Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.03.2023, Az.: 12 ME 19/23

formelle Beweiskraft; Fahrerlaubnis; Entziehung; Parteivernehmung; öffentliche Urkunde; polizeiliches Vernehmungsprotokoll; Beweiskraft eines polizeilichen Vernehmungsprotokolls

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.03.2023
Aktenzeichen
12 ME 19/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 13392
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0317.12ME19.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 16.01.2023 - AZ: 1 B 69/22

Fundstellen

  • DÖV 2023, 568
  • NPA 2023
  • NordÖR 2023, 295

Amtlicher Leitsatz

Ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll ist grundsätzlich geeignet, als öffentliche Urkunde vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs zu erbringen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 16. Januar 2023 wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500.- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der 1990 geborene Antragsteller dagegen, dass es die Vorinstanz abgelehnt hat, ihm vorläufigen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug des im Klagewege angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 14. November 2022 (Bl. 31 ff. der Gerichtsakte) zu gewähren. Durch diesen Bescheid entzog der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis (u. a. der Klasse B), weil er ihn unter Berufung auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansah. Denn der Antragsteller hatte das unter dem 7. Juli 2022 (Bl. 359 f. der Beiakte - BA -) von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht. Die Anforderung dieses Gutachtens hatte der Antragsgegner auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV gestützt und im Hinblick darauf als gerechtfertigt angesehen, dass der Antragsteller aufgrund folgenden Sachverhalts u. a. wegen tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreibens und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (rechtskräftig) strafrechtlich verurteilt worden war: Der Antragsteller hielt am 1. Oktober 2019 in der Ablage der Fahrertür seines Fahrzeugs 9 g Marihuana zum Eigenkonsum und im Kühlschrank seines Wohnwagens insgesamt 144,29 g Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf vor. Im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 1. Oktober 2019 (Bl. 47 ff. BA) gab er - laut des Vernehmungsprotokolls - auf Nachfragen an, er konsumiere seit zehn Jahren keine Betäubungsmittel mehr und habe zuvor Amphetamin zu sich genommen. Die letztgenannte Angabe bestreitet er.

Das Verwaltungsgericht hat seinen angefochtenen Beschluss im Wesentlichen begründet wie folgt:

Das Gericht entscheide nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf der Grundlage einer eigenen Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Im Rahmen der Interessenabwägung komme den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine entscheidende Bedeutung zu. Die Klage gegen den Entziehungsbescheid vom 14. November 2022 werde keinen Erfolg haben, da sich dieser Bescheid als rechtmäßig erweise.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise.

(1) Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sei geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfülle und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen habe. Würden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründeten, habe die Fahrerlaubnisbehörde unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären. Wenn sich der Betroffene weigere, sich untersuchen zu lassen, oder er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringe, dürfe sie auf seine Nichteignung schließen, sofern er im Rahmen der Beibringungsanordnung nach § 11 Abs. 6 FeV hierauf hingewiesen worden sei (§ 11 Abs. 8 FeV).

(2) Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung sei gerechtfertigt, wenn die Beibringungsanordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig, gewesen sei. Die Beibringungsanordnung vom 7. Juli 2022 erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, weshalb der Antragsgegner wegen der Nichtvorlage des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers habe schließen dürfen (§ 11 Abs. 8 FeV). Die Beibringungsanordnung sei formell rechtmäßig. Sie sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtenanforderung habe Anlass für eine medizinisch-psychologische Begutachtung nach § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 1 und 3 FeV i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV bestanden.

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV sei die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn Tatsachen die Annahme begründeten, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliege, und zu klären sei, ob der Betroffene - ohne abhängig zu sein - weiterhin Betäubungsmittel einnehme.

Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV schließe bereits der einmalige Konsum "harter" Drogen wie Amphetamin - unabhängig von der Menge und einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand - die Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers aus. Für die Wiedererlangung der Fahreignung nach einem vorangegangenen Konsum sogenannter "harter" Drogen müsse im Regelfall nach einer Entgiftungs- und Entwöhnungszeit eine einjährige Abstinenz nachgewiesen werden. Zudem müsse überprüft werden, ob der Konsum "harter" Drogen zu dauerhaft schweren körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen oder einer Schädigung des zentralen Nervensystems geführt habe. Für eine positive Verkehrsprognose sei zudem wesentlich, dass eine positive Veränderung der körperlichen Befunde erfolgt sowie ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel eingetreten sei, der es wahrscheinlich mache, dass der Betroffene auch in Zukunft die notwendige Abstinenz einhalte. Mache der Inhaber einer Fahrerlaubnis einen solchen Verhaltenswandel geltend und liege zwischen dem Tag, den der Betroffene als Beginn der Drogenabstinenz benannt habe, und dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt mindestens ein Jahr, so sei die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, dem Gesichtspunkt einer etwaigen Wiedererlangung der Fahreignung bereits in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahren nachzugehen.

(a) Im vorliegenden Fall sei von einem nachgewiesenen vergangenen Amphetaminkonsum des Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller selbst habe im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 1. Oktober 2019 nach Belehrung als Beschuldigter erklärt, er habe früher Amphetamin konsumiert (Bl. 48 BA). An dieser Erklärung, die er im Anschluss laut Protokoll genehmigt habe, müsse er sich festhalten lassen.

(b) Der geschilderte Konsum von Amphetamin habe den Verlust der Fahreignung zur Folge gehabt. Aufgrund des Zeitablaufs habe der Antragsgegner allerdings zu Recht ein medizinisch-psychologisches Gutachten nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV angeordnet, um die Wiedererlangung der Fahreignung abzuklären. Da der Antragsteller vorgetragen habe, bereits seit mehr als zehn Jahren keine "harten" Drogen mehr zu konsumieren, sei das "Abstinenzjahr" bereits abgelaufen gewesen.

(c) Dennoch hätten für den Antragsgegner weiterhin erhebliche Zweifel daran bestanden, ob der Antragsteller seine Fahreignung wiedererlangt habe; dem habe die Behörde durch Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV nachgehen dürfen. Dabei verkenne die Kammer vorliegend nicht, dass bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden könne. Der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch müsse nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten vielmehr noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Es müsse eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnehme oder jedenfalls rückfallgefährdet sei und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken könne. Erforderlich sei eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände. Entscheidend sei, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründeten. Von besonderem Gewicht seien insoweit Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums. Auch die Art der konsumierten Droge und ihre Eignung, Abhängigkeit zu erzeugen, könnten ins Gewicht fallen.

Hieran gemessen habe zum Zeitpunkt der Gutachtenanforderung im Hinblick auf den von dem Antragsteller im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vom 1. Oktober 2019 eingeräumten früheren Konsum von Amphetamin ein hinreichend schwerer Gefahrenverdacht bestanden, weil jedenfalls weiterhin eine verkehrsrelevante Rückfallgefahr vorgelegen habe. Dabei sei im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass es um den Konsum von sogenannten "harten" Drogen gehe, bei dem für die Wiedererlangung der Fahreignung Voraussetzung sei, dass neben einer nachweisbaren einjährigen Abstinenz ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel - für welchen nicht die Aussage des Antragstellers ausreiche - vorliege. Insbesondere Letzteres habe zum Zeitpunkt der Gutachtenanforderung gerade nicht festgestanden. Bei dem Antragsteller seien am 1. Oktober 2019 insgesamt 144,29 g (netto) Amphetamin gefunden worden. Der Antragsteller habe also nachweislich weiterhin unmittelbaren Kontakt zu dieser Droge gehabt, die im Übrigen ein hohes Suchtpotenzial habe. Vor diesem Hintergrund dränge sich gerade nicht die Annahme auf, er habe die innere Einstellung und die Verhaltensmechanismen, die ihn zu dem damaligen Konsum dieser Droge veranlasst hätten, mit Sicherheit überwunden.

(d) Diese Eignungszweifel würden nicht dadurch ausgeräumt, dass bei dem Antragsteller bei drei Blutuntersuchungen anlässlich von Polizeikontrollen Ende 2021, im Februar 2022 und im Mai 2022 keine Drogen nachgewiesen worden seien. Denn allein eine Abstinenz würde, wie bereits ausgeführt, nicht ausreichen, um von einer wiedererlangten Fahreignung des Antragstellers auszugehen. Es fehle der Nachweis eines stabilen Einstellungswandels. Gerade die Frage, ob dieser Wandel stattgefunden habe, sei für die Einschätzung der Gefahrensituation nach dem Konsum sogenannter "harter" Drogen von entscheidender Bedeutung. Genau auf ihre Klärung ziele das in § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV vorgesehene medizinisch-psychologische Gutachten.

(e) Sei nach alldem die Gutachtenanforderung rechtmäßig gewesen, habe der Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 FeV auf die mangelnde Fahreignung des Antragstellers schließen dürfen, da das angeforderte Gutachten bis zum angegebenen Termin nicht vorgelegt worden sei und der Antragsgegner in der Gutachtenanordnung auf diese Folge hingewiesen habe.

(3) Schließlich sei zwar zu berücksichtigen, dass die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes für sich allein nur das allgemeine Interesse an seiner Vollziehung begründe, nicht aber zugleich auch deren, für die behördliche Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche Dringlichkeit. Ein besonderes Vollzugsinteresse sei hier aber in der Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs zu sehen. Gerade im Hinblick auf das mit dem Konsum von Betäubungsmitteln verbundene konkrete Gefahrenpotenzial könne im Interesse der hochrangigen Rechtsgüter der Gesundheit und des Lebens der übrigen Verkehrsteilnehmer eine Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr im Bundesgebiet bis zu einer Entscheidung über seine Klage in der Hauptsache nicht verantwortet werden. Das von ihm dargelegte berufliche Interesse, vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens über eine Fahrerlaubnis zu verfügen, wiege weniger schwer.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 16. Januar 2023 ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - wie hier gemäß § 80 Abs. 5 VwGO - innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung muss unter anderem die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung aufzuheben oder abzuändern ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss ein Beschwerdeführer zudem alle diese Begründungen angreifen und erschüttern (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 7.6.2006 - 2 ME 661/06 -, NVwZ-RR 2006, 650 f. [650]; Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31, m. w. N.). Je intensiver die gerichtliche Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Beschwerdeführer die sie tragende Argumentation entkräften.

Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und - soweit möglich - deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 -, ZNER 2017, 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56, und Beschl. v. 10.2.2014 - 7 ME 105/13 -, juris, Rn. 26). Hieraus folgt, dass es regelmäßig nicht genügt, wenn er pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt oder dieses unverändert wiederholt (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31, m. w. N.).

Die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingereichte Begründung der Beschwerde wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

1. Es ist unerheblich, dass der Antragsteller unter 1. seiner Beschwerdebegründungsschrift vom 16. Februar 2023 einleitend bekundet, das Ergebnis der Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts und dessen Einschätzung der Erfolgsaussichten der zur Hauptsache erhobenen Klage nicht zu teilen. Denn um insoweit eine nähere obergerichtliche Prüfung anzustoßen, reicht es nicht aus, dass er eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht.

2. Der Antragsteller beanstandet unter 1. seiner Beschwerdebegründungsschrift allerdings außerdem die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts, indem er geltend macht, dieses unterstelle ihm fälschlich, nicht nur einmalig, sondern wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen zu haben.

Dieses Vorbringen gibt eine mangelnde Durchdringung des angefochtenen Beschlusses zu erkennen. Denn es geht an den oben unter I. zusammengefassten Erwägungen der Vorinstanz vorbei. Das Verwaltungsgericht hat weder die Kraftfahreignung des Antragstellers unter dem Blickwinkel wiederholter Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verneint, noch hat es dazu dienende unrichtige tatsächliche Feststellungen getroffen. Es hat vielmehr lediglich gebilligt, dass der Antragsgegner den Antragsteller zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung deshalb wegen Betäubungsmittelkonsums für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gehalten hat, weil der Antragsteller die Gutachtenanordnung vom 7. Juli 2022 nicht befolgt hatte.

Der Antragsteller behauptet ferner, "körperliche und geistige Eignungszweifel" seien nicht ersichtlich, und macht anschließend unter 1. seiner Beschwerdebegründungsschrift Ausführungen zur Einstellung gegen ihn geführter Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft.

Er legt jedoch nicht dar, aufgrund welcher Rechtsnorm der strafrechtlichen Beurteilung von Sachverhalten durch die Staatsanwaltschaft für die Beurteilung seiner körperlichen und geistigen Kraftfahreignung im hiesigen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren und daran anschließenden Verwaltungsrechtsstreit eine rechtliche Erheblichkeit zukommen soll. Das wäre ihm auch nicht möglich gewesen; denn eine solche Erheblichkeit fehlt.

3. Unter 2. seiner Beschwerdebegründungsschrift wendet sich der Antragsteller dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Entziehung seiner Fahrerlaubnis für rechtmäßig und die Gutachtenanordnung vom 7. Juli 2022 für verhältnismäßig gehalten hat. Damit kommt er zwar oberflächlich auf den entscheidenden Punkt seines Falles (vgl. oben unter I. 2.) zu sprechen. Er übt dann aber auch insoweit keine Kritik, die inhaltlich den Darlegungsanforderungen genügt.

a) Sein Vortrag, der Antragsgegner habe die Gutachtenanordnung vom 7. Juli 2022 nicht darauf gründen können, dass er, der Antragsteller, einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, geht (wieder) an der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung vorbei, weil etwas Gegenteiliges in dieser Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht wird, da sie sich dazu nicht verhält.

b) Der Antragsteller beanstandet, der angefochtene Beschluss fuße auf einer "Vielzahl von Unterstellungen und Falschannahmen".

Er bestreitet zuvörderst die Richtigkeit der oben unter I. 2. a) wiedergegebenen Feststellung der Vorinstanz mit der Behauptung, die in den Akten geführte Angabe nie gemacht zu haben. Es handle sich vielmehr um einen Satz der "in einer Sachverhaltsdarstellung eines Sachbearbeiters der Polizeiinspektion E., dem Sachverhalt untergeschoben" worden sei. Er werde an Eides statt versichern, lediglich einmal in einer Vernehmung 2019 die Angabe gemacht zu haben, zuletzt vor ca. zehn Jahren "Betäubungsmittel" konsumiert zu haben. Tatsächlich habe er mitgeteilt, "vor über 12 Jahren einmal mit Amphetamin Kontakt gehabt zu haben".

Abgesehen davon, dass der Antragsteller die angekündigte Versicherung an Eides statt (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO) bislang nicht abgegeben hat, enthält auch dieser Vortrag keine ausreichende Auseinandersetzung mit den angegriffenen Gründen der Vorinstanz. Denn das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung vom 1. Oktober 2019, auf die sich das Verwaltungsgericht bezogen hat, ist nicht die in den Beschwerdegründen des Antragstellers erwähnte "Sachverhaltsdarstellung eines Sachbearbeiters", sondern die polizeibehördliche Aufnahme eigener Erklärungen des Antragstellers im Rahmen einer Zuständigkeit nach § 163a Abs. 4 StPO a. F. Mit seiner Äußerung über eine nicht näher bezeichnete und datierte (angebliche) "Sachverhaltsdarstellung" umgeht der Antragsteller folglich eine klare und zureichende Auseinandersetzung mit dem Inhalt und dem Beweiswert des Vernehmungsprotokolls (vgl. dessen Kopie Bl. 47 ff. BA).

Eine solche Auseinandersetzung wäre aber erforderlich gewesen, weil das Verwaltungsgericht (zu Recht) auf die Erfolgsaussichten der zur Hauptsache erhobenen Klage abgehoben hat, sodass perspektivisch berücksichtigt werden muss, dass im Hauptsacheverfahren voraussichtlich das Original dieses Protokolls beigezogen werden kann, welches ausweislich eines Stempelaufdrucks zu den Polizeiakten des Verfahrens F. (Az. der StA Lüneburg: G.) genommen wurde. Dadurch gewinnen Besonderheiten des Urkundenbeweises Bedeutung, die zur Bewertung der Darlegungen des Antragstellers als unzureichend führen.

Ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll ist gemäß § 415 Abs. 1 ZPO (i. V. m. § 98 VwGO) grundsätzlich geeignet, als öffentliche Urkunde (vgl. Hess. LSG, Urt. v. 18.12.2008 - L 8 KR 173/05 -, juris, Rn. 28) vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs zu erbringen. Diese sogenannte formelle Beweiskraft bedeutet, dass es unter Ausschluss richterlicher Beweiswürdigung die Abgabe der beurkundeten Erklärungen beweist (vgl. Feskorn, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 415, Rn. 5) und der zulässige Beweis unrichtiger Beurkundung (§ 415 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 98 VwGO) - ungeachtet einer Unanwendbarkeit des § 445 Abs. 2 ZPO (gemäß § 98 VwGO) - nicht durch eine Parteivernehmung des Erklärenden (§ 450 ff. ZPO i. V. m. § 98 VwGO) erbracht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1965 - V ZR 55/64 -, MDR 1965, 818, hier zitiert nach juris, Rn. 52). Denn eine solche Vernehmung wäre mit dem Ausschluss der Beweiswürdigung unvereinbar. Zwar dürfte hier im Hinblick auf die handschriftlichen Änderungen des Aktenzeichens und des Datums des Vernehmungsprotokolls vom 1. Oktober 2019 ein Anwendungsfall des § 419 ZPO (i. V. m. § 98 VwGO) vorliegen, sodass vorliegend an die Stelle der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde (doch wieder) die freie Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) tritt (vgl. Feskorn, a. a. O., § 419, Rn. 3). Die vorgenannten handschriftlichen Änderungen des Vernehmungsprotokolls korrespondieren aber mit dem Inhalt des Stempelaufdrucks bzw. dem von dem Antragsteller in seinen Darlegungen nicht bestrittenen Datum der Vernehmung am 1. Oktober 2019. Sie betreffen zudem nicht den Textkörper des Protokolls. Deshalb dürften sie im Ergebnis als Berichtigungen zu werten sein, welche die Beweiskraft des Textkörpers nicht mindern.

Vor diesem Hintergrund enthält die Darlegung des Antragstellers, dass er statt der in der öffentlichen Urkunde bezeugten Angabe (irgendwann) zur damaligen Zeit in (irgend-)einer Vernehmung nur die oben wiedergegebenen (noch) vageren Angaben über seinen zurückliegenden Drogenkonsum gemacht habe, keine Gegenargumente, die zur Erschütterung der Beweiswürdigung der Vorinstanz inhaltlich geeignet sind. Denn diese Darlegung beschränkt sich in ihrer Substanz darauf, das am 1. Oktober 2019 öffentlich beurkundete Eingeständnis eines (damals) zehn Jahre zurückliegenden Amphetaminkonsums in Abrede zu stellen. Es genügt aber nicht dem Darlegungsgebot, substanzlos einer Beweiswürdigung der Vorinstanz zu widersprechen, die an den Inhalt einer unvermindert beweiskräftigen öffentlichen Urkunde anknüpft.

c) Unter 2. seiner Beschwerdebegründungsschrift bestreitet der Antragsteller ferner, am 13. Februar 2022 erneut gegenüber Polizeibeamten angegeben zu haben, zu früheren Zeiten habe er Betäubungsmittel konsumiert. Indessen hat das Verwaltungsgericht nicht selbst in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass der Antragsteller am 13. Februar 2022 eine solche Angabe gemacht habe. Ausweislich seiner oben unter I. 2. c) wiedergegebenen tragenden Argumentation hat es vielmehr auf eine wiederholende Angabe nicht abgehoben, sondern einen hinlänglichen Gefahrenverdacht bereits allein auf der Grundlage einer Zusammenschau der Angabe vom 1. Oktober 2019 über den zurückliegenden Amphetaminkonsum und des Amphetaminfunds im Wohnwagen des Antragstellers (am selben Tage) bejaht. Der Antragsteller legt nicht dar, weshalb sein Bestreiten der wiederholenden Angabe vom 13. Februar 2022 gleichwohl geeignet sein soll, die Argumentation der Vorinstanz zu erschüttern.

d) Der Antragsteller macht unter 2. und 3. seiner Beschwerdebegründungsschrift sinngemäß geltend, die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV (i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV) lägen in Ermangelung von "Tatsachen" im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV (i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV) und des § 46 Abs. 3 FeV nicht vor. Denn den Nachweis, dass sein letzter Betäubungsmittelkonsum schon 2019 mehr als zehn Jahre zurückgelegen habe und mittlerweile etwa 13 Jahre zurückliege, habe er (unfreiwillig) bereits dadurch geführt, dass er mehrfach im Rahmen von Verkehrskontrollen des Drogenkonsums verdächtigt worden sei und die Ergebnisse daraufhin durchgeführter, für ihn unvorhersehbarer Blutuntersuchungen belegten, dass er keine Betäubungsmittel konsumiere. Im Zuge dieser Gegenargumentation versäumt es der Antragsteller aber, sich mit der oben unter I. 2. d) referierten, tragenden Auffassung der Vorinstanz auseinanderzusetzen, wonach selbst eine etwaige langjährige Drogenabstinenz - ohne den hier jedenfalls fehlenden Nachweis eines stabilen Einstellungswandels - nicht ausreiche, um von einer Wiedererlangung der Kraftfahreignung, und damit einem Fehlen Eignungszweifel begründender Tatsachen, auszugehen.

e) Der Einwand des Antragstellers, da es keine (von ihm begangenen) wiederholten Straftaten im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG gebe, lägen auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 und des § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vor, geht an der Sache vorbei. Es ist Allgemeinwissen, dass nicht nur das mehrfache Begehen von Straftaten zum Verlust der Kraftfahreignung führen kann. Denn diese Eignung hängt auch von körperlichen und geistigen Voraussetzungen ab, die sich durch (relative) strafrechtliche Unbescholtenheit nicht ersetzen lassen.

f) Unter 3. seiner Beschwerdebegründungsschrift beanstandet der Antragsteller, es erscheine "paradox", dass in der angefochtenen Entscheidung - obwohl er keine Betäubungsmittel konsumiere und ihm deren Konsum nicht einmal nachgewiesen worden sei - von "Eignungszweifeln", "stabilem Eignungswandel" und von dessen Nachweis die Rede sei. Hierbei werde in der Entscheidungsbegründung unter Zugrundelegung einer falschen Grundannahme unterstellt, dass er (wohl in den letzten Jahren) "harte" Drogen konsumiert habe.

Diese Darlegungen gehen ebenfalls an der Gedankenführung der Vorinstanz vorbei. Wie sich aus den oben unter I. 2. c) und e), referierten Gründen des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat das Verwaltungsgericht nämlich keineswegs einfach "unterstellt", dass der Antragsteller in den letzten Jahren "harte" Drogen konsumiert habe. Vielmehr rechtfertigt sich die Annahme, dass er auch aktuell sporadisch "harte" Drogen (hier: Amphetamin) konsumiert oder zumindest in Ermangelung eines stabilen Einstellungswandels die Voraussetzungen der Nr. 9.5 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 4 FeV (i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV) nicht erfüllt, als Rechtsfolge der Anwendung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Diese Norm beinhaltet nämlich der Sache nach eine Beweisregel, der zufolge bei Weigerung eines Beteiligten, seinen notwendigen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, die als möglicher (Kraft-) Fahreignungsmangel im Raum stehende und daher aufzuklärende Tatsache als erwiesen angesehen werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 6.4.2017 - 12 PA 199/16 - DAR 2017, 339 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 12; Bay. VGH, Beschl. v. 9.2.2023 - 11 ZB 22.261 -, juris, Rn. 24; BVerwG, Urt. v. 4.12.2020 - 3 C 5.20 -, BVerwGE 171, 1 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 26). Es war folglich gar nicht erforderlich, dem Antragsteller einen zum Zeitpunkt des Ergehens der Entziehungsverfügung (noch oder wieder) aktuellen Konsum von Amphetamin "zu unterstellen" oder nachzuweisen; denn seine Nichtbefolgung der Gutachtenanordnung vom 7. Juli 2022 kann - kraft der Regel des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV - in ihrer Wirkung an die Stelle eines solchen Nachweises treten. Mithin mussten sich dem Antragsteller nur die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Norm nachweisen lassen.

Zwar kritisiert der Antragsteller unter 3. seiner Beschwerdebegründungsschrift erneut die Ansicht der Vorinstanz, dass der in seiner "Aussage vom Oktober 2019" eingeräumte umstrittene Sachverhalt als eine "Tatsache" im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV (i. V. m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV) und des § 46 Abs. 3 FeV anzusehen sei. Er meint offenbar, dass sich der damals eingeräumte Sachverhalt hierzu schon aufgrund der Zeit nicht eigne, die verstrichen sei, seit er sich zugetragen habe. Insoweit versäumt der Antragsteller dann allerdings erneut die gebotene Auseinandersetzung mit den oben unter I. 2. c) referierten gegenteiligen Erwägungen des Verwaltungsgerichts.

g) Welche (angeblichen) weiteren Unterstellungen oder Falschannahmen im Rahmen der oben unter I. wiedergegebenen Gedankenführung der Vorinstanz eine entscheidungstragende Rolle gespielt haben sollen, legt der Antragsteller nicht näher dar.

3. Unter 4. seiner Beschwerdebegründungsschrift stellt der Antragsteller das seitens des Verwaltungsgerichts bejahte besondere öffentliche Vollzugsinteresse mit dem Hinweis in Abrede, dass kein Betäubungsmittelkonsum vorliege bzw. ihm nachgewiesen worden sei. Diese Darlegung ist ebenfalls nicht geeignet, die (insoweit unter I. 3. zusammengefassten) Gründe der Vorinstanz zu erschüttern. Denn wie soeben unter II. 2. f) dargestellt, bedarf es zur Verneinung der Kraftfahreignung neben der Rechtswirkung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV keines Nachweises (aktuellen) Drogenkonsums.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an den Vorschlägen unter den Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).