dem angegriffenen Umfang jedoch materiell rechtswidrig. Zwar hätten die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. während der Geltungsdauer der Allgemeinverfügung vorgelegen. Der Beklagte habe das ihm aus § 28 Abs. 1 IfSG a.F. zukommende Ermessen jedoch rechtsfehlerhaft ausgeübt. Bei der Wahl der konkreten Schutzmaßnahme sei die handelnde Behörde u.a. an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Dieser gebiete es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im vorliegenden Fall widersprächen die von dem Beklagten getroffenen Regelungen den Bindungen, die sich aus seiner verfassungsrechtlichen Stellung als Teil der öffentlichen Verwaltung (Exekutive) ergäben und die nicht mit den Bindungen des demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgebers vergleichbar, sondern diesem gegenüber enger seien. Die dem demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber zustehende Einschätzungsprärogative dürfe nicht auf die lediglich mittelbar demokratisch legitimierte Exekutive übertragen werden. Dies zugrunde gelegt habe zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kein sachlicher Grund dafür vorgelegen, den Betrieb von Fitnessstudios ausnahmslos zu untersagen, andere Betriebe und Einrichtungen, insbesondere Friseure, Reinigungen und Gartenbaumärkte indes von der Schließung auszunehmen. Ein öffentliches Interesse an der Durchführung von Friseurbesuchen oder dem Aufsuchen von Reinigungen oder Gartenbaumärkten gerade in der hier fraglichen Zeit vom 18. März 2020 bis 18. April 2020 sei nicht zu erkennen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass das Trainieren in einem mit einem Hygienekonzept ausgestatteten Fitnessstudio mit einem signifikant höheren Infektionsrisiko behaftet wäre als insbesondere Friseurbesuche, die hier - soweit ersichtlich - weiterhin ohne die Pflicht zur Einhaltung jedweder Hygienemaßnahmen zulässig geblieben seien. Friseure, Reinigungen und Gartenbaumärkte zählten auch nicht zu den Geschäften und Einrichtungen des täglichen oder gesundheitlichen Versorgungsbedarfs.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Beklagten. Zur Begründung der Berufung führt er im Wesentlichen aus, auch ihm habe bei der Ergreifung von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie jedenfalls noch im Zeitraum März/April 2020, also zu Beginn der Pandemie, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zugestanden. Aufgrund der Neuartigkeit von Covid-19 habe es zu Beginn der Pandemie nur unzureichende Erkenntnisse und keine valide Datenlage über die Gefährlichkeit für die Bevölkerung und mögliche Übertragungswege gegeben.

Davon abgesehen sei die angegriffene Maßnahme selbst dann verhältnismäßig gewesen, wenn man ihm keinen Beurteilungsspielraum zubilligen wolle. Die Maßnahme verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Ein sachlicher Grund dafür, einerseits den Betrieb von u.a. Fitnessstudios ausnahmslos zu untersagen, andererseits bestimmte Betriebe und Einrichtungen, insbesondere Friseure, Reinigungen und Gartenbaumärkte (vorerst) nicht zu untersagen, habe vorgelegen. Der hier von ihm anzuwendende Sorgfaltsmaßstab habe sich dabei nach den im Entscheidungszeitpunkt herrschenden Umständen und Kenntnissen bestimmt. Durch die Ansammlungen körperlich trainierender Personen in geschlossenen Räumen werde aufgrund des regelmäßig deutlich gesteigerten Atemverhaltens unter körperlicher Belastung auf vergleichsweise engem Raum bzw. bei begrenztem und nur unzureichend durchmischten Luftvolumen die Gefahr der Infektion weiterer Personen deutlich erhöht. Auch komme es in einem Fitnessstudio zu einer Vielzahl von nicht im Einzelnen nachvollziehbaren Kontakten zwischen Mensch und Gerät, was die Wahrscheinlichkeit von Schmierinfektionen erhöhe. Es stelle den absoluten Regelfall dar, dass die Besucherinnen und Besucher eines Fitnessstudios an mehreren Geräten trainierten und diese Geräte während einer Trainingseinheit häufig wechselten. Dieses erhöhte Risiko bestehe bei den anderen genannten Betrieben und Einrichtungen (Friseuren, Reinigungen und Bau- und Gartenbaumärkten) gerade nicht.

Zudem sei die Anzahl der Personen, die sich durchschnittlich in einem Friseursalon aufhielten, deutlich geringer als die Anzahl der Personen, die durchschnittlich ein Fitnessstudio aussuchten. Zum damaligen Zeitpunkt sei es also durchaus wahrscheinlich erschienen, dass sich in einem Fitnessstudio ein großer Anteil der Besucher infizieren werde, wenn nur einer der Besucher infiziert sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 10. November 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Befugnisse des parlamentarisch legitimierten Gesetzgebers aufgrund einer Einschätzungsprärogative weiter reichten als die Befugnisse der Verwaltung.

Aus dieser Unterscheidung folge zunächst, dass sämtliche bisher ergangenen oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen für dieses Verfahren keine Präjudizwirkung entfalteten, da sich die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Begründungen allesamt auf die jeweiligen Corona-Schutzverordnungen der Länder bezögen und Gegner dort jeweils der parlamentarische Gesetzgeber, mithin das jeweilige Land selbst gewesen sei. Die Frage, ob bereits vor Erlass der ersten Corona-Schutzverordnungen Ende März bzw. Anfang April 2020 die Städte und Kommunen - wie hier - durch Allgemeinverfügung, mithin durch Verwaltungsakt, tief in die Grundrechte eingreifende Betriebsschließungen hätten anordnen dürfen, sei in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt.

Zutreffend habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass bereits seinerzeit kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von einerseits Fitnessstudios, die geschlossen worden seien, und andererseits Friseuren, Reinigungen, Bau- und Gärtenmärkten, die sogar noch ohne Einhaltung besonderer Hygienemaßnahmen geöffnet bleiben durften, bestanden habe. Die Annahme, die Infektionsgefahr sei in Fitnessstudios grundsätzlich höher als in Friseursalons, Reinigungen, Bau- und Gärtenmärkten, sei unzutreffend. Es komme vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung des Betriebes sowie auf die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen an. Es erschließe sich auch nicht, warum für einen Friseurbesuch ein höheres Bedürfnis als für einen Besuch im Fitnessstudio bestanden haben solle. Auch der Umstand, dass in der Landesverordnung vom 2. April 2020 zugleich Friseurdienstleistungen verboten worden seien, spreche dafür, dass eine unterschiedliche Behandlung von Fitnessstudios und Friseursalons nicht zulässig gewesen sei.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 7. März 2023 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die landesweite Anordnung der Schließung der Fitnessstudios zum 4. April 2020 durch die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 2. April 2020 zu einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ab diesem Zeitpunkt und damit zu einer (teilweisen) Unzulässigkeit der Klage führen könnte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage der Klägerin ist teilweise, nämlich für den Zeitraum vom 4. April bis zum 18. April 2020, bereits unzulässig (1.), im Übrigen unbegründet (2.).

1. Die nach dem Außerkrafttreten der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung des Beklagten lediglich noch auf die Feststellung gerichtete Klage, dass Ziff. 1 der Allgemeinverfügung insoweit rechtswidrig war, als damit die Schließung der Fitnessstudios angeordnet worden ist, ist für den Zeitraum vom 4. bis zum 18. April 2020 bereits unzulässig. Für den Zeitraum von ihrem Inkrafttreten am 18. März 2020 bis einschließlich zum 3. April 2020 ist sie zulässig. Im Einzelnen:

a) Die am 14. April 2020 erhobene Klage der Klägerin ist gemäß § 88 VwGO unter Berücksichtigung des Klageziels dahingehend auszulegen, dass die Klägerin zunächst sowohl Anfechtungsklage für die verbleibende Laufzeit der Allgemeinverfügung als auch bereits Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für den vergangenen Zeitraum erheben wollte.

Bei der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 1 Nds VwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG) mit Dauerwirkung, der sich im Zeitpunkt der Klageerhebung am 14. April 2020 für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bereits durch Zeitablauf erledigt hatte, denn für diesen Zeitraum konnte die Klägerin ihr Fitnessstudio nicht mehr rückwirkend öffnen, die Schließungsanordnung konnte nicht rückwirkend beseitigt werden (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 13.8.2020 - 10 LA 78/20 -, juris Rn. 8; VGH BW, Urt. v. 11.12.1990 - 9 S 850/89 -, juris LS 1 unter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung).

Die Klägerin hat allerdings hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Allgemeinverfügung nicht erst ab Klagerhebung, sondern für die gesamte Geltungsdauer gerichtlich überprüfen lassen wollte. So hat sie mit Erhebung ihrer Anfechtungsklage zugleich hilfsweise eine Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben. Auch wenn ausweislich ihrer Klagebegründung diese erst nach dem Auslaufen der Allgemeinverfügung an die Stelle der Anfechtungsklage treten sollte, hat sie dennoch hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass im Falle der Erledigung der Anfechtungsklage an deren Stelle die Fortsetzungsfeststellungsklage treten sollte; sie hat dabei lediglich die Rechtsfrage unzutreffend beurteilt, wann und aufgrund welcher Umstände bei der Allgemeinverfügung eine Erledigung eintritt. Zudem hat die Klägerin ausgeführt, dass es ihr um die gesamte Laufzeit der Allgemeinverfügung gehe; sie hat in der Klagebegründung insbesondere darauf abgestellt, welchen Verlust sie durch die Schließung ihres Fitnessstudios während der gesamten einmonatigen Geltungsdauer erlitten habe.

Nachdem die streitgegenständliche Allgemeinverfügung mit Ablauf des 18. April 2020 außer Kraft getreten ist, war der Klagantrag insgesamt lediglich noch auf die Feststellung gerichtet, dass Ziff. 1 der Allgemeinverfügung hinsichtlich der Schließung der Fitnessstudios rechtswidrig war. Mit dem außer Kraft treten der Allgemeinverfügung ist sowohl die mit ihr verbundene Regelungswirkung als auch die damit verbundene Beschwer entfallen. Das ursprünglich noch mit der Anfechtungsklage verfolgte Ziel, nämlich die (teilweise) Aufhebung der Allgemeinverfügung, hat sich somit erledigt. In einem solchen Fall wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz nur noch in der Form gewährt, dass das Gericht - auf entsprechend geänderten Antrag des jeweiligen Klägers - durch Urteil feststellt, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist - sofern der Betroffene ein berechtigtes rechtliches ideelles oder wirtschaftliches Interesse daran hat (st. Rspr., z.B. BVerwG, Beschl. v. 24.20.2006 - 6 B 61.06 -, juris Rn. 3).

b) Die so verstandene Fortsetzungsfeststellungsklage ist allerdings für den Zeitraum vom 4. bis zum 18. April 2020 mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig.

Ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme eines Gerichts ist ein rechtlich anzuerkennendes Rechtsschutzinteresse. Ein solches fehlt, wenn ein Erfolg des konkret eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens die Rechtstellung des Prozessführenden nicht verbessern würde (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor § 40 Rn. 16). Fehlte schon der Anfechtungs- oder der Verpflichtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, gilt dies auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage, weil eine unzulässige Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nach Eintritt des erledigenden Ereignisses nicht zu einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage führen kann (Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 43. EL August 2022, § 113 Rn. 150 m.w.N.). Die Fortsetzungsfeststellungsklage setzt die Ausgangsklage lediglich fort. Deshalb müssen im Moment der Erhebung deren sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sein bzw. soweit - wie hier im Zeitraum vom 18. März bis einschließlich 13. April 2020 - die Erledigung bereits vor Klageerhebung eintrat, muss die Erhebung vor dem erledigenden Ereignis noch möglich (i.S.v. zulässig) gewesen sein (BayVGH, Beschl. v. 31.8.2021 - 20 ZB 21.607 -, juris Rn. 8). Dies war hier ab dem 4. April nicht mehr der Fall. Ab diesem Zeitpunkt hätte einer Anfechtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt.

Ab dem 4. April 2020 wurde die Schließung der Fitnessstudios für den Publikumsverkehr nämlich auch in der "Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie" vom 2. April 2020 geregelt und in der Folgezeit im Rahmen weiterer Änderungsverordnungen fortgeschrieben. Auch eine Aufhebung der Allgemeinverfügung hätte daher ab diesem Zeitpunkt die Rechtsstellung der Klägerin nicht verbessern können, weil die Klägerin die inhaltsgleichen Verpflichtungen aufgrund der Verordnung weiterhin zu beachten gehabt hätte (vgl. für den Fall, dass sich der Rechtsschutzsuchende an inhaltsgleiche gesetzliche Regeln halten muss: BVerwG, Beschl. v. 7.3.2002 - 4 BN 60.01 -, juris; VGH BW, Beschl. v. 10.2.1998 - 9 S 557/96 -, juris Rn. 34 ff. m.w.N.). Die Anordnung der Schließung der Fitnessstudios in den für den maßgeblichen Zeitraum relevanten Verordnungen ist von der Klägerin nicht angegriffen worden und auch sonst nicht (mehr) Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht. Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist bereits abgelaufen. Eine Normenkontrolle gegen die Verordnungen ist daher auch nicht mehr möglich. In einem Eilverfahren hat der seinerzeit zuständige 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zudem entschieden, dass ein Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 (Schließung von Fitnessstudios) der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 ohne Erfolg bleibt (vgl. Beschl. v. 16. April 2020 - 13 MN 77/20 -, juris). Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage lag somit nicht vor (vgl. auch: VG Augsburg, Urt. v. 29.3.2021 - Au 9 K 20.575 - juris Rn. 19 ff.; vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 31.08.2021 - 20 ZB 21.608 -, juris Rn. 7 f.; VG Freiburg, Beschl. v. 25.3.2020 - 4 K 1246/20 -, juris Rn. 7, 10; VG Würzburg, Urt. v. 22.01.2021 - W 8 K 20.519 - juris Rn. 22). Damit fehlt auch der Fortsetzungsfeststellungsklage in dem genannten Zeitraum das Rechtsschutzbedürfnis.

c) Für den Zeitraum vom 18. März 2020 bis einschließlich 3. April 2020 hätte für eine Anfechtungsklage der Klägerin allerdings ein Rechtsschutzbedürfnis bestanden, da in diesem Zeitraum keine entsprechende Verordnungsregelung galt. Damit fehlte auch der Fortsetzungsfeststellungsklage für diesen Zeitraum nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist für diesen Zeitraum auch im Übrigen zulässig:

Die Klägerin ist klagebefugt, da eine Verletzung eigener subjektiver Rechte der Klägerin durch die angegriffene Schließungsanordnung für Fitnessstudios zumindest möglich erscheint. Die Klägerin betreibt ein Fitnessstudio.

Die Klägerin hat auch das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der gerichtlichen Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss dieses sogenannte Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Dabei ist es Sache der Klagepartei, die Umstände darzulegen, aus denen sich ein Feststellungsinteresse ergibt.

Für ein solches Feststellungsinteresse genügt grundsätzlich jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Es ist typischerweise in den anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses gegeben, kann aber auch aus anderen Umständen des Einzelfalles hergeleitet werden, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position zu verbessern (BVerwG, Urt. v. 29.3.2017 - 6 C 1.16 -, juris Rn. 29).

In all diesen Fällen muss das berechtigte Fortsetzungsfeststellungsinteresse jedoch über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der betroffenen Verfügung hinausgehen. Ferner kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG auch aufgrund eines Grundrechtseingriffs bestehen, sofern aufgrund der typischerweise kurzfristigen Erledigung des betroffenen Verwaltungsakts keine Möglichkeit bestand, die Maßnahme einer gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zuzuführen (BVerwG, Urt. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 30), wobei nicht endgültig geklärt ist, ob dies nur dann gilt, wenn hierdurch die Grundrechte schwerwiegend oder tiefgreifend betroffen sind (OVG NRW, Urt. v. 25.8.2022 - 13 D 33/20.NE -, juris Rn. 51 m.w.N.).

Hier liegt jedenfalls ein berechtigtes Interesse vor, selbst wenn dafür eine schwerwiegende Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten vorausgesetzt wird. Durch die Schließung wurde in das Recht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG in schwerwiegendem Maße eingegriffen, da diese ihr Fitnessstudio in der Zeit vom 18. März 2020 bis zum 3. April 2020 (ab dem 4. April 2020 erfolgte die Grundrechtsbeeinträchtigung bereits durch die entsprechende Regelung in der landesweiten Corona-Verordnung, s.o.) aufgrund der Allgemeinverfügung nicht betreiben konnte. Dieser Zeitraum von gut zwei Wochen ist auch nicht lediglich unerheblich.

2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass die in der Allgemeinverfügung des Beklagten vom 17. März 2020 u.a. angeordnete Schließung der Fitnessstudios im Zeitraum vom 18. März 2020 bis einschließlich zum 3. April 2020 rechtswidrig war. Die angegriffene Regelung war rechtmäßig und verletzte die Klägerin somit nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 4 VwGO analog.

Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung der Rechtswidrigkeit dieses erledigten Verwaltungsaktes ist der gesamte Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung am 18. März 2020 und dem Inkrafttreten der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 2. April 2020 am 4. April 2020. Den maßgeblichen Zeitpunkt, für den ein Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes festgestellt haben will, bestimmt er durch seinen Antrag (Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 113 Rn. 124). Es ist allein Sache des Klägers, den von ihm begehrten Umfang der Aufhebung eines Verwaltungsaktes zu bestimmen. Der Aufhebungsantrag kann sich beim Dauerverwaltungsakt nicht nur auf einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auch auf den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit oder Teile hiervon beziehen (Riese, in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 43 EL August 2022, § 113 Rn. 111 m.w.N.). Bei sachgerechter Auslegung des Klagantrags möchte die Klägerin hier die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Allgemeinverfügung während der gesamten Geltungsdauer überprüfen lassen (vgl. zur Auslegung ihres Antrags oben unter 1.). Ab dem 4. April ist die Klage allerdings bereits unzulässig (vgl. oben unter 1.). Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass sich am Entscheidungsergebnis - wie aus den folgenden Ausführungen ersichtlich - auch dann nichts ändern würde, wenn man den Zeitraum vom 4. April bis zum Auslaufen der Allgemeinverfügung am 18. April 2020 in die Prüfung der Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage einbeziehen würde.

In dem so bestimmten maßgeblichen Beurteilungszeitraum beruhte die Allgemeinverfügung auf einer tauglichen Rechtsgrundlage (a)) und war formell (b)) sowie materiell (c)) rechtmäßig.

a) Die angegriffene Allgemeinverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), zunächst in der Fassung vom 1. März 2020, dann in der Fassung vom 28. März 2020 (vgl. Art. 1 des Gesetzes vom 27. März 2020, BGBl. I S. 587). Nach beiden Fassungen dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

aa) Unbegründet ist der Einwand der Klägerin, die Schließung von Betrieben könne als präventive Maßnahme nur auf Ermächtigungsgrundlagen aus dem 4. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes ("Verhütung übertragbarer Krankheiten") gestützt werden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 IfSG a.F. auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.) intentional dem Schutz von bisher nicht kranken, nicht krankheitsverdächtigen und nicht ansteckungsverdächtigen Personen und damit gezielt auch präventiven Zwecken dienten (und dienen). Der Anwendungsbereich der Norm ist daher dem Grunde nach auch für Regelungen eröffnet, mit denen - wie bei der hier streitbegangenen Vorschrift - Betriebsschließungen (auch und gerade) als präventive Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung einer bereits aufgetretenen übertragbaren Krankheit ergriffen werden (vgl. OVG NRW, Urt. v. 25.8.2022 - 13 D 33/20.NE - juris Rn. 63; VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1067 -, juris Rn. 93 ff.; OVG Saarl., Urt. v. 31.3.2022 - 2 C 317/20 -, juris Rn. 33; OVG Bremen, Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 62; NdsOVG, Urt. v. 25.11.2021 - 13 KN 389/20 -, juris Rn. 56).

bb) Auch die Rüge der Klägerin, § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG a.F. stelle keine hinreichende Rechtsgrundlage dar, um weitreichende Grundrechtseingriffe wie Betriebsschließungen durch Allgemeinverfügungen zu rechtfertigen, da die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Bestimmtheit, Parlamentsvorbehalt und Wesentlichkeitsgebot nicht gewahrt seien, greift nicht durch. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG bestanden und bestehen (vgl. ausführlich Urt. v. 16.2.2023 - 14 KN 41/22 -, juris Rn. 53 ff. m.w.N.). An den Ausführungen hält der Senat auch weiterhin fest (vgl. zudem zur Verfassungsmäßigkeit von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG: BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 34 ff.).

§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. stellt jedenfalls für den hier relevanten Zeitraum auch eine ausreichende Ermächtigung für den Erlass einer Allgemeinverfügung zur Schließung von Fitnessstudios dar.

Es liegt kein Verstoß gegen den in Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 GG verankerten Grundsatz vor, dass staatliche Eingriffe im grundrechtsrelevanten Bereich einer förmlichen gesetzlichen Grundlage bedürfen (sog. Vorbehalt des Gesetzes). Nach diesen Regelungen muss das Parlament als unmittelbar demokratischer Gesetzgeber alle wesentlichen Fragen des Gemeinwesens selbst entscheiden und darf sie nicht der Exekutive überlassen (sog. Wesentlichkeitsgrundsatz; BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 -, juris Rn. 39). Gleichzeitig kann der Normgeber aber nicht sämtliche Einzelfälle bis ins Detail regeln. Angesichts der Vielfalt der Verwaltungsaufgaben sind auch Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich möglich (VGH BW, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 S 925/20 -, juris Rn. 39; OVG NRW, Beschl. v. 6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 59). Der Gesetzgeber hat sich bereits mit der Vorgängerregelung des § 28 IfSG in § 34 Abs. 1 Bundesseuchengesetz vom 18. Dezember 1979 bewusst für die Schaffung einer Generalklausel entschieden. Er wollte sicherstellen, dass "man für alle Fälle gewappnet" ist (vgl. den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468). Gerade der Infektionsschutz ist durch sich ständig wandelnde Umstände durch neue Krankheitserreger mit anfangs unbekannten Ansteckungsrisiken und gesundheitlichen Folgen gekennzeichnet. Den zuständigen Behörden sollten daher sämtliche notwendigen Handlungsoptionen zur Verfügung gestellt werden.

Dass eine Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage auch für eingriffsintensive Infektionsschutzmaßnahmen ausreicht, gilt unter Berücksichtigung der aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz folgenden Vorgaben für die Bekämpfung von neu auftretenden Erkrankungen allerdings nur soweit und solange, wie die besonderen Umstände nach einem solchen Ausbruch (insbesondere schneller Handlungsbedarf bei beginnender Virusausbreitung und noch unsicherer Erkenntnislage über Krankheitserreger und effektive Bekämpfungsmaßnahmen) dies rechtfertigen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen noch aufgrund einer Generalklausel vorläufig reagiert werden darf, damit dem Gesetzgeber ermöglicht wird, eventuelle Regelungslücken zu schließen (BVerfG, Kammerbeschl. v. 8.11.2012 - 1 BvR 22/12 -, juris Rn. 25; OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 117 m.w.N.; VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1067/20 -, juris Rn. 125 n.w.N.; OVG Bremen, Urt. v. 23.3.2022 - 1 D 349/20 -, juris Rn. 53 m.w.N.).

Mit zunehmendem Erkenntnisfortschritt hinsichtlich der Übertragungswege des SARS-CoV-2-Virus, der Krankheitsfolgen und der Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen wurde der Gesetzgeber allerdings in die Lage versetzt, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen von Infektionsschutzmaßnahmen speziell für die Bekämpfung dieses Virus zu präzisieren, ohne dass hierdurch eine effektive Pandemiebekämpfung behindert wurde (OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 119). Wann genau der Zeitpunkt erreicht war, ab dem eine solche gesetzliche Regelung mit Blick auf den Parlamentsvorbehalt jedenfalls in Bezug auf grundrechtsintensive Eingriffe erforderlich war, ist umstritten (vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen: OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 119 ff.). Die Festlegung dieses konkreten Zeitpunkts muss jedoch im vorliegenden Fall nicht erfolgen. Denn jedenfalls war dieser Zeitpunkt während der Geltungsdauer der streitgegenständlichen Regelung vom 18. März bis zum 3. April (bzw. auch bis zum Auslaufen der Allgemeinverfügung am 18. April 2020) offensichtlich noch nicht erreicht. Zumindest in diesem Frühstadium der Pandemie durften die zuständigen Behörden - und damit auch der Beklagte - auf die unvorhergesehene Gefahrensituation aufgrund einer Generalklausel vorläufig reagieren (vgl. für den 26.4.2020: OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 127).

Nach dem Bekanntwerden des Ausbruchs einer Infektionskrankheit in China wurde zunächst nicht davon ausgegangen, dass ein großes Risiko für Leben und Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch diese Erkrankung besteht; noch Anfang März 2020 wurde die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch das SARS-CoV-2-Virus als nur "mäßig" eingeschätzt (vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 4. März 2020, S. 4, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-03-04-de.pdf?__blob=publicationFile). Auch die WHO hat COVID-19 "erst" am 11. März 2020 zur Pandemie erklärt. In der Folgezeit entwickelte sich das Infektionsgeschehen jedoch sehr dynamisch. Erstmals am 17. März 2020 stufte das Robert Koch-Institut die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch das Virus als hoch ein (vgl. Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 17. März 2020, S. 1, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-03-17-de.pdf?__blob=publicationFile). Diese Lage führte zu einem kurzfristig entstehenden, dringenden Handlungsbedarf. Die Exekutive war daher gehalten, sich für Handlungsoptionen zu entscheiden und Maßnahmen zu erlassen, für die es in der Bundesrepublik Deutschland keine Präzedenzfälle gab. Mit der gebotenen Schnelligkeit hätte der parlamentarische Gesetzgeber wegen der in einem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zwingenden Einhaltung nötiger Verfahrensschritte entsprechende konkretere Rechtsgrundlagen nicht schaffen können (OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 128 ff.). Auch einheitliche Verordnungen für die jeweiligen Bundesländer waren in der gebotenen Schnelligkeit nicht zu erlassen. Der Beklagte musste daher tätig werden, solange das Land Niedersachsen noch keine einheitliche Verordnung erlassen hatte.

b) Die Allgemeinverfügung ist auch formell rechtmäßig.

Die Wahl des Instruments der Allgemeinverfügung ist für die vorliegend getroffene Maßnahme nicht zu beanstanden. Die getroffene Regelung stützt sich auf § 28 Abs. 1 IfSG a.F. Für hierauf gestützte Maßnahmen ist die Form einer Rechtsverordnung nicht zwingend vorgeschrieben (allerdings nach § 32 IfSG möglich), so dass Maßnahmen als Verwaltungsakt erlassen werden können. Hieraus folgt, dass die Anordnung der Schließung der Fitnessstudios im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in Form einer Allgemeinverfügung nach § 1 Nds VwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG geregelt werden konnte und sie nicht zwingend als Rechtsnorm (des Landes Niedersachsen) ergehen musste.

Eine Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet (§ 35 Satz 2 VwVfG). Während die Adressaten nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt bzw. bestimmbar sein müssen, muss sich die Allgemeinverfügung auf einen konkreten Einzelfall beziehen. Die Regelung eines Einzelfalles stellt das maßgebliche Kriterium für die Abgrenzung der Allgemeinverfügung von einer Rechtsnorm dar. Nicht die Unbestimmtheit des Personenkreises, sondern die Konkretheit des geregelten Sachverhalts unterscheidet die personenbezogene Allgemeinverfügung von der Rechtsnorm (VG Gera, Beschl. v. 16.4.2020 - 3 E 545/20 -, juris Rn. 34 m.w.N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 35 Rn. 162). Angesichts fließender Übergänge zwischen abstrakt-genereller und konkret-individueller Regelung steht es dem Hoheitsträger grundsätzlich frei, im Übergangsbereich entweder die Form der Normsetzung oder der Einzelfallentscheidung zu wählen, wenn - wie hier - der Erlass einer Rechtsverordnung nicht zwingend vorgeschrieben (allerdings nach § 32 IfSG möglich) ist (vgl. VG München, Beschl. v. 24.3.2020 - M 26 S 20.1255 -, juris Rn. 22).

Dieser Übergangs- bzw. Grenzbereich war hier nicht verlassen. Die von der Klägerin angegriffene Regelung der Allgemeinverfügung des Beklagten genügte den beschriebenen Anforderungen sowohl im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis als auch hinsichtlich der konkreten Situation in ihrer sächlichen und zeitlichen Dimension. In personeller Hinsicht wurden alle (natürlichen und juristischen) Personen adressiert, die Fitness- und Sportstudios betreiben. Dieser Personenkreis ist ohne große Schwierigkeiten nach allgemeinen Merkmalen bestimmbar. Der für eine Allgemeinverfügung erforderliche Bezug zu einem konkreten Sachverhalt ergibt sich hier aus der Corona-Pandemie, deren weitere Ausbreitung der Beklagte durch seine Maßnahmen reduzieren wollte. Die Anordnungen dienten damit nicht der Abwehr einer abstrakten Gefahr, sondern betrafen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Zudem war die Allgemeinverfügung zeitlich eng befristet (vgl. BayVGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 -, juris Rn. 7; VG Hamburg, Beschl. v. 27.3.2020 - 14 E 1428/29 -, juris Rn. 54 f.; vgl. zu den "anlassbezogenen Regelungen" auch: Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 286 ff.). Eine landesweite Verordnung, die den Erlass einer lokalen Allgemeinverfügung möglicherweise sperren würde (vgl. OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 7.4.2020 - 11 S 15/20 -, juris Rn. 5 ff.) war bei Erlass der Allgemeinverfügung noch nicht in Kraft. Hinzu kommt, dass angesichts der wachsenden Bedrohungslage eine rasche Reaktion seitens der Exekutive erforderlich war. Eine Allgemeinverfügung auf kommunaler Ebene lässt sich erheblich schneller realisieren als eine Verordnung auf Landesebene oder gar eine gesetzliche Regelung (vgl. bereits unter a)).

Weitere formelle Mängel der Allgemeinverfügung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die Allgemeinverfügung vom 17. März 2020 inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Allgemeinverfügung lässt sich eindeutig und klar entnehmen, dass u.a. Fitnessstudios für den Publikumsverkehr zu schließen sind.

c) Die streitgegenständliche Regelung der Allgemeinverfügung war auch materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG a.F. lagen bei Erlass und im Geltungszeitraum der hier zu beurteilenden Regelung vor (aa)). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die angegriffene Bestimmung war insbesondere auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam (bb)).

aa) Die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten nach § 28 Abs. 1 IfSG a.F. lagen vor.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG a.F. setzt tatbestandlich lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Weil § 28 IfSG a.F. eine Befugnisnorm zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ist, setzt die Norm die Feststellung einer solchen Krankheit voraus.

Die durch das SARS-CoV-2-Virus (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) - zum hier zu beurteilenden Zeitraum in der sog. "Basisvariante" - verursachte Krankheit Covid-19 stellte sich bereits im damaligen Zeitraum als übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG dar (vgl. Robert Koch-Institut, SARS-CoV-2, Informationen des Robert Koch-Instituts zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen, 13. Februar 2020, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 7/2020, S. 5 ff., abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/07_20.pdf?__blob=publicationFile). Die weltweite Ausbreitung von Covid-19 wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt (vgl. WHO, Coronavirus disease (Covid-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/interactive-timeline#!).

Im ganzen Bundesgebiet und damit auch in Niedersachsen wurden fortwährend Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. festgestellt. Nach Angaben des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Eufach0000000017s (RKI) waren im Bundesgebiet am 17. März 2020 - dem Tag des Erlasses der Allgemeinverfügung - mehr als 7.156 Menschen infiziert und mehr als zwölf Menschen verstorben. In Niedersachsen gab es 325 laborbestätigte Covid-19-Fälle (RKI, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 17.3.2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-03-17-de.pdf?__ blob=publicationFile). Am 18. April 2020 - dem Tag des Auslaufens der Allgemeinverfügung - gab es deutschlandweit bereits 137.439 bestätigte Covid-19-Fälle sowie 4.110 Verstorbene, in Niedersachsen waren 8.649 Menschen infiziert und 281 Menschen gestorben (vgl. RKI, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 18.4.2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-04-18-de.pdf?__blob= publicationFile). Über den genannten Zeitraum war folglich eine deutliche Zunahme der Infektionsfälle festzustellen.

Die Erkrankung manifestierte sich seinerzeit als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Bei 81 % der Patienten war der Verlauf mild, bei 14 % schwer und 5 % der Patienten waren kritisch krank. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führte im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen waren die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome - ARDS) sowie, eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit Covid-19, in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftraten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, hatten ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Raucher, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Eine Impfung oder eine spezifische Medikation waren seinerzeit nicht verfügbar. Die Inkubationszeit betrug im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankte (Manifestationsindex), betrug bis zu 86%. Die Erkrankung war sehr infektiös. Die Übertragung erfolgte hauptsächlich im Wege der Tröpfcheninfektion. Auch eine Übertragung durch Aerosole und kontaminierte Oberflächen konnte nicht ausgeschlossen werden. Es war zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren würden. Schätzungen gingen aber von bis zu 70 % der Bevölkerung aus, es war lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen würde. Grundlage dieser Schätzungen war die so genannte Basisreproduktionszahl von Covid-19. Sie war seinerzeit ohne die Ergreifung von Maßnahmen mit 2,4 bis 3,3 angegeben. Dieser Wert konnte so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 10.4.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/ NCOV2019/FAQ_Liste.html, Stand: 10.4.2020; vgl. zudem bereits: NdsOVG, Urt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 92).

Auch wenn nach den seinerzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verlief, hätte eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der damals fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland geführt. Bei vielen schweren Verläufen musste mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) - vermutlich sogar deutlich - längeren intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Selbst gut ausgestattete Gesundheitsversorgungssysteme wie das in Deutschland hätten hier schnell an Kapazitätsgrenzen gelangen können, wenn sich die Zahl der Erkrankten durch längere Liegedauern mit Intensivtherapie aufaddiert hätte. Dieser Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung konnte seinerzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung standen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen. Neben der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapien sowie der Stärkung des Gesundheitssystems und der Erhöhung der medizinischen Behandlungskapazitäten, die indes nicht sofort und nicht unbegrenzt möglich waren, bedurfte es hierzu zuvörderst der Verhinderung der Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, des Schaffens sozialer Distanz und ähnlich wirkender bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sowie des gezielten Schutzes und der Unterstützung vulnerabler Gruppen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 v. 19.3.2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile; Risikobewertung zu Covid-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 26.3.2020; vgl. zudem bereits: NdsOVG, Urt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 92).

bb) Regelungen zur Beschränkung von Kontakten und zur Schließung von Einrichtungen und Betrieben, die - wie hier - unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jeden im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung gerichtet sind, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. sein. Insbesondere kann sich eine Schutzmaßnahme nach § 28 Abs. 1 IfSG auch gegen einen Nichtstörer wie die Klägerin richten, die als juristische Person selbst nicht krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig sein kann (BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - 3 C 16/11 -, juris Rn. 26). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie in der seinerzeitigen Situation - eine Inanspruchnahme nur der infizierten und damit als Störer einzustufenden Personen bereits daran scheitert, dass deren Störereigenschaft oftmals nicht bekannt ist, weil aufgrund der verhältnismäßig langen Inkubationszeit der Erkrankung, häufig symptomlos verlaufender Infektionen und zahlenmäßig eingeschränkter Testungen der Infektionsstatus eines wesentlichen Teils der Bevölkerung offen sein dürfte (vgl. ausführlich BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 21 ff.).

Die angegriffene Schließungsverfügung wahrte auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und stellte damit eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 47).

(1) Mit der Schließungsverfügung wurde ein legitimes Ziel verfolgt. Der mit den in der Allgemeinverfügung geregelten Anordnungen - einschließlich der Schließung der Fitnessstudios - bezweckte Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwersterkrankter Menschen stellt ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Die so verstandene Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems durch geeignete Mittel zu gewährleisten und damit einhergehend das Leben und die Gesundheit der durch eine Überforderung des Gesundheitssystems unmittelbar Gefährdeten zu schützen, ist Aufgabe des Staates. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet diesen, sich schützend und fördernd vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit zu stellen.

(2) Die Schließung der betroffenen Fitnessstudios war - eingebettet in das in der Allgemeinverfügung geregelte Gesamtkonzept aus Betriebsschließungen und Kontaktbeschränkungen - zur Erreichung des Ziels geeignet. Für die Eignung einer Maßnahme reicht es aus, dass die Anordnungen den verfolgten Zweck fördern können. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 -, juris Rn. 114 m.w.N.; Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 185 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 59 m.w.N.).

Der Beklagten stand bei der Beurteilung der Eignung der in Betracht kommenden Maßnahmen ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel zur Erreichung der Ziele bezog.

Der Beurteilung von Prognoseentscheidungen durch den Gesetzgeber legt das Bundesverfassungsgericht je nach Zusammenhang differenzierte Maßstäbe zugrunde, die von einer bloßen Evidenz- über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Im Einzelnen maßgebend sind Faktoren wie die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, die Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen dürfen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen. Erfolgt der Eingriff jedoch zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsgerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Eignungsprognose beschränkt (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a., juris Rn. 185).

Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Die Eignung setzt folglich nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirksamkeit der Maßnahmen gibt (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 186). Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 186).

Diese Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht zunächst mit Blick auf den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum aufgestellt hat, werden in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung auch auf die Exekutive angewandt (BVerwG, Urt. v. 22.11.2022 - 3 CN 1/21 -, juris Rn. 59; OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38.20.NE -, juris Rn. 185 ff.; OVG Bremen, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 94 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 2.3.2022 - 13 B 195/22.NE -, juris Rn. 42; SächsOVG, Urt. v. 16.12.2021 - 3 C 20/20 - juris Rn. 26 m.w.N.; ThürOVG, Beschl. v. 13.01.2022 - 3 EN 764/21 -, juris Rn. 67; vgl. konkret zum Erlass von Allgemeinverfügungen: Schneider, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: 3. EL August 2022, § 24 Rn. 173). Entgegen der Auffassung der Klägerin zählen sowohl der Verordnungsgeber wie auch der Beklagte als die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erlassende Behörde zur Exekutive. Auch bei dem Verordnungsgeber, also dem zuständigen Ministerium, handelt es sich nicht um den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Hierzu zählen lediglich die unmittelbar vom Volk gewählten Parlamente.

Die Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts, dass lediglich dem demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Prognosespielraum bei der Wahl der Mittel zustehe, greift zu kurz. Das Bundesverfassungsgericht hat den dem parlamentarischen Gesetzgeber insoweit zustehenden Spielraum darauf gegründet, dass dieser demokratisch in besonderer Weise legitimiert sei und ihm die Verantwortung dafür zugewiesen sei, Konflikte zwischen hoch- und höchstrangigen Interessen trotz ungewisser Lage zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 171). Ferner hat es auf die besonderen Umstände nach dem Ausbruch einer neuartigen globalen Pandemie verwiesen, insbesondere, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, auf die Maßnahmen gestützt würden, die Eingriffe in Grundrechte bewirken, fortlaufend gewonnen, aufbereitet und auch korrigiert würden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 178).

Auch die Exekutive ist - wenn auch nur mittelbar - demokratisch legitimiert. Jedenfalls mit Blick auf die besonderen Gegebenheiten bei der Bekämpfung einer neuartigen Pandemie rechtfertigte dies, auch der Exekutive und damit auch dem Beklagten einen vom Umfang her mit dem des parlamentarischen Gesetzgebers innerhalb des Rahmens der Ermächtigung vergleichbaren Einschätzungsspielraum bei der Entscheidung über den Erlass von Infektionsschutzmaßnahmen einzuräumen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38/20.NE -, juris Rn. 191; Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 48, 50 m.w.N.). Ein exekutives Handeln auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage in einer akuten Krisensituation bedeutet zwangsläufig oftmals ein Handeln im Ungewissen, das auf gewisse Spielräume für unterschiedliche Handlungsoptionen und Gewichtungen im Einzelfall angewiesen ist (Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 48). Denn nur so kann die Exekutive die auch ihr vom Gesetzgeber zugewiesene Aufgabe (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F.), Gefahren für hoch- und höchstrangige Rechtsgüter durch den Ausbruch einer übertragbaren Krankheit abzuwenden oder jedenfalls einzudämmen, nachkommen. Wenn eine neuartige übertragbare Krankheit auftritt, ist typisch, dass Entscheidungen jedenfalls zunächst häufig auf einer unsicheren Erkenntnislage getroffen werden müssen und es an empirischen Nachweisen für die Wirksamkeit von Infektionsschutzmaßnahmen fehlen kann. Wenn die Exekutive nicht allein deswegen verpflichtet sein soll, das Infektionsgeschehen mit den damit einhergehenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung unreguliert "laufen zu lassen", ist sie darauf angewiesen, Entscheidungen über Infektionsschutzmaßnahmen auf Prognosen zu stützen. Korrespondierend mit der zunehmenden Aufklärung der Gefahrenlage durch gewonnene Erkenntnisse und wissenschaftliche Gewissheiten verengen sich dann auch die Einschätzungsspielräume (vgl. Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 50 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die gerichtliche Überprüfung der der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung zugrundeliegenden Prognosen nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen, weil der maßgebliche Zeitraum noch ganz zu Beginn der Corona-Pandemie lag und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu dem Virus, seinen Übertragungswegen und seinen Auswirkungen noch ganz am Anfang standen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.9.2022 - 13 D 38.20.NE -, juris Rn. 191).

Es ist daher für die Eignung der angegriffenen Maßnahme lediglich zu prüfen, ob die Prognose der Behörde aus einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials herrührt und ob sich die Behörde Kenntnis von der zur Zeit des Erlasses der Norm bestehenden tatsächlichen Ausgangslage in korrekter und ausreichender Weise verschafft hat. Ferner ist die Behörde verpflichtet, auch nach dem Erlass einer Regelung die weitere Entwicklung zu beobachten, erlassene Anordnungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren, falls sich herausstellt, dass die ursprünglichen Annahmen nicht mehr tragen (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 93; SächsOVG, Urt. v. 16.12.2021 - 3 C 20/20 - juris Rn. 26 m.w.N.; ThürOVG, Beschl. v. 13.01.2022 - 3 EN 764/21 -, juris Rn. 67).

Hieran gemessen ist die Prognoseentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Grundannahme des Beklagten, dass durch eine weitergehende Reduzierung persönlicher menschlicher Kontakte die Ausbreitung des sich im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren neuartigen Coronavirus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert wird, stützte sich auf einschlägige fachwissenschaftliche Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation. Für ihre Tragfähigkeit sprachen auch die Ergebnisse, die andere Staaten mit kontaktreduzierenden Maßnahmen bereits erreicht hatten. Beim Betrieb eines Fitnessstudios kommt es regelmäßig zu einer Vielzahl von solchen Kontakten, sei es mit den Beschäftigten oder anderen Kunden. Vor allem aber ist durch die von einer gesteigerten körperlichen Anstrengung geprägten Art der sportlichen Betätigung in geschlossenen Räumen regelmäßig der verstärkte und weiterreichende Ausstoß von - potentiell infektiösen - Aerosolen konkret zu befürchten. Die Schließung dieser Art von Sportstätten ist daher grundsätzlich geeignet, die Entstehung von Infektionsketten zu vermeiden (vgl. auch OVG Saarl., Urt. v. 31.3.2022 - 2 C 182/20 -, Rn. 32 m.w.N.).

(3) Die Maßnahme war auch zur Erreichung der oben definierten legitimen Ziele erforderlich. Für die Annahme der Erforderlichkeit einer Maßnahme darf kein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Ziels zur Verfügung stehen, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet, wobei die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme in jeder Hinsicht eindeutig feststehen muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 203 ff.).

Der Exekutive steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Er kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Normgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der Prognoseentscheidung des Normgebers beschränkt (vgl. für den Gesetzgeber BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 202 ff.; für den Verordnungsgeber z.B. OVG Bremen, Urt. v. 19.4.2022 - 1 D 126/21 -, juris Rn. 99 m.w.N.). Auf die entsprechenden Ausführungen unter (2) wird verwiesen.

Dies zugrunde gelegt war der Beklagte nicht verpflichtet, andere, weniger einschneidende Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere wäre ein etwaiges Hygienekonzept nicht gleich geeignet gewesen, um Infektionsketten zu unterbrechen. Darüber hinaus waren nach den - allein maßgeblichen - damaligen Erkenntnissen die Übertragungswege des Virus nicht abschließend geklärt, so dass bereits die Grundlage für die Erstellung eines verlässlichen Hygienekonzeptes fehlte. Im Übrigen fehlte für die Erstellung eines solchen Konzeptes auch die freie Verfügbarkeit von Masken und Hygieneflüssigkeiten. Testmöglichkeiten gab es nicht. Ein Impfstoff existierte nicht.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der von der Klägerin für den Betrieb von Fitnessstudios vorgeschlagenen Hygienemaßnahmen dem durch dessen Schließung erreichten Effekt nicht einmal nahekommen dürften. Aktive sportliche Betätigung, wie sie in Fitnessstudios stattfindet, geht grundsätzlich mit einer intensivierten Atmung und dadurch mit einem erhöhten Luftaustausch einher, hinzu kommt die verstärkte Transpiration bei körperlicher Anstrengung. Zudem kommt es gerade in Fitnessstudios und bei der Nutzung der Fitnessgeräte zu einer Vielzahl von nicht im Einzelnen nachvollziehbaren Kontakten zwischen Mensch und Gerät, die die Wahrscheinlichkeit von Schmierinfektionen erhöht.

(4) Die streitgegenständliche Schließungsanordnung war auch während ihrer gesamten Geltungsdauer verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Regelung verbundene Mehrwert für die Eindämmung des Infektionsgeschehens nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs steht. Es sind in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird ein Handeln des Normgebers umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können (BVerfG, Beschl. v. 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 216 m.w.N.).

Die streitgegenständlichen Regelungen sind angemessen, weil der damit verbundene Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck, der Vorbeugung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und damit dem Schutz des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Die streitgegenständliche Betriebsuntersagung kam einem zeitweisen Berufsverbot nahe und stellte damit einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Denn sie führte dazu, dass Fitnessstudios für etwa einen Monat (allerdings trat die landesweite Verordnung am 4. April 2020 in Kraft) ihren Betrieb einstellen mussten. Außer mit einem etwaigen Onlineangebot konnten die Betreiber der Fitnessstudios ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden während dieses Zeitraums nicht erfüllen. Wegen Rückforderungen von Beiträgen durch Bestandskunden sowie dem in diesem Zeitraum gänzlich weggefallenen Neukundengeschäft dürften sie erhebliche finanzielle Einbußen erlitten haben. Auch die Klägerin macht solche Einbußen geltend. Zwar dürfte es auf der anderen Seite auch Einsparungen gegeben haben (z. B. bei Energiekosten, ggf. Preisnachlass bei Mieten), es ist aber bei realistischer Betrachtung wohl nicht davon auszugehen, dass diese die finanziellen Einbußen in erheblichem Maße auffangen konnten. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand bemüht war, Existenzgefährdungen durch Hilfsprogramme abzuwenden und finanzielle Einbußen der Betroffenen jedenfalls zu reduzieren (zur Relevanz dieses Gesichtspunktes: BVerfG, Beschl. v. 23.3.2022 - 1 BvR 1295/21 -, juris Rn. 28). Ein hierfür wesentliches Instrument war der erleichterte Zugang zum Kurzarbeitergeld, durch das die Unternehmen ihre Personalkosten teils erheblich senken konnten (vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2020/04/Inhalte/Kapitel-2b-Schlaglicht/2b-Mit-aller-Kraft-gegen-Corona-Krise_pdf. Ferner stellte der Bund - aufgestockt durch das Land - für kleine und mittlere Unternehmen aus allen Wirtschaftsbereichen sowie Solo-Selbstständige, Freiberufler und Gründer nicht rückzahlbare Coronasoforthilfen bestehend aus einem Zuschuss zur Verfügung, dessen Höhe abhängig von der Anzahl der Beschäftigten 9.000, 15.000, 20.000 oder 25.000 Euro betrug (https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/corona-soforthilfen-1737444.). Auch startete am 23. März 2020 das KfW-Sonderprogramm "Corona-Hilfen", im Rahmen dessen KfW-Kredite als Liquiditätshilfen bereitgestellt wurden; die erste Kreditzusage erfolgte bereits am 6. April 2020. Am 15. April 2020 wurde dann zur Unterstützung von Unternehmen in der Coronakrise noch ein KfW-Schnellkredit mit 100%iger Risikoübernahme durch die KfW eingeführt (vgl. https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/Newsroom/Aktuelles/Pressemitteilungen-Details_583809.html; sowie https://www.kfw.de/%C3%9Cber-die-KfW/Berichtsportal/KfW-Corona-Hilfe/). Auch wenn der Eingriff in die Berufsfreiheit als solche hierdurch nicht kompensiert, sondern nur hinsichtlich seines Gewichts in gewissem Maße abgemildert werden konnte, war er aber zugunsten der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gerechtfertigt. Der Beklagte sah sich mit dem Ausbruch einer Pandemie konfrontiert, die sich in Deutschland und auch in Niedersachsen sehr dynamisch ausbreitete. Er wusste, dass bei einem bestimmten Anteil der Infizierten die Erkrankung schwer verlief, bei manchen auch unter der gebotenen Behandlung tödlich. Der Beklagte musste also davon ausgehen, dass ein sich stark ausbreitendes Infektionsgeschehen zwangsläufig zu vielen Todesfällen führen würde. Je höher die Infektionszahlen anstiegen, umso mehr Menschen würden an SARS-CoV-2 versterben. Eine zunehmende Viruszirkulation hätte insbesondere deutlich mehr Angehörige vulnerabler Personengruppen der Gefahr einer schweren Erkrankung oder sogar des Todes ausgesetzt, vor der sie sich selbst nicht effektiv hätten schützen können. Dies gilt z. B. für pflegebedürftige Personen, die regelmäßig auf eine Vielzahl von Kontakten zu anderen Personen angewiesen sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt weder ein effektiver Schutz vor einer Infektion durch eine Impfung möglich war noch eine zuverlässige Therapie existierte. Ferner lagen kaum Erfahrungen dazu vor, wie Erkrankte optimal behandelt werden konnten, um die Überlebenschancen zu erhöhen. Zudem hatte der Beklagte die auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Ausführungen vertretbare Prognose angestellt, dass dem Gesundheitssystem eine Überlastung drohte. Dies hätte zum einen die Gefahr begründet, dass schwer an Corona erkrankte Personen versterben, die bei einer Behandlung auf der Intensivstation hätten gerettet werden können, sowie, dass auch Personen mit anderen akut behandlungsbedürftigen Verletzungen oder Erkrankungen gefährdet waren, weil auch sie keinen Zugang mehr zu einer adäquaten Versorgung gehabt hätten. Mit der Vermeidung einer solchen Situation verfolgte der Beklagte den Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter. Er durfte insoweit auch aufgrund der von ihm vertretbar angestellten Prognose davon ausgehen, dass diese Rechtsgüter nicht nur entfernt oder abstrakt, sondern konkret gefährdet waren. Die schwerwiegenden Eingriffe in die Berufsfreiheit waren deswegen vorübergehend hinzunehmen.

(5) Die an sich verhältnismäßige Regelung verstieß auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Dass der Beklagte sich entschieden hatte, u.a. Friseure, Reinigungen, Bau- und Gartenbaumärkte zunächst nicht zu schließen, ist auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich nicht zu beanstanden.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet Legislative und Exekutive, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Regelung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, juris Rn. 79; NdsOVG, Beschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 162/20 -, juris Rn. 38).

Bei Regelung eines dynamischen Infektionsgeschehens und der Notwendigkeit, schnelle, effektive Entscheidungen in einer sich ständig verändernden Lage zur Gefahrenabwehr zu treffen, sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 14.05.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 35; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. NdsOVG, Beschl. v. Beschl. v. 14.05.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Dem Einschätzungsspielraum hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen wohnen notwendigerweise Pauschalierungen, Typisierungen und Generalisierungen inne. In diesem Zusammenhang sind auch Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen zwangsläufig ergeben, hinzunehmen, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. Greve, in: Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, Einführung B Rn. 52). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (NdsOVG, Beschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 162/20 -, juris Rn. 39 und Beschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62).

Der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gestaltungsspielraum ist für die Exekutive enger als für die Legislative. Für diese besteht ein solcher von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm (hier: § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F.) abgesteckten Rahmen. Die Exekutive darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden. In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (BVerfG, Beschl. v. 26.2.1985 - 2 BvL 17/83 -, juris Rn. 39 m.w.N.). Er muss daher den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind. Gesetzlich vorgegebene Ziele darf er weder ignorieren noch korrigieren (VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 270 m.w.N.).

Infektionsschutzrechtlich begründete Maßnahmen der Exekutive hatten sich im streitbefangenen Zeitraum deshalb an den Zwecken der Ermächtigung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. auszurichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornahmen (vgl. VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 271 m.w.N.). Hieraus folgt, dass Ungleichbehandlungen in Verordnungen und Allgemeinverfügungen grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen durften. Denn § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. gab nur Befugnisse zu Schutzmaßnahmen aus Gründen des Infektionsschutzes, "soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sind" (vgl. VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 271 m.w.N.). Zu diesen infektionsschutzrechtlichen Gründen, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen können, traten allerdings auch überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls hinzu, die Ungleichbehandlungen ebenfalls erlauben konnten (vgl. VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 271 m.w.N.). Solche überragend wichtigen Gründe des Gemeinwohls konnten insbesondere für eine bevorzugte Öffnung von Geschäften und Betrieben sprechen, die der unmittelbaren Grundversorgung der Bevölkerung dienen (vgl. VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 271 m.w.N.). Denn solche gegenständlich eng begrenzten Bevorzugungen bestimmter Geschäfte und Betriebe lagen (bereits) im wohlverstandenen Sinn der Ermächtigung in § 28 Abs. 1 IfSG a.F. (vgl. VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 1079/20 -, juris Rn. 271 m.w.N.). Auch solche Differenzierungen wurzeln letztlich im Gesundheitsschutz, denn die Sicherstellung der Grundversorgung ist für Leben und Gesundheit unverzichtbar.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die Ungleichbehandlung von Fitnessstudios einerseits und den weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen, insbesondere den Friseursalons, den Reinigungen und den Bau- und Gartenbaumärkten andererseits angesichts bestehender Unterschiede hinsichtlich der jeweiligen epidemiologischen Rahmenbedingungen, der zu berücksichtigenden Bedürfnisse größerer Teile der Bevölkerung sowie der wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Auswirkungen von Verboten in unterschiedlichen Bereichen sachlich gerechtfertigt.

Es handelte sich um unterschiedlich zu würdigende Sachverhalte. Anders als bei der sportlichen Betätigung innerhalb eines Fitnessstudios entwickelt der Kunde bei einem Besuch der vom Verwaltungsgericht zum Vergleich herangezogenen Betriebe (Friseurstudio, Reinigung, Bau- und Gartenbaumärkte) typischerweise keine erhöhte Atemaktivität mit der bei einem Infizierten konkret bestehenden Gefahr der Freisetzung weit streuender und erheblicher Virenmengen. Gerade in dieser deutlich verstärkten Atmung liegt aber die erhöhte Ansteckungsgefahr, der die Allgemeinverfügung mit restriktiveren Verboten begegnet (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37 und Beschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 162/20 -, juris Rn. 40; diesen Aspekt bestätigend BVerfG, Beschl. v. 29.4.2020 - 1 BvQ 44/20 -, juris Rn. 13; OVG LSA, Beschl. v. 20.5.2020 - 3 R 86/20 -, juris Rn. 67; SaarlOVG, Beschluss vom 28. April 2020 - 2 B 151/20 -, juris Rn. 21; OVG NRW, Beschl. v. 24.4.2020 - 13 B 520/20.NE - juris Rn. 54). Auch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Schmierinfektion in Fitnessstudios durch den ständigen Gerätewechsel im Vergleich zu den durch die Allgemeinverfügung nicht geschlossenen Betrieben nachvollziehbar erhöht. Bei jedenfalls in diesem frühen Stadium der Pandemie zulässiger pauschalierender Betrachtung konnte der Beklagte auch davon ausgehen, dass sich in einem Fitnessstudio mehr Menschen gleichzeitig aufhalten, als beispielsweise in einem Friseurstudio oder in Reinigungen. Friseurdienstleistungen dienen zudem nach typisierender Betrachtungsweise noch der Grundversorgung der Bevölkerung. Sie werden von einem Großteil der Bevölkerung regelmäßig in Anspruch genommen, dienen der grundlegenden Körperpflege und sind in der Regel nicht über längere Zeit aufschiebbar (VGH BW, Urt. v. 2.6.2022 - 1 S 926/20 -, juris Rn. 281 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 26.11.2020 - 13 B 1636/20.NE -, juris). Dabei ist vor allem auch an die ältere Bevölkerung zu denken, welche teilweise wegen körperlicher Gebrechen nicht mehr selbständig dazu in der Lage ist, sich die Haare zu waschen und zu frisieren. Unabhängig davon ist der Friseurbesuch aber auch deswegen für alle Bevölkerungsschichten unaufschiebbar, weil Haare wachsen und einer regelmäßigen Pflege bedürfen. Der Beklagte durfte daher Friseurdienstleistungen trotz der auch hiervon ausgehenden Infektionsgefahren als weniger verzichtbar ansehen als den Besuch in einem Fitnessstudio. Ebenfalls vertretbar ist es, Reinigungen noch der Grundversorgung der Bevölkerung zuzurechnen, da Kleidung schon aus hygienischen Gründen regelmäßig gewaschen bzw. - soweit dies nicht möglich ist - gereinigt werden muss. Abgesehen davon finden in einer Reinigung im Vergleich zu einem Fitnessstudio deutlich reduzierte persönliche Kontakte statt, gleiches gilt - zumal in besonders großen Räumlichkeiten bzw. sogar unter freiem Himmel - für Bau- und Gartenbaumärkte. Deren Privilegierung erscheint außerdem vertretbar, um Handwerkern und Privatpersonen die Durchführung notwendiger Reparaturen zu ermöglichen bzw. um der Saisonalität der Waren und der im Frühjahr beginnenden Pflanzzeit Rechnung zu tragen (vgl. auch VG München, Urt. v. 16.11.2022 - 26bK 20.1221 -, juris Rn. 72).

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Friseurstudios durch eine landesweite Verordnung bereits ab dem 28. März 2020 geschlossen waren und daher ab diesem Zeitpunkt ohnedies keine Ungleichbehandlung mehr in Betracht kam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.