Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.03.2023, Az.: 12 ME 17/23

Emissionswert; Formaldehyd; immissionsschutzrechtliche Anordnung; Verhältnismäßigkeit; Vorsorgeprinzip; Zuckerfabrik; Immissionsschutzrechtliche Anordnung gegenüber Zuckerfabrik

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.03.2023
Aktenzeichen
12 ME 17/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 12406
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0306.12ME17.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 11.01.2023 - AZ: 2 B 288/22

Fundstellen

  • DÖV 2023, 487
  • ZUR 2023, 498

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur rechtlichen Einordnung eines elektronischen Dokuments, das den technischen Standards entspricht und dessen Eingang gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO bestätigt worden ist, gleichwohl aber nicht lesbar sein soll.

  2. 2.

    Dass die durch die TA Luft n. F. herabgesetzten vorsorgebezogenen Emissionswerte für Formaldehyd nach Nr. 6.2.3.3 Satz 2 TA Luft n. F. ohne zusätzliche Übergangsfrist einzuhalten sind, ist grundsätzlich verhältnismäßig.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 11. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Änderung der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf je 1.500.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die u. a. in E. eine Zuckerfabrik betreibt, wendet sich gegen den Sofortvollzug einer immissionsschutzrechtlichen Anordnung des Antragsgegners nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i. V. m. Nr. 6.2.1 TA Luft n. F. zur Einhaltung des Emissionswertes von 15 mg/m3 nach Nr. 5.4.7.24 B TA Luft n. F. für Formaldehyd, das in ihren Hochtemperaturtrocknern bei der Trocknung von Zuckerrübenschnitzeln als Nebenprodukt im Umfang von bis zu 29 mg/m3 - nach den Angaben in der Anlage 2 zur Beschwerdebegründung (Bl. 180 Gerichtsakte) sogar "im Mittel ca. 30 mg/m3 - entsteht.

Nach der TA Luft a. F. war Formaldehyd gemäß Anhang 4 als organischer Stoff der Klasse I eingestuft, für den nach deren Nr. 5.2.5 allgemein ein Emissionsgrenzwert (der sog. Massenkonzentration) von 20 mg/m3 galt. Für einzelne Anlagenarten wurden in Nr. 5.4 TA Luft a. F. jedoch abweichende Begrenzungen zugelassen. Darunter fielen nach Nr. 5.4.7.24.1 TA Luft a. F. auch "Zuckerrübenschnitzeltrocknungsanlagen", für die "die Anforderungen der Nummer 5.2.5 für die Emissionen an organischen Stoffen der Klassen I und II keine Anwendung" fanden. Allerdings waren "die Möglichkeiten, die Emissionen an solchen Stoffen durch primärseitige oder andere dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen weiter zu vermindern, auszuschöpfen."

Zum Jahresbeginn 2016 wurde Formaldehyd unionsrechtlich im Hinblick auf den Verdacht, dass ein Einatmen in zu hoher Konzentration Krebs im Nasen-Rachenraum auslösen könne, als "wahrscheinlich karzinogen beim Menschen" eingestuft und ihm zusätzlich der "Verdacht einer keimzellmutagenen Wirkung" zugeschrieben.

Nach einer Vollzugsempfehlung der Bund-/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom Dezember 2015 war deshalb die Einstufung von Formaldehyd i. S. d. TA Luft nicht mehr aktuell und anzupassen. Für Hochtemperaturtrockner für Zuckerrübenschnitzel sollte zukünftig ein - gegenüber dem danach zukünftig allgemeinen Emissionsgrenzwert von 5 mg/m3 aus Verhältnismäßigkeitsgrößen bereits heraufgesetzter - Emissionsgrenzwert von 10 mg/m3 gelten. Die Einhaltung dieses Wertes sei bis spätestens im Februar 2020 nachzuweisen.

Der Antragsgegner wies die Antragstellerin hierauf zum Jahresende 2016 hin.

Im Dezember 2018 gab die Antragstellerin an, dass in ihrem Werk E. im Jahr 2015 ein Formaldehydwert in der Abluft von 29 mg/m3 gemessen worden sei. Mit der vorhandenen Technologie ließe sich (bei unverändertem Betriebsvolumen) selbst ein Grenzwert von 15 mg/m3 nicht einhalten; dazu seien größere Investitionen erforderlich, etwa in einen Wäscher oder eine neue Trommel. Der Wert könne allerdings auch bei einer ganz erheblichen Verminderung der Kapazität um 2/3 und einer dadurch möglichen Absenkung der sog. Eintrittstemperatur im Trockner auf max. 500 Grad C gewahrt werden. Eine solche niedrigere Temperatur sei auch bei Verwendung einer größeren Trommel möglich. Konkrete Schritte zur Umsetzung einer der o. a. Möglichkeiten ergriff die Antragstellerin nicht.

Auf ihre Anfrage bejahte der Antragsgegner im April 2020 die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit einer größeren Trockentrommel unter bestimmten Voraussetzungen.

Die Antragstellerin beabsichtigt jedoch, stattdessen für eine energetische Verwendung der Rübenschnitzel eine eigene Biogasanlage auf dem bzw. in Anschluss an das Betriebsgelände im Bereich eines Wasserschutz- und Überschwemmungsgebiets zu errichten und zu betreiben. Eine solche Anlage wäre nach Aktenlage nicht vor dem Jahr 2026 betriebsbereit.

Am 14. September 2021 wurde die o. a. Neufassung der TA Luft veröffentlicht, in der der o. a. Formaldehyd-Emissionswert von 15 mg/m3 für Anlagen der Zuckerherstellung bestimmt wurde. Nach Nr. 6.2.3.3 Satz 2 TA Luft n. F. ist (u. a.) dieser Wert ab dem Inkrafttreten der neuen TA Luft am 1. Dezember 2021 auch von Altanlagen einzuhalten.

Nach Anhörung ordnete der Antragsgegner mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 20. Oktober 2022 u. a. die Einhaltung dieses Wertes für Formaldehydemissionen an.

Den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des von der Antragstellerin gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit seinem o. a. Beschluss abgelehnt.

Zur Begründung hat es, soweit im Beschwerdeverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

Mit dem Ausstoß von Formaldehyd in einer Konzentration von 29 mg/m3 - und damit knapp doppelt so viel, wie nach den Grenzwerten der TA Luft n. F. zulässig - verstoße die Antragstellerin gegen ihre Betreiberpflichten zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und erfülle den Tatbestand der Nr. 6.2.1 Satz 1 TA Luft n. F. sowie des § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG.

Auf Rechtsfolgenseite räume § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG der zuständigen Behörde Ermessen ein. Die Norm werde insofern jedoch durch Nr. 6.2.1 Satz 1 TA Luft n. F. modifiziert. Danach solle die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen treffen. Wenn keine Umstände vorlägen, die den Fall als atypisch erscheinen ließ, bedeute dieses "Soll" ein "Muss". Damit entfalle hier grundsätzlich das Entschließungsermessen, während das Auswahlermessen der Behörde über die erforderliche und verhältnismäßige Art und Weise ihres Einschreitens bestehen bleibe. Weil nach Nr. 6.2.1 Satz 3 TA Luft n. F. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 17 Abs. 2 BImSchG) in der Regel durch Einräumung einer der in den Nummern 5.4 und 6 festgelegten Erfüllungsfristen gewahrt werde, bedürfe es dann insoweit grundsätzlich keiner gesonderten Verhältnismäßigkeitsabwägung und Begründung.

Die streitige Anordnung zur Emissionsbegrenzung sei nach diesen Maßstäben auf der Grundlage einer summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.

Es liege kein atypischer Fall vor, aufgrund dessen der Antragsgegner das "Ob" seines Einschreitens oder das Absehen von einer Verlängerung der Umsetzungsfrist zum Dezember 2021 gesondert hätte rechtfertigen müssen.

In den von der Antragstellerin vorgebrachten wirtschaftlichen Belastungen und ihren Bemühungen um Dekarbonisierung lägen keine besonderen Umstände, die sie aus der Gruppe anderer Betreiber von Zuckerfabriken heraushöben. Sämtliche Betreiber von solchen Anlagen seien seit dem Dezember 2021 an die neuen Vorgaben der TA Luft zum Ausstoß von Formaldehyd gebunden und müssten ihre Produktion dementsprechend anpassen. Worin die technischen Besonderheiten liegen sollten, aufgrund derer die Investitionskosten einer solchen Anpassung in der Zuckerfabrik E. gegenüber anderen Betrieben deutlich höher liegen sollten, habe die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Besondere Umstände ergäben sich auch nicht aus dem Vorbringen der Antragstellerin, sie befinde sich in konkreten Planungen zur Errichtung einer Biogasanlage. Dies wäre allenfalls denkbar, wenn die Errichtung der Biogasanlage zeitnah bevorstände, der Antragsgegner aber auf einer anderen technischen Lösung bestünde. Das sei hier aber nicht der Fall.

Der Antragsgegner habe auch das ihm im Übrigen zukommende Auswahlermessen hinsichtlich der Wahl der Mittel erkannt, indem er der Antragstellerin diese Wahl überlassen und damit zu ihren Gunsten das mildeste Mittel gewählt habe.

Selbst wenn jedoch § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i. V. m. Nr. 6.2.1 Satz 1 TA Luft n. F. dem Antragsgegner ein Entschließungsermessen einräumt, wäre seine Entscheidung nicht zu beanstanden und läge insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Die sofortige Einhaltung des Grenzwertes sei für die Antragstellerin nicht unzumutbar, wie näher ausgeführt wird.

Ein besonderes Vollzugsinteresse für die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO liege ebenfalls vor. Aus dem gegenüber den Grenzwerten der TA Luft n. F. deutlich erhöhten Ausstoß von Formaldehyd durch die Antragstellerin ergäben sich konkrete Gesundheitsgefahren für die Anwohner in der näheren Umgebung der Zuckerfabrik und insbesondere auch für ihre Mitarbeiter, die den Stoff unverdünnt einatmeten. Diese Belastung bliebe ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, also voraussichtlich noch über mehrere Jahre, bestehen und würde die Gesundheit der Betroffenen möglicherweise erheblich beeinträchtigen. Aus der Notwendigkeit, diese Gefahr sofort einzudämmen, ergebe sich die besondere Dringlichkeit des Vollzugs der Anordnungen.

Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 12. Januar 2023 zugestellt worden. Am 13. Februar 2023, einem Montag, hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin nach seinen Angaben die von ihm qualifiziert signierte Beschwerdebegründung mit Anlagen als elektronisches Dokument an das beschließende Gericht gesandt. Er hat vom Zentralen IT-Betrieb der niedersächsischen Justiz (ZIB) eine Empfangsbestätigung erhalten (vgl. Anlage 8, Bl. 207 der Gerichtsakte). Ungeachtet dessen hat der ZIB am Folgetag dem beschließenden Gericht Folgendes mitgeteilt:

"beim Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht liegt eine nicht verarbeitbare Nachricht vor. ID: ndsvpsp16762965390212534183783222507869 Eingangszeitpunkt: 13.02.2023 14:55:40 Absender ID: DE.BRAK.957a9bf8-c420-4a1b-a056-23ed699f109e.0f91 Absender Name: M.... D... Der Absender der Nachricht muss nun von Ihnen in Kenntnis gesetzt werden, dass die Nachricht nicht verarbeitet werden kann und neu eingereicht werden muss. Es kann bei eingehenden ERV-Nachrichten in seltenen Fällen zu Fehlersituationen kommen, bei denen die Nachrichten frühzeitig abgewiesen werden. Die Inhalte dieser Nachrichten erreichen die ERV-Systeme der Justiz gar nicht erst, sodass daraus keine weitergehenden Informationen über den Betreff oder das Aktenzeichen gewonnen werden können. In diesen Fällen sind uns leider nur die Nachrichten-ID, der Eingangszeitpunkt, sowie Absender-ID und -Name bekannt. In den Systemen der versendenden Stellen kann daher ausschließlich nach diesen Kriterien recherchiert werden. In der Regel ist das Problem ein falscher Name (ungültige Zeichen) des Dateianhangs wie z.B. ? * < > . , +: = / "; [ ] | im Dateianhang. ... Weitere Angaben zum Inhalt der Nachricht (z.B. Betreff oder Aktenzeichen) liegen uns nicht vor."

und auf weitere gerichtliche Nachfrage:

"... Bei der bereits gemeldeten fehlerhaften Nachricht vom ... um 14:55:40 mit der Nachrichten-ID "ndsvpsp16762965390212534183783222507869" handelt es sich um eine fehlerhafte Nachricht, welche vom Absender erfolgreich verschickt werden konnte und bei uns im System eingegangen ist. Diese Nachricht scheint allerdings einen defekten Anhang zu haben und konnte deshalb nicht von unserem System verarbeitet werden. Dabei haben wir keine Möglichkeit[,] Nachrichteninhalte einzusehen, da die Nachricht aufgrund des defekten Inhaltes nicht entschlüsselt werden konnte. Die Fehlermeldung, die wir erhalten haben, deutet darauf hin, dass die Ursache eine fehlerhafte Datei im Anhang mit einer Größe von 0KB sein dürfte. Die Nachricht muss bereits defekt in unserem System angekommen sein, da diese von unserem System nicht verändert werden kann."

Am 14. Februar 2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Beschwerdebegründungschrift (erneut) elektronisch - und diesmal erfolgreich - über den ZIB an das beschließende Gericht gesandt. Inhaltliche Veränderungen habe er an dem laut Prüfvermerk (vgl. Bl. 193 Gerichtsakte) am 13. Februar 2023 um 14.46 Uhr qualifiziert signierten Schriftsatz nicht vorgenommen. Lediglich eine Anlage sei von "Anlage_1_.pdf" (vgl. Bl. 206 Gerichtsakte) in "Anlage _1.pdf" unbenannt worden. Hilfsweise wird Wiedereinsetzung beantragt.

II.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden, und auch die Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist aus den folgenden Gründen gewahrt.

a) Nach § 55a Abs. 5 Satz 1 VwGO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Nach Satz 2 dieser Norm ist dem Absender eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs (des elektronischen Dokuments) zu erteilen.

Für den fristgerechten Eingang der Beschwerdebegründung am 13. Februar 2023 als letzten Tag der Frist spricht danach der Erhalt der o. a. Empfangsbestätigung. Denn von Gesetzes wegen ist der Eingang eines Dokuments - und nicht lediglich von Anhängen - oder der fehlgeschlagene Versuch einer Übermittlung zu bescheinigen. Dafür spricht auch die o. a. spätere Angabe des ZIB, dass die "Nachricht vom Absender erfolgreich" habe "verschickt werden" können und ... im System eingegangen sei, aber ggf. einen defekten Anhang habe. Dass es sich um ein anderes Dokument als die Beschwerdebegründung handeln soll, ist nicht ersichtlich. Hiernach wäre die Beschwerdebegründung fristgerecht eingegangen.

Dem wirksamen Eingang steht dann auch nicht gemäß § 55a Abs. 6 VwGO eine fehlende Eignung "zur Bearbeitung" entgegen. Zwar könnte dem Wortlaut nach wegen der nach den Angaben des ZIB fehlenden "Les"- bzw. "Entschlüsselbarkeit" des am 13. Februar 2023 eingegangenen Dokuments ein solcher Fall gegeben sein. Nach der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Norm sind damit aber nur solche Eignungsmängel gemeint, die auf Fehlern des Absenders und nicht des Empfängers beruhen. Denn die Norm ist als Privilegierung des Absenders in den Fällen gedacht, in denen die fehlende Weiterverarbeitung auf seinem Fehler beruht, ihm also nach den allgemeinen Regeln keine Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, und soll so das Nutzervertrauen stärken (vgl. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 55a VwGO, Stand: 23.2.2023, Rn. 375 f.); sie würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn darauf gestützt dem Absender auch im Falle von Fehlern des Empfängers weiter gehende "Heilungsversuche" nach Maßgabe des Satzes 2 abverlangt würden.

Der Antragstellerin als Absenderin zurechenbare Fehler sind hier jedoch weder vom ZIB konkret bezeichnet worden noch sonst ersichtlich. Soweit der ZIB darüber spekuliert, dass die Antragstellerin einen gemäß § 55a Abs. 2 VwGO i. V. m. § 5 Abs. 1 ERVV sowie der 2. ERVB unzulässigen Standard verwendet habe könnte, ist dies nicht erkennbar. Das Dateiformat PDF wurde ebenso eingehalten wie die Volumenbegrenzung und die Vorgaben für Dateinamen in Nr. 6 c) cc) der 2. ERVB - die (hier erfolgte) mehrfache Verwendung des "Unterstrichs" ist danach ebenso zulässig wie die Übersendung eines leeren Anhangs, der im Übrigen nicht zu erkennen ist. Gemessen an diesen Vorgaben unzulässige Sonderzeichen hat die Antragstellerin bei der Bezeichnung ihrer Dateien ebenfalls nicht gebraucht, so dass die Folgen daraus (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO., 28. Aufl., § 55a, Rn. 14, m. w. N.) offenbleiben können.

Nach den weiteren Angaben des ZIB kann die aus dessen Sicht fehlgeschlagene Übermittlung der Beschwerdebegründung ihre Ursache hier ferner nicht in der bundesweiten Störung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 13. Februar 2023 haben, da dann eine Fehlermeldung hätte erscheinen müssen.

Bei Bejahung der Speicherung der Beschwerdebegründung i. S. d. § 55a Abs. 5 Satz 1 VwGO wäre es daher, wie beim Verlust eines Schriftsatzes aus der Papierakte, nicht Aufgabe des Absenders, sondern der Justiz als Empfänger, die wirksam übersandte Beschwerdebegründung lesbar zu machen bzw. hilfsweise zu "rekonstruieren".

b) Geht man hingegen trotz der dann wohl zu Unrecht erteilten Empfangsbestätigung mit den o. a. abweichenden (früheren) Angaben des ZIB davon aus, dass die Beschwerdebegründung als "Nachricht der Antragstellerin frühzeitig abgewiesen" worden sei und "die Inhalte dieser Nachricht ... die ERV-Systeme der Justiz gar nicht erst" erreicht hätten, so fehlt es an einem fristgerechten Eingang der Beschwerdebegründung am 13. Februar 2023.

Der Antragstellerin ist dann jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO zu gewähren. Wie ausgeführt, ist die Anwendung der Vorschrift dann nicht durch speziellere Vorschriften in § 55a VwGO gesperrt. Da der Antragstellerin bei der elektronischen Übersendung der Beschwerdebegründung am 13. Februar 2023 keine Fehler unterlaufen waren und ihr zudem die erfolgreiche Übermittlung bestätigt worden war, durfte (und musste) sie am 13. Februar 2023 hiervon ausgehen, traf sie also kein "Verschulden". Nachdem sie am Folgetag von der Gerichtsverwaltung von der (etwa) fehlgeschlagenen Übermittlung unterrichtet worden war, hat sie am gleichen Tag diese Begründung erneut eingereicht, also die versäumte Handlung nachgeholt. Soweit die Gründe für die Wiedereinsetzung nicht bereits aus den Angaben des ZIB bekannt und damit offenkundig waren, hat die Antragstellerin diese fristgerecht geltend und glaubhaft gemacht.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung unter anderem die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dies erfordert, dass die Beschwerde mit schlüssigen Gegenargumenten auf die entscheidungstragenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses eingeht. Die erforderliche Dichte der eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 146, Rn. 22a). Je intensiver diese Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Beschwerdeführer die sie tragende Argumentation entkräften. Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und - soweit möglich - deren Vorzugswürdigkeit darlegen (vgl. Senatsbeschl. v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 -, ZNER 2017, 70).

Hieran gemessen sind zunächst die Ausführungen der Antragstellerin unter I. ihrer Beschwerdebegründungsschrift "zum Sachverhalt", d. h. bezogen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter I. der Gründe, als solche unerheblich. Denn die Darlegung nach § 146 Abs. 4 VwGO hat sich auf die tragenden Gründe der angegriffenen Entscheidung zu beziehen und diese finden sich, wie auch die Antragstellerin erkennt, nach der klaren Gliederung nicht unter I., sondern unter II. der Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

Ebenso unerheblich ist das Vorbringen der Antragstellerin unter II. 1 a) ihrer Beschwerdebegründung, wonach es nicht ihrem Rechtsschutzbegehren entspreche, den o. a. Grenzwert in der TA Luft (n. F.) "obsolet" werden zu lassen. Vielmehr wende sie sich gegen die "sofortige Einhaltung des Grenzwertes".

Soweit sie sich unter II. 1. b) ihrer Beschwerdebegründung gegen die Verneinung eines "atypischen Falles" wendet, ist ihr Beschwerdevorbringen erheblich, greift aber in der Sache nicht durch.

Das Verwaltungsgericht hat zur näheren Begründung auf Nr. 6.2.1 Satz 2 TA Luft n. F. verwiesen. Danach könne die Anordnung aufwendiger Abhilfemaßnahmen unverhältnismäßig sein, wenn die in Nummer 5 festgelegten Emissionswerte nur geringfügig überschritten würden. Dies dürfe eine Art Regelbeispiel für einen atypischen Fall darstellen, welches hier aber nicht einschlägig sei, weil die Antragstellerin am Standort E. die Emissionswerte für Formaldehyd in erheblichem Umfang überschreite. Auch bedürfe die Orientierung an den in der TA Luft n. F. vorgesehenen Umsetzungsfristen grundsätzlich keiner gesonderten Verhältnismäßigkeitsabwägung und Begründung, weil Nr. 6.2.1 Satz 3 TA Luft n. F. bestimme, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 17 Abs. 2 BImSchG) in der Regel durch Einräumung einer der in den Nummern 5.4 und 6 festgelegten Erfüllungsfristen gewahrt werde.

Gegen diesen rechtlichen Ansatz, wonach es einer einzelfallbezogenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 17 Abs. 2 BImSchG nur beim Vorliegen eines atypischen Falls bedürfe, wendet sich die Antragstellerin nicht (erkennbar), wohl aber gegen die diesbezügliche "Subsumtion" des Verwaltungsgerichts.

Sie kritisiert insoweit unter II. 1. b) aa) zunächst den Begründungsansatz des Verwaltungsgerichts, wonach "sämtliche Betreiber an allen ihren Standorten die Produktion entsprechend" hätten anpassen müssen; tatsächlich werde, so das Beschwerdevorbringen, der o. a. neue Grenzwert nur an zwei Standorten der Zuckerproduktion (im Bundesgebiet) überhaupt überschritten und bestehe nur insoweit ein Anpassungsbedarf. Auf einen atypischen Fall führt aber auch dieses neue tatsächliche Vorbringen, seine (aktuelle) Richtigkeit unterstellt, nicht. Denn für diejenigen Betreiber, die schon bislang ohne Weiteres den Grenzwert wahren, hat die nach den eigenen Angaben der Antragstellerin nur angegriffene (fehlende) Übergangsfrist in der TA Luft n. F. faktisch keine regelnde Wirkung. Sie hat diese Wirkung nur für diejenigen Betriebe bzw. Standorte, an denen eine Überschreitung vorliegt. Dann kann dieser Gesichtspunkt aber nicht zugleich die vermeintliche Atypik begründen; andernfalls fehlte es überhaupt an einem Regelanwendungsfall für den Ausschluss einer Übergangsfrist. Zudem widerspräche eine solche Annahme dem Sinn und Zweck des vorsorgebezogenen Emissionsgrenzwertes. Er soll wegen der Einstufung von Formaldehyd als nunmehr potenziell krebserregend und erbmaterialverändernd nicht nur den Status-Quo festschreiben, sondern umgehend zu einer tatsächlichen Verbesserung der Verhältnisse führen. Dieses Regelungsziel liefe leer, wenn man allein die Tatsache, dass betroffene Zuckerproduzenten zur Einhaltung Änderungen im Betriebsablauf vornehmen müssen, als atypisch qualifizieren würde, zumal der diesbezügliche Grenzwert für Formaldehyd mit 15 mg/m3 nach Nr. 5.4.7.24 B TA Luft n. F. ohnehin schon dreimal so hoch wie der allgemeine Wert von 5 mg/m3 nach Nr. 5.2.7.1 TA Luft n. F. ist und damit gerade den Besonderheiten des Betriebszweiges der Zuckerproduktion Rechnung trägt. Im Übrigen könnte der geltend gemachte fehlende Anpassungsbedarf für die Mehrzahl der Zuckerproduzenten dafür sprechen, dass die Formaldehydemissionen in den sonstigen Werken bereits nicht gemäß Nr. 5.4.7.24.1 TA Luft a. F. "durch primärseitige oder andere dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen weiter vermindert" worden sind.

Nach II. 1. b) bb) des Beschwerdevorbringens soll die Atypik vorliegend auch aus dem Umstand folgen, dass sich die Antragstellerin in Kenntnis des Antragsgegners in der konkreten Umsetzungsphase im Hinblick auf eine Biogasanlage am Werk E. befinde.

Insofern fehlt es schon an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach die in Rede stehende Alternative "zeitnah" bevorstehen, d. h. hier zeitnah zur Verfügung stehe müsse; allein die Planung einer solchen Alternative reicht danach nicht aus.

Im Übrigen ist dem Verwaltungsgericht insoweit auch in der Sache beizutreten. Da die Anforderungen an die maximale Emission von Formaldehyd ab dem Dezember 2021 einzuhalten sind, kann - unabhängig davon, ob die konkreten Planungen für eine Alternative hier erst "kürzlich" oder "schon" im Jahr 2021 vorgenommen worden sind - die Überschreitung des Emissionswertes um fast das Doppelte nicht bis zur etwaigen Aufnahme des Betriebs der "hauseigenen" Biogasanlage der Antragstellerin im Jahr 2026 (oder gar später) hingenommen werden.

Unter II. 1. b) cc) ihrer Beschwerdebegründung meint die Antragstellerin schließlich noch, der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrats zur Änderung der TA Luft entnehmen zu können, dass der Normgeber angenommen habe, für Zuckerproduzenten i. S. d. Nr. 5.4.7.24 TA Luft n. F. würde sich durch die mit der Neufassung verbundenen Regelungen kein Änderungsbedarf ergeben; denn insoweit sei kein "Erfüllungsaufwand" angegeben worden. Wenn bei ihr gleichwohl ein solcher Aufwand entstehe, handele es sich also um einen atypischen Fall.

Dies ist jedoch schon deshalb nicht überzeugend, weil die Antragstellerin die diesbezügliche Stellungnahme unzureichend wiedergibt. Entgegen des Eindrucks, den sie zu erwecken versucht, erhebt die Stellungnahme nicht den Anspruch, den Erfüllungsaufwand für alle Betroffenen abschließend zumindest abzuschätzen. So findet sich die Verschärfung der Emissionsgrenzwerte (u. a.) für Formaldehyd schon nicht unter den in dieser Stellungnahme angeführten "Wesentlichen Änderungen" durch die Neufassung. In einem gewissen Widerspruch hierzu wird dann unter II.1. zwar auf "wesentliche Änderungen des Erfüllungsaufwands durch Änderungen von Emissionswerten" verwiesen. Diese werden nachfolgend aber gerade nicht abschließend, sondern nur "insbesondere" (S. 6 unten) aufgezählt. Wenn - wie die Antragstellerin geltend gemacht - im hier relevanten Bereich der Zuckerproduktion allenfalls zwei Standorte bundesweit betroffen sein sollten, kann also aus den fehlenden Angaben zu dem insoweit notwendigen Erfüllungsaufwand nicht geschlossen werden, ein solcher sei eben nicht vorgesehen gewesen. Dass die Anpassung an die geänderten Emissionswerte für Formaldehyd auch allgemein gerade nicht nur "kostenneutral" erfolgen sollte, ergibt sich zudem aus dem ausdrücklich in dieser Stellungnahme enthaltenen weiteren Ausführungen, wonach "in Bezug auf den neuen Emissionswert für Formaldehydwert für zehn Anlagen" [i. S. d. Nr. 5.4.6.3] "einmalige Aufwände von etwa fünf Mio. Euro (im Einzelfall 500.000 Euro)" entstehen (S. 8 unten). Dass (und aus welchen Grund hiervon abweichend) Betreibern von Anlagen i. S. d. Nr. 5.4.7.24 B TA Luft n. F. dieser Anpassungsbedarf generell erspart bleiben sollte, ist nicht ersichtlich; in der (eigentlichen) Begründung zur TA Luft (BR-Drs. 767/20, 532 f.) wird zur Erläuterung des Grenzwertes für Zuckerproduzenten vielmehr ausdrücklich darauf verwiesen, dass "ähnliche Bildungsreaktionen wie bei Spänetrocknern (TA Luft Nummer 5.4.6.3) vermutet werden". Ob es sich vorliegend überhaupt um einen durch die Neufassung der TA Luft bedingten Anpassungsbedarf handelt oder die Antragstellerin nicht bereits nach Nr. 5.4.7.24.1 TA Luft a. F. bzw. zumindest nach der o. a. LAI-Vollzugsempfehlung zur Emissionsminderung verpflichtet gewesen ist (in diesem Sinne wohl die eigentliche Begründung zur Neufassung der TA Luft, BR-Drs. 767/20, S. 449), muss somit nicht geklärt werden.

Ergibt sich danach aus den Ausführungen unter II. 1. b) der Beschwerdebegründung nicht, dass vorliegend ein atypischer Fall zu bejahen ist, so war die Verhältnismäßigkeit der Anordnung auch bezogen auf die Übergangsfrist nicht näher zu prüfen, zumal der Antragsgegner der Antragstellerin die Einhaltung dieser Vorgabe ohnehin nicht bereits ab dem Dezember 2021 für die Kampagne 2021/2022, sondern erst ab der für die Jahre 2022/2023 aufgegeben (und wohl auch insoweit nicht durchgesetzt) hat. Die Einwendungen, die die Antragstellerin unter II. 1. c) ihrer Beschwerdebegründung gegen die Richtigkeit der Hilfserwägungen des Verwaltungsgerichts dazu erhebt, dass ihr die Einhaltung des Grenzwertes auch im Einzelfall zuzumuten sei, sind daher unerheblich.

Soweit die Antragsgegnerin unter I. 2. Ihrer Beschwerdebegründung ausführt, dass "das rechtliche Schicksal der Anordnung zu Ziffer 2" (Emissionsmessungen) "letztlich dem der Ziffer 1" (Formaldehydemissionsbegrenzung) folge, mag dies in bestimmten Fallgestaltungen zutreffen; da aber nach dem Vorgehenden entgegen ihres Vorbringens die Anordnung zu Ziffer 1 nicht - und erst recht nicht offensichtlich - rechtswidrig ist, kann hieraus auch nicht erfolgreich auf die Rechtswidrigkeit der zur Emissionsmessung unter Nr. 2 des Bescheides getroffenen Regelungen geschlossen werden. Gleiches gilt für die entsprechenden Ausführungen unter 4. der Beschwerdebegründung bezogen auf die Regelung unter Ziffer 4 des Bescheides (Zwangsmittelandrohung).

Schließlich hat das Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis auch zu Recht das besondere Vollzugsinteresse bejaht.

Bei isolierter Betrachtung der diesbezüglichen Begründung im ersten Absatz auf Seite 22 seines Beschlusses hat es dem Wortlaut nach auf eine sich andernfalls für Anwohner ... und Mitarbeiter" ergebende "konkrete Gesundheitsgefahr" abgestellt; hiergegen wendet sich die Antragstellerin unter Nr. 3 ihrer Beschwerdebegründung (i. V. m. den Ausführungen auf S. 4 f. und der Anlage 2). Wie das Verwaltungsgericht zuvor auf Seite 13 seines Beschlusses zur materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides richtig ausgeführt hat, ist vorliegend aber nicht die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern die Vorsorgepflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG einschlägig; denn "der maßgebliche Grenzwert für Formaldehyd" findet sich "unter Nr. 5 der TA Luft und damit unter der Überschrift Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und nicht unter Nr. 4 unter Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder Nr. 4.4 unter Schutz vor erheblichen Nachteilen". Dementsprechend wäre es folgerichtig gewesen, auch bei der Bejahung des Vollzugsinteresses auf das öffentliche Interesse an der emissionsbezogenen Begrenzung des "Ausstoßes von Formaldehyd" abzustellen. Allerdings kann man auch unter Berücksichtigung dieses Ansatzes des Verwaltungsgerichts die Ausführungen auf Seite 22 des Beschlusses wohl objektiv nicht mehr so verstehen, dass es auch insoweit nur auf die Emissionsbegrenzung ankommen soll.

Dass mit dem Ausstoß von Formaldehyd hier eine konkrete Gesundheitsgefahr für Anwohner oder Mitarbeiter der Antragstellerin verbunden sei, wird vom Verwaltungsgericht aber nicht näher begründet und von der Beschwerdebegrünung durchgreifend in Zweifel gezogen.

Die danach jedenfalls insoweit, d. h. bezogen auf das Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses, erforderliche Prüfung der Rechtslage durch das Beschwerdegericht von Amts wegen (vgl. Senatsbeschl. v. 24.9.2021 - 12 ME 45/21 -, juris, Rn. 75) führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis.

Wie schon das Bundesverwaltungsgericht zutreffend entschieden hat (vgl. Beschl. v. 10.1.1995 - 7 B 112/94 -, juris, Rn. 6 f.), kommt der immissionsschutzrechtlichen Vorsorge materiell eine eigenständige Bedeutung zu, die sich nicht dadurch relativieren lässt, dass die Einhaltung von vorsorgebezogenen Emissionsgrenzwerten an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft wird, es müsse andernfalls zu immissionsbedingten Gesundheitsgefahren kommen; solche sind vielmehr materiell-rechtlich grundsätzlich unerheblich.

Dies gilt vorliegend auch für die Bejahung des besonderen Vollzugsinteresses. Denn dieses kann sich u. a. im Immissionsschutzrecht mit dem (zuvor bezeichneten) Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes selbst decken, und eine solche Fallgestaltung kommt u. a. bei nachträglichen Anordnungen zur Begrenzung von (vorsorgebezogenen) Emissionsgrenzwerten in Betracht (vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 43. EL August 2022, VwGO, § 80, Rn. 214a, m. w. N). Hiernach ist vorliegend das besondere Vollzugsinteresse zu bejahen. Denn der Emissionsgrenzwert soll gerade wegen der bestehenden Unsicherheiten über die Wirkungsweise von Formaldehyd die menschliche Gesundheit als Rechtsgut von besonders hohem Rang vorsorglich schützen, und insoweit wiederum u. a. die Entstehung von Krebs verhindern. Da es weder einen anerkannten Immissionsgrenzwert mit einer oder mehreren maßgebenden Einheiten (für die Außenluft) bezogen auf Formaldehyd gibt und die in Rede stehende Anlage der Antragstellerin offenbar im Süden auch an Wohngebiete angrenzt, deren Vorbelastung unbekannt ist, kommt es bei solchen als besonders umweltgefährdend eingestuften Stoffen auch nicht entscheidend darauf an, ob - was die Antragstellerin in Zweifel zieht - (gerade) die Wohnnachbarschaft von der Wahrung des Emissionsgrenzwertes "messbar profitiert" (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.5.2014 - 7 B 3/14 - juris, Rn. 13; Beschl. v. 30.8.1996 - 7 VR 2/96 -, juris, Rn. 22). Der - für Zuckerproduzenten ohnehin schon erhöhte - Emissionswert für Formaldehyd wird von der Antragstellerin um fast das Doppelte überschritten; dieser Zustand soll nach dem Willen des Normgebers mit dem Erlass der TA Luft n. F. seit dem Dezember 2021 beendet werden. Eine weitere Überschreitung bis mindestens zum Jahr 2026 kann danach im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden, zumal es der Antragstellerin weder unmöglich war noch ist, der Anordnung nachzukommen, sondern dies nur mit wirtschaftlichen Nachteilen für sie verbunden ist, die sie bei der möglichen und gebotenen rechtzeitigen Vorbereitung auf den neuen Grenzwert zumindest hätte begrenzen können.

Geht man davon aus, dass die Prüfung von Amts wegen in der vorliegenden Fallgestaltung, in der die verwaltungsgerichtliche Bejahung eines besonderen Vollzugsinteresses erfolgreich in Zweifel gezogen worden ist, nicht hierauf begrenzt ist, sondern dann auf die weiterhin bejahte voraussichtliche Rechtmäßigkeit des Bescheides zu erstrecken ist, so führt auch diese Prüfung nicht zum Erfolg der Beschwerde. Insoweit kann gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die nicht angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit den folgenden Zusätzen verwiesen werden:

Dass das Verwaltungsgericht Nr. 6.2.1 Satz 1 TA Luft (n. F.) als zulässige Konkretisierung der Ausübung des Ermessens nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG für eine Vorsorgeanordnung beurteilt hat, steht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Übereinstimmung (vgl. Beschl. v. 22.5.2014, a. a. O., Rn. 16).

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass aus anderen als von der Antragstellerin selbst geltend gemachten Gründen (vgl. zu der ihr als Betreiberin obliegenden Vortragslast: Altenschmidt, in: Apell/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 17, Rn. 110) hier - wie für eine einzelfallbezogene Prüfung der Verhältnismäßigkeit erforderlich - ein atypischer Fall zu bejahen wäre. Insoweit kämen etwaige technische Besonderheiten der Anlage in Betracht, allerdings wiederum nur unter dem Aspekt des Standardunternehmens (Koch/König, in: GK- BImSchG, 2. Aufl., § 17, Rn. 59 f.). Solche zu Gunsten der Antragstellerin berücksichtigungsfähigen technischen Besonderheiten sind hier nicht ersichtlich. Vielmehr gründet die Überschreitung des Emissionsgrenzwertes nach Aktenlage "in der Technologie am Standort E." (vgl. Bl. 105 der Beiakte 1), d. h. beruht offenbar auf der Wahl zu kleiner Trommeln bzw. einer zu hohen Belastung der vorhandenen Trommeln (vgl. Bl. 23 f., 105 R, 109 R, 129 der Beiakte 1; Bl. 4 der Anlage 13, Beiakte 7), die nach den Angaben in der sog. Masterplanstudie vom Mai 2018 (erstinstanzliche Anlage 12, S. 29) außerdem bereits ab einer Betriebstemperatur von 600 Grad C zur Bildung von Formalin führen. Das kann der Antragstellerin aber nicht zum Vorteil gereichen.

Ist damit der angegriffene Verwaltungsakt voraussichtlich rechtmäßig und liegt das besondere Vollzugsinteresse vor, so bedarf es keiner gesonderten, "reinen" Interessen- und Folgenabwägung, wie auch die Antragstellerin unter Nr. 5 ihrer Beschwerdebegründung erkennt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt für den zweiten Rechtszug aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin zur umgehenden Einhaltung des Grenzwertes noch die geringsten Aufwendungen bzw. Verluste entstehen, wenn sie ihre Rübenschnitzel zur Entlastung ihrer Trommeln in dem dazu nach ihren Angaben erforderlichen, überwiegenden Umfang nicht mehr selbst trocknet und verkauft, sondern an Dritte bereits nass als Futtermittel oder für den Einsatz in Biogasanlagen abgibt. Diese Kosten hat sie selbst mit 1,5 Mio. EUR beziffert. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist dieser Wert insgesamt und nicht nur überwiegend als Streitwert anzunehmen. Die abweichende niedrigere Festsetzung der ersten Instanz wird daher gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG i. V. m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG geändert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).