Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.03.2023, Az.: 1 ME 11/23

Abbruch; abgebrochen; außergewöhnliches Ereignis; Bestandsschutz; Einsturz; Erneuerung; bauliche Erweiterung; Sanierung; verfahrensfreie Baumaßnahme; Verfall; Verfestigung (Splittersiedlung); Zerstörung; zulässigerweise errichtet; Wiederaufbau eines abgängigen Gebäudes im Außenbereich

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.03.2023
Aktenzeichen
1 ME 11/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 22709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0324.1ME11.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 04.01.2023 - AZ: 12 B 4934/22

Fundstellen

  • BauR 2023, 1923-1925
  • DÖV 2023, 775
  • IBR 2023, 481
  • NVwZ-RR 2023, 790
  • NordÖR 2023, 443
  • ZfBR 2023, 581-584

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei einem Gebäude, von dem lediglich die Bodenplatte sowie etwas über 50% der Außenmauern im Erdgeschoss noch bestehen, ist nicht mehr von einer Identität des genehmigten und des nach Abschluss der (Aufbau-)Maßnahmen vorhandenen Gebäudes auszugehen, sodass der Bestandsschutz entfällt und der Wiederaufbau des Gebäudes formell illegal ist.

  2. 2.

    Ein anderes außergewöhnliches Ereignis i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt nicht vor, wenn der altersbedingte Verfall der alten Bausubstanz die eigentliche Ursache der Zerstörung bildet. In diesem Fall kann selbst ein von außen hinzutretendes Ereignis hiervon nicht isoliert betrachtet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.3.1982 - 4 C 59.78 -, BRS 39, Nr. 89 = juris Rn. 19).

  3. 3.

    Die Genehmigung für eine Erweiterung i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB, bei der es sich um eine von einem vorhandenen Bestandsgebäude abhängige bauliche Anlage handelt, ist nach § 43 Abs. 2 VwVfG auf andere Weise, nämlich durch Wegfall des Regelungsobjekts erledigt, wenn das Bestandsgebäude wegfällt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 4. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.274 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Bauaufsichtsverfügung, mit der ihr die Einstellung von näher bezeichneten Bauarbeiten aufgegeben wurde.

Die Antragstellerin und ihr Sohn sind Eigentümer des Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Flurstücke W., X, Y und Z, Flur V, Gemarkung A-Stadt). Ursprünglich war das im Außenbereich liegende Grundstück mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit Mansarddach (Firstrichtung von West nach Ost) und einer Wohnfläche von ca. 124 m2 (im Folgenden: WE 1) bebaut. Östlich an dieses schloss sich ein Nebengebäude an, dessen östliches Ende eine Doppelgarage bildete. In unmittelbarer Nähe zur Südostecke der Doppelgarage und ungefähr parallel zum D-Weg ausgerichtet befindet sich ein größerer Schuppen.

Nachdem eine Bauvoranfrage für den Neubau eines Wohnhauses mit Garage erfolglos geblieben war, erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin unter dem 12. April 2021 antragsgemäß einen Bauvorbescheid für die Erweiterung des Bestandsgebäudes um eine zweite Wohneinheit (im Folgenden WE 2) mit gut 140 m2, die an der südlichen Traufseite in Form eines eingeschossigen Anbaus mit Flachdach errichtet und von dem Sohn der Antragstellerin und dessen fünfköpfiger Familie genutzt werden sollte. Nachfolgend genehmigte der Antragsgegner mit Bescheid vom 23. August 2021 die Errichtung der WE 2 und einer davon nach Osten hin abgesetzten Doppelgarage mit etwa 50 m2. Mit der Baumaßnahme wurde am 16. März 2022 begonnen.

Unter dem 11. Mai 2022 beantragte die Antragstellerin eine Baugenehmigung zur Erneuerung des Dachstuhls. Im Rahmen der Sanierung der WE 1 habe sich herausgestellt, dass der Mansarddachstuhl altersbedingt geschädigt und unbedingt zu erneuern sei. Dabei sollten die Traufseiten aufgemauert und der Dachstuhl durch ein auf dem zweiten Vollgeschoss zu errichtendes flachgeneigtes Dach ersetzt werden. Eine entsprechende Baugenehmigung erteilte der Antragsgegner unter dem 20. Juni 2022.

Am Nachmittag des 1. September 2022 stellten Mitarbeiter des Antragsgegners fest, dass die Erdgeschossdecke sowie einige der Außenwände der WE 1 nicht mehr vorhanden waren. Die im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 2. September 2022 gefertigten Lichtbilder bestätigen das gänzliche Fehlen der Erdgeschossdecke und zeigen, dass von der WE 1 lediglich Süd- und Westmauer sowie ein kleiner Rest der Nordmauer erhalten sind. Das nach Osten anschließende Nebengebäude war bis auf den als Doppelgarage genutzten Teil abgebrochen. Von der WE 2 standen die Außenmauern, von dem abweichend von der Baugenehmigung direkt an die Südostecke der WE 2 anschließenden Garagenneubau war die Grundplatte errichtet. Der Mitarbeiter des Antragsgegners telefonierte mit dem Geschäftsführer des vor Ort tätigen Abbruchunternehmens und notierte in einem Vermerk, dieser habe ihm gesagt, dass das Gebäude im Dachbereich vom Holzbock geschädigt sei und das Mauerwerk nicht mehr dem Stand der Technik entspreche. "Wir" (laut Mitarbeiter des Antragsgegners die Antragstellerin und der Geschäftsführer) hätten beschlossen, es abzureißen und so wiederaufzubauen.

Mit der streitgegenständlichen Anordnung vom 6. September 2022 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin die Fortsetzung der Bauarbeiten an WE 1 und WE 2 mit sofortiger Wirkung, ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR an. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin unter dem 6. Oktober 2022 Widerspruch, den der Antragsgegner noch nicht beschieden hat.

Ihren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2023 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Arbeiten an der WE 1 seien nicht genehmigt. Es handele sich nicht nur um einen nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 NBauO verfahrensfreien Abbruch, da die Antragstellerin die - genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigte - Neuerrichtung der fehlenden Mauern und der Erdgeschossdecke beabsichtige. Dieser Wiederaufbau sei nicht von der Baugenehmigung zur Erneuerung des Dachstuhls umfasst. Ob diese Baugenehmigung wegen Wegfall des Bezugsobjekts nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt sei, könne dahinstehen, da die von ihr umfassten Arbeiten am Dachgeschoss ohne die ungenehmigte Neuerrichtung des Erdgeschosses nicht ausgeführt werden könnten, sodass "Arbeiten am Dachgeschoss" zwangsläufig zu baurechtswidrigen Zuständen führten. Die Baugenehmigung hinsichtlich der WE 2 habe sich durch den Wegfall der WE 1 nach § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt, da die Wirksamkeit dieser Baugenehmigung - jedenfalls solange der Erweiterungsbau noch nicht errichtet worden sei - vom Bestehen eines Bestandsgebäudes abhängig sei. Die nunmehr freistehende Erweiterung sei ein aliud zu der genehmigten Erweiterung, das eine neue Genehmigung erfordere. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Die Bauvorhaben seien nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Hinsichtlich einer Neuerrichtung der WE 1 auf der Grundlage von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB sei bereits zweifelhaft, ob der Einsturz nicht von der Antragstellerin selbst bewirkt worden sei und ob es sich bei diesem um ein außergewöhnliches Ereignis i.S.d. Vorschrift handele. Im Hinblick auf § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB sei bereits nicht offensichtlich, dass die WE 1, für die eine Baugenehmigung nicht vorgelegt worden sei, zulässigerweise errichtet worden sei. Auch die weitere Voraussetzung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) BauGB liege nicht offensichtlich vor, da das vorhandene Gebäude nicht längere Zeit von der Antragstellerin selbst genutzt worden sei. Fehle es an der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit der Neuerrichtung der WE 1, sei auch die WE 2 nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Das besondere öffentliche Interesse liege bei einer wegen formeller Illegalität erlassenen Stilllegungsverfügung regelmäßig - so auch hier - vor. Der Vortrag der Antragstellerin zur drohenden Existenzgefährdung rechtfertige eine abweichende Interessenbewertung nicht. Zum einen habe sie das Fehlen einer anderweitigen Unterkunftsmöglichkeit nicht substantiiert dargelegt, zum anderen führte die Fortsetzung der Bauarbeiten nicht zu einer legalen Nutzungsmöglichkeit der Gebäude als Wohnraum. Die Zwangsgeldandrohung sei nicht zu beanstanden.

II.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, auf deren fristgerecht vorgetragene Gründe sich die Prüfung des Senats gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, hat keinen Erfolg.

1.

Soweit die Antragstellerin meint, die Baugenehmigung zur Erneuerung des Dachstuhls der WE 1 umfasse denknotwendig die von ihr vorgenommene "Sanierung des Bestandsgebäudes", soweit diese zur Herstellung des neuen Dachstuhls erforderlich sei, da hier das Bestandsgebäude nicht derart zerstört werde, dass die Baugenehmigung gegenstandslos werde, überzeugt dies nicht. Die Baugenehmigung zur Erneuerung des Dachstuhls beschränkt sich auf die von ihr umfassten Maßnahmen, d.h. das Aufmauern der Außenwände im Dachgeschoss, nicht aber die Erneuerung der Erdgeschossdecke, eines großen Teils der Außenwände und sämtlicher Innenwände im Erdgeschoss. Sollte die Antragstellerin mit ihrem Einwand darauf abzielen, dass es sich bei den Arbeiten am Erdgeschoss um verfahrensfreie Maßnahmen nach Nr. 12.1 des Anhangs zu § 60 Abs. 1 NBauO handelt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Nr. 12.1 setzt tatbestandlich ein "fertig gestelltes Wohngebäude" voraus. Ein nahezu vollständig abgebrochenes Gebäude, von dem ausweislich der am 2. September 2022 gefertigten Lichtbilder lediglich die Bodenplatte sowie knapp über 50% der Außenwände noch vorhanden waren, als Bestandsgebäude zu bezeichnen, bei dem lediglich an den Dachstuhl angrenzende Teil zu "sanieren" bzw. zu "reparieren" seien, erscheint fernliegend. Vielmehr stellt sich der Sachverhalt als Wiederaufbau eines insgesamt abgängigen Gebäudes - mithin als Neubau - dar (vgl. Senatsbeschl. v. 2.3.2015 - 1 LA 151/14 -, BauR 2015, 957 = BRS 83 Nr. 111 = juris Rn. 13; v. 10.12.2021 - 1 ME 123/21 -, BauR 2022, 453 = juris Rn. 6, in dem bei Fehlen des Dachstuhls und der Erdgeschossdecke wegen des im Übrigen vollständigen Erdgeschosses gerade noch von einem "vorhandenen" Gebäude ausgegangen wurde). Ist nicht mehr hinreichend Bausubstanz vorhanden, um von einer Identität des genehmigten mit dem nach Abschluss der Maßnahmen vorhandenen Gebäudes auszugehen, ist der Bestandsschutz für das ursprünglich genehmigte Wohnhaus entfallen und die Neuerrichtung des Erdgeschosses formell illegal. Das Verwaltungsgericht, das die Erledigung der Baugenehmigung vom 20. Juni 2022 nach § 43 Abs. 2 VwVfG offengelassen hat (BA S. 8), zieht hieraus den Schluss, dass die genehmigte Erneuerung des Dachstuhls damit zwangsläufig zu baurechtswidrigen Zustände führe. Dem hat die Antragstellerin nichts entgegengesetzt; die Feststellung des Verwaltungsgerichts ist zudem auch in der Sache offenkundig richtig.

2.

Der Wiederaufbau ist auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Dies setzt voraus, dass über die Genehmigungsfähigkeit bereits nach Aktenlage, ohne jegliche weiteren Ermittlungen entschieden werden könnte und dass zusätzlich jedes andere Ergebnis als die Bejahung der Genehmigungsfähigkeit nicht nur falsch, sondern schlechthin unvertretbar wäre (Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 1 ME 108/19 -, BauR 2020, 1444 = BRS 88 Nr. 90 = juris Rn. 19).

a)

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht offensichtlich vor. Soweit sie meint, die Zulässigkeit der Errichtung sei von dem Antragsgegner bei Erteilung der hier maßgeblichen Baugenehmigungen zugunsten der Antragstellerin bejaht worden und das Verwaltungsgericht sei nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte zu einer Überprüfung berufen, geht sie fehl. Für die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Wiederaufbaus der WE 1 müssen sämtliche Voraussetzungen, auch die zulässigerweise Errichtung des (ehemals) vorhandenen Gebäudes, "auf der Hand" liegen. Die erteilten Genehmigungen entfalten insoweit keine Bindungswirkung. Eine Baugenehmigung für das abgängige Bestandsgebäude hat die insoweit beweisbelastete Antragstellerin (vgl. Senatsbeschl. v. 16.5.2022 - 1 LA 102/21 -, BauR 2022, 1179 = juris Rn. 7-9 m.w.N.) nicht vorgelegt. Eine entsprechende Recherche im Bauaktenarchiv blieb ausweislich der eigenen Angaben der Antragstellerin in ihrer Bauvoranfrage vom 28. Dezember 2020 erfolglos. Umstände, die hier ausnahmsweise die Annahme rechtfertigten, dass gleichwohl von einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage auszugehen ist, sind jedenfalls nicht offensichtlich. Im Gegenteil liegt angesichts der Lage im Außenbereich und des Fehlens von Anhaltspunkten für eine Privilegierung die gegenteilige Annahme der formellen und materiellen Illegalität nahe. Die Ausführung des Antragsgegners, es handele sich um ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude, in dem Bauvorbescheid vom 12. April 2021 (S. 2) sowie die anschließende Erteilung der hier maßgeblichen Baugenehmigungen reichen jedenfalls nicht aus. Abgesehen davon hat sich das Verwaltungsgericht auch auf das Fehlen der vorangegangenen Eigennutzung durch die Antragstellerin (vgl. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) BauGB) gestützt. Eine solche ist für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren - ggf. mehr - erforderlich; die Eigennutzung muss zudem bis zur Beseitigung des Gebäudes angedauert haben (vgl. Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 35 Rn. 275 [Stand: Januar 2022]). Dafür ist nichts ersichtlich; mit der Beschwerde hat die Antragstellerin hierzu auch nichts vorgebracht.

b)

Soweit sich die Antragstellerin auf eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB beruft und zu der Einsturzursache im Beschwerdeverfahren erstmals vorträgt, die Einsturzursache sei ein unbekannter unterirdischer Hohlraum (Luftschutzkeller) gewesen, in den der Bagger eingebrochen sei und dabei "die marode Erdgeschossdecke sowie Teile der nördlichen und östlichen Außenwände" zum Einsturz gebracht habe, überzeugt dies nicht. Abgesehen davon, dass die von der Antragstellerin als Beleg für den Gebäudezustand nach dem Einsturz am Abend des 1. September 2022 eingereichten Lichtbilder, auf denen erheblich mehr der Bausubstanz des Erdgeschosses vorhanden ist, deutlich von denen bereits am 1. September 2022 kurz nach 16 Uhr sowie den am 2. September 2022 tagsüber gefertigten Lichtbilder abweichen, sodass die von dem Verwaltungsgericht angemeldeten Zweifel an der Einsturzhistorie berechtigt erscheinen, hätte es auch nahegelegen, die "wahre" Einsturzursache bereits bei der Ortsbesichtigung am 2. September 2022 anzugeben. Stattdessen hat die Antragstellerin noch in ihrer Antragsschrift vom 29. November 2022 erklärt, die Bauwerksteile seien "im Zuge der Bauarbeiten wohl aufgrund des nicht mehr zeitgemäßen Mauerwerks bei der Entfernung des Dachstuhls mitsamt dem Obergeschoss schlicht eingestürzt". Abgesehen davon, dass ein bewusster Abriss und damit eine durch den Eigentümer bewirkte Zerstörung naheliegt, wäre selbst der von der Antragstellerin behauptete Einsturz kein "anderes außergewöhnliches Ereignis" i.S.d. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Vielmehr handelt es sich um die Folgen eines langsamen Verfalls des Gebäudes, der bei objektiver Betrachtung nicht als außergewöhnlich zu klassifizieren ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.3.1981 - 4 C 2.78 -, BVerwGE 62, 32 = BauR 1981, 360 = juris Rn. 10). Bildet der altersbedingte Verfall der alten Bausubstanz die eigentliche Ursache der Zerstörung, kann selbst ein von außen hinzutretendes Ereignis hiervon nicht isoliert betrachtet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.3.1982 - 4 C 59.78 -, BauR 1982, 359 = BRS 39, Nr. 89 = juris Rn. 19). So ist es - den behaupteten Einbruch des Baggers als zutreffend unterstellt - hier. Die Antragstellerin selbst hat mehrfach auf die schlechte Bausubstanz des ca. 100 Jahre alten Gebäudes hingewiesen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB ein zuvor zulässigerweise errichtetes Gebäude voraussetzt, an dem es hier voraussichtlich fehlt (s.o.).

c)

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Wiedererrichtung auch nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB offensichtlich genehmigungsfähig, da die Beeinträchtigung öffentlicher Belange jedenfalls nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB nicht ausgeschlossen ist. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Baugrundstück um das südliche Ende einer Splittersiedlung im Außenbereich und nicht - wie die Antragstellerin meint - um eine sich "zur Bebauung anbietende Lücke" handelt, sodass die Erweiterung einer Splittersiedlung im Raum steht, wäre abgesehen davon jedenfalls die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten. Die Auffassung der Antragstellerin, A-Straße und D-Weg begrenzten den Bereich, in dem eine Bebauung nach § 35 Abs. 2 BauGB möglich sei, so, dass eine Vorbildwirkung für außerhalb gelegene Flächen nicht entstehen könnte, geht ebenfalls fehl. Der D-Weg ist nach Breite und Ausbauzustand nicht so beschaffen, dass er einen unter Berufung auf das Bauvorhaben der Antragstellerin geäußerten Bauwunsch eines südlich oder östlich gelegenen Nachbarn ernstlich hindern würde. Aus einem insoweit im Jahr 2014 möglicherweise rechtswidrig erteilten Bauvorbescheid zur Errichtung eines Doppelhauses auf dem Grundstück A-Straße kann die Antragstellerin eine Genehmigungsfähigkeit ohnehin nicht herleiten. Sind die Anforderungen des § 35 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt, verhilft auch eine für ein im Umfeld gelegenes Grundstück - zu Recht oder zu Unrecht - erteilte Baugenehmigung dem Vorhaben nicht zur Genehmigungsfähigkeit.

3.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Baugenehmigung für die WE 2 habe sich nach § 43 Abs. 2 VwVfG auf andere Weise, nämlich durch Wegfall des Bezugsobjekts erledigt, ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Gericht darauf abgestellt, dass eine "Erweiterung" eines vorhandenen Gebäudes genehmigt wurde, die Baugenehmigung folglich von dem Bestehen des Gebäudes, das erweitert werden soll, abhängig ist. Dieses ist jedoch nicht mehr vorhanden (s.o.). Soweit die Antragstellerin dagegen anführt, die bereits im Rohbau fertiggestellte Erweiterung sei auch unabhängig von dem Bestehen des Bestandsgebäudes genehmigt, und dies mit dem verfahrensfrei zulässigen Abriss des erweiterten Gebäudes begründet, entspricht dies nicht der auf der Grundlage von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB erteilten Genehmigung. Dieser Privilegierungstatbestand setzt bereits nach dem Wortlaut ein vorhandenes Gebäude (vgl. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 b) BauGB) voraus. Eine Erweiterung, die unabhängig von dem Bestandsgebäude bestehen kann, weil es sich bei ihr um ein konstruktiv unabhängiges und selbstständig nutzbares Gebäude handelt, erfasst dieser Privilegierungstatbestand dagegen nicht (vgl. zu einem vom Bestandsgebäude unabhängigen, mit diesem nur durch einen Windfang verbundenen Anbau Bay. VGH, Urt. v. 12. 12.2007 - 14 B 05.2165 -, ZfBR 2008, 285 = juris Rn. 22). Vor diesem Hintergrund kann der "Erweiterungsbau" nach Abbruch des Bestandsbaus gemessen an § 35 Abs. 2 BauGB ebenfalls keinen Bestand haben. Nur ergänzend weist der Senat daraufhin, dass ausweislich der vorliegenden Lichtbilder sowie des Luftbilds auf google maps (zuletzt abgerufen am 22.3.2023) die Garage direkt an die Südostecke der Erweiterung anschließend und nicht - wie genehmigt - in gewissem Abstand auf Höhe der Ostseite errichtet wurde.

Ist - wie oben ausgeführt - die Neuerrichtung des Bestandsgebäudes nicht - und schon gar nicht offensichtlich - genehmigungsfähig, gilt dies für die Errichtung der WE 2 erst recht.

4.

Sollten die Ausführungen der Antragstellerin zu ihrer Wohnsituation und ihrer finanziellen Lage (vgl. Beschwerdeschrift S. 11 f.) als Beanstandung der Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts zu verstehen sein, dringt sie damit nicht durch. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass hier keine ein Abweichen vom Regelfall des Einschreitens rechtfertigende Ausnahmekonstellation vorliegt, da die Suspendierung der Stilllegungsverfügung lediglich einen rechtswidrigen Weiterbau ermöglichen, nicht aber zu einer legalen Nutzungsmöglichkeit der Gebäude als Wohnraum führen würde, ist zutreffend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).