Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 02.05.2024, Az.: 7 A 2310/20

Amtshaftung; Bekanntgabe; Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung; Corona; Ermessen; Ermessensleitende Gesichtspunkte; Fortsetzungsfeststellungsinteresse; SARS-CoV-2; Schlacht- und Zerlegebetriebe; Schlachtbetrieb; Testpflicht; Verhältnismäßigkeit; Zur Testung von Beschäftigten auf eine Infektion mit dem Coronavirus in Schlacht- und Zerlegebetrieben

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
02.05.2024
Aktenzeichen
7 A 2310/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 14529
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2024:0502.7A2310.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Allgemeinverfügung zur Testung von Beschäftigten auf eine Infektion mit dem Coronavirus in Schlacht- und Zerlegebetrieben war jedenfalls ab dem 23. Mai 2021 insoweit rechtswidrig, als dass die Betriebe verpflichtet wurden, die Test durch Leistungserbringer nach § 6 Coronavirus-Testverordnung vornehmen zu lassen.

  2. 2.

    Die grundsätzliche Entscheidung, Schlacht- und Zerlegebetriebe auf eigene Kosten verpflichtet zu haben, Beschäftige regelmäßig auf eine Infektion mit dem Coronavirus zu testen, erweist sich als verhältnismäßig.

  3. 3.

    Die Regelung des § 28a Abs. 3 IfSG in den Fassung vom 28. November 2020 und 31. März 2021, wonach Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen war (Satz 4), schuf keine zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern formulierte auf Rechtsfolgenseite ermessensleitende einschränkende bzw. erweiternde Gesichtspunkte, die beim Vorliegen bestimmter Inzidenzwerte im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen waren.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die "Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg bezüglich Testungen in Schlacht- und Zerlegebetrieben auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 24. Juli 2020 rechtswidrig gewesen ist. Weiter wird festgestellt, dass die "3. Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg über Testungen auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 21. Mai 2021 in Bezug auf Schlacht- und Zerlegebetriebe insoweit rechtswidrig gewesen ist, als dass die Tests von einem Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Coronavirus-Testverordnung durchzuführen waren. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 70 % und der Beklagte zu 30 %. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der/die jeweils andere Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt im Landkreis Cloppenburg in D. einen Schlacht- und Zerlegebetrieb für Schweine. Sie wendet sich mit Fortsetzungsfeststellungsklagen gegen fünf Allgemeinverfügungen des Beklagten, mit denen dieser Schlacht- und Zerlegebetrieben im Landkreis Cloppenburg die Verpflichtung auferlegte, Mitarbeiter auf das SARS-CoV-2-Virus zu testen, wenn diese ihre Mitarbeiter in der Produktion einsetzen möchten (nachfolgend: mittelbare Testpflicht).

I. Streitgegenständlich sind insgesamt fünf Allgemeinverfügungen, die zwischen dem 26. Juli 2020 und dem 20. August 2021 - mit Ausnahme des nicht angegriffenen Zeitraums vom 30. März 2021 bis einschließlich 21. Mai 2021 - galten.

Konkret in Streit stehen für den Zeitraum vom 26. Juli 2020 bis zum 8. Oktober 2020 die "Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg bezüglich Testungen in Schlacht- und Zerlegebetrieben auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 24. Juli 2020,

nachfolgend AV-Fleisch-1,

für den Zeitraum vom 9. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 die "2. Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg bezüglich Testungen in Schlacht- und Zerlegebetrieben auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 7. Oktober 2020,

nachfolgend AV-Fleisch-2,

für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. März 2021 die "3. Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg bezüglich Testungen in Schlacht- und Zerlegebetrieben auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 30. Dezember 2020,

nachfolgend AV-Fleisch-3,

für den Zeitraum vom 24. Mai 2021 bis zum 2. Juli 2021 die "3. Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg über Testungen auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 21. Mai 2021,

nachfolgend AV-Allgemein-3,

und für den Zeitraum vom 3. Juli 2021 bis zum 27. August 2021 die "4. Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg über Testungen auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg" vom 1. Juli 2021,

nachfolgend AV-Allgemein-4.

In dem Zeitraum vom 31. März 2021 bis einschließlich 22. Mai 2021 galten die - nicht angegriffenen - "Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg über Testungen auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg",

nachfolgend AV-Allgemein-1,

und die "2. Allgemeinverfügung des Landkreises Cloppenburg über Testungen auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg",

nachfolgend AV-Allgemein-2.

1. Hintergrund des Erlasses der AV-Fleisch-1, am 25. Juli 2020 in den örtlichen Zeitungen veröffentlicht, war eine fachaufsichtliche Weisung vom 23. Juli 2020 des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 Niedersächsisches Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD), deren Regelungsgehalt der Beklagte im Wesentlichen in der AV-Fleisch-1 übernahm. Konkret ordnete der Beklagte an, dass in Schlacht- und Zerlegebetrieben im Landkreis Cloppenburg nur Personen in der Produktion eingesetzt werden durften, die mindestens einmal pro zehn Tage auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS CoV-2 durch PCR-Verfahren getestet worden waren und dabei ein negatives Testergebnis hatten. Die Tests konnten im sogenannten Poolverfahren erfolgen, die Auswertung musste ein "anerkanntes Labor" vornehmen. Die Nachweise waren auf dem Betriebsgelände vorzuhalten, die Kosten vom Betriebsinhaber zu tragen. Ausgenommen von dieser Verpflichtung waren lediglich Personen, die ausschließlich staatliche oder kommunale Aufsichtsaufgaben ausführten. Ferner enthielt die Allgemeinverfügung eine Regelung, nach der das Gesundheitsamt im Einzelfall Ausnahmen von der Testverpflichtung zulassen konnte, wenn der jeweilige Betrieb den Nachweis erbringen konnte, dass durch den Einbau und den Betrieb von Hochleistungsfilteranlagen die Gefahr einer Beschleunigung des Infektionsgeschehens durch die besonderen klimatischen Bedingungen in der Produktion dauerhaft beseitigt war. Die Allgemeinverfügung wurde befristet bis einschließlich 31. Dezember 2020.

Zur Begründung der AV-Fleisch-1 führte der Beklagte aus, dass Rechtsgrundlage für die Verfügung § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sei. In den vergangenen Wochen habe es vermehrt Corona-Ausbrüche in verschiedenen fleischverarbeitenden und schlachtenden Betrieben in Deutschland, in Niedersachsen und im Landkreis Cloppenburg gegeben. Diese Betriebe seien aufgrund der besonderen klimatischen Verhältnisse besonders anfällig für Infektionen. Insbesondere die Lüftungsanlagen und die typischerweise erforderliche Luftkühlung würden ein nicht unerhebliches Infektionsrisiko bergen. Nach dem Vorsorgeprinzip sei eine schnellstmögliche, umfassende und landesweit gültige Regelung zur Gefahrenabwehr zu treffen. Die Vorschrift sei verhältnismäßig. Hierzu führe insbesondere, dass im Falle der Ausstattung mit Hochleistungsfilteranlagen eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Regelung den Weiterbetrieb ermögliche. Die Verfügung sei schließlich insbesondere deswegen angemessen, da der Schutz hochwertiger Rechtsgüter wie Leben, Leib und Gesundheit angestrebt werde. Private oder wirtschaftliche Interessen hätten vor diesem Hintergrund zurückzustehen.

Am 15. September 2020 nahm das Ministerium eine Anpassung der Weisung vor. Das Ministerium wies darauf hin, dass "im Einzelfall [weitere] begründete Ausnahmen" von der (mittelbaren) Testpflicht zugelassen werden können. In der Weisung hieß es wie folgt: "Ausnahmen von der Testpflicht [sind] zulässig, wenn ein Betrieb darlegen kann, dass gegenüber anderen Produktionsstätten kein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, z.B., weil technische oder organisatorische Maßnahmen ergriffen wurden, die geeignet sind, das Infektionsrisiko innerhalb des Betriebs erheblich zu reduzieren. (...) Der Spielraum der zuständigen Behörden für die Entscheidung über das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen (wird) erhöht. Die Einengung auf Hochleistungsfilter hat sich als nicht praxistauglich erwiesen."

2. Mit der AV-Fleisch-2 vom 7. Oktober 2020, veröffentlicht am 8. Oktober 2020 in den örtlichen Zeitungen, fasste der Beklagte die Allgemeinverfügung neu und hob die AV-Fleisch-1 auf.

Im Unterschied zur AV-Fleisch-1 beschränkte die AV-Fleisch-2 die Pool-Größe auf fünf Proben. Zudem präzisierte die AV-Fleisch-2 den Zeitraum, in dem die Nachweise auf dem Betriebsgelände vorzuhalten waren, nämlich einen Monat. Die Regelung zu den Hochleistungsfiltern wurde gestrichen und stattdessen geregelt, dass in begründeten Einzelfällen auf Antrag Ausnahmen von Testverpflichtung zugelassen werden konnten. Weiter enthielt die AV-Fleisch-2 nunmehr eine Regelung, wonach die Testverpflichtung nicht für das Fleischerhandwerk galt. Solche Handwerksbetriebe lagen nach der Regelung dann vor, wenn diese in die Handwerksrolle oder das Verzeichnis des zulassungsfreien Handwerks oder handwerkähnlichen Gewerbes eingetragen waren und in diesen Betrieben in der Regel nicht mehr als 49 Personen tätig wurden. Die AV-Fleisch-2 wurde befristet bis einschließlich 31. Dezember 2020.

Zur Begründung der AV-Fleisch-2 führte der Beklagte aus, dass es weiterhin zu massiven Infektionsgeschehen in unzähligen Betrieben der Branche gekommen sei und hierfür die besonderen klimatischen Verhältnisse, die Mitarbeiterstruktur und die Arbeitsorganisation in der Produktion vermutlich ursächlich seien. Die Beschränkung der Poolgröße auf fünf Proben folge einer fachlichen Einschätzung des Robert-Koch-Instituts. Das Fleischerhandwerk bekäme eine Ausnahme, da in diesen Betrieben in der Regel kein betriebsfremdes Personal eingesetzt werde.

3. Eine erneute Aktualisierung unter Aufhebung der AV-Fleisch-2 erfuhr die Allgemeinverfügung durch die AV-Fleisch-3 vom 30. Dezember 2020, veröffentlicht am 31. Dezember 2021 in den örtlichen Zeitungen.

Diese Allgemeinverfügung präzisierte die Möglichkeiten der Erlangung einer Ausnahmegenehmigung. Eine solche konnte nun auch dann erlangt werden, wenn anstelle von PCR-Tests PoC-Antigen-Schnelltests durch ärztlich geschultes Personen durchgeführt wurden. Es durften nur solche Tests verwendet werden, die die Mindestkriterien des Paul-Ehrlich-Instituts erfüllten. Im Übrigen blieb die Allgemeinverfügung unverändert, es wurde die Befristung bis einschließlich 31. März 2021 angeordnet.

Zur Begründung verwies der Beklagte auf § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG. Danach seien bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen; dieser Wert werde im Landkreis Cloppenburg seit Anfang Oktober 2020 fortlaufend überschritten. Es käme in schlachtenden und zerlegenden Betrieben immer noch zu vielen Infektionen, ursächlich seien voraussichtlich die Lüftungsanlagen und betriebsorganisatorische Gründe. Insofern mittlerweile relativ zuverlässige Alternativen zum PCR-Test zur Verfügung stünden, seien nunmehr als weitere Ausnahme Schnelltests zuzulassen. Da es jedoch Qualitätsunterschiede gebe, sei die Auswahl zu beschränken.

4. Die AV-Fleisch-3 wurde aufgehoben durch AV-Allgemein-1 vom 29. März 2021, veröffentlicht am 30. März 2021 in den örtlichen Zeitungen. In dieser - nicht von der Klägerin angegriffenen - Allgemeinverfügung integrierte der Beklagte die Regelung zur Testverpflichtung in Schlacht- und Zerlegebetrieben in eine allgemeine branchenübergreifende Regelung zum Testen.

Die Testverpflichtung bezüglich der Schlacht- und Zerlegebetriebe wurde ausgeweitet auch auf lebensmittelverarbeitende Betriebe und zudem insofern geändert, als das Beschäftigte nunmehr einmal pro sieben (statt bisher zehn) Tage zu testen waren. Im Unterschied zur bisherigen Regelung regelte der Beklagte, dass für den Fall, dass PoC-Antigen-Schnelltests verwendet werden, hierfür keine Ausnahmegenehmigung mehr notwendig war, sondern diese Tests ersatzweise verwendet werden konnten. Die Schnelltests mussten dabei durch einen Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung - TestV) durchgeführt werden.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass sich die Situation nicht verändert habe, es käme nach wie vor zu hohen Fallzahlen, auch Mutationen seien besorgniserregend. Im Bereich der schlachtenden und zerlegenden Betriebe sei es weiter vermehrt zu Corona-Ausbrüchen gekommen. Diese stünden im Zusammenhang mit den Organisationsstrukturen in den Betrieben, in denen eine hohe Fluktuation herrsche, da die Arbeitnehmer häufig aus dem mittel- und osteuropäischen Ausland kämen und zur Leih- und/oder Saisonarbeit tätig würden. Dies erschwere die Nachverfolgung. Zudem käme es bei Betriebsschließungen und Ausspruch von Quarantänen zu nicht nachvollziehbaren Wechseln der Mitarbeiter in den Betrieben. Auch sei es so, dass Meldungen des Wohnorts häufig verspätet oder gar nicht vorgenommen würden. Auch die klimatischen Verhältnisse seien weiter für Infektionen verantwortlich. Die AV-Allgemein-1 galt bis einschließlich 30. April 2021. Mit der AV-Allgemein-2 vom 28. April 2020, die von der Klägerin ebenso nicht angegriffen wurde, wurde die AV-Allgemein-1 verlängert.

5. Mit AV-Allgemein-3 vom 21. Mai 2021, veröffentlicht am 22. Mai 2021 in den örtlichen Zeitungen, passte der Beklagte die AV-Allgemein-2 an. Neu war nunmehr, dass Genesene und geimpfte Personen entsprechend § 7 COVID-10-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV) nicht der mittelbaren Testpflicht unterlagen.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Situation weiter unverändert sei und der Schwellenwert des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner weiter überschritten sei. Auch in den zerlegenden und schlachtenden Betrieben käme es weiter zu vielen Infektionen.

6. Mit AV-Allgemein-4 vom 1. Juli 2021, veröffentlicht am 2. Juli 2021 auf der Internetseite des Beklagte, passte der Beklagte die AV-Allgemein-3 erneut an und hob die AV-Allgemein-3 auf. Die maßgebliche Änderung bestand darin, dass PoC-Antigen-Schnelltests auch durch geschultes Personal durchgeführt werden durften und Antigen-Tests zur Eigenanwendung (Laien-Selbstteste) ersatzweise zulässig waren, sofern diese unter Aufsicht einer geschulten Person des Betriebs vorgenommen wurden. Eine allgemeine Testverpflichtung für Arbeitnehmer aller Branchen bestand nicht mehr. Zudem beschränkte sich die Testverpflichtung nunmehr nur noch auf schlachtende und zerlegende Betriebe und bezog sich nicht mehr auf lebensmittelverarbeitende Betriebe im Gesamten. Es wurde die Befristung bis einschließlich 30. September 2021 angeordnet.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Infektionszahlen derzeit zwar unterhalb des Schwellenwertes im Sinne von § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner lägen, die neuen Mutationen indes besorgniserregend seien.

7. Ab dem 25. August 2021 bis zum 23. November 201 galt sodann für die Klägerin der - hier nicht streitgegenständliche - § 13 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-VO, wonach weiterhin eine mittelbare Testpflicht alle sieben Tage angeordnet war und wobei Schnelltests möglich und Genesene und Geimpfte ausgenommen waren.

II. Die Klägerin hat Klage erhoben am 26. August 2021 (AV-Fleisch-1, Az. ), 9. Oktober 2020 (AV-Fleisch-2, ursprüngliches Az. 7 A 2722/20), 19. Januar 2021 (AV-Fleisch-3, ursprüngliches Az. 7 A 904/21), 21. Juni 2021 (AV-Allgemein-3, ursprüngliches Az. 7 A 2383/21), 9. Juli 2021 (AV-Allgemein-4, ursprüngliches Az. 7 A 2746/21). Die AV-Allgemein-1 und AV-Allgemein-2 hat die Klägerin nicht angegriffen. Mit Schriftsätzen vom 27. Oktober 2020 (AV-Fleisch-1), 19. Januar 2021 (AV-Fleisch-2), 6. Dezember 2021 (AV-Fleisch-3), 9. Juli 2021 (AV-Allgemein-3) und 8. September 2021 (AV-Allgemein-4) hat die Klägerin ihre Anfechtungsanträge jeweils auf Fortsetzungsfeststellungsanträge umgestellt. Die Klagen wurden mit Beschluss des Berichterstatters vom 2. Mai 2024 zur gemeinsamen Entscheidung unter dem hiesigen Aktenzeichen verbunden.

1. Die Klägerin meint, dass die Klagen als Fortsetzungsfeststellungsklagen zulässig seien. Die von ihr unter anderem gerügte fehlende Bekanntgabe der Allgemeinverfügungen stehe einer Anfechtungsklage nicht entgegen, da auch unwirksame Verwaltungsakte im Wege der Anfechtungsklage angegriffen werden könnten. Die Klägerin habe im Hinblick auf die AV-Fleisch-1, AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 ein Präjudizinteresse, da sie beabsichtige, den Ersatz der Testkosten in einem Amtshaftungsverfahren geltend zu machen und dieser Anspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen sei, da der Beklagte schuldhaft gehandelt habe und der Klägerin auch ein Schaden - hinsichtlich der AV-Fleisch-1 Testkosten in Höhe von 50.941,00 € - entstanden sei. Zudem bestehe Wiederholungsgefahr, da davon auszugehen sei, dass es auch in Zukunft zu vergleichbaren Verfügungen kommen werde. Auch begründe sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor dem Hintergrund der Fallgruppe der sich kurzfristig erledigenden Maßnahme.

2. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Klagen auch begründet seien. Die Allgemeinverfügungen AV-Fleisch-1, AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 seien bereits mangels Bekanntgabe unwirksam, da eine öffentliche Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 VwVfG ausgeschlossen gewesen wäre. Die individuelle Bekanntgabe sei nicht untunlich im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Untunlichkeit könne allenfalls ab einem Adressatenkreis von mehr als 50 Personen angenommen werden, hier seien nur circa 30 Betriebe betroffen gewesen. Diese Betriebe seien dem Beklagten aufgrund seiner behördlichen Überwachungspflichten im Bereich der Lebensmittelkontrolle bekannt gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe nicht vorgelegen - dies zeige sich schon daran, dass die Allgemeinverfügung wiederholte Male erlassen worden sei. Für die Unzulässigkeit der öffentlichen Bekanntgabe spreche auch, dass die Klägerin im besonderen Maße von dem Regelungsgehalt der Verwaltungsakte betroffen gewesen sei. Zudem seien in anderen Landkreisen und Gemeinden ähnliche Verfügungen individuell bekannt gemacht worden.

Weiter ist die Klägerin im Hinblick auf die AV-Fleisch-2, AV-Fleisch-3, die AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 der Auffassung, dass diese nicht als Allgemeinverfügung gemäß § 35 Satz 2 VwVfG hätten ergehen dürfen. Auf Grund dessen, dass dem Beklagten der von der AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 betroffene Adressatenkreis bekannt gewesen sei, wären bei diesen Allgemeinverfügungen Einzelverwaltungsakte möglich gewesen - die Verfügungen hätten zudem als sogenannte Sammelverfügungen ergehen können. Die AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 hätten dagegen keinen konkreten Sachverhalt in einem Einzelfall betroffen, sondern vielmehr seien Regelungen zu unterschiedlichen Sachverhalten getroffen worden, da sowohl Regelungen für schlachtende, zerlegende und lebensmittelverarbeitende Betriebe angeordnet worden seien als auch Regelungen für Gemüseanbaubetriebe sowie Melde- und Aufbewahrungspflichten. Die Regelungen seien so unterschiedlich gewesen, dass jedenfalls zwei Allgemeinverfügungen hätten erlassen werden müssen. Insgesamt habe es sich um abstrakt-generelle Regelungen gehandelt, die als Verordnung hätten erlassen werden müssen.

Die Klägerin meint weiter, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG zwar vorgelegen haben, der Beklagte indes sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, die Allgemeinverfügungen daher unverhältnismäßig gewesen seien.

Die Tests seien nicht erforderlich gewesen, da bereits durch ein Präventions- und Hygienekonzept ausreichender und gleich wirksamer Schutz sichergestellt worden sei. Nach diesem Konzept habe die Klägerin seit Mitte Juli 2020 täglich Messungen der Körpertemperatur mittels Wärmebildkameras durchgeführt und Mitarbeitern mit einer gemessenen Temperatur von über 37,5 °C ein Zugangsverbot ausgesprochen. Zudem habe das Konzept ein Pausenmanagement und die Erhöhung des Abstands vorgesehen. Jedenfalls sei es nicht erforderlich gewesen, auch für die Mitarbeiter, die in der Schlachtung arbeiteten, eine Testverpflichtung anzuordnen, da der Betrieb der Klägerin unterteilt sei in einen "unreinen" Teil, in dem die Schlachtung stattfinde und einen Reinbereich, in dem die Zerlegung stattfinde. Im ersten Teil werde die Raumtemperatur lediglich durch eine Sprühnebelanlage um wenige Grad heruntergekühlt, die verbrauchte Luft werde gefiltert und an die Umwelt abgegeben und es erfolge eine stetige Zirkulation von Frischluft. Im Reinbereich werde die Temperatur dagegen auf 4 °C heruntergekühlt. Beide Bereiche seien strikt voneinander getrennt, eine Vermischung von Luftströmen finde aufgrund von Schleusen nicht statt. Das von dem Beklagten geltend gemachte Infektionsrisiko auf Grund der Lüftungsanlage habe im unreinen Bereich nicht bestanden. Die Maßnahmen seien auch deswegen nicht erforderlich gewesen, weil die Möglichkeit bestanden habe, dass sich die Mitarbeiter erst nach einem Test infizierten.

Die AV-Fleisch-1 sei nach Auffassung der Klägerin zudem deswegen unverhältnismäßig gewesen, weil eine Ausnahmegenehmigung von der (mittelbaren) Testpflicht nur durch den Einbau einer Hochleistungsfilteranlage erreicht werden habe können und der Einbau einer solchen Anlage nur mit einem erheblichen wirtschaftlichen Aufwand möglich gewesen sei. Weiter seien die AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 deswegen nicht mehr verhältnismäßig gewesen, weil diesbezüglich die Regelung des § 28a Abs. 3 IfSG zu berücksichtigten gewesen sei, wonach bei einer Inzidenz von weniger als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner nur noch Maßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens zulässig gewesen seien, es war somit - insbesondere unter Berücksichtigung der finanziell einschneidenden Maßnahmen - ein besonders strenger Verhältnismäßigkeitsmaßstab anzuwenden, am 12. August 2021 habe die Inzidenz zum Beispiel in Niedersachsen nur noch bei 20,7 und im Landkreis des Beklagten bei 25,2 gelegen. Zudem sei auch der Impffortschritt zu berücksichtigen gewesen, so wären am 12. August 2021 bereits 65,6 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung einmal und 56,4 Prozent vollständig geimpft gewesen. Nach Einschätzung von Experten sei es zudem unzutreffend gewesen, die Inzidenzzahl als alleiniges Kriterium für notwendige Schutzmaßnahmen heranzuziehen, sondern vielmehr sei insbesondere die sogenannte Hospitalisierungsrate zu berücksichtigen gewesen. Auch sei zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen gewesen, dass diese keine Werkvertragsarbeiter beschäftige, sondern lediglich eigene Mitarbeiter. Bis zum 26. August 2020 sei es im Betrieb zu keiner Infektion gekommen. Widersprüchlich sei es ferner, dass Personen von der (mittelbaren) Testpflicht ausgenommen gewesen sind, die hoheitliche Aufgaben erfüllten. Auch diese hätten sich infizieren können.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

festzustellen, dass die Verwaltungsakte des Beklagten vom 24.07.2020, 07.10.2020, 30.12.2020, 21.05.2021 und 01.07.2021 rechtswidrig gewesen sind.

III. Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien jedenfalls unbegründet.

Die Allgemeinverfügungen seien wirksam bekannt gegeben worden, da eine individuelle Bekanntgabe untunlich gewesen wäre. Die öffentliche Bekanntmachung habe das öffentliche Vertrauen gestärkt. Zudem wäre die Ermittlung der tatsächlich betroffenen Betriebe nur mit einem erhöhten Aufwand möglich gewesen, der in der Eilbedürftigkeit des Pandemiegeschehens nicht leistbar gewesen wäre. Weiter verweist er darauf, dass es möglich gewesen sei, dass Betriebe zwar die formellen Voraussetzungen erfüllten, um Zerlege-Tätigkeiten auszuführen, diese Tätigkeiten aber gar nicht vorgenommen hätten. Im Übrigen seien etwaige Bekanntgabefehler jedenfalls unbeachtlich im Sinne des § 46 VwVfG. Die Form der Bekanntgabe habe die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst, die Allgemeinverfügungen wären ansonsten mit demselben Inhalt an die Klägerin persönlich bekannt gegeben worden.

Die Regelung habe in Form der Allgemeinverfügung erlassen werden dürfen, da es um die Bekämpfung konkreter, unmittelbar drohender Gefahren und nicht um die Abwehr einer abstrakten Gefahr gegangen sei. Eine Rechtsnorm hätte daher nicht erlassen werden müssen.

Die Allgemeinverfügungen seien auch im Übrigen materiell rechtmäßig gewesen. Dazu verweist der Beklagte auf die Begründungen der Allgemeinverfügungen. Wissenschaftlichen Erkenntnissen könne entnommen werden, dass Lüftungsanlagen ein nicht unerhebliches Infektionsrisiko bergen würden. Zudem seien bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit insbesondere die erheblichen Gesundheitsgefahren zu berücksichtigen gewesen. Es sei auch im Winter 2020/2021 und Frühjahr 2021 im Betrieb der Klägerin weiderholt zu Infektionen gekommen. Die Erforderlichkeit sei auch nicht durch das Hygienekonzept der Klägerin in Frage gestellt worden, da dieses nicht gleich geeignet gewesen sei, eine gesicherte Erkenntnis hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Mitarbeiter zu liefern. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es immer wieder zu asymptomatischen Infektionen gekommen sei.

Insofern die Klägerin auf die Frischluftzufuhr im unreinen Bereiche verweise, meint der Beklagte, dass der Grund der Allgemeinverfügung nicht nur die Lüftungssituation gewesen sei, sondern auch betriebsorganisatorische Gegebenheiten zu einer Gefahr geführt hätten. Soweit in den Betrieben Infektionen festgestellt worden seien, so hätten diese nicht stets einen bestimmten Bereich zugeordnet werden können.

Zwar seien seitens der Klägerin keine Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt worden, die Beschäftigten hätten jedoch aus einem ähnlichen Milieu gestammt und mit Werkvertragsarbeitern zusammengelebt.

IV. Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 8. Dezember 2023 (Klägerin) und 12. Dezember 2023 (Beklagter) ihr jeweiliges Einverständnis in eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Klagen sind teilweise unzulässig. Sofern sie zulässig sind, sind sie teilweise begründet, teilweise unbegründet.

A. Zulässigkeit

Sofern die Klagen nicht schon mangels Klagebefugnis unzulässig sind (dazu I.), sind die Klagen als Fortsetzungsfeststellungsklagen (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) zulässig, insbesondere kann die Klägerin ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse geltend machen (dazu IV.).

I. Klagebefugnis

Die Klägerin ist hinsichtlich derjenigen Regelungen der Allgemeinverfügungen, die Schlacht- und Zerlegebetriebe auf dem Gebiet des Landkreises Cloppenburg betreffen, klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO (analog), da sie jedenfalls geltend machen kann, durch die angegriffenen Vorschriften in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzt gewesen zu sein, da die streitgegenständlichen Regelungen die Klägerin in ihrer beruflichen Tätigkeit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingeschränkt haben, da sie ohne Durchführung von Tests keine Mitarbeiter im schlachtenden und zerlegenden Bereich hätte beschäftigen können. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungen für Unternehmen aus anderen Branchen - insbesondere Betriebe des Fleischerhandwerks - scheint zudem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG möglich (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 64, juris). Obwohl die Allgemeinverfügungen die Klägerin zwar zu unter Umständen kostenintensiven Tests verpflichtet haben, die die Umsatz- und Gewinnchancen geschmälert haben dürften, griffen diese Regelungen nicht in einen konkreten Bestand an Rechten und Gütern des Betriebes als solches ein, sodass eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausscheidet (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 65, juris).

Insofern die Klägerin mit ihren Klagen im Hinblick auf die AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügungen insgesamt begehrt, ist sie hinsichtlich der Pflicht für Gemüsebaubetriebe, ihre Mitarbeiter auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 testen zu lassen (Ziff. 6 AV-Allgemein-3 und Ziff. 3 AV-Allgemein-4) sowie der hiermit zusammenhängenden Regelungen nicht klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (analog). Im Falle einer angegriffenen Allgemeinverfügung ist jeder Betroffene nur im Hinblick auf die ihn betreffende Regelung, nicht schlechthin in Bezug auf die Allgemeinverfügung als solche, klagebefugt (Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 42 Rn. 170). Die Klägerin ist als Schlacht- und Zerlegebetrieb durch die allein Gemüsebaubetriebe betreffende Regelungen in den AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 nicht beschwert.

II. Statthaftigkeit

Die Fortsetzungsfeststellungsklagen - die Umstellung des Klageantrags ist keine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO, sondern eine ohne Weiteres zulässige Einschränkung des Klageantrags gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 C 33/13 -, Eufach0000000010E 151, 36-44, Rn. 11) - sind statthaft gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Mit den Klagen begehrt die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit von ursprünglich wirksam bekannt gegebenen - und damit existenten - Verwaltungsakten in Form von Allgemeinverfügungen, die sich durch Zeitablauf und nach Klageerhebung erledigt haben.

Unabhängig von der - im Rahmen der Prüfung der materiellen Rechtswidrigkeit noch zu beantwortenden - Frage, ob die streitgegenständlichen Regelungen überhaupt als Allgemeinverfügungen hätten ergehen dürfen, hat sich der Beklagte jedenfalls der Form der Allgemeinverfügung bedient, sodass dem Beklagten auch die Möglichkeit offenstand, diese Allgemeinverfügungen gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 3 VwVfG öffentlich bekannt zu geben.

Diese öffentliche Bekanntgabe erfolgte auch wirksam, sodass es auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob auch unwirksame Verwaltungsakte mit der Anfechtungsklage bzw. der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffen werden können, nicht ankommt. Die öffentliche Bekanntgabe beachtete die Voraussetzungen des § 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 3 VwVfG. Danach darf ein Verwaltungsakt öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist (Satz 1) oder aber wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist (Satz 2).

1. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin tatsächlich von den Allgemeinverfügungen Kenntnis erlangt hatte, was jeweils jedenfalls zum Zeitpunkt der jeweiligen Klageerhebung der Fall gewesen ist, kann bereits dahingestellt bleiben, ob die öffentlichen Bekanntgaben gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 3 VwVfG zulässig waren und wirksam erfolgten. Nach der Rechtsprechung des Eufach0000000007s steht es einer wirksamen Bekanntgabe gleich, wenn der Betroffene Kenntnis von dem vollständigen Inhalt des Verwaltungsakts erlangt hat, nachdem die Behörde ihren Regelungswillen durch eine fehlgeschlagene Bekanntgabe dokumentiert hat (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 - 6 C 26/19 -, Eufach0000000010E 171, 156-178 -, Leitsatz 4, Rn. 43). Das war vorliegend der Fall, da der Beklagte durch die Veröffentlichung der Allgemeinverfügungen einen derartigen Regelungswillen geäußert hat.

2. Von einer zulässigen und wirksamen öffentlichen Bekanntgabe gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ist aber auch unabhängig von der tatsächlichen Kenntnisnahme - und damit auch für die vor dieser Kenntnisnahme liegenden Zeiträume - auszugehen.

Nach § 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG dürfen - über den hier nicht einschlägigen Fall des § 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG hinaus - Allgemeinverfügungen auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Das war vorliegend der Fall.

a) Untunlich ist die individuelle Bekanntgabe, wenn diese wegen der Natur des in Frage stehenden Verwaltungsaktes nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 1988 - 10 S 751/88 -, NVwZ 1989, 978 [980]; Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 41 Rn. 46). Das ist insbesondere der Fall, wenn bei Erlass des Verwaltungsaktes aufgrund seines Regelungsinhalts objektiv nicht feststeht, für welche Personen er Geltung beanspruchen wird (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 - 6 C 26/19 -, Eufach0000000010E 171, 156-178, Rn. 36). Die Einzelbekanntgabe einer Allgemeinverfügung kann zudem auch trotz Kenntnis der Beteiligten untunlich sein, wenn die Bekanntgabe eilig ist, die einzelnen Betroffenen nicht schnell zu erreichen sind und die Durchführung einer Einzelbekanntgabe eine effektive Gefahrenabwehr vernünftigerweise nicht gewährleistet (Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 41 Rn. 153; Bay. VGH, Beschluss vom 30. März 2020 - 20 CS 20.611 -, Rn. 8, juris).

b) Diesen Maßstäben folgend kann die fehlende Untunlichkeit nicht - wie die Klägerin meint - damit begründet werden, dass die Bekanntgabe ab einer (pauschalen) Grenze von 50 Empfängern untunlich sei. Der Gesetzgeber hat eine solche Grenze für förmliche Verwaltungsverfahren sowie Planfeststellungsbeschlüsse explizit verankert (§ 69 Abs. 2 Satz 3, § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG), bei der öffentlichen Bekanntgabe von Verwaltungsakten jedoch gerade im Unterschied hierzu den unbestimmten Begriff der Untunlichkeit vorgesehen. Für die Frage der Untunlichkeitt ist damit jeweils auf den konkreten Einzelfall abzustellen ohne dass eine pauschale Grenze gezogen werden könnte (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 - 6 C 26/19 -, Eufach0000000010E 171, 156-178, Rn. 34; Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 41 Rn. 154).

Indes durften die Allgemeinverfügungen auch nicht schon - wie der Beklagte meint - auf Grund der besonderen Eilbedürftigkeit der Maßnahmen öffentlich bekannt gegeben werden. Die Allgemeinverfügungen waren für einen Zeitraum von über einem Jahr in Kraft. Eine besondere Eilbedürftigkeit und dass es gewissermaßen auf jede Sekunde oder jedenfalls jeden Tag angekommen wäre, ist für das Gericht nicht ersichtlich.

Die individuelle Bekanntgabe war jedoch wegen der Natur des gegenständlichen Verwaltungsaktes unmöglich. Es kann offenbleiben, ob dem Beklagten zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügung diejenigen Betriebe bekannt waren, die unter die streitgegenständliche Regelung fielen. Vorliegend ist nämlich zu beachten, dass es sich bei den gegenständlichen Verwaltungsakten um Dauerallgemeinverfügungen handelte, die ihren Zweck nach daraus ausgelegt waren - und auch aus Gleichheitsgründen darauf ausgelegt sein mussten -, dass sie auch auf potenziell zukünftige Adressaten Anwendung finden. Diese potenziellen zukünftigen Adressaten konnten indes zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverfügungen denklogisch noch nicht individualisiert ermittelt werden.

Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte auch durch ortsübliche Bekanntmachung (§ 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG), da die Allgemeinverfügungen entweder in den örtlichen Zeitungen (AV-Fleisch-1 bis 3 und AV-Allgemein-3) veröffentlicht wurden bzw. (AV-Allgemein-4) im elektronischen Amtsblatt des Landkreises Cloppenburg unter der Adresse www.lkclp.de verkündet wurden (§ 11 Abs. 1, 2 Hauptsatzung Landkreis Cloppenburg in der Fassung vom 3. Juni 2021).

III. Klagefrist, § 74 VwGO

Die Klagen wahren die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die AV-Fleisch-1, da diese nach Mitteilung des Beklagten erst am 25. Juli 2020 ortsüblich in den örtlichen Zeitungen bekanntgemacht worden war und als Tag der Bekanntgabe in der Allgemeinverfügung der auf diesen Tag folgende Tag, mithin der 26. Juli 2022, bestimmt war. Die am 26. August 2020 erhobene Klage wahrt damit die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO.

IV. Fortsetzungsfeststellungsinteresse

Die Klägerin hat - sofern sie klagebefugt ist - ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer etwaigen Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügungen.

Zulässig ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur, wenn der Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung geltend machen kann. Das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und ergibt sich nach der Rechtsprechung insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 - 2 C 27/15 -, Eufach0000000010E 156, 272-283, Rn. 13). Gegenständlich kommt der Klage Präjudizialität für einen noch anhängig zu machenden Schadenersatzanspruch zu.

1. Auf eine etwaige Wiederholungsgefahr kann die Klägerin ihre Klage nicht stützen. Ein mit der drohenden Wiederholung eines erledigten Verwaltungsakts begründetes berechtigtes Interesse an der Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit setzt die konkrete oder hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 7 C 26/15 -, Rn. 18, juris; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14/12 -, Eufach0000000010E 146, 303-324, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 - 4 C 12/04 -, Rn. 8, juris).

Sowohl die tatsächlichen als auch rechtlichen Umstände haben sich seit Aufhebung der Allgemeinverfügungen im Sommer 2021 erheblich geändert. In tatsächlicher Sicht ist knapp drei Jahre später eine deutlich entspannte, kaum spürbare, pandemische Lage zu verzeichnen. Auch der mögliche und tatsächliche Impfschutz (76,4 % der Deutschen haben eine Grundimmunisierung, 62,6 % eine Auffrischungsimpfung, vgl. Impfdashboard des Bundesministeriums für Gesundheit, https://impfdashboard.de/ [abgerufen am 29. April 2024]) führt zu einer anderen Tatsachenlage. Weiter sind in tatsächlicher Hinsicht veränderte Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2-Virus sowie umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Auch die rechtliche Ausgangssituation hat sich durch umfassende Anpassungen des Infektionsschutzgesetzes geändert. Hieraus folgt, dass auch für den etwaigen Fall des vermehrten Auftretens von SARS-CoV-2-Infektionen nicht ansatzweise erkennbar ist, dass das Infektionsgeschehen die damalige Dynamik erreichen würde und dass ähnliche Maßnahmen ergriffen würden (so auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 6. Dezember 2022 - 1 K 266/20 OVG -, Rn. 74 ff., juris für ein Ein- und Ausreiseerbot; Bay. VGH, Beschluss vom 3. Januar 2023 - 10 ZB 22.285 -, Rn. 7, juris für das Verbot von Pyrotechnik; Sächsisches OVG, Urteil vom 21. April 2021 - 3 C 8/20 -, Rn. 16, juris für eine Ausgangssperre; VG Düsseldorf, Urteil vom 16. Januar 2023 - 29 K 5290/21 -, Rn. 41 für Maskenpflicht in Schulen).

2. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht auch nicht, - wie die Klägerin meint - weil es sich um eine kurzfristig erledigende Maßnahme handele. Nach ständiger Rechtsprechung wird ein auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei sich kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffen nur angenommen in Fällen gewichtiger Grundrechtseingriffe (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, Eufach0000000009E 110, 77-94, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1/21 -, Rn. 13, juris). Einen solchen hat die Klägerin hier nicht geltend gemacht, eine weitere Prüfung war angesichts des bestehenden Präjudizinteresse (dazu 3.) auch nicht geboten (zweifelnd und ebenso offenlassend Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 81, juris).

3. Die Klägerin kann sich auf eine präjudizierende Wirkung ihrer Klagen berufen.

Bei einer Fortsetzungsfeststellungklage, die der Vorbereitung einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung dienen soll, ist - sofern (wie hier) die verwaltungsgerichtliche Klage bereits vor Erledigung erhoben wurde - das Feststellungsinteresse dann zu bejahen, wenn ein solcher Prozess ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung im Amtshaftungsprozess erheblich, die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist und der Kläger hinreichende Angaben zum Schaden und dessen Höhe macht (Schoch/Schneider/Riese, 43. EL August 2022, VwGO § 113 Rn. 129). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Absicht, einen Schadensersatzprozess anzustreben, hat die Klägerin schriftsätzlich in Bezug auf die AV-Fleisch-1, AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 explizit vorgetragen. Hierdurch kommt nach Auffassung des Gerichts ausreichend zum Ausdruck, dass die Klägerin auch im Hinblick auf die AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 Schadensersatz begehrt. Zwar hat die Klägerin bisher lediglich in Bezug auf die AV-Fleisch-1 Angaben zur konkreten Höhe des Schadens gemacht (50.941,00 €). Nach Auffassung des Gerichts genügt sie hiermit indes ihren Substantiierungsanforderungen hinsichtlich des Schadenseintritts, da die Sachverhalte zu den Allgemeinverfügungen im Übrigen im Wesentlichen gleich gelagert sind und es auch im Übrigen der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass die Klägerin Kosten für die Tests hat aufwenden müssen.

Auch ist die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos. Offensichtliche Aussichtslosigkeit liegt nur vor, wenn ohne eine ins einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadens- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1985 - 4 C 21/80 -, Eufach0000000010E 72, 172-174, Rn. 25). Vorliegend bestehen zwar Zweifel, ob der Klägerin tatsächlich der von ihr begehrte Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zusteht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Prüfung des Verschuldens des Beklagten, der einerseits auf Weisungen des Ministeriums reagierte und zudem im Rahmen der Pandemie mit einer einmaligen nie zuvor dagewesenen Situation konfrontiert war und insofern auf keine bestehenden rechtlichen Maßstäbe zurückgreifen konnte. Diese detaillierte Prüfung bleibt indes letztlich den ordentlichen Gerichten überlassen; die Geltendmachung eines Verschuldens scheint jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, juris, Rn. 78; VG Minden, Urteil vom 3. Mai 2023 - 7 K 1979/20 -, juris, Rn. 71 ff.).

Darüber hinaus könnte der Klägerin für den Fall, dass die Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügungen festgestellt werden sollte, - auch wenn sie eine derartige Anspruchsgrundlage nicht vorträgt - ein Anspruch aus § 80 Abs. 1 Satz 2 NPOG zustehen, wonach eine Person, wenn sie infolge einer rechtswidrige Maßnahme der Verwaltungsbehörde oder der Polizei einen Schaden erleidet, ein angemessener Ausgleich zu gewähren ist. Die Zivilgerichte wären nämlich insofern lediglich an den Antrag der Klägerin gebunden, könnten die begehrte Zahlung indes in rechtlicher Hinsicht auch auf eine andere Schadensersatzanspruchsgrundlage stützten. Der Anspruch aus § 80 Abs. 1 Satz 2 NPOG dürfte auch nicht auf Grund vorrangiger Regelungen des IfSG von vornherein ausgeschlossen sein. Solche abschließenden infektionsschutzrechtlichen Regelungen (§§ 56, 65 IfSG) bestehen nur soweit eine rechtmäßig auferlegte infektionsschutzrechtliche Beschränkung in Rede steht (BGH, Urteil vom 17. März 2022 - III ZR 79/21 -, BGHZ 233, 107-136, Rn. 49). Kann ein polizei- und ordnungsrechtlicher Entschädigungsanspruch dagegen in einem Bundesland - so in Niedersachsen - auch auf eine rechtswidrige Maßnahme gestützt werden, ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass Zivilgerichte diese Vorschrift für anwendbar halten und einen Schadensersatzanspruch hierauf stützten (so wohl auch Brandenburgisches OLG, Urteil vom 1. Juni 2021 - 2 U 13/21 -, Rn. 71 f., juris; a.A. hingegen OLG B-Stadt, Beschluss vom 20. September 2021 - I-7 U 1/21 -, Rn. 13, juris).

B. Begründetheit

Die Klagen sind nur zum Teil begründet. Die Klägerin kann die begehrte Feststellung, dass die angegriffenen Allgemeinverfügungen rechtswidrig gewesen sind, nur zum Teil beanspruchen. Die AV-Fleisch-1 und AV-Allgemein-3 und die in ihnen angeordnete (mittelbare) Testverpflichtung unter Kostentragung der Betriebe waren (zum Teil) rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 VwGO. Die AV-Fleisch-2, AV-Fleisch-3 und AV-Allgemein-4 waren indes rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erledigung (Schoch/Schneider/Riese, 44. EL März 2023, VwGO § 113 Rn. 152). Da sich die streitgegenständlichen Dauerverwaltungsakte kontinuierlich durch Zeitablauf erledigten, ist die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügungen für jeden Zeitpunkt im Zeitraum vom 26. Juli 2020 bis 27. August 2021 - mit Ausnahme des nicht angegriffenen Zeitraums vom 31. März 2021 bis zum 22. Mai 2021 - zu überprüfen.

Die streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen beruhten auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage (dazu I.) und durften in der Form der Allgemeinverfügung ergehen (dazu II.). Sie erwiesen sich indes zum Teil als ermessensfehlerhaft (dazu III.).

I. Zutreffende Rechtsgrundlage

Sowohl die angeordnete mittelbare Verpflichtung, Mitarbeiter auf das SARS-CoV-2-Virus zu testen als auch die damit einhergehende Verpflichtung der Betriebe, die Kosten für diese Tests zu übernehmen, ließen sich auf §(§) 28 Abs. 1 Satz 1 (, 28a Abs. 1) IfSG in der jeweils geltenden Fassung stützen. Es bestand eine Rechtsgrundlage (dazu 1.), auf die die angeordneten Maßnahmen gestützt werden konnten (dazu 2.).

1. Rechtsgrundlage

a) Rechtsgrundlage ab dem 26. Juli 2020 bis einschließlich 18. November 2020 - und damit für die AV-Fleisch-1 und zum Teil für die AV-Fleisch-2 - war ausschließlich § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 28. März 2020 (nachfolgend: IfSG [03/2020]). Die Vorschrift lautete wie folgt:

(1) 1 Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. 2 Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. 3 Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. 4 Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.

In Übereinstimmung mit der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel, dass die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG (03/2020) für weitgehende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen wie die vorliegende auch unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebotes und des Vorbehaltes des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG jedenfalls bis zum 18. November 2020 eine taugliche Ermächtigungsgrundlage und die Schaffung von Standardmaßnahmen bis zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht angezeigt war (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4/22 -, Rn. 35 ff., juris; Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2023 - 14 KN 35/22 -, Rn. 146, juris; Nds. OVG, Urteil vom 25. November 2021 - 13 KN 389/20 -, Rn. 30, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat insofern ausgeführt, dass dem parlamentarischen Gesetzgeber nicht nur ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum mit Blick auf den Inhalt der von ihm getroffenen Regelung zukommt, sondern auch hinsichtlich des Zeitpunkts der sogenannten Kodifikationsreife, zu welchem er Generalklauseln in Standardermächtigungen überführen muss (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4/22 -, Rn. 45, juris).

b) Ab dem 19. November 2021 waren die Vorschriften der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG in ihrer jeweils geltenden Fassung taugliche Ermächtigungsgrundlage, mithin für (teilweise) die AV-Fleisch-2, die AV-Fleisch-3, die AV-Allgemein-3 und die AV-Allgemein-4.

§ 28 Abs. 1 IfSG in der Fassung vom 28. November 2020 (nachfolgend: IfSG [11/2020]) lautete wie folgt (Änderungen im Vergleich zur Fassung vom 28. März 2020 sind unterstrichen):

(1) 1 Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Absatz 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. 2 Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. 3 Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. 4 Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.

Weiter lautete die (neue) Vorschrift des § 28a IfSG (11/2020) im Wortlaut wie folgt:

(1) Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere sein

[...]

4. Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr,

[...]

14. Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel,

[...]

(2) [...].

(3) 1 Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 sind insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. 2 Die Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe der Sätze 4 bis 12 ausgerichtet werden, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind. 3 Die Länder Berlin und die Freie und Hansestadt Hamburg gelten als kreisfreie Städte im Sinne des Satzes 2. 4 Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. 5 Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. 6 Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. 7 Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen. 8 Vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes sind die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen insbesondere bereits dann angezeigt, wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich macht. 9 Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. 10 Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. 11 Nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes können die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. 12 Die in den Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten auftretenden Inzidenzen werden zur Bestimmung des nach diesem Absatz jeweils maßgeblichen Schwellenwertes durch das Robert Koch-Institut im Rahmen der laufenden Fallzahlenberichterstattung auf dem RKI-Dashboard unter der Adresse http://corona.rki.de im Internet veröffentlicht.

(4) [...].

(5) [...].

(6) 1 Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und nach den §§ 29 bis 31 können auch kumulativ angeordnet werden, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. 2 Bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. 3 Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist.

(7) [...]

Mit Wirkung zum 31. März 2021 - und damit relevant für die AV-Allgemein-3 und die AV-Allgemein-4 - wurde § 28a Abs. 3 IfSG (03/2021) dahingehend geändert, dass "absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen" sind. Die Vorschrift enthielt konkret folgenden Wortlaut (Änderungen im Vergleich zur Fassung vom 28. November 2020 sind unterstrichen):

(3) 1 Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach Absatz 1 in Verbindung mit § 28 Absatz 1, nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 sind insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten; dabei sind absehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen.2 Die Schutzmaßnahmen sollen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe der Sätze 4 bis 12 ausgerichtet werden, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert sind. 3 Die Länder Berlin und die Freie und Hansestadt Hamburg gelten als kreisfreie Städte im Sinne des Satzes 2. 4 Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. 5 Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. 6 Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. 7 Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen. 8 Vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes sind die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen insbesondere bereits dann angezeigt, wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich macht oder wenn einer Verbreitung von Virusvarianten im Sinne von Satz 1 entgegengewirkt werden soll. 9 Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. 10 Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. 11 Nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes können die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. 12 Bei der Prüfung der Aufhebung oder Einschränkung der Schutzmaßnahmen nach den Sätzen 9 bis 11 sind insbesondere auch die Anzahl der gegen COVID-19 geimpften Personen und die zeitabhängige Reproduktionszahl zu berücksichtigen. 13 Die in den Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten auftretenden Inzidenzen werden zur Bestimmung des nach diesem Absatz jeweils maßgeblichen Schwellenwertes durch das Robert Koch-Institut im Rahmen der laufenden Fallzahlenberichterstattung auf dem RKI-Dashboard unter der Adresse http://corona.rki.de im Internet veröffentlicht.

An der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften, insbesondere auch an § 28a Abs. 3 Satz 4 ff. IfSG (11/2020, 03/2021) und daran, dass sich die Maßnahmen an der Anzahl der regionalen Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu orientieren hatten (sogenannte 7-Tage-Inzidenz), bestehen nach herrschender obergerichtlicher Rechtsprechung, welcher sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließt, keine Zweifel (Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2023 - 14 KN 35/22 -, Rn. 151, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 22. April 2021 - 3 B 183/21 -, Rn. 11, juris). Der Gesetzgeber hat gemäß seinem Prüf- und Aktualisierungsauftrag das IfSG um Standardermächtigungen ergänzt und im Rahmen seiner tatsächlichen Einschätzungsprärogative diese unter anderem an der Höhe der 7-Tages-Inzidenz ausgerichtet.

2. Rechtsfolgen von der Rechtsgrundlage umfasst

Die in den Allgemeinverfügungen angeordneten Verpflichtungen konnten auch zulässigerweise auf die genannten Rechtsgrundlagen gestützt werden. Dies gilt sowohl für die mittelbare Testpflicht (dazu a]) als auch für die Kostentragungspflicht (dazu b]).

a) Mittelbare Testpflicht

Die Regelung, mit der Betriebe verpflichtet wurden, ihre Mitarbeiter auf das SARS-CoV-2-Virus zu testen, stellte sich als eine Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG sowie als Beschränkung eines Betriebes gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG (11/2020, 03/2021) dar (zum Ganzen: Sächs. OVG, Beschluss vom 30. März 2021 - 3 B 83/21 -, juris Rn. 48 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 93 ff., juris). Die Analyse des Gesetzgebungsverfahrens zeigt, dass der Gesetzgeber auch Auflagen zur Betriebsfortführung - um eine solche handelte es sich im Ergebnis bei der streitgegenständlichen mittelbareren Testpflicht - als Beschränkungen verstanden wissen haben wollte. Dafür spricht insbesondere auch der Sinn und Zweck der Regelung, da es regelmäßig ein milderes Mittel darstellt, von einer vollständigen Schließung abzusehen und stattdessen die Ausübung des Gewerbes an eine mittelbare Testpflicht zu koppeln (Sächs. OVG, Beschluss vom 30. März 2021 - 3 B 83/21 -, Rn. 49, juris). Gegen dieses Verständnis spricht auch nicht der Umstand, dass der Gesetzgeber erst nach Ende des Gültigkeitszeitraums der streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen in § 28a Abs. 1 Nr. 2a IfSG in der Fassung vom 15. September 2021 bzw. in § 28a Abs. 7 IfSG in der Fassung vom 24. November 2021 Vorschriften einfügte, wonach Maßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch die "Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises" sein kann. Diese Vorschriften bilden lediglich klarstellend - und um den Vorbehalt des Gesetzes zu genügen - eine sich mittlerweile in der Verwaltungspraxis herausgearbeitete weitere Standardmaßnahme ab. Dass bereits vor Verankerung einer solchen "Test-Standardmaßnahme" Tests durch die Verwaltung angeordnet wurden, begegnet auch vor dem Hintergrund des im Rechtsstaatsprinzips und Demokratieprinzips wurzelnden Parlamentsvorbehalt keinen Bedenken. Insoweit vereinzelt - im Ergebnis jedoch nicht durchgreifende - Bedenken geäußert werden, ob angesichts des Risikos für den Einzelnen eines falsch-positiven (Schnell-)Tests und sich einer anschließenden Quarantäne dem Parlamentsvorbehalt genüge getan worden sei (Sächs. OVG, Beschluss vom 22. April 2021 - 3 B 183/21 -, Rn. 51, juris; Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, juris, Rn. 96), artikuliert diese Rechtsprechung offenbar Bedenken im Hinblick auf einen parlamentarisch regelungsbedürftigen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, die indes vorliegend schon deswegen nicht durchgreifend sind, da die streitgegenständlichen Verpflichtungen schon keinen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstellten, da Adressaten die Betriebe der Fleischbranche waren und nicht die Arbeitnehmer selbst. Die Anordnung der Unternehmer gegenüber ihren Arbeitnehmern, Tests vorzunehmen, stellt sich als ihre eigene unternehmerische Entscheidung dar, die veranlasst wurde durch die Allgemeinverfügungen des Beklagten, womit allein ein - wenn auch nicht unerheblicher - Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG verbunden ist (VG Minden, Urteil vom 3. Mai 2023 - 7 K 1979/20 -, juris, Rn. 105). Der Schwere dieses Eingriffs geht indes nicht über diejenigen einer parlamentarisch verankerten (§ 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG) vollständigen Betriebsschließung hinaus, sodass vor dem Hintergrund des Parlamentsvorbehalts keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

b) Kostentragungspflicht

Auch die Pflicht zur Kostentragung konnte auf §(§) 28 Abs. 1 Satz 1 (, 28a Abs. 1 Nr. 14) IfSG in ihren jeweils geltenden Fassungen gestützt werden. Auch diese erwies sich als Schutzmaßnahme (§ 28 Abs. 1 IfSG) bzw. als Beschränkung (§ 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG).

Die Vorschriften der §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 IfSG erlaubten und erlauben nicht nur die Anordnung von infektionsbeschränkenden Maßnahmen, sondern auch die damit verbundene Verpflichtung zur Übernahme der Kosten. Insbesondere sperren die im IfSG durch den Gesetzgeber ausdrücklich angeordneten Regelungen zur Kostentragung (etwa § 69 IfSG) nicht die behördliche Anordnung einer Kostentragung (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, juris, Rn. 96).

Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zur Kostenverteilung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass auf Grundlage dieser Generalklausel eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen möglich sind, die der Gesetzgeber schlechterdings nicht im Vorhinein hat abschließend regeln können. Die Frage, wer die mit einer Verfügung verbundenen Kosten zu tragen hat, ist vielmehr eine solche Frage, die die Behörde im Rahmen ihres pflichtgemäß auszuübenden Ermessens in jedem Einzelfall zu beantworten hat. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Betroffenen sind somit bei der Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne) der Maßnahme in den Blick zu nehmen (VG Minden, Urteil vom 3. Mai 2023 - 7 K 1979/20 -, juris, Rn. 175).

Auch unter Geltung des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG (11/2020, 03/2021) stellt sich diese Vorschrift als mögliche Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kosten dar (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 96, juris). Zwar hat der Gesetzgeber mit der Schaffung dieser Vorschrift die Generalklausel präzisiert und bestimmte Standardmaßnahmen definiert, unter anderem die Beschränkung von Betrieben. Auch wenn der Gesetzgeber - obwohl er den Reformbedarf erkannt hat - keine eindeutige Regelung zur Kostentragung geschaffen hat, folgt hieraus nicht, dass solche nicht erhoben werden dürften. Vielmehr hat es der Gesetzgeber - im Rahmen seines Bewertungsspielraums - gerade weiterhin der Behörde überlassen, im Einzelfall eine Regelung zur Kostenverteilung zu treffen. Für diese gesetzgeberische Intention spricht insbesondere, dass es sonst vom Zufall abhinge, ob mit einer bestimmten behördlichen Maßnahme - wie hier - unmittelbar die Kostentragung angeordnet wird (die für den Fall der Annahme einer abschließenden Regelung von der Behörde zu tragen wären) oder aber, ob eine Maßnahme - wie beispielsweise die komplette Betriebsschließung - zwar keine unmittelbar auf Seiten des Betroffenen anfallende Kosten auslöst, gleichwohl aber mittelbar einen deutlich größeren finanziellen Schaden des Betriebes verursachen dürfte, den dieser selbst zu tragen hätte bzw. nur unter besonderen staatshaftungs- oder infektionsschutzrechtlichen Voraussetzungen erstattet bekäme.

II. Handlungsform

Bedenken gegen die gewählte Handlungsform der Allgemeinverfügung bestehen nicht. Eine Allgemeinverfügung ist gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft. Die konkret-generelle Allgemeinverfügung (konkret = bestimmter Sachverhalt, generell = unbestimmte Anzahl an Personen) ist damit abzugrenzen vom konkret-individuellen (das heißt an bestimmbare Person gerichteten) Einzelverwaltungsakt (dazu 1.) sowie von der abstrakt-generellen Rechtsverordnung (dazu 2.).

1. Die Verwaltungsakte durften als Allgemeinverfügungen und mussten nicht als Einzelverfügungen erlassen werden. Auch wenn sowohl die Allgemeinverfügung als auch die Einzelverfügung einen Verwaltungsakt darstellen, ist wegen der für Allgemeinverfügungen geltenden Sondervorschriften eine Abgrenzung zu Einzelverfügungen i. S. d. § 1 NVwVfG i.V.m. § 35 Satz 1 VwVfG erforderlich (Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 278).

Voraussetzung einer personenbezogenen Allgemeinverfügung i. S. d. § 1 NVwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 Var. 1 VwVfG - wie hier - ist, dass der Behörde die Bestimmung des Personenkreises auch nach allgemeinen Merkmalen möglich ist. Ist dieser Adressatenkreis überschaubar - und insbesondere der Behörde bekannt -, käme auch der Erlass von mehreren gleichlautenden Verwaltungsakten (sogenannte Sammel-Verwaltungsakte) in Betracht. Obwohl ein Teil der Literatur (BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, 60. Ed. 1.4.2023, VwVfG § 35 Rn. 260; Stelkens, in: ders./Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 278) der Ansicht ist, dass der Behörde ein Wahlrecht zustehe, ob Sammel-Verwaltungsakte oder eine Allgemeinverfügung erlassen werden - und auch die Kammer dies in einem Beschluss in einem ähnlich gelagerten Fall vertreten hat (Az. 7 B 1657/21) - vertritt das Bundesverwaltungsgericht nunmehr die Auffassung, dass in diesen Fällen die Verfügungen in Form von Einzelverwaltungsakten, also Sammel-Verwaltungsakten, erlassen werden müssen. Gegenstand der von dem Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Konstellation war eine Verfügung an die Eigentümer und Besitzer von 72 Wohnplätzen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2021 - 6 C 26/19 -, Eufach0000000010E 171, 156-178, Rn. 30). Vorliegend folgt indes aus dem bloßen Umstand, dass dem Beklagten einzelne Adressaten der Allgemeinverfügung, insbesondere Betriebe aus dem Bereich der Schlachtung und Zerlegung, bekannt waren und sind, nicht, dass das Handlungsformenwahlrecht des Beklagten ausgeschlossen war. Dies folgt daraus, dass die hier gegenständlichen Dauerallgemeinverfügungen - insofern besteht ein wesentlicher Unterscheid zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall - ihrem Sinn und Zweck danach ausgerichtet waren, auch gegenüber solchen Personen Wirksamkeit zu entfalten, die potenziell - auch während des Geltungsraumes der Allgemeinverfügungen - noch dem Anwendungsbereich der Allgemeinverfügungen unterfallen können (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, 24. Aufl. 2023, § 35 Rn. 162a), der Adressatenkreis somit nicht abschließend feststand.

2. Der Beklagte hätte die Regelung auch nicht durch Rechtsverordnung erlassen müssen. Das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung zur Rechtsnorm stellt die Konkretheit des Sachverhalts dar (Schoch/Schneider/Knauff, 3. EL August 2022, VwVfG § 35 Rn. 199; BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, 60. Ed. 1.4.2023, VwVfG § 35 Rn. 258a). Nicht die Unbestimmtheit des Personenkreises, sondern die Konkretheit des geregelten Sachverhalts unterscheidet damit die personenbezogene Allgemeinverfügung von der Rechtsnorm (Nds. OVG, Urteil vom 30. März 2023 - 14 LC 32/22 -, Rn. 54, juris). Ein solch konkreter Sachverhalt ist vorliegend hinsichtlich aller Allgemeinverfügungen noch gegeben. Auch wenn - zumindest im Hinblick auf die AV-Allgemein-3 ein durchaus umfassender Personenkreis erfasst ist - beziehen sich die Allgemeinverfügungen auf ein anlassbezogenes konkretes Ereignis und damit nicht auf die Abwehr einer abstrakten Gefahr. Die zeitlich begrenzten Allgemeinverfügungen betrafen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 (so auch für die Schließung von Fitnessstudios Nds. OVG, Urteil vom 30. März 2023 - 14 LC 32/22 -, Rn. 55, juris).

III. Voraussetzungen und Rechtsfolge der Norm

Die angegriffenen Allgemeinverfügungen waren überwiegend materiell rechtmäßig. Sie waren zunächst ausreichend bestimmt (dazu 1.). Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage lagen vor (dazu 2.). Der Beklagte verfügte auch jeweils eine "notwendige Schutzmaßnahme" im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG (dazu 3. a]). Die AV-Fleisch-1 sowie die AV-Allgemein-3 erwiesen sich indes (zum Teil) nicht mehr als angemessen im engeren Sinne (dazu 3. b]).

1. Bestimmtheit, § 1 NVwVfG i.V.m. 37 Abs. 1 VwVfG

Die Allgemeinverfügungen, insbesondere die in diesen geregelten Ausnahmevorschriften, waren hinreichend bestimmt im Sinne des § 1 NVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG. Die AV-Fleisch-2 (Ziffer Nr. 3 der Verfügung), AV-Fleisch-3 (Ziffer Nr. 3 der Verfügung), AV-Allgemein-3 (Ziffer Nr. 14 der Verfügung) und AV-Allgemein-4 (Ziffer Nr. 11 der Verfügung) sahen vor, dass das Gesundheitsamt in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von der mittelbaren Testpflicht zulassen kann. Zwar handelte es sich bei dieser Ausnahme-Vorschrift um eine sogenannte Koppelungsvorschrift, das heißt um eine solche Vorschrift, die einen unbestimmten Rechtsbegriff auf Tatbestandsebene und ein Ermessen auf Rechtsfolgenseite verbindet. Durchgreifende Zweifel an der Bestimmtheit der Norm ergeben sich hieraus nach Auffassung des Gerichts indes nicht. Insofern wird vollumfänglich auf die Ausführungen im Urteil des Niedersächsischen Eufach0000000016s vom 17. August 2023 (Az. 14 KN 48/22) verwiesen, in denen das Gericht über die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zu entscheiden hatte, die eine gleichlautende Ausnahmeregelung enthielt, und denen sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließt:

"Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass es sich um eine sog. Koppelungsvorschrift handelte, die einen unbestimmten Rechtsbegriff auf Tatbestandsebene und ein Ermessen auf Rechtsfolgenseite vorsah. Auf jeder Ebene kam der die Vorschrift anwendenden Behörde somit ein Spielraum zu, der - soweit das Ermessen in Rede steht - nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO). Daraus folgt allerdings nicht die Unbestimmtheit der Vorschrift. Der Normgehalt konnte durch Auslegung ermittelt werden. Aus der Begründung der Verordnung folgt, dass Ausnahmen von der Testverpflichtung zulässig gewesen seien, wenn ein Betrieb habe darlegen könne, dass gegenüber anderen Produktionsbetrieben kein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden habe, etwa weil technische oder organisatorische Maßnahmen ergriffen worden seien, die geeignet gewesen seien, das Infektionsrisiko innerhalb des Betriebes erheblich zu reduzieren (Nds. GVBl. 2021, S. 610). Der Verordnungsgeber hat deutlich gemacht, welcher Parameter - kein erhöhtes Infektionsrisiko gegenüber anderen Produktionsbetrieben - insbesondere für die Entscheidung der Behörde erheblich war. Gerade im Bereich der Gefahrenabwehr - wie hier - sind derartige Koppelungsvorschriften unvermeidbar, um die Vielfalt der denkbaren Lebenssachverhalte zu erfassen (vgl. etwa die polizeirechtliche Generalklausel in § 11 NPOG). Die Ausnahme in Satz 6 entspricht nahezu dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch). Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit dieser oder der Ausnahmen in § 13 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 oder Satz 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat der Senat nicht."

(Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 111, juris)

1. Tatbestandsvoraussetzungen

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG (03/2020, 11/2020), welche für die streitgegenständlichen Maßnahmen zu jedem Zeitpunkt unter Geltung aller Rechtsgrundlagen erfüllt sein mussten - § 28a IfSG begründete und begründet insofern lediglich zusätzlich zu § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zu prüfende Voraussetzungen bzw. ermessensleitende Gesichtspunkte -, waren während des gesamten Zeitraums der Gültigkeit der streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen (dazu a]) ebenso wie die in den jeweiligen Zeiträumen geltenden zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28a IfSG erfüllt (dazu b]).

a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG (03/2020, 11/2020) traf die Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden. Diese Personen sind nach den Legaldefinitionen des § 2 Nr. 4-7 IfSG solche Personen, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt sind oder bei welchen Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen oder aber solche Personen, die (eventuell) Krankheitserreger ausscheiden ohne krank zu sein. Damit kommt es stets auf das Vorliegen einer übertragbaren Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG an. Bei der Erkrankung Covid-19, die durch den Krankheitserreger Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht wird, handelt es sich um eine solche übertragbare Krankheit. Nach § 2 Nr. 3 IfSG ist eine übertragbare Krankheit eine "durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit". Covid-19 ist eine solche Krankheit, da es sich um eine Virus-Erkrankung handelt, die von Mensch zu Mensch über Tröpfchen bzw. Aerosole, die eingeatmet werden, übertragen wird (vgl. nur Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Übertragungswege, Stand: 26. November 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 11. Januar 2024; zur rechtlichen Bewertung auch Nds. OVG, Beschluss vom 9. Juni 2020 - 13 MN 211/20 -, Rn. 21, juris). Diese Erkrankung lag auch - dies zeigen die nachfolgend dargestellten 7-Tages-Inzidenzen - während des vollständigen Zeitraums der Gültigkeit der gegenständlichen Allgemeinverfügungen vor.

b) Auch die zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung unter Geltung des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG (11/2020, 03/2021), nämlich das Erfordernis der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG, lag während des gesamten Zeitraums der streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen vor (beschlossen am 18. November 2020 [Plenarprotokoll 19/191, S. 24109], 4. März 2021 [BGBl. 2021 I S. 397], 11. Juni 2021 [BGBl. 2021 I S. 1824] und 25. August 2021 [BGBl. 2021 I S. 4072]).

Die Regelung des § 28a Abs. 3 IfSG (11/2020, 03/2021), wonach Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen war (Satz 4), schuf nach Auffassung des Gerichts keine zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern formulierte auf Rechtsfolgenseite ermessensleitende einschränkende bzw. erweiternde Gesichtspunkte, die beim Vorliegen bestimmter Inzidenzwerte im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen waren (in diese Richtung auch BeckOK InfSchR/Johann/Gabriel, 6. Ed. 1.7.2021, IfSG § 28a Rn. 41, beck-online: "Die S. 2-12 geben den Vollzugsbehörden Maßgaben und Kriterien an die Hand, mit deren Hilfe den Behörden die Auswahl der geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen erleichtert wird"; dagegen gegebenenfalls schon auf Tatbestandsebene berücksichtigend Nds. OVG, Urteil vom 11. Juli 2023 - 14 KN 35/22 -, Rn. 173, juris).

2. Ermessen

Die Allgemeinverfügungen erwiesen sich zum Teil als ermessensfehlerhaft. Nach §(§) 28 Abs. 1 Satz 1 (,28a Abs. 1, 3 IfSG) in ihrer jeweils gültigen Fassung hatte und hat die Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen. Die Vorschriften gewährten und gewähren der zuständigen Behörde kein Entschließungsermessen ("hat"), jedoch ein Auswahlermessen hinsichtlich der Auswahl des Störers (dazu a]), dessen Ausübung hier nicht zu beanstanden ist, als auch hinsichtlich der konkret zu ergreifenden Schutzmaßnahmen, welches hier teilweise fehlerhaft ausgeübt wurde (dazu b]).

a) Störerauswahlermessen

Der Beklagte durfte die Maßnahmen gegen die Klägerin und damit eine juristische Person richten, die bereits tatsächlich keine kranke, krankheitsverdächtige, ansteckungsverdächtige oder ausscheidende Person sein kann. Die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Maßnahmen können sich nicht nur gegen die vorgenannten Personen richten, sondern auch gegen Dritte - sogenannte Nichtstörer -, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Ausbreitung der Krankheit erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, Rn. 25 f., juris; Nds. OVG, Urteil vom 30. März 2023 - 14 LC 32/22 -, Rn. 64, juris). Danach sind Ermessensfehler bei der Auswahl des Störers nicht ersichtlich. Zur Durchsetzung der streitgegenständlichen Maßnahme hätten neben der Klägerin noch die Arbeitnehmer persönlich in Anspruch genommen und zu einem Test verpflichtet werden können. Da es jedoch in erster Linie die Klägerin ist, die von der Tätigkeit der Arbeitnehmer wirtschaftlich profitiert, ist es nicht zu beanstanden, dass diese in Anspruch genommen wurde.

b) Anordnungsauswahlermessen

Die Anordnung der konkreten Regelungen erfolgte überwiegend ermessensfehlerfrei. Insofern der Beklagte indes bei Erlass der AV-Fleisch-1 lediglich für den Fall der Verwendung von Hochleistungsfilteranlagen - und nicht auch in anderen begründeten Einzelfällen - Ausnahmen von der Testpflicht zugelassen hat, überschritt der Beklagte unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die ihm eingeräumten Grenzen des Ermessens (dazu dd] [3] [a]). Darüber hinaus erweist es sich als ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte im Rahmen der AV-Allgemein-3 keine Möglichkeit vorgesehen hat, Selbsttests in Eigenanwendung oder aber durch geschultes Personal des Betriebes durchzuführen (dazu dd] [3] [c]).

Gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Das dem Beklagten in §(§) 28, 28a IfSG eingeräumte Auswahlermessen ist - wie jede Ermessensentscheidung - rechtstaatlich gebunden und wird insbesondere durch die Grundrechte und die in ihnen verkörperte Wertordnung sowie durch die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Prinzipien begrenzt (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1981 - 1 C 169/79 -, Eufach0000000010E 62, 215-224, Rn. 20). Das Verwaltungsgericht prüft gemäß § 114 Satz 1 VwGO, ob diese gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Das Gericht hat damit einerseits Fehler im behördlichen Verfahren zu prüfen, nämlich insbesondere, ob von dem Ermessen gar nicht Gebrauch gemacht worden ist (Ermessensnichtgebrauch), ob die Entscheidung aus völlig sachfremden Erwägungen getroffen wurde (Ermessensmissbrauch) oder ob die Behörde von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist. Darüber hinaus prüft das Gericht auch - in gewissen Grenzen - das Ergebnis der Ermessensbetätigung und dabei insbesondere, ob die Behörde den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sich als übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt und deshalb Verfassungsrang hat (BVerfG, Beschluss vom 5. März 1968 - 1 BvR 579/67 -, Eufach0000000009E 23, 127-135, Rn. 19) beachtet hat (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1981 - 1 C 169/79 -, Eufach0000000010E 62, 215-224, Rn. 20). Nach diesem Grundsatz muss die behördliche Maßnahme zur Erreichung des Zwecks der Ermessensermächtigung geeignet und erforderlich sein und sich schließlich als angemessen erweisen (BeckOK VwVfG/Aschke, 61. Ed. 1.1.2023, VwVfG § 40 Rn. 55). Dabei steht der Behörde insbesondere im Rahmen von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen, mit denen auf eine bisher unbekannte Krankheit reagiert wird, hinsichtlich der der Maßnahme zu Grunde liegenden tatsächlichen aktuellen und prognostischen Verhältnisse ein nicht unbedeutender Beurteilungs- und Prognosespielraum zu (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1/21 -, Eufach0000000010E 177, 60-92, Rn. 59; Nds. OVG, Urteil vom 30. März 2023 - 14 LC 32/22 -, Rn. 68, juris). Die Grenzen dieses Spielraums sind überschritten, wenn keine tragfähigen tatsächlichen Umstände ermittelt wurden oder das Prognoseergebnis nicht plausibel ist (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1/21 -, Eufach0000000010E 177, 60-92, Rn. 59; Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 148, juris).

Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt stellte sich die Anordnung einer mittelbaren Testpflicht unter Kostentragung des Betriebes als jedenfalls dem Grunde nach verhältnismäßig dar. Der Zweck der Ermessensvorschrift, nämlich im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit die Bevölkerung vor der Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 durch eine notwendige Schutzmaßnahme zu schützen und die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern, wurde dem Grunde nach mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgt.

aa) Notwendige Schutzmaßnahme

Bei der streitgegenständlichen mittelbaren Testpflicht handelte es sich um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Das Erfordernis der Notwendigkeit der Schutzmaßnahme beschränkt die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung dahingehend, dass die nach § 28 Abs. 1 IfSG ergriffene Maßnahme an dem Ziel ausgerichtet sein muss, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 2/21 -, Rn. 12, juris). Der Begriff der "notwendigen Schutzmaßnahmen" ist dabei umfassend angelegt, um den Infektionsschutzbehörden insbesondere bei einem dynamischen - zügiges Eingreifen erfordernden - Infektionsgeschehen ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen an die Hand zu geben (Nds. OVG, Beschluss vom 19. April 2021 - 13 MN 192/21 -, Rn. 44, juris). Bei der an schlachtende und zerlegende Betriebe gerichteten Anordnung, ihre Mitarbeiter in der Produktion mindestens einmal innerhalb von sieben bzw. zehn Tagen zu testen, handelte es sich um eine Maßnahme, die an dem Ziel ausgerichtet war, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern. Sie konnte dazu beitragen, in einer Gruppe von asymptomatischen Menschen Infektionen mit dem Corona-Virus frühzeitig zu erkennen und diese Personen bei Bedarf zu isolieren, um so die andernfalls drohende Weiterverbreitung des Virus zu verhindern.

bb) Geeignetheit

Zur Erreichung des dargelegten Ziels war das vom Antragsgegner gewählte Mittel der Reihentestung in Betrieben der Schlachtung und Zerlegung geeignet.

Geeignet ist das Mittel, wenn mit seiner Hilfe der angestrebte Zweck gefördert werden kann (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21 -, Eufach0000000009E 161, 299-412, Rn. 183). Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 -, Eufach0000000009E 159, 223-355, Rn. 185; BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2023 - 3 CN 1/22 -, Rn. 36, juris; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1/21 -, Eufach0000000010E 177, 60-92, Rn. 59).

Die Annahme des Beklagten, die angegriffenen Regelungen seien geeignete Mittel zur Erreichung des Ziels, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, gewesen, ist nicht zu beanstanden. Eine serielle Testung ermöglichte es frühzeitig, infizierte, möglicherweise (noch) keine Symptome aufweisende Personen zu identifizieren, sodass sodann gezielt Maßnahmen ergriffen werden konnten, um eine weitere Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Die Eignung wurde auch nicht dadurch infrage gestellt, dass die in den AV-Fleisch-3 und AV-Allgemein-3 und AV-Allgemein-4 ersatzweise oder ausnahmsweise zur Anwendung zugelassene PoC-Antigen-Schnellteste sowie Antigen-Tests zur Eigenanwendung (sogenannte Laien-Selbstteste) keine hinreichende Testgenauigkeit aufweisen und damit ein trügerisches Sicherheitsgefühl geschaffen worden wäre. Zwar bleibt die Genauigkeit der sogenannten (Antigen-)Schnellteste insbesondere hinter der einer molekularbiologischen Untersuchung mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR-Test) zurück. Auch wurden in unabhängigen Validierungsstudien je nach Testfabrikat deutliche Unterschiede in den Leistungsmerkmalen von Antigentests aufgezeigt. Zudem hat das Robert Koch-Institut "ausgehend vom damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand von einer ungezielten Testung von asymptomatischen Personen insbesondere aufgrund der unklaren Aussagekraft eines negativen Ergebnisses, das lediglich eine Momentaufnahme darstellt, ,in der Regel' abgeraten" (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 148, juris). Gleichwohl können sensitive und spezifische Antigentests bei korrekter Anwendung insbesondere dort einen Beitrag zum Infektionsschutz leisten, wo definierte Gruppen in geschlossenen Räumen regelmäßig zusammenkommen und andere Schutzmaßnahmen (AHA+L) nicht fortlaufend wirksam oder nur teilweise eingesetzt werden können (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html, abgerufen am 29. April 2024). In diesen Settings kann eine wiederholte (serielle) Testung zur Minderung des Eintrages infektionstüchtiger Viren durch unerkannte Fälle mit relevanter Virusausscheidung beitragen und liegt damit im Einschätzungsspielraum der Behörde (Sächs. OVG, Beschluss vom 22. April 2021 - 3 B 183/21 -, Rn. 78 ff., juris). Das serielle Testen erwies sich damit bei allen bekannten Schwächen auch durch den Einsatz sogenannter (Antigen-)Schnelltests als eine fördernde Maßnahme der Pandemiebekämpfung, die die allgemeinen bevölkerungsweiten Maßnahmen (Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske, Lüften) ergänzte und dem Ziel diente, infizierte Personen zu identifizieren und das Infektionsgeschehen dadurch zu kontrollieren (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 125 ff., juris).

cc) Erforderlichkeit

Die Maßnahmen waren auch erforderlich. Mildere Maßnahmen, die denselben Erfolg mit gleicher Sicherheit erzielt hätten, sind nicht ersichtlich. Erforderlich ist das Mittel, wenn kein anderes gleich geeignetes, aber weniger belastendes Mittel zur Verfügung steht (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1984 - 1 BvR 1494/78 -, Eufach0000000009E 67, 157-185, Rn. 48). Die sachliche Gleichwertigkeit zur Zweckerreichung muss bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1989 - 1 BvL 14/85 -, Eufach0000000009E 81, 70-97, Rn. 65).

Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt waren andere Maßnahmen, die bei geringerer Eingriffsintensität eine vergleichbare infektiologische Wirkung hätten haben können, nicht erkennbar. Insbesondere ist die Einschätzung des Beklagten, dass bereits vorhandene und angewendete Hygienekonzepte in den Betrieben, die etwa die regelmäßige Messung der Körpertemperatur der Mitarbeiter umfassten, für sich genommen nicht die gleiche Wirkung gehabt haben, nicht zu beanstanden. Diese hätten selbst bei konsequenter Anwendung nicht verhindern können, dass infizierte Personen in die Produktionsstätten gelangen, da infizierte Personen nicht stets auch Symptome aufweisen, die z.B. durch eine Messung der Körpertemperatur erkannt werden können. Auch führten Abstands- und Hygieneregeln nicht zur gleicher Eignung, da der Beklagte jedenfalls in den Jahren 2020 und 2021 die dahingehende Tatsacheneinschätzung und Prognose vornehmen durfte, dass insbesondere die besondere Lüftungs- und Kältesituation in den Betrieben zu einer erhöhten Gefahr der Infektion auch bei Einhaltung der Abstandsregeln führt (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 125, juris). Auch die Einschätzung, dass diese Gefahren in fleischverarbeitenden und schlachtenden Betrieben sowohl im Reinbereich als auch im unreinen Teil des Betriebes bestehen, da auch im letztgenannten unreinen Bereich erhöhte körperliche Arbeit erbracht wird, ist unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Behörde nicht zu beanstanden. Insofern Betriebe besondere Lüftungssituationen aufgewiesen haben, konnte diesen durch die Möglichkeit der Beantragung einer Ausnahmegenehmigung - siehe dazu unten - begegnet werden.

Ein gleich geeignetes und für die Klägerin milderes Mittel wäre es gewesen, der Allgemeinheit die Pflicht zur Kostentragung aufzuerlegen. Insofern die Allgemeinheit aber die gleichen Kosten zu tragen hätte, stellte dies - insofern ist eine Gesamtbetrachtung angezeigt - insgesamt kein milderes Mittel dar (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, juris, Rn. 149).

dd) Angemessenheit

Die Regelungen der AV-Fleisch-2, AV-Fleisch-3 und AV-Allgemein-4 erwiesen sich schließlich auch im engeren Sinne als verhältnismäßig, das heißt angemessen. Nicht mehr angemessen waren dagegen die konkreten Ausgestaltungen der AV-Fleisch-1 und AV-Allgemein-3.

Die Sicherstellung der Angemessenheit erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 - 3 CN 1/21 -, Eufach0000000010E 177, 60-92, Rn. 75).

Danach ist die grundsätzliche Entscheidung des Beklagten, in Schlacht- und Zerlegebetrieben eine mittelbare Testverpflichtung sowie die Kostenübernahme durch die Betriebe anzuordnen, unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu beanstanden (dazu [1]). In der konkreten Ausgestaltung erwiesen sich indes die Regelungen der AV-Fleisch-1 und AV-Allgemein-3 als (zum Teil) nicht mehr angemessen. Die Regelungen der AV-Fleisch-2, AV-Fleisch-3 sowie diejenigen der AV-Allgemein-4 waren indes angemessen (dazu [2]).

(1) Grundsatz

Die Klägerin war durch die Anordnung der mittelbaren Testpflicht in ihrer Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Die Intensität des Eingriffs war - bezogen auf die mit der Testverpflichtung einhergehenden organisatorischen Umstände - als eher gering anzusehen (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 153, juris). Der Eingriff erfolgte (lediglich) auf Ebene der Berufsausübung, zu dessen Rechtfertigung bereits vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls ausreichen (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 [Apothekenurteil] - 1 BvR 596/56 -, Eufach0000000009E 7, 377-444, Rn. 74). Die Berufswahl war dagegen nicht betroffen. Die Anordnung verbot der Klägerin nicht die Fortführung ihrer Tätigkeit als solche, sondern legte ihr nur eine besondere Schutzmaßnahme auf. Zu Gunsten der Klägerin ist indes zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverfügungen für sie mittelbar mit nicht unerheblichen Kosten verbunden waren. Die Klägerin hat angegeben, dass sie im Zeitraum der AV-Fleisch-1 (betrifft 75 Tage von den insgesamt 344 streitgegenständlichen Tagen) einen Betrag von 50.941,00 € habe aufwenden müssen. Trotz der Anfrage des Berichterstatters und auch trotz der auch nach Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erneut gesetzten Frist zur Vorlage weiterer Unterlagen, insbesondere um zu den der Klägerin entstandenen Aufwendungen vorzutragen, hat die Klägerin keine weiteren Angaben zu den ihr entstandenen Aufwendungen gemacht und diese auch insbesondere nicht - was für eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne von erheblicher Bedeutung wäre - in Verhältnis gesetzt zu ihren betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, deren eigene Ermittlung dem Gericht gemäß der Natur der Sache verwehrt ist und hinsichtlich derer das Gericht auf die Mitwirkung der Beteiligten (§ 86 Abs. 4 VwGO) angewiesen ist. Mangels derartiger Angaben bleibt zwar die abstrakte Bezifferung von Aufwendungen in Höhe von 50.941,00 € ein Abwägungsgesichtspunkt, sie vermag aber nicht zu einem derartigen Überwiegen der Interessen der Klägerin führen, dass die Kostentragung an sich nicht gerechtfertigt wäre. Nicht unerheblich hierbei zu berücksichtigen ist auch, dass es den betroffenen Betrieben ab dem 1. Januar 2021 möglich war, Antigenschnelltests durchzuführen und die Durchführung von Antigenschnelltests nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich günstiger zu organisieren ist als die Durchführung von PCR-Tests (in diese Richtung auch Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 153, juris, wonach der sich "ergebende finanzielle und organisatorische Aufwand für das wöchentliche Zurverfügungstellen von Tests jedenfalls bezüglich des möglichen Erwerbs von Selbsttests überschaubar [war]"). Auf der Seite der Allgemeinheit zudem zu berücksichtigen ist, dass die Allgemeinverfügungen den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) bezweckten und bei diesen Rechtsgütern auf Grund ihrer Irreversibilität ein besonders hoher tatsächlicher und prognostischer Einschätzungsspielraum der Behörde hinsichtlich des "Ob" der Anordnung von Tests besteht. Die Anordnung der Verpflichtung zur Kostentragung kann zwar nicht unmittelbar mit Verweis auf die fehlende Irreversibilität begründet werden, da Leben und Gesundheit auch dann hätten geschützt werden können, wenn die öffentliche Hand die Kosten getragen hätte. Indes vermag diese Kostentragung (zumindest grundsätzlich) damit gerechtfertigt werden, dass die Einschätzung der Behörde, dass es im Besonderen die betrieblichen Strukturen der fleischverarbeitenden Betriebe und nicht die die Allgemeinheit insgesamt betreffenden Umstände sind, die zu einer erheblichen Gefahrerhöhung führen und der Klägerin und den anderen Betrieben damit die Gefahr individuell zurechenbar sind, nicht zu beanstanden ist (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 125 ff., juris). Neben den in den Betrieben der Fleischwirtschaft vorherrschenden klimatischen Bedingungen, die der Beklagte in seine Beurteilung einstellen konnte, liegt auch die Einschätzung des Beklagten, dass in Betrieben der Fleischwirtschaft vornehmlich Werkvertragsarbeitnehmer eingesetzt werden und die Arbeitnehmer - selbst wenn sie fest angestellt sind - während ihrer Tätigkeit gemeinsam untergebracht und zur Arbeitsstätte gebracht werden, im Rahmen des behördlichen Einschätzungsspielraums (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 141 f., juris). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte insofern für Milderungen gesorgt hat, als dass er die Allgemeinverfügungen dem Grunde nach mit Ausnahmetatbeständen versehen hat (zu der Frage, ob diese Ausnahmetatbestände in concreto ausreichend waren siehe nachfolgend).

Die mit den Allgemeinverfügungen verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen der Arbeitnehmer sind als eher gering zu bewerten und im Ergebnis gerechtfertigt. Die Arbeitnehmer waren zwar nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (körperliche Unversehrtheit) betroffen, da es sich nur um eine mittelbare Testverpflichtung handelt und es lediglich dem Betrieb untersagt wurde, nicht getestete Arbeitnehmer zu beschäftigen. Die Arbeitnehmer durften indes ihrer Tätigkeit faktisch nicht nachkommen, wenn sie nicht getestet (oder später: geimpft oder genesen) waren, sodass sich die Anordnung als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG darstellte. Dieser Eingriff erweist sich indes angesichts dessen, dass die Möglichkeit der Berufsausübung durch einen vergleichsweise geringen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Abstrich dauert nur wenige Sekunden und verursacht nur ein kurzes unangenehmes Gefühl) wiedererlangt werden konnte, als verhältnismäßig (Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, juris, Rn. 158 f.).

Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Es begegnet jedenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte Schlacht- und Zerlegebetriebe der mittelbaren Testpflicht unterworfen hat und die Betriebe des Fleischerhandwerks, wenn sie in der Regel nicht mehr als 49 Personen in der Produktion tätig werden ließen, von diesen ausgenommen hat. Das Gericht macht sich insoweit die Begründung des Niedersächsischen Eufach0000000016s in dessen Entscheidung zur Verhältnismäßigkeit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelten mittelbaren Testpflicht zu eigen:

"Der Antragsgegner durfte davon ausgehen, dass die zuvor dargestellten Strukturen in der Fleischindustrie - Zusammenarbeit einer größeren Anzahl von Personen in wechselnder Besetzung, gemeinsame Unterbringung und Transporte zur Arbeitsstätte und zur Unterbringung, hohes Maß an Abhängigkeit vom Arbeitgeber etwa infolge wirtschaftlicher Not oder niedriger Qualifikation - nicht in gleichem Maße bzw. kumuliert in den Betrieben des Fleischerhandwerkes vorlagen; zumal ähnliche Ausbruchsgeschehen wie in den Schlacht- und Zerlegebetrieben in den Betrieben des Fleischerhandwerks weder vorgetragen worden sind noch für den Antragsgegner ersichtlich waren. Der Antragsgegner durfte auf dieser Grundlage insbesondere annehmen, dass sich die beiden Branchen etwa durch die Anzahl der in der Produktion der Betriebe dauerhaft tätigen Personen unterschieden und infolgedessen prognostizieren, dass die Infektionsgefährdung in den Betrieben im Fleischerhandwerk vergleichsweise geringer sein werde und die Rückverfolgbarkeit im Falle eines Infektionsgeschehens effizienter gewährleistet werden könne (vgl. Nds. GVBl. S. 610; vgl. dahingehend BT-Drs. 19/21978, S. 35; vgl. auch die schriftlichen Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen am 5.10.2020 zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz - BT-Drs. 19/21978, Ausschussdrucksache 19(11)764 von Deinert sowie Däubler, Ausschussdrucksache19(11)766). Dies erschien sogar, da insoweit kein erhöhtes Infektionsrisiko erkanntwurde, möglicherweise durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten."

(Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, juris, Rn. 169)

(2) Angemessenheit im Konkreten

Die Angemessenheit der fünf konkreten streitgegenständlichen Allgemeinverfügungen hängt erheblich von den tatsächlichen Umständen, das heißt insbesondere von den jeweiligen 7-Tages-Inzidenzen (das heißt die Anzahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus pro 100.000 Einwohner je sieben Tage) im Landkreis des Beklagten sowie von den jeweiligen konkreten Inhalten der Allgemeinverfügungen ab. Zur besseren Übersichtlichkeit soll daher der Verlauf der Inzidenzzahlen im Landkreis Cloppenburg (Quelle: "www.corona-in-zahlen.de", https://www.corona-in-zahlen.de/landkreise/lk%20cloppenburg/, abgerufen am 29. April 2024) sehr vereinfacht nachfolgend grafisch dargestellt werden (die untere Linie markiert den Schwellenwert von 35, die mittlere Linie den Schwellenwert von 50 und die obere Linie einen Wert von 100; die gestrichelten Linien grenzen die Geltungszeiträume der jeweiligen Allgemeinverfügungen voneinander ab).

vg_oldenburg_20240502_7a231020_urteil_as1

Die Inhalte der einzelnen Allgemeinverfügungen können zusammenfassend wie folgt tabellarisch gegenübergestellt werden:

vg_oldenburg_20240502_7a231020_urteil_as2

(a) AV-Fleisch-1 (26.07.2020 - 08.10.2020)

Die AV-Fleisch-1 erwies sich als nicht mehr angemessen.

(aa) Tatsächliche Situation

Im Geltungszeitraum dieser Allgemeinverfügung zwischen dem 26. Juli 2020 und 8. Oktober 2020 erreichte die 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Cloppenburg zunächst am 26. Juli 2020 einen Wert von 10. Sie stieg sodann bis zum 14. September 2020 nicht über einen Wert von 30 an, danach (bis zum 7. Oktober 2020) bewegte sich der Wert zwischen 50 und 100, am 8. Oktober 2020 selbst war das erste Mal ein Wert von über 100 (105,5) überschritten (vgl. diese und nachfolgende Angaben https://www.corona-in-zahlen.de/landkreise/lk%20cloppenburg/, abgerufen am 29. April 2024).

(bb) Zu eng gefasste Ausnahmemöglichkeiten

Auch unter Berücksichtigung dieser jedenfalls zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraums vergleichsweise hoher Inzidenzen trug die AV-Fleisch-1 dem Angemessenheitsgrundsatz nicht mehr hinreichend Rechnung. Die mittelbar angeordnete Verpflichtung zu Tests stellte sich deswegen als unverhältnismäßig dar, weil die Regelung keine Möglichkeit vorsah, eine Ausnahmegenehmigung, die den Besonderheiten des Einzelfalls hinreichend Rechnung trug, zu beantragen, sondern lediglich einen Ausnahmetatbestand für den Fall vorsah, dass ein Betrieb über eine Hochleistungsfilteranlage verfügt.

Das RKI hatte bereits im Sommer 2020 darauf hingewiesen, dass anlasslose Reihentestungen zwar grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Verhinderung der Weiterverbreitung des Coronavirus darstellen, auch eine solch serielle Testung indes nicht pauschal, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls erfolgen sollte (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2020 - 1 S 2087/20 -, Rn. 56, juris). Die Anordnung einer anlasslosen Reihentestung musste damit grundsätzlich mit einem Ausnahmetatbestand versehen werden (bereits die Erforderlichkeit verneinend VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juli 2020 - 1 S 2087/20 -, Rn. 56, juris; VG Münster, Beschluss vom 6. August 2020 - 5 L 596/20 -, Rn. 29, juris). Hieran ändert auch nichts die insbesondere im Sommer 2020 bestehende unsichere Erkenntnislage hinsichtlich der Bedeutung verschiedener Faktoren für eine Verbreitung der Infektion (so aber und damit für die Zulässigkeit einer "generalisierenden Betrachtungsweise" VG Minden, Beschluss vom 24. August 2020 - 7 L 662/20 -, Rn. 70, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2020 - 7 L 1564/20 -, Rn. 65, juris). Auch wenn angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten die Anforderungen an die Erlangung einer Ausnahmegenehmigung hoch gewesen sein sollten, ändert dies nichts daran, dass den Betrieben jedenfalls die theoretische Möglichkeit hätte eingeräumt werden können und müssen, einen Nachweis von anderen Mitteln und Hygienekonzepten und deren Wirksamkeit zu erbringen.

Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt stellte sich der gegenständliche Ausnahmetatbestand als zu eng gefasst dar, denn es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Betrieben auf andere Weise als durch die Installation von Filteranlagen (zum Beispiel auf Grund besonderer räumlicher oder betriebsorganisatorischer Voraussetzungen) der Nachweis gelungen wäre, dass in ihrem Einzelfall das bei Schlacht- und Zerlegebetrieben typischerweise bestehende erhöhte und die grundsätzliche Anordnung von Tests rechtfertigende Risiko der Verbreitung des Coronavirus nicht bestanden hat oder jedenfalls deutlich verringert wurde.

(b) AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 (09.10.2020 - 30.03.2021)

Die durch die AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 im Zeitraum vom 9. Oktober bis zum 31. Dezember 2020 (AV-Fleisch-2) und vom 1. Januar bis zum 30. März 2021 (AV-Fleisch-3) angeordneten Regelungen erweisen sich als angemessen.

(aa) Tatsächliche Situation

Im Geltungszeitraum der AV-Fleisch-2 (Inhalt: mittelbare PCR-Testpflicht einmal alle zehn Tage, Poolverfahren bis zu fünf Proben, Ausnahme im Einzelfall) zwischen dem 9. Oktober 2020 und 31. Dezember 2020 betrug die 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Cloppenburg zunächst 124,8 (am 9. Oktober 2020). Der Wert fiel bis zum Ablauf der Allgemeinverfügung am 31. Dezember 2020 nicht unter die Grenze von 100, im November lagen die Werte stets über 200, ein Höchstwert wurde mit 369,7 am 5. November 2020 erreicht, am 30. Dezember betrugt der Wert 133. Im Geltungszeitraum der AV-Fleisch-3 (Inhalt: mittelbare PCR-Testpflicht einmal alle 10 Tage, im Poolverfahren bis zu fünf Proben, Ausnahme im Einzelfall sowie bei Schnelltests durch ärztlich geschultes Personal) zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 30. März 2021 lag der Inzidenzwert zunächst bei über 100, stieg dann im Januar kurzfristig bis auf fast 200 an, fiel im Februar 2021 kurzfristig unter 100 (83,2 am 15. Februar 2021) und stieg dann bis zum 30. März 2021 wieder auf 247,8 an. Zu Beginn des Jahres 2021 startete die Impfkampagne der Bundesregierung. Zunächst konnten lediglich bestimmte priorisierte Gruppen geimpft werden (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/impfstart-1832496, abgerufen am 2. Mai 2024).

(bb) Ausnahme in begründeten Einzelfällen

Die AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 (sowie die hierauf folgenden Allgemeinverfügungen auch) enthielten im Unterschied zur AV-Fleisch-1 die Regelung, dass in "begründeten Einzelfällen" (und nicht nur im Falle des Einbaus von Hochleistungsfilteranlagen) von der mittelbaren Testpflicht abgesehen werden konnte. Dieser - noch ausreichend bestimmte (siehe oben) - Ausnahmetatbestand schaffte ausreichend flexible und damit angemessene Ausnahmemöglichkeiten zur Testverpflichtung. Er trug dem Umstand hinreichend Rechnung, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, dass Betrieben der Nachweis gelingt, dass in ihrem Einzelfall das bei Schlacht- und Zerlegebetrieben typischerweise bestehende erhöhte und die grundsätzliche Anordnung von Tests rechtfertigende Risiko der Verbreitung des Coronavirus nicht besteht. Insbesondere war es den Betrieben möglich, nachzuweisen, dass aufgrund des Vorliegens eines spezifischen Hygienekonzepts oder besonderer räumlicher oder betriebsorganisatorischer Voraussetzungen im Einzelfall eine Lage bestand, die es erlaubte, auf anlasslose Tests (teilweise) zu verzichten.

Auf Grund der nunmehr möglichen Beantragung einer Ausnahmegenehmigung im Einzelfall vermag auch das Argument der Klägerin, sie beschäftige keine Werkvertragsarbeiter, sondern lediglich eigene Mitarbeiter, nicht zu überzeugen. Es ist zwar zutreffend, dass der Beklagte die grundsätzliche Ausnahme von der Testverpflichtung für das Fleischerhandwerk damit begründete, dass diese in der Regel kein betriebsfremdes Personal einsetzen würden. Unabhängig davon, dass der Beklagte darauf hingewiesen hat, dass dies im Fall der Klägerin zwar ebenso der Fall sein mag, die Arbeitnehmer aber weiterhin aus einem ähnlichen Milieu gestammt und mit Werkvertragsarbeitern zusammengelebt hätten, verhilft der Vortrag der Klägerin schon deswegen nicht zum Erfolg, da die Klägerin auf Grund ihrer individuellen Strukturen eine Ausnahmegenehmigung hätte beantragen können. Die tatsächlich-prognostische Einschätzung des Beklagten, dass typischerweise schlachtende und zerlegende Betriebe einen höheren Anteil an betriebsfremden Personal beschäftigen als Betriebe des Fleischerhandwerks, ist angesichts der genannten Einschätzungsprärogative der Verwaltung gerichtlicherseits nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für den Hinweis der Klägerin, dass ihr Betrieb in einen reinen und einen unreinen Teil getrennt sei, ein Austausch der Mitarbeiter und Luftströme nicht stattfinde und die Infektionsgefahren im unreinen Bereich nicht so erheblich sei. Auch auf Grund dieser Umstände hätte eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden können.

Ebenso wenig ist auch zu beanstanden, dass die AV-Fleisch-3 noch keine Ausnahmeregelung für geimpfte Personen enthielt. Zwar startete zu Beginn des Jahres 2021 die Impfkampagne der Bundesregierung (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/impfstart-1832496, abgerufen am 2. Mai 2024). Diese Impfstoffe wurden indes nach der Coronavirus-Impfverordnung zunächst priorisiert für besonders vulnerable Personen und Beschäftige im medizinischen und pflegenden Bereich eingesetzt. Diese Priorisierung entfiel erst am 7. Juni 2021 (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-impfung-priorisierung-entfaellt-1914756, abgerufen am 2. Mai 2024) und damit nach Ablauf der streitigen Allgemeinverfügung. Vor diesem Hintergrund wäre es bloße Förmelei gewesen und hätte zu Irritationen geführt, hätte man bereits eine Ausnahmevorschrift in einer Allgemeinverfügung verankert, die in alle Regel keine priorisierten Personen, nämlich die Beschäftigen in der Fleischwirtschaft, betraf.

(cc) Einsatz von Antigen-Schnelltests

Nicht zu beanstanden ist, dass erst die AV-Fleisch-3 ab dem 1. Januar 2021 und nicht bereits die AV-Fleisch-2 ab dem 9. Oktober 2020 die Möglichkeit zuließ, PoC-Antigen-Schnelltests durch ärztlich geschultes Personal durchzuführen. Erste Tests dieser Art waren zwar schon ab Ende September 2020 verfügbar (https://www.spektrum.de/news/was-bringen-coronavirus-schnelltests/1772691, abgerufen am 17. Januar 2024), diese jedoch nur mit geringen Kapazitäten (https://www.welt.de/politik/deutschland/article217094214/Antigen-Schnelltest-Fuer-ein-Stueck-Normalitaet-zahlen-die-Menschen-gern-mehr.html, abgerufen am 29. April 2024). Die Entscheidung des Beklagten, bis zum 31. Dezember 2020 noch keine Schnelltests zu ermöglichen und die damit verbundene Prognose und tatsächlich Einschätzung, dass bis zu diesem Zeitraum Tests noch nicht in ausreichender Anzahl vorhanden sind, ist vor dem Hintergrund der Gefahr, dass durch eine zu starke Nachfrage die Tests in priorisierten Bereichen (Pflege, Gesundheit) beeinträchtigen hätten werden können, vertretbar und durch das Gericht nicht zu beanstanden.

Dass Antigen-Schnelltests ab dem 1. Januar 2021 ausnahmsweise als Nachweis zugelassen wurden, die Tests indes durch ärztlich geschultes Personal vorzunehmen waren, ist ebenso wenig zu beanstanden. Es war insbesondere für den Beklagten nicht angezeigt, bereits Antigen-Selbsttests zu ermöglichen. Zwar ist mittlerweile bekannt, dass bei korrekter Abstrichnahme Ergebnisse von Selbsttests genauso verlässlich sind wie durch geschultes Personal vorgenommene Antigen-Schnelltests (vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/nationale-teststrategie/faq-covid-19-tests#:~:text=Dabei%20werden%20virale%20Eiwei%C3%9Fe%20nachgewiesen,Antigen%2DSchnelltests%20virale%20Eiwei%C3%9Fe%20nach, abgerufen am 30. Januar 2024). Indes ist zu berücksichtigen, dass die ersten Antigen-Selbsttests erst seit Mitte Februar 2021 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassen wurden (https://www.swr.de/wissen/schnelltests-fuer-laien-100.html, abgerufen am 29. April 2024). Die Einschätzung, jedenfalls bis zum 31. März 2020 weiterhin auf die Durchführung von Antigen-Schnelltests durch ärztlich geschultes Person zu setzen, stellte sich vor diesem Hintergrund als vertretbar dar.

(dd) § 28a Abs. 3 IfSG - Schwellenwert

Die Ermessenentscheidung des Beklagten zu den AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 berücksichtigte auch hinreichend die ab dem 19. November 2020 geltende Rechtslage und insbesondere die in § 28a Abs. 3 IfSG genannten ermessensleitenden Gesichtspunkte. Nach dieser Vorschrift waren Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Satz 4). § 28a Abs. 3 IfSG sah ein abgestuftes Schutzkonzept vor, je nachdem ob die Inzidenz bei unter 35, über 35 oder aber über 50 lag. Während bei einem Wert von unter 35 insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht kamen, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen (Satz 7), waren ab einem Wert von über 35 breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen (Satz 6). Über einem Wert von 50 waren umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen (Satz 5). Im Zeitraum der AV-Fleisch-2 und AV-Fleisch-3 lag die Inzidenz nach den obigen Darstellungen stets deutlich über dem Wert von 50, zumeist über dem Wert von 100, sodass umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen waren, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten ließen. Es waren damit auf Ermessensebene keine besonderen Einschränkungen zu beachten. Die hohe Inzidenz rechtfertigte damit auch die Anordnung einer (mittelbaren) Testpflicht in fleischzerlegenden und -schlachtenden Betrieben.

(c) AV-Allgemein-3 (23.05.2021 - 02.07.2021)

Die ab dem 23. Mai 2021 geltende AV-Allgemein-3 erwies sich insofern nicht mehr als angemessen, als dass nunmehr zwar Antigen-Schnelltests zugelassen waren, diese aber durch einen Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV vom 8. März 2021 durchgeführt werden mussten. Im Übrigen wurden die ermessensleitenden Gesichtspunkte des § 28a IfSG - auch unter Berücksichtigung der vergleichsweise niedrigen Inzidenzen im Sommer 2021 - zutreffend von dem Beklagten gewürdigt.

(aa) Tatsächliche Lage

Im Geltungszeitraum der AV-Allgemein-3 (Inhalt: mittelbare Testpflicht einmal alle sieben Tage durch PCR im Poolverfahren oder Schnelltest durch einen offiziellen Leistungserbringer, Ausnahme im Einzelfall, keine mittelbare Testpflicht für Geimpfte und Genesene) vom 24. Mai 2021 bis zum 1. Juli 2021 - und damit unter Geltung der sogenannten Corona-Notbremse des § 28b IfSG - betrug der Inzidenzwert zunächst 60,9 (am 23. Mai 2021). Er fiel am 26. Mai 2021 erstmals wieder unter die 50er-Grenze (35,7), am 29. Mai 2021 unter die 30er-Grenze (25,2) und betrug am 1. Juli 2021 nur noch 4,7. Die sogenannte Corona-Notbremse des § 28b IfSG, wonach bestimmte Maßnahmen bereits de lege lata ohne weitere behördliche Umsetzung galten, wenn der Inzidenzwert den Wert von 100 überschritt, kam damit auf dem Gebiet des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zur Anwendung.

(bb) 28a Abs. 3 IfSG - Schwellenwert

Die ermessensleitenden Gesichtspunkte des § 28a Abs. 3 IfSG, wonach je nach Inzidenzwert verschieden intensive Schutzmaßnahmen in Betracht kamen (solche, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen [unter 35] breit angelegte Schutzmaßnahmen [über 35] oder umfassende Schutzmaßnahmen [über 50]) wurden von dem Beklagten ordnungsgemäß berücksichtigt.

Zwar unterschritt im gegenständlichen Zeitraum der Inzidenzwert bereits vom 27. Mai 2021 an stets den Wert von 35 und lag am 21. Juli 2021 nur noch bei 4,7. Damit kamen grundsätzlich gemäß § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG nur noch Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen.

Hieraus schlussfolgert die Literatur, dass nicht mehr alle in Abs. 1 genannten Schutzmaßnahmen angeordnet werden durften. Vielmehr seien insbesondere die in Nr. 1 (Abstandsgebot), Nr. 2 (Maskenpflicht), Nr. 4 (Hygienekonzept) und Nr. 17 (Kontaktdatenerfassung) in den Blick zu nehmen gewesen (Kießling/Kießling, 2. Aufl. 2021, IfSG § 28a Rn. 126, beck-online). Auch der 13. Senat des Niedersächsischen Eufach0000000016s hat in einem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren am 15. Februar 2021 die Ansicht vertreten hat, dass unter Schutzmaßnahmen, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG Einschränkungen gemeint gewesen seien, die "deutlich unter der Eingriffstiefe flächendeckender Betriebsverbote und -beschränkungen liegen" (Nds. OVG, Beschluss vom 15. Februar 2021 - 13 MN 44/21 -, Rn. 28, juris).

Die gegenständliche mittelbare Testpflicht ist dagegen nach dem oben Ausgeführten als Betriebsbeschränkung im Sinne von § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG zu qualifizieren und stellt damit einen vergleichsweise intensiven - über die genannten Beispiele (Maskenpflicht, Hygienekonzept etc.) hinausgehenden - Eingriff darf.

Dennoch folgt hieraus nach Auffassung des Gerichts nicht, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum der AV-Allgemein-3 keine mittelbare Testpflicht mehr angeordnet hätte werden dürfen.

Im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des 13. Senats Niedersächsischen Eufach0000000016s ist insofern zunächst zu berücksichtigen, dass der in der Hauptsache erkennende 14. Senat - obwohl er zwar nicht das konkrete (nicht entscheidungserhebliche) Verständnis von § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG revidiert hat - insgesamt den großen Spielraum der handelnden Behörde angesichts der Anfang 2021 noch immer bestehenden Ungewissheiten in Bezug auf die tatsächliche Lage und Entwicklung betont hat. Die daher noch vom 13. Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geäußerte Auffassung, dass Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Schließung von Friseurbetrieben für Kunden und Besucher nach der Niedersächsischen CoronaVO in der Zeit vom 16. Dezember 2020 bis zum 28. Februar 2021 bestehen, hat der Senat ausdrücklich nicht bestätigt (Nds. OVG, Urteil vom 1. Juni 2023 - 14 KN 37/22 -, Rn. 88 ff., juris).

Darüber hinaus kann die Anordnung der mittelbaren Testpflicht zwar als ein Unterfall einer Betriebsbeschränkung und -untersagung verstanden werden, sie begründet aber gerade nicht den stärksten möglichen Eingriff, die Betriebsuntersagung selbst. Dass die Eingriffstiefe, die mit einer Testverpflichtung verbunden ist, längst nicht so stark ist wie eine Betriebsuntersagung selbst, zeigt sich auch daran, dass ab dem 15. September 2021 die Verpflichtung zur Vorlage eines Testnachweises in § 28a Abs. 1 Nr. 2a) IfSG geregelt wurde (und heute in § 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG geregelt ist) und damit diese Verpflichtung in unmittelbare Nähe zu eingriffsärmeren Vorschriften (Maskenpflicht, Verpflichtung zu einem Impfnachweis, Hygienekonzept) gerückt wurde (Überlegungen dazu, dass die Anordnung der Testpflicht auch Bestandteil eines Hygienekonzepts gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG sein könnte vgl. Nds. OVG, Urteil vom 1. Juni 2023 - 14 KN 37/22 -, Rn. 91, juris).

Schließlich sind auch die Vorschriften des § 28a Abs. 3 Satz 8 und 11 IfSG (03/2021) in den Blick zu nehmen. Nach Satz 8 galt, dass vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen insbesondere bereits dann angezeigt waren, wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich machte oder wenn einer Verbreitung von Virusvarianten im Sinne von Satz 1 entgegengewirkt werden sollte. Nach Satz 11 galt, dass nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden konnten, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich war. Hieraus ergibt sich, dass die Schwellenwerte nicht als absolut starre Grenzen zu verstehen waren. Zudem regelte § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG, das Maßstab der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen lediglich "insbesondere" die 7-Tage-Inzidenz war, mithin auch andere Faktoren Berücksichtigung finden konnten.

Der Beklagte war damit grundsätzlich nicht gehindert, auch weitere Indikatoren - wie etwa infektiologisch besonders ungünstige Rahmenbedingungen (hier in einem fleischschlachtenden und zerlegenden Betrieben) heranzuziehen (OVG der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 19. April 2022 - 1 D 126/21 -, Rn. 64, juris; Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 105, juris). Derartige besondere Umstände lagen auch im Sommer 2021 weiterhin vor. Im Beschluss im einstweiligen Verfahren zur AV-Allgemein-3 hat die 7. Kammer des erkennenden Gerichts dazu wie folgt ausgeführt:

"Der allgemein bekannten Presseberichterstattung lassen sich Berichte zu mehreren Ausbrüchen in der Fleischwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland entnehmen (vgl. exemplarisch nur folgende im Internet zugängliche Berichte: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Groesserer-Corona-Ausbruch-in-Schlachtbetrieb-in-A-Stadt,aktuelloldenburg6702.html, zuletzt abgerufen: 10. August 2021; https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/oldenburg_ostfriesland/Hohe-Inzidenz-Corona-Ausbrueche-bei-Schlachthof- und-Werft,corona7140.html, zuletzt abgerufen: 10. August 2021)."

(VG Oldenburg, Beschluss vom 10. August 2021 - 7 B 2657/21)

Auch das Robert Koch-Institut hatte als hierzu gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG berufene Stelle wiederholt ausgeführt, dass die Fallzahlen bei Tätigen im Lebensmittelbereich größtenteils auf Ausbrüche in fleischverarbeitenden Betrieben zurückzuführen sind (vgl. nur Robert Koch-Institut, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 14. November 2020, S. 6, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-14-de.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 29. April 2024). Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keine Veranlassung, an den Angaben des Beklagten in der Begründung der Allgemeinverfügung zu zweifeln, wonach im Sommer 2021 wiederholt Corona-Ausbrüche in Bezug auf Mitarbeiter verschiedener schlachtender und/oder zerlegender Betriebe auch in seinem Gebiet festzustellen waren. Die Einschätzung des Beklagten, dass erhebliche Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass größere Betriebe dieser Branche aufgrund der Mitarbeiterstruktur, der Arbeitsorganisation und der Arbeitssituation in der Produktion ein gesteigertes Infektions- und Verbreitungsrisiko bargen, erscheint vielmehr nachvollziehbar (so auch Nds. OVG, Urteil vom 17. August 2023 - 14 KN 48/22 -, Rn. 144, juris).

Ebenso durfte der Beklagte zutreffend die im Sommer 2021 kursierenden Virus-Varianten in den Blick nehmen. Nach § 28a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG (03/2021) waren bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmenabsehbare Änderungen des Infektionsgeschehens durch ansteckendere, das Gesundheitssystem stärker belastende Virusvarianten zu berücksichtigen. Der Sommer 2021 war dominiert von der sich rasch ausbreitenden sogenannten Delta-Variante des Coronavirus, die ab Anfang Juli 2021 als die vorherrschende Corona-Mutation identifiziert wurde (vgl. https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona-Chronologie-Juli-2021,coronachronologie146.html, abgerufen am 29. April 2024).

(cc) Antigen-Schnelltests durch Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV im Rahmen der AV-Allgemein-3

Es stellte sich - wenn schon als nicht erforderlich - jedenfalls als nicht mehr angemessen dar, die von der Allgemeinverfügung betroffenen Unternehmen (auch noch) ab dem 23. Mai 2021 (weiter) zu verpflichten, die zugelassenen Antigen-Schnelltests durch einen Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV durchführen zu lassen. Der Beklagte hätte es den Unternehmen schon (jedenfalls) ab dem 23. Mai 2021 - so wie er es mit der AV-Allgemein-4 ab dem 3. Juli 2021 getan hat - ermöglichen müssen, die geforderten Schnelltests durch eigenes geschultes Personal oder als Selbsttests unter Aufsicht von eigenem geschulten Personal durchzuführen.

Auch unter Berücksichtigung des beklagtenseitig bestehenden Einschätzungs- und Prognosespielraums und einer ex-ante Perspektive erwies es sich spätestens ab dem 23. Mai 2021 als nicht mehr angemessen, die Unternehmen zu verpflichten, Schnelltests ausschließlich durch Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TestV durchführen zu lassen.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit Schnelltests unterlagen einem stetigen Wandel. Im Einzelnen:

Bereits ab Mitte 2020 regelte das Bundesministerium für Gesundheit durch Verordnungen auf Grundlage von § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 lit. b und Nr. 2 Sozialgesetzbuch V unter welchen Umständen asymptomatische versicherte Personen (und auch Nicht-Versicherte) einen Anspruch auf Tests in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 haben. Bei diesen sich auf das Sozialgesetzbuch V stützenden Verordnungen handelte sich damit im Kern um sozialversicherungsrechtliche Regelungen. Diese sozialversicherungsrechtlichen Regelungen bildete das Ministerium ab dem 25. Januar 2021 in der Coronavirus-Testverordnung (TestV) ab. Nach dieser Verordnung hatten Kontaktpersonen zu infizierten Personen grundsätzlich im Rahmen eines bestimmten Zeitraums einen Anspruch auf einen (kostenlosen) PCR-Test durch einen Leistungserbringer nach § 6 TestV; ausnahmsweise bestand im Rahmen von einrichtungsbezogenen Testkonzepten im Gesundheitssektor auch unabhängig von einem Kontakt ein Anspruch auf einen Antigen-Test, diese mussten zum Teil selbst durchgeführt werden. Bereits ab dem 25. Januar 2021 regelte § 6 TestV, wer zur Leistungserbringung (und Abrechnung) berechtigt war, nämlich neben den zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes insbesondere auch beauftragte Dritte. Ab dem 8. März 2021 enthielt die TestV sodann erstmals in § 4a einen Anspruch auf die sogenannte Bürgertestung - Tests, die jedem Bürger unabhängig von Symptomen und Kontakt zu infizierten Personen offenstanden. Auch diese Tests wurden weiterhin von den in § 6 TestV genannten Leistungserbringern durchgeführt. Nach § 6 Abs. 1 TestV waren zur Erbringung von Leistungen nach § 1 Abs. 1 TestV (Anspruch von Versicherten auf einen Test) neben den zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Nr. 1) und Arztpraxen (Nr. 3) auch vom öffentlichen Gesundheitsdienst beauftragte und von Dritten betriebene Testzentren (Nr. 2) berechtigt. Zur Frage, welche Anforderungen die Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes an die Leistungserbringer bei Beauftragung zu stellen haben, erließ das Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung am 12. März 2021 eine Allgemeinverfügung (Az. CorS2 - -41609-11-3). Danach war es erforderlich, dass die Dritten zur Durchführung der Testungen bereit und in der Lage waren und dass die Dritten die Anforderungen der Anlage zur Allgemeinverfügung erfüllten. In dieser Anlage stellte das Ministerium räumliche und personelle Anforderungen auf und regelte, wie Tests durchzuführen waren. Danach war unter anderem in persönlicher Hinsicht erforderlich, dass sich Betreiber zuverlässig im Sinne des Gewerberechts zeigten und - sofern der Betreiber nicht selbst über eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf verfügte - eine solche Ausbildung durch andere Beschäftigte nachgewiesen wurde oder aber eine Kooperationsvereinbarung mit medizinischen Personal abgeschlossen wurde. Als Testpersonal kamen neben Personen mit einer medizinischen Ausbildung auch gemäß § 12 Abs. 4 TestV durch Ärzte oder den öffentlichen Gesundheitsdienst geschulte Personen in Betracht. Diese Schulungen wurden nach der Vorschrift mit 70,00 € vergütet und umfassten unter anderem praktische Übungen sowie Aufklärungen zu den Impfangeboten, der arbeitsmedizinischen Vorsorge und der Schaffung von Sicherheitsbewusstsein für Hygiene. Ab dem 1. Juli 2021 formulierte die TestV in der Verordnung selbst, welche Anforderungen an Leistungserbringer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TestV zu stellen waren und machte zur Voraussetzung, dass die Leistungserbringer unter Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 gewährleisten müssen, dass diese die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen müssen und dass diese gegenüber der beauftragenden Stelle begründete Angaben zur vorhandenen Testkapazität machen müssen.

Neben diesen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen des Gesundheitsministeriums bestimmte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Hinblick auf den betrieblichen Gesundheitsschutz auf Grundlage von § 18 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV), welche Maßnahmen zu ergreifen waren, um das Risiko einer Infektion im betrieblichen Umfeld zu minimieren. Danach regelte ab dem 13. April 2021 die Corona-ArbSchV erstmals die Pflicht für alle Betriebe, Einrichtungen und Verwaltungen in Deutschland, deren Beschäftigte nicht im Homeoffice arbeiteten, jedem Beschäftigten mindestens einmal - ab dem 19. April 2021 zwei Mal - in der Woche, einen Test auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten. Konkrete Regelungen zum Art des Testangebots gab es nicht, sodass grundsätzlich auch Antigen-Schnelltests (auch zur Eigenanwendung) erfasst gewesen sein dürften.

Infektionsschutzrechtlich wiederum bestimmt(e) zudem § 28c IfSG, dass die Bundesregierung im Wege der Rechtsverordnung Ausnahmen von den aufgrund des fünften Abschnitt des IfSG ergriffenen Schutzmaßnahmen festlegen kann und konnte, wenn Personen geimpft sind oder ein negatives Testergebnis aufweisen. Hiervon machte die Bundesregierung im Frühsommer 2021 Gebrauch und regelte in der SchAusnahmV vom 8. Mai 2021 unter anderem, wann von einem solchen negativen Testergebnis ausgegangen werden kann. In § 2 Nr. 7 SchAusnahmV war demnach geregelt, dass

"ein Testnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 [...], wenn die [...] zugrundeliegende Testung [...]

a) vor Ort unter Aufsicht desjenigen stattfindet, der der jeweiligen Schutzmaßnahme unterworfen ist,

b) im Rahmen einer betrieblichen Testung im Sinne des Arbeitsschutzes durch Personal, das die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzt, erfolgt oder

c) von einem Leistungserbringer nach § 6 Absatz 1 der Coronavirus-Testverordnung vorgenommen oder überwacht wurde".

Diese verschiedenen Regelungen zu Grunde gelegt, erwies es sich nach Auffassung des Gerichts als nicht mehr angemessen, auch ab dem 23. Mai 2021 weiterhin von den Betrieben gefordert zu haben, die Tests von einem Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV durchführen zu lassen. Auch wenn der Beklagte im Rahmen seiner infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen nicht unmittelbar an die bundesrechtlichen SchAusnahmV und Corona-ArbSchV gebunden war und es dem Beklagten - auch wenn dies systemwidrig erscheint - grundsätzlich auch nicht verwehrt ist, im Rahmen einer gefahrenabwehrrechtlichen Verfügung auf sozialrechtliche Vorschriften (hier die TestV) Bezug zu nehmen, ergeben sich aus den vorgenannten Vorschriften wichtige Indizien dafür, wie die infektionsschutzrechtliche Gefahrensituation im Rahmen einer ex ante Sicht im Mai 2021 zu beurteilen war.

Danach gilt folgendes: Der Sinn und Zweck der TestV war primär ein sozialversicherungsrechtlicher. Die Verordnung hatte somit zum Gegenstand, welche Personen einen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf einen Test hatten, obwohl sie keine Symptome zeigten sowie die Frage, welche Anbieter diese Tests anbieten durften und hierfür Kosten erstattet bekamen. Sinn und Zweck der hier gegenständlichen Regelung war ein anderer, nämlich derjenige, aus gefahrenabwehrrechtlichen Gesichtspunkten eine zuverlässige Durchführung der Tests sicherzustellen. Eben jenen gefahrenabwehrrechtlichen Aspekt griff auch die auf § 28c IfSG (und damit auf eine gefahrenabwehrrechtliche Vorschrift) gestützte SchAusnahmV auf, in der ab dem 8. Mai 2021 geregelt war, dass auch im Rahmen einer betrieblichen Testung im Sinne des Arbeitsschutzes durch Personal, das die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzt, erfolgte Tests als solche Tests anerkannt wurden, die zu einer solchen Gefahrenminimierung führten, die es rechtfertigte, Ausnahmen von den infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zuzulassen. Diese von den Arbeitgebern anzubietenden Tests durften indes nach der Corona-ArbSchV auch als Antigen-Schnelltests vor Ort ausgeführt werden; einer Beauftragung eines Testzentrums bedurfte es nicht. Insbesondere unter Berücksichtigung der Anforderungen der SchAusnahmV ist nicht ersichtlich, dass es ab dem 23. Mai 2021 (noch) angemessen war, von den Unternehmen die Durchführung der Tests durch einen Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV zu verlangen. Vielmehr ist zu berücksichtigten, dass nicht nur die SchAusnahmV als ausnahmebegründenden Testnachweis einen betrieblichen Test akzeptierte, sondern dass auch die nach § 6 Abs. 1 TestV i.V.m. der in der Anlage der Allgemeinverfügung des Ministeriums vom 12. März 2021 aufgestellten Mindestanforderungen an die Anbieter vom Tests prinzipiell auch von den hier betroffenen (größeren) Schlachtbetrieben hätten erfüllt werden können. Systemwidrig ist es auch, dass die AV-Allgemein-3 einerseits auf die SchAusnahmV und die Regelungen über geimpfte und genesene Personen verwies, die Regelungen für getestete Personen aber nicht übernahm. Auch eine etwaig durch externe Anbieter gewährleistete Unabhängigkeit der Durchführung der Tests rechtfertigte die Verpflichtung, diese Anbieter in Anspruch zu nehmen, nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Unternehmen entgegen ihrer durch Allgemeinverfügung begründeten Verantwortung keine zuverlässigen eigenen Tests durchführen würden, bestanden für den Beklagten nicht.

Da der verfügende Teil der Allgemeinverfügung insofern teilbar war, dass eine Teilanfechtung und Teilaufhebung der Verfügung, die Tests durch einen Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV durchführen zu lassen, in Betracht gekommen wäre, war vorliegend lediglich die teilweise Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung festzustellen.

(d) AV-Allgemein-4 (03.07.2021 - 27.08.2021)

Insofern die AV-Allgemein-4 die Beschränkung auf Leistungserbringer nach § 6 Abs. 1 TestV nicht mehr enthielt, sondern den Betrieben eigene Tests ermöglichte, erweist sich die AV-Allgemein-4 als angemessen. Auch wenn am 3. Juli 2021 die Inzidenz zunächst deutlich unter 30 lag und erst am 26. August 2021 wieder auf über 50 anstieg, ist nach dem Vorgenannten die Wahl des Mittels der (mittelbaren) Testverpflichtung nicht zu beanstanden.

IV. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Allgemeinverfügungen waren an 75 von 344 Tagen (und damit ca. 22 %) rechtswidrig und an weiteren 41 Tagen (ca. 12 %) teilweise rechtswidrig, sodass eine Kostenverteilung von 30 % zu 70 % angemessen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.