Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.03.2023, Az.: 1 OB 32/23
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.03.2023
- Aktenzeichen
- 1 OB 32/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 15877
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0316.1OB32.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 07.02.2023 - AZ: 4 A 1300/17
Rechtsgrundlage
- NBauO § 84 Abs. 3 Nr. 2
- VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2
Fundstelle
- NJW-Spezial 2023, 398
Amtlicher Leitsatz
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch ein Unternehmen der Plakatwerbung kann notwendig sein, wenn Fragen der Verfassungsmäßigkeit einer Werbeanlagen beschränkenden örtlichen Bauvorschrift entscheidungserheblich sind.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
Die Klägerin, ein bundesweit tätiges Unternehmen mit (unter anderem) rund 300.000 Angeboten im Bereich der Außenwerbung, und die Beklagte streiten um die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren zu einem Rechtsstreit um die Zulässigkeit einer großflächigen Werbetafel. In der Sache vertraten die Beteiligten in diesem Vorverfahren insbesondere kontroverse Standpunkte zur Verfassungsmäßigkeit einer örtlichen Bauvorschrift, die Fremdwerbeanlagen auf eine Größe von 4 qm beschränkte. Nach einer Abhilfeentscheidung der Beklagten im nach erfolglosem Widerspruchsverfahren eingeleiteten gerichtlichen Verfahren haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat die Verfahrenskosten der Beklagten auferlegt und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für erforderlich erklärt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Notwendig ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten immer dann, wenn es dem Betroffenen nicht zuzumuten ist, seine Interessen gegenüber der Verwaltung ohne sachkundigen Beistand zu wahren. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren ist in Werbesachen nicht geboten, wenn die Genehmigung einer Werbeanlage aus Gründen abgelehnt wird, denen der Antragsteller aufgrund seiner Spezialisierung auf Werbesachen und der hierdurch gewonnenen Rechtskenntnisse angemessen entgegentreten kann (vgl. Senatsbeschl. v. 17.4.1985 - 6 B 31/85 -, JurBüro 1986, 1026, in juris nur Ls.).
Gemessen daran war die Zuziehung eines Bevollmächtigten hier notwendig. Der Beklagten ist zuzugeben, dass ein auf die Errichtung von Werbeanlagen spezialisiertes Großunternehmen mit der Problematik der Wirksamkeit örtlicher Bauvorschriften zur Beschränkung von Fremdwerbung nach § 84 Abs. 3 Nr. 2 NBauO oder vergleichbarer Vorschriften anderer Landesbauordnungen gelegentlich konfrontiert sein wird. Dass die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen in einer Weise zu ihrem "Tagesgeschäft" gehörten, dass sich die Beiziehung anwaltlichen Sachverstandes erübrigen würde, lässt sich indes nicht annehmen. Es mag noch erwartet werden, dass der Klägerin die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 28.4.1972 - 4 C 11.69 -, BVerwGE 40, 94 = DVBl. 1973, 40 = BRS 25 Nr. 127 = BeckRS 1972, 30435060, in juris nur Ls.) bekannt war. Die Beurteilung von deren Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall erfordert indes weniger Erfahrung mit der Zulassung von Werbeanlagen als ein allgemein bau- und verfassungsrechtliches Verständnis, das im Alltagsgeschäft eines Werbeunternehmens nicht unbedingt geschult wird (i.E. ebenso zu einer ähnlichen Fallkonstellation Senatsbeschl. v. 5.3.2008 - 1 OB 14/08 -, juris Rdnr. 14 = NVwZ-RR 2008, 849.); dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass selbst das seinerseits mit Volljuristen besetzte Rechtsamt der Beklagten im gerichtlichen Verfahren zunächst noch einen der Klägerin entgegengesetzten Standpunkt zur Rechtmäßigkeit der Satzung einnahm.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.