Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.03.2023, Az.: 14 LB 81/22
Ausbildungsförderung; Auslandsaufenthalt; Vollzeit; Ausbildungsförderung für einen Forschungsaufenthalt an einer Universität im Ausland
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.03.2023
- Aktenzeichen
- 14 LB 81/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 20853
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0330.14LB81.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 13.04.2016 - AZ: 13 A 1587/14
Rechtsgrundlagen
- BaföG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
- BAföG § 2 Abs. 5 S. 1 Halbs 2
Fundstellen
- ZAP EN-Nr. 444/2023
- ZAP 2023, 691
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
- 2.
Die Arbeitskraft des Auszubildenden wird durch die Ausbildung voll in Anspruch genommen, wenn sie nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert.
- 3.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden voll in Anspruch nimmt, ist nicht auf die gesamte Dauer der Ausbildung abzustellen, sondern nach Ausbildungsabschnitte bzw. Zeiträumen zu differenzieren.
- 4.
Für die Frage, ob die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden voll in Anspruch nimmt, ist der Auszubildende darlegungs- und beweispflichtig.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 13. Kammer - vom 13. April 2016 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Ausbildungsförderung für einen Forschungsaufenthalt an einer Universität im Ausland.
Der 1989 geborene Kläger studierte an der Technischen Universität H. (nachfolgend TU I.) Chemie. Nach Bestehen seiner Bachelorprüfung begann er zum 1. Oktober 2013 (Wintersemester 2013/14) das Studium Master of Science Chemie.
Nach den Ausführungsbestimmungen für den Bachelor/Masterstudiengang Chemie an der TU I., Fakultät für Natur- und Materialwissenschaften vom 14. November 2006, waren für das Masterstudium u.a. zwei Forschungspraktika, die jeweils mit fünf Creditpoints bewertet sind, sowie eine Projektarbeit, die mit zwölf Creditpoints bewertet ist, zu absolvieren. Ein Forschungspraktikum sowie die Projektarbeit wollte der Kläger zu Beginn seines Masterstudiums in der Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 31. März 2014 (Wintersemester 2013/14) am Department of Organic Chemistry der J. absolvieren. Ausweislich des ECTS Learning Agreement aus September 2013 sollte der Kläger dafür an der J. die Kurse "Chem845 - Research Project" sowie "Chem857 Research" bei Herrn Prof. K. besuchten.
Für diesen Auslandsaufenthalt beantragte der Kläger beim Beklagten am 24. September 2013 die Bewilligung von Ausbildungsförderung. Dem Antrag legte er auch ein "Formblatt 6" bei. Darin bestätigte das Institut für Physikalische Chemie an der TU I., dass die Praktikumsstelle den Anforderungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnung entspreche, sowie, dass das Praktikum vorgeschrieben, noch abzuleisten und in den Ausbildungsbestimmungen inhaltlich geregelt sei. Die vorgeschriebene Mindestdauer des Praktikums betrage 17 Wochen. Der Studienfachberater Chemie der TU I., PD. Dr. L., teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 11. Februar 2014 zu den Praktikumstätigkeiten des Klägers u.a. mit, dass es sich bei den beiden Praktika "Forschungspraktikum" und "Projektarbeit" um Pflichtveranstaltungen des Masterstudiengangs Chemie handele, die an universitären, chemisch arbeitenden Einrichtungen oder nach Absprache in außeruniversitären Einrichtungen und der Industrie durchgeführt werden könnten. Der Arbeitsumfang des Forschungspraktikums sei mit fünf Creditpoints = ca. 150 Stunden = fünf Wochen zu veranschlagen, die Projektarbeit mit zwölf Creditpoints = 360 Stunden = zwölf Wochen. Eine inhaltliche Verknüpfung der beiden Praktika zu einer Einheit sei möglich und durchaus üblich. Im Falle des Klägers sei die Planung und Ausarbeitung des Aufenthalts unter der Koordination von Prof. M., Institut für organische Chemie an der TU I., gemeinsam mit dem US-amerikanischen Forschungslabor erfolgt. Die Praktika würden typischerweise in Forschungslaboren durchgeführt, stellten aber per se keine Forschungsarbeit dar, sondern dienten dem Erlernen von Kompetenzen auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Arbeitens.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Auslandsförderung ab, da der Auslandsaufenthalt nicht die besonderen Förderungsvoraussetzungen eines Praktikums erfülle, insbesondere werde er nicht außerhalb einer Ausbildungsstätte durchgeführt.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2014 zurück. Es könne bereits nicht von der in § 5 Abs. 5 Satz 2 BAföG geforderten Mindestdauer von zwölf Wochen ausgegangen werden. Es fehle an einer entsprechenden zeitlichen Angabe in den Ausbildungsbestimmungen. Aber auch bei einer Bestimmung des zeitlichen Umfangs im Wege der Umrechnung der für das Praktikum zu erreichenden Leistungspunkte gelange man hier nicht zu einer Mindestdauer von zwölf Wochen. Bei einem nach den Ausbildungsbestimmungen vorgesehenen Aufwand von zwölf Creditpoints für die Projektarbeit ergäben sich 360 Stunden, aus der sich bei einer anzusetzenden 40-Stunden-Woche neun Wochen errechneten. Die Mindestdauer könne sich auch nicht unter Einbeziehung des einzelnen Forschungspraktikums ergeben, welches zur Anerkennung von fünf Creditpoints führe. Isoliert betrachtet entspreche dieses Praktikum unter Zugrundelegung einer 40-Stunden-Woche einem Leistungsumfang von knapp vier Wochen. Eine Addition der Zeiten für das Forschungspraktikum einerseits und der Projektarbeit anderseits sei nicht möglich, da jedes Praktikum einen unterschiedlichen Ausbildungsinhalt habe. Zudem seien die Praktika auch nicht ausreichend in den Ausbildungsbestimmungen geregelt, es fehle an der erforderlichen Benennung der Ausbildungsinhalte einschließlich der Lernziele.
Der Kläger hat am 30. April 2014 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, wieviel Zeit für das Forschungspraktikum und die Projektarbeit anzusetzen sei, sei nach dem europaweit geltenden European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) umzurechnen. Dementsprechend seien für die Projektarbeit bei zwölf Creditpoints 360 Stunden bzw. zwölf Wochen anzusetzen (12 x 30 Stunden), für das Forschungspraktikum bei fünf Creditponts 150 Stunden bzw. fünf Wochen (5 x 30 Stunden). Sein Praktikum sei als Einheit aus dem Forschungspraktikum und der Projektarbeit anzusehen. Das sei üblich und werde auch von der TU I. so akzeptiert. Somit sei von einer Dauer des Gesamtpraktikums von 17 Wochen auszugehen. Der Inhalt der Praktika sei auch in den Modulbeschreibungen hinreichend geregelt.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 13. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2014 zu verpflichten, ihm Ausbildungsförderung nach dem BAföG nach gesetzlicher Höhe für die Ableistung seines Praktikums am Department of Organic Chemistry, J., USA zu gewähren.
Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf die Begründung seines Widerspruchbescheides verwiesen.
Mit Urteil vom 13. April 2016 hat das Verwaltungsgericht die Bescheide des Beklagten vom 13. Januar 2014 und vom 26. Februar 2014 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger im Bewilligungszeitraum Oktober 2013 bis März 2014 Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von 511,00 Euro monatlich zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die in § 5 Abs. 5 Satz 1 BAföG und § 2 Abs. 4 Satz 1 BAföG geregelten Voraussetzungen für die Bewilligung von Ausbildungsförderung für die Teilnahme an einem Praktikum im Ausland lägen hier vor. Insbesondere habe das Praktikum des Klägers auch entsprechend § 5 Abs. 5 Satz 2 BAföG mindestens zwölf Wochen angedauert. Der Kläger habe an einem Forschungspraktikum und einer Projektarbeit teilgenommen, die durch seine Ausbildungsstätte zu einer inhaltlichen Einheit verknüpft worden seien. Für das Forschungspraktikum seien nach den Ausführungsbestimmungen fünf Creditpoints = ca. 150 Stunden anzusetzen, für die Projektarbeit zwölf Creditpoints = 360 Stunden. Nach der Berechnung des Beklagten unter Zugrundelegung einer 40 Stundenwoche ergebe sich für die Projektarbeit ein zeitlicher Aufwand von neun Wochen, für das Forschungspraktikum rund dreieinhalb Wochen, also insgesamt mehr als zwölf Wochen. Ausbildungsförderung werde nach § 11 Abs. 1 BAföG für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). Auf den monatlichen Bedarf des Klägers in Höhe von 825,67 Euro seien eigenes Vermögen in Höhe von 141,65 Euro sowie Einkommen der Mutter i.H.v. 173,49 Euro anzurechnen. Daraus ergebe sich unter Berücksichtigung von § 51 Abs. 3 BAföG für den Kläger ein monatlicher Förderbedarf in Höhe von 511,00 Euro.
Der Beklagte trägt zur Begründung seiner von dem erkennenden Gericht mit Beschluss vom 28. Mai 2018 zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor, es liege bereits kein Praktikum im Sinne von § 2 Abs. 4 BAföG und § 5 Abs. 5 BAföG vor, weil der Kläger seinen Forschungsaufenthalt an einer Hochschule und damit einer Ausbildungsstätte nach §§ 2, 3 BAföG absolviert habe. Selbst wenn ein Praktikum anzunehmen wäre, hätte es aber jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum in den einschlägigen Ausbildungsbestimmungen der TU I. an einer ausreichenden Regelung über die erforderliche Mindestdauer des Praktikums gefehlt. Es sei lediglich geregelt gewesen, wie viele Creditpoints für das Forschungspraktikum und die Projektarbeit jeweils vergeben würden. Daraus lasse sich eine in Tagen, Wochen oder Monaten zählende Vorgabe für die Mindestdauer des Forschungspraktikums und der Projektarbeit nicht ableiten.
Sofern man das in den Forschungslaboren einer ausländischen (gleichwertigen) Hochschule durchgeführte "Praktikum" nach denselben Gesichtspunkten wie sie für das Inland gälten, als Studium bzw. als eine ohne die Anforderungen des § 2 Abs. 4 BAföG zu fördernde Ausbildung einordnete, fehle es aber an der erforderlichen hinreichenden organisationsrechtlichen Zugehörigkeit des Klägers zu der ausländischen Hochschule. Studierende, die ein Forschungspraktikum an einer ausländischen Hochschule, insbesondere an einer Hochschule in den USA absolvierten, seien regelmäßig nicht wie "übliche" Studierende eingeschrieben, die dort Kurse besuchten und für diese Studiengebühren zu zahlen hätten. Für Studierende, die ihre Ausbildung in den Forschungslaboren an amerikanischen Hochschulen durchführten, sei eine solche Einschreibung nicht erforderlich und werde auch wegen der hohen Studiengebühren vermieden. Oftmals würden diese Studierenden als "visiting student" oder mit einem durch Bezeichnungen wie "on research work" gekennzeichneten Status geführt. Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob von einer hinreichenden organisationsrechtlichen Zugehörigkeit zu der ausländischen Hochschule ausgegangen werden könne. Die Bereitstellung des Forschungslabors und die Öffnung der von der Hochschule gebotenen Möglichkeiten der Nutzung der übrigen Hochschuleinrichtung genüge insoweit nicht.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 13. April 2016 - - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 18. September 2020 hat der Berichterstatter des seinerzeit zuständigen vierten Senats des erkennenden Gerichts darauf hingewiesen,
"dass zweifelhaft ist, ob die vom Kläger betriebene Studienausbildung während der hier streitigen Zeit seines Auslandsaufenthalts (Wintersemester 2013/14) als Vollzeitausbildung im Sinne von § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG ausgestaltet war (eingehend zu den diesbezüglichen Voraussetzungen: Senatsurteil vom 15. Oktober 2019 - 4 LC 238/16 -, Rn. 17 in juris = FamRZ 2020, 1052). Gemäß dem in der Anlage K 1 enthaltenen Modellstudienplan für den Master of Science Chemie - Studienrichtung angewandte Chemie - (ebenda, Anlage 4a) waren im Studium des Klägers für das 3. Fachsemester neben dem Forschungspraktikum (5 CP) und der Projektarbeit (12 CP) ferner die Absolvierung von Studienleistungen im Bereich Wahlpflicht B (11 CP) vorgesehen. Insgesamt sieht der Modellstudienplan für dieses Semester bei Absolvierung von allen drei genannten Modulen den Erwerb von 28 CP vor und nimmt hierfür eine zeitliche Belastung von 27 Semesterwochenstunden (SWS) an. Wie sich ebenfalls aus der Anlage K 1 ergibt, waren in den einzelnen im Rahmen der Wahlpflicht B angebotenen Fachgebieten Studienleistungen hauptsächlich im Rahmen von Präsenzveranstaltungen (Vorlesungen, Seminaren und Übungen) zu erbringen. Es erscheint deshalb naheliegend, dass es dem Kläger aufgrund seines Auslandsaufenthalts in den USA während des Wintersemesters 2013/14 tatsächlich gar nicht möglich war, an entsprechenden Veranstaltungen der Wahlpflicht B teilzunehmen und die in diesem Rahmen vorgesehenen Prüfungen zu absolvieren. Dies spräche aber dafür, dass er das Studium in diesem Semester nicht als Vollzeitstudium betrieben hat.
(...)"
Dazu hat der Kläger mitgeteilt, er habe bereits 2013 während seines Bachelorstudiums fünf Module aus dem Masterstudium als sogenannte vorgezogene Leistungen absolviert. Diese seien dem Wintersemester 2013/14 zuzuordnen. Überdies habe er bereits im Juni 2014, kurz nach Ende seines Auslandsaufenthalts, u.a. die Modulprüfung für chemische Reaktionstechnik erbracht. Da die Vorlesungen sich auf einen Zeitraum von April bis Ende Juli erstreckten, habe er die dazugehörige Vorlesung bereits vor Beginn seines Auslandsaufenthalts, also im Wintersemester 2012/13 und im Sommersemester 2013 wahrgenommen. Im Wintersemester 2013/14 in N. habe er Inhalte aus den Vorlesungen wiederholt, da er nach der Rückkehr nur noch Prüfungen und kleinere Praktika habe absolvieren müssen.
In einem Erörterungstermin am 12. April 2021 hat der Kläger ausgeführt, das Thema, für das er im Rahmen seines Forschungspraktikums und seiner Projektarbeit in N. gearbeitet habe, sei mit den Professoren M. in I. und O. in N. sowie mit dem Prüfungsamt der TU I. abgestimmt worden. Letztendlich konkretisiert worden sei das Thema mit Prof. O. in N.. Der nach dem Modulhandbuch vorgesehene Bericht über das Forschungspraktikum sowie der benotete Seminarvortrag über die Projektarbeit seien von ihm in N. abgelegt und von dort auch - jeweils mit Bestnote ("A") - benotet worden. Die TU I. habe diese Bewertungen dann anerkannt.
Im Rahmen seines Auslandsaufenthalts habe er an der Universität N. einen Status als "visiting scholar" gehabt. Bei den Veranstaltungen gemäß Blatt 7 der Verwaltungsvorgänge, dem "Research Projekt" und der als "Research" bezeichneten Veranstaltung, handele es sich um Veranstaltungen, die in N. regulär im Rahmen des dortigen Studienbetriebs auch für amerikanische Studierende angeboten worden seien. Im Rahmen seines Auslandsaufenthalts sei er durch Prof. O. in dem Sinne angeleitet worden, dass er mit ihm über seine Forschungsarbeit gesprochen habe. Ansonsten habe er im Labor eigenständig geforscht. Ferner sei er Teil des Arbeitskreises von Prof. O. gewesen und habe auch immer freitags an seinem wöchentlichen Seminar teilgenommen, wo er schließlich auch am Ende seines Aufenthalts die Ergebnisse seiner Arbeit vorgestellt habe. Er meine, dass im Rahmen der Projektarbeit die Teilnahme an diesem Seminar für ihn eine Pflichtveranstaltung gewesen sei. Als "visiting scholar" sei er in N. berechtigt gewesen, alle Einrichtungen der Fakultät zu nutzen und auch an Lehrveranstaltungen teilzunehmen.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2021 hat der Berichterstatter des seinerzeit zuständigen vierten Senats die Kultusministerkonferenz - D. - um Erteilung einer amtlichen Auskunft zu den Fragen
1. Hat im Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2014 die J. für Studierende allgemein eine Ausbildung angeboten, die nach Zulassungsbedingungen, Art, Inhalt und Abschluss qualitativ dem von der TU I. angebotenen Masterstudiengang der Fachrichtung Chemie im Wesentlichen entsprochen hat?
2. Waren die im Herbstsemester (fall semester) 2013 vom Department of Chemistry der J. angebotenen beiden Lehrveranstaltungen "CHEM 845 Research Project" und "CHEM 457 Research" von der amerikanischen Ausbildungsstätte so konzipiert, dass mit einem Besuch allein dieser beiden Kurse innerhalb eines Semesters von einem Vollzeitstudium mit 40 Wochenstunden auszugehen ist?
gebeten.
Die Kultusministerkonferenz - D., Referat VI H, Herr P., hat mit Schreiben vom 23. November 2022 mitgeteilt, dass die Ausbildung auf Masterebene ("graduate studies") im Fachbereich Chemie an der anerkannten J. - einer akkreditierten öffentlichen Hochschule im US-Bundesstaat Q. - nach Zulassung, Art, Inhalt und Abschluss qualitativ einem Masterstudiengang im Fach Chemie an der TU I. entspreche.
Sie könnten nicht bestätigen, dass die Kurse "CHEM457 Research" und "CHEM845 Research Project" im Zeitraum Oktober 2013 bis März 2014 an der J. angeboten worden seien. Der online aufrufbare Kurskatalog für das akademische Jahr 2013/14 (https://www....) verzeichne im Fachbereich Chemie keine so bezeichneten Kurse. Es sei aber nicht auszuschließen, dass beide Kurse dennoch angeboten worden seien und der Kurskatalog unvollständig sei. Als Nachweis des Absolvierens beider Kurse diene ein Official Transcript of Records, ausgestellt von der J.. Ein solches Dokument liege ihnen jedoch nicht vor. Die J. definiere einen Kreditpunkt ("semester unit" oder "credit hour") als eine dreistündige Lerneinheit pro Woche (eine Stunde Präsenzunterricht plus zwei Stunden Vor- und Nachbereitung bzw. zwei Stunden Präsenzunterricht plus eine Stunde Vor- und Nachbereitung; vgl. https://...). Das Official Transcript of Records gebe auch über die erworbenen Kreditpunkte Auskunft.
Auf gerichtliche Nachfrage hat der Kläger ausgeführt, das "Official Transcript of Records" besitze er nicht. Er nehme Bezug auf die bereits von ihm vorgelegte Bescheinigung des Department of Chemistry & Biochemistry der R. vom 19.5.2014 sowie auf die ergänzend beiliegende ECTS-Bescheinigung vom 6.9.2013. Die Dokumente belegten, dass er die Kurse "CHEM 845 Research Project" und "CHEM 857 Research" mit A bestanden habe, dass er sie an der R. belegt habe und dass diese an der TU I. äquivalent seien zu den Modulen. Dabei sei auch an der TU I. die theoretische Zeiteinteilung kein Maßstab für die Praxis. Auch dort gebe es in der Praxis - wie an der R. - keine festen Zeiten. Der zeitliche Aufwand hänge wesentlich vom Dozenten, vom Thema und Engagement des Studenten ab. Das seien in der Praxis hier wie dort regelmäßig mehr als 40 Wochenstunden. Entsprechend habe sich auch das Praktikum in seinem Wintersemester an der R. dargestellt und tatsächlich sogar mehr als den zeitlichen Rahmen eines Vollzeitstudiums in Anspruch genommen.
Auf gerichtliches Hinweisschreiben vom 3. Januar 2023 hat der Kläger eine E-Mail von Herrn Prof. O., dem seinerzeitigen Ausbildungsleiter an der J. vorgelegt, in der es u.a. heißt "I herewith confirm that Mr. A. spent Fall 2013/2014 in N. in my research laboratories at the Department of Chemistry and Biochemistry at J. and worked for 6 months, at least 40 hours per week and completed your projects successfully."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.
Die Beteiligten haben in dem am 6. April 2021 durchgeführten Erörterungstermin übereinstimmend u.a. ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 VwGO).
Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ist begründet. Der ablehnende Bescheid vom 13. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat gegenüber dem nach § 45 Abs. 4 Satz 2 BAföG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 BAföGZustV zuständigen Beklagten keinen Anspruch auf Bewilligung von Bundesausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe für den im Rahmen des Masterstudiengangs Chemie im Wintersemester 2013/14 am Department of Organic Chemistry der J. absolvierten Studienaufenthalt.
Rechtsgrundlage für die Förderung der hier streitgegenständlichen Auslandsausbildung für das Wintersemester 2013/14 ist § 5 BAföG in der Bekanntmachung der Neufassung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952), zuletzt geändert durch Berichtigungsbeschluss vom 7. Februar 2012 (BGBl. I S. 197).
Der Forschungsaufenthalt am Department of Organic Chemistry der J. kann weder als ein in ein Inlandsstudium eingebettetes Auslandsstudium gemäß § 5 Abs. 2 BAföG gefördert werden (1.) noch als Praktikum nach § 5 Abs. 5 BAföG (2.).
1. Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung für den Auslandsaufenthalt des Klägers ergibt sich zunächst nicht aus § 5 Abs. 2 BAföG. Zwar lagen im Fall des Klägers, dessen Eignung im Sinne des § 9 BAföG unstreitig war, die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BAföG vor (a)). Auch ist von der Gleichwertigkeit der ausländischen Ausbildungsstätte nach § 5 Abs. 4 Satz 1 BAföG auszugehen (b)). Der Besuch dieser Ausbildungsstätte in seiner konkreten Ausgestaltung erfüllt aber nicht die Anforderungen des § 2 Abs. 5 BAföG, wonach Ausbildungsförderung nur geleistet wird, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden allgemein voll in Anspruch nimmt (c)).
a) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte, wenn er der Ausbildung nach dem Ausbildungsstand förderlich ist und zumindest ein Teil dieser Ausbildung auf die vorgeschriebene oder übliche Ausbildungszeit angerechnet werden kann.
aa) Zwischen den Beteiligten steht nicht in Frage, dass der Kläger seinen ständigen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 BAföG) im Inland hatte. Der vorübergehende sechsmonatige Studienaufenthalt in den USA führte nicht dazu, dass er dort seinen ständigen Wohnsitz begründete (§ 5 Abs. 1 Halbs. 2 BAföG).
bb) Der Studienaufenthalt an der J., der sich entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 2 BAföG über sechs Monate erstreckte, erfüllt auch die Fördervoraussetzung "Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte". Die J. ist eine Ausbildungsstätte im Sinne des § 5 Abs. 2 BAföG, die im Ausland liegt.
Der Besuch einer ausländischen Ausbildungsstätte im Sinne des § 5 Abs. 2 BAföG setzt zudem voraus, dass der Auszubildende der Ausbildungsstätte organisationsrechtlich angehört und die Ausbildung an dieser auch tatsächlich betreibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.12.2000 - 5 C 25.00 -, juris Rn. 35; Beschl. v. 13.11.1987 - 5 B 99.86 -, juris Rn. 2). Diese Voraussetzungen sind ebenfalls erfüllt. Dass der Kläger die Ausbildung an der ausländischen Hochschule tatsächlich betrieben hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die erforderliche organisatorische Angehörigkeit ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - ebenfalls gegeben. Eine organisationsrechtliche Eingliederung verlangt keine bestimmte Form (VGH BW, Urt. v. 25.4.2017 - 12 S 699/16 -, juris Rn. 35; BayVGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 12 ZB 16.1581 -, juris Rn. 3). Nach Sinn und Zweck des Bundesausbildungsförderungsgesetzes soll nicht die Begründung eines organisationsrechtlichen Status an einer Ausbildungsstätte gefördert werden, sondern die Durchführung einer förderungsfähigen Ausbildung (BVerwG, Urt. v. 5.12.2000 - 5 C 25.00 -, juris Rn. 36). Das Merkmal "organsiationsrechtlich angehört" dient zur Abgrenzung gegenüber solchen Personen, die die Ausbildungsstätte nur gelegentlich bzw. aufgrund eigenen Entschlusses und ohne Gestattung der Teilnahme an den Veranstaltungen der Ausbildungsstätte und Gestattung der Nutzung der dort angebotenen sachlichen und persönlichen Ausbildungsmittel besuchen (VGH BW, Urt. v. 25.4.2017 - 12 S 699/16 -, juris Rn. 35; BayVGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 12 ZB 16.1581 -, juris Rn. 2; VG Mainz, Urt. v. 27.7.2017 - 1 K 1244/16 -, juris Rn. 26; VG Frankfurt, Urt. v. 12.2.2002 - 10 E 1270/96 -, juris Rn. 32).
Der Kläger war als "visiting scholar" offiziell an der ausländischen Ausbildungsstätte eingeschrieben. Auf die formal unterschiedliche Bezeichnung kommt es insoweit nicht an. Er grenzt sich damit von Personen ab, die ohne jegliche Gestattung an Veranstaltungen der Ausbildungsstätte teilnehmen oder ihre Einrichtungen benutzen. Im Rahmen seines Aufenthalts nahm der Kläger aktiv vor allem an Forschungstätigkeiten teil, was von der Beklagtenseite auch nicht in Abrede gestellt worden ist. Die Forschungstätigkeit ist ein essentieller Bestandteil des Hochschulstudiums des Klägers und damit auch des Besuchs der in- und ausländischen Ausbildungsstätte im Sinne von § 2 Abs. 1 BAföG (vgl. BayVGH, Beschl. v. 1.2.2017 - 12 ZB 16.1581 -, juris Rn. 5). Dies ergibt sich unter anderem aus den Ausführungsbestimmungen für den Bachelor/Master-Studiengang Chemie an der TU I., Fakultät für Natur- und Materialwissenschaften vom 14.11.2006 (Erste Änderung vom 22.10.2007, PA-Beschlüsse vom 16.8.2010 und 7.11.2013). Diese sehen Forschungspraktika sowie eine Projektarbeit vor. Der Kläger hatte auch Zugang zu den Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen der ausländischen Universität und zu den dort stattfindenden Veranstaltungen - in gleicher Weise wie die anderen graduierten Studierenden. Weiterhin wurde für den Kläger eine Student ID-Card ausgestellt, die den formalen Aufnahmeakt zusätzlich dokumentiert. Ob und wie weit der Kläger zur Zahlung von Studiengebühren verpflichtet war, hat dabei außer Betracht zu bleiben (vgl. VG Mainz, Urt. v. 27.7.2017 - 1 K 1244/16 -, juris Rn. 28 m.w.N.). Insoweit kommt es nur darauf an, ob die absolvierte Ausbildung förderungswürdig ist, nicht auf finanzielle Rahmenbedingungen.
cc) Weiterhin war der Besuch der ausländischen Ausbildungsstätte der Ausbildung nach dem Ausbildungsstand des Klägers förderlich.
Mit dieser in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG normierten Anforderung ist die allgemeine Förderlichkeit für die Inlandsausbildung gemeint, nämlich, dass der Auszubildende über die reine Erweiterung des Fachwissens hinaus durch Einblick in einen anderen Lebens- und Kulturkreis eine allgemeine Horizonterweiterung erfährt, die ihm in seinem späteren Berufsleben von Nutzen sein kann. Für die Förderlichkeit der Auslandsausbildung ist deshalb lediglich zu verlangen, dass die inländische Ausbildung des Bewerbers für eine Auslandsförderung einen gewissen Stand erreicht, der Auszubildende also an einer inländischen Ausbildungsstätte in der gewählten Fachrichtung bereits Grundkenntnisse erworben hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.2012 - 5 C 14.11 -, juris Rn. 14; Urt. v. 5.12.2000 - 5 C 25.00 -, juris Rn. 40 unter Hinweis auf BT-Drs. 8/2868 S. 25). Das ist hier ausgehend davon, dass der Kläger bereits den Bachelorstudiengang Chemie im Inland erfolgreich absolviert hatte, der Fall.
dd) Der Kläger erfüllt zudem - was zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht - die weitere Voraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG, wonach zumindest ein Teil der Ausbildung im Ausland auf die vorgeschriebene oder übliche Ausbildungszeit im Inland angerechnet werden können muss. Weil in diesem Erfordernis das Prinzip der Fachbezogenheit zum Ausdruck kommt, ist die Anrechenbarkeit in einem lehrveranstaltungsbezogenen Sinne zu verstehen; dabei kann schon die Möglichkeit der nur teilweisen Anrechnung der Auslandsausbildung genügen (BVerwG, Urt. v. 12.7.2012 - 5 C 14.11 -, juris Rn. 15). Bei dem Kläger sind ausweislich der vorgelegten Unterlagen die an der J. erbrachten Leistungen durch die TU I. vollständig als Forschungspraktikum sowie als Projektarbeit anerkannt worden.
b) Die Förderfähigkeit des Auslandsstudiums am Department of Organic Chemistry der J. scheitert auch nicht am Merkmal der Gleichwertigkeit im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 BAföG. Nach dieser Vorschrift gilt die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG über die ergänzende Auslandsförderung nur für den Besuch von Ausbildungsstätten, der dem Besuch einer der im Inland gelegenen Ausbildungsstätten nach § 2 - hier kommen allein Hochschulen im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BAföG in Betracht - gleichwertig ist.
Die Gleichwertigkeit ist anzunehmen, wenn die Ausbildung an der ausländischen Ausbildungsstätte nach Zugangsvoraussetzungen, Art und Inhalt der Ausbildung sowie nach dem vermittelten Ausbildungsabschluss der Ausbildung gleichkommt, welche die für den Vergleich heranzuziehende Ausbildungsstätte im Geltungsbereich des Gesetzes vermittelt (BVerwG, Urt. v. 12.7.2012 - 5 C 14.11 -, juris Rn. 20 ff.; Beschl. v. 28.7.1982 - 5 B 83.81 -, juris Rn. 2). Aus dem Schreiben der Kultusministerkonferenz - D., Referat VI H, Herr P., vom 23. November 2022 geht hervor, dass die Ausbildung auf Masterebene ("graduate studies") im Fachbereich Chemie an der anerkannten J. - einer akkreditierten öffentlichen Hochschule im US-Bundesstaat Q. - nach Zulassung, Art, Inhalt und Abschluss qualitativ einem Masterstudiengang im Fach Chemie an der TU I. entspreche. Von einer Gleichwertigkeit ist somit auszugehen.
c) Jedoch steht der Förderung des Forschungsaufenthaltes des Klägers an dem Department of Organic Chemistry der J. entgegen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Ausbildung während dieses Zeitraums die Arbeitskraft des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG voll in Anspruch genommen hat.
Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Diese Regelung gilt auch für im Ausland betriebene Ausbildungen. Aus dem Umstand, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 BAföG speziell für Ausbildungen im Ausland nur die Dauer der Ausbildung regelt und keine Bestimmung über die zeitliche Inanspruchnahme des Auszubildenden enthält, kann nicht geschlossen werden, dass für eine Ausbildung im Ausland eine geringere zeitliche Intensität als die in § 2 Abs. 5 BAföG geregelte gilt. Bei der Förderungsvoraussetzung der "im Allgemeinen vollen Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Auszubildenden" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Auslegung die Ämter für Ausbildungsförderung keinen Beurteilungsspielraum haben, sondern dessen Anwendung von den Gerichten voll überprüft werden kann. Maßgebend sind insoweit die Anforderungen, die die Ausbildung an die Arbeitskraft des Auszubildenden stellt (BVerwG, Urt. v. 3.6.1988 - 5 C 59.85 -, juris Rn. 14; Urt. v. 30.10.1975 - V C 15.74 -, juris Rn. 18). Es ist also nicht darauf abzustellen, ob der einzelne Auszubildende nach seinen persönlichen Verhältnissen noch in der Lage ist, neben der Ausbildung seine Arbeitskraft für eine andere Tätigkeit einzusetzen (BVerwG, Urt. v. 30.10.1975, a. a. O.), oder ob ihm "vorgeworfen" werden kann, dass seine volle Arbeitskraft in dem Ausbildungsabschnitt nicht in Anspruch genommen worden ist. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die Ausbildung in Vollzeitform durchgeführt wird (BVerwG, Urt. v. 14.12.1994 - 11 C 28.93 -, juris Rn. 10; Urt. v. 3.6.1988 - 5 C 59.85 -, juris Rn. 14; Urt. v. 30.10.1975 - V C 15.74 -, juris Rn. 18).
Die Arbeitskraft des Auszubildenden wird durch die Ausbildung voll in Anspruch genommen, wenn sie nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden (Unterricht, Praktika sowie Vor- und Nachbereitung zusammengenommen) erfordert (BVerwG, Urt. v. 3.6.1988 - 5 C 59.85 -, juris Rn. 18 mit Bezugnahme auf Tz. 2.5.2 Abs. 1 BAföG VwV; NdsOVG, Urt. v. 24.10.2019 - 4 LC 238/16 -, juris Rn. 17; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 1.12.2022, BAföG, § 2 Rn. 26; das VG Berlin (Beschl. v. 1.3.2017 - 18 L 91.17 -, BeckRS 2917, 111763 Rn. 6) hielt im Einzelfall 32 Stunden und das SächsOVG (Urt. v. 18.6.2020 - 3 A 855/18 -, juris Rn. 22) 38 Stunden für ausreichend). Die Praxis stellt bei Hochschulen darauf ab, ob im Durchschnitt pro Semester 30 ECTS-Leistungspunkte (Creditpoints) vergeben werden. Ist dies der Fall, soll grundsätzlich von einer Vollzeitausbildung ausgegangen werden können (vgl. Tz. 2.5.2 Abs. 3 BAföG VwV; so auch OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 18.12.2015 - 6 S 52.15 / 6 M 97.15 -, juris Rn. 4; SächsOVG, Urt. v. 10.10.2019 - 3 A 716/17 -, juris Rn. 33, das insoweit von einer "Kontrollüberlegung" spricht). Dem entsprechend regelt § 4 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Allgemeinen Prüfungsordnung der TU I., dass ein Leistungspunkt einem zeitlichen Arbeitsaufwand von 30 Arbeitsstunden entspricht und dass von 1.800 Arbeitsstunden bzw. 60 Leistungspunkten in einem Studienjahr, d.h. von 30 Leistungspunkten im Semester ausgegangen wird. Bei Berücksichtigung von sechs Wochen Urlaub im Jahr sowie Feiertagen entspricht dies in etwa einer 40-Stunden-Woche. Der Einwand des Klägers, die theoretische Zeiteinteilung sei kein Maßstab für die Praxis, vielmehr hänge der zeitliche Aufwand wesentlich vom Dozenten, vom Thema und Engagement des Studenten ab, greift nicht durch. Die Regelung in § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG, wonach die volle Arbeitskraft im Allgemeinen in Anspruch genommen werden muss, stellt einen objektiven Maßstab auf und lässt außerdem Typisierungen zu. Maßgeblich ist, wie die Ausbildung angelegt ist (Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 1.12.2022, BAföG, § 2 Rn. 26; VG Sigmaringen, Urt. v. 24.5.2017 - 1 K 950/16 -, juris Rn. 24). Es ist somit nicht erforderlich, sich damit auseinanderzusetzen, wieviel Arbeitszeit ein Auszubildender tatsächlich aufwendet. Solche Ermittlungen im Einzelfall würden auch das Bewilligungsverfahren überfordern (VG Sigmaringen, Urt. v. 24.5.2017 - 1 K 950/16 -, juris Rn. 24).
Bei der vorzunehmenden Beurteilung der Frage, ob die Ausbildung nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt etwa 40 Wochenstunden erfordert, ist nicht auf die gesamte Dauer der Ausbildung abzustellen, sondern nach Zeiträumen zu differenzieren, da nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Ausbildungsförderung "ausnahmslos nur während der Zeit, in der die Ausbildung in Vollzeitform durchgeführt wird", geleistet wird (vgl. BT-Drucks. VI/1975 S. 22; so bereits NdsOVG, Urt. v. 24.10.2019 - 4 LC 238/16 -, juris Rn. 17; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 30.10.1975 - V C 15.74 -, juris Rn. 14 f.; OVG NRW, Urt. v. 28.10.1993 - 16 A 1776/93 -, juris Rn. 20; VG Hamburg, Urt. v. 18.6.2020 - 2 K 1888/18 -, juris Rn. 38). Für eine solche Differenzierung spricht auch, dass ein Studium, welches abschnittsweise in Vollzeit und in Teilzeit absolviert wird, während der Semester, in denen der Betreffende in Vollzeit studiert, grundsätzlich förderungsfähig ist und dies für die entsprechenden Semester auch bei einem späteren Wechsel in ein Teilzeitstudium so bleibt (VG Hamburg, Urt. v. 18.6.2020 - 2 K 1888/18 -, juris Rn. 38).
Daher ist vorliegend allein der im Streit stehende Zeitraum der Ausbildung, in dem der Kläger einen Forschungsaufenthalt am Department of Organic Chemistry der J. verbracht hat, an den Vorgaben des § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG zu messen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 24.10.2019 - 4 LC 238/16 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Zwar wird grundsätzlich nicht für jedes Semester erneut geprüft, ob der Student bzw. die Studentin weiterhin in Vollzeit studiert. Dies wird vielmehr - insoweit pauschalierend und typisierend - durch die Förderungshöchstdauer, die wiederum grundsätzlich an ein Vollzeitstudium anknüpft, gewährleistet (vgl. §§ 15, 15a BAföG, in denen auch geregelt ist, aus welchen Gründen trotz einer Überschreitung der Förderungshöchstdauer Ausbildungsförderung geleistet wird, insbesondere bei Schwangerschaft, Kindererziehung oder Pflege eines Angehörigen). Bei einem Praktikum oder einem Auslandsaufenthalt im Rahmen des Studiums ist die Voraussetzung der vollen Inanspruchnahme der Arbeitszeit jedoch gesondert zu prüfen, da über die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Praktikum (insbesondere im Ausland) bzw. einen Auslandsaufenthalt gemäß § 2 Abs. 4, § 5 Abs. 5 bzw. § 5 Abs. 2 BAföG separat entschieden wird. Insoweit ist teilweise (wie hier) sogar eine andere Behörde zuständig. Entgegen der Auffassung des Klägers kann er sich daher auch nicht darauf berufen, dass er bestimmte Kurse seines Masterstudiums schon während seines Bachelorstudiums absolviert und am Ende seines Studiums die Förderungshöchstdauer nicht überschritten hatte. Maßgeblich ist allein, ob das Auslandssemester seine Arbeitskraft im Allgemeinen voll in Anspruch genommen hat.
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs hat der Kläger für den hier streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger trägt trotz gerichtlicher Hinweisschreiben und Nachfragen nicht nachvollziehbar vor, dass die nach seinen Angaben von ihm im Wintersemester 2013/14 am Department of Organic Chemistry der J. besuchten Kurse "Chem 857 Research" und "Chem 845 Research Project" bei einer objektivierten Betrachtung einen Arbeitsaufwand von etwa 40 Wochenstunden erforderten. Der Kläger hat keine entsprechende Bescheinigung, insbesondere kein "Official Transcript of Records" vorgelegt, aus der sich die von der Universität für diese Kurse angesetzte Wochenarbeitszeit bzw. "Units" entnehmen lassen. Er hat auch nicht hinreichend detailliert und schlüssig dargelegt, dass und warum die besuchten Kurse einen (objektiven) Arbeitsaufwand von durchschnittlich 40 Stunden pro Woche erforderten. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich dies auch weder der mit Schriftsatz vom 12. April 2021 vorgelegten Bescheinigung des Department of Chemistry & Biochemistry der R. vom 19. Mai 2014 noch der ECTS-Bescheinigung vom 6. September 2013 entnehmen. Aus diesen Bescheinigungen ergibt sich lediglich, dass der Kläger während seines Auslandssemesters die beiden Kurse "Chem 857 Research" und "Chem 845 Research Project" besucht hat und seine Leistung jeweils mit der Note "A" bewertet worden ist. Der Arbeitsaufwand, den die Universität dafür zu Grunde legt, ist dagegen nicht erkennbar. Auch die zuletzt mit Schreiben vom 16. Januar 2023 vorgelegte E-Mail von Herrn Prof. O. nicht bekannten Datums vermag darüber keinen Aufschluss zu geben. Zwar wird dem Kläger darin bescheinigt, zumindest 40 Stunden in der Woche gearbeitet zu haben. Auf die tatsächliche Arbeitszeit des Klägers kommt es jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht an. Maßgeblich ist allein, welchen zeitlichen Umfang die Universität für diese Kurse festgelegt hat. Der Kläger hat zudem mitgeteilt, dass Herr Prof. O. bei der Universität nachgefragt hat, ob es noch ein Transcript of Records für den Kläger gibt. Dieser hat in Erfahrung gebracht, dass es keine entsprechenden Unterlagen mehr gibt. Eine weitere Nachfrage bei der Universität würde somit keine weiteren Erkenntnisse bringen.
Auch ansonsten lässt sich nicht feststellen, dass die vom Kläger an der J. besuchten Kurse einen durchschnittlichen Arbeitsaufwand von 40 Wochenstunden erforderten. In dem Schreiben der Kultusministerkonferenz - D., Referat VI H, Herr P., vom 23. November 2022 wird darauf hingewiesen, dass sich die Kurse "Chem 457 Research" und "Chem 845 Research Projekt" nicht in der im Internet abrufbaren Kursübersicht für das Wintersemester 2013/14 (https://www...) finden. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung hat er zwar nicht den Kurs "Chem 457 Research", sondern den Kurs "Chem 857 Research" besucht. Jedoch findet sich auch dieser Kurs nicht in der Kursübersicht. Wie viele "Units" für diese Kurse angesetzt waren, konnte daher auch so nicht ermittelt werden. Aus der Kursübersicht ergibt sich zudem, dass Kurse mit drei "Units" bewertet werden, sofern dies nicht anderweitig angegeben ist. Aus zwei Kursen mit drei "Units" würden sich nach der in dem Schreiben der Kultusministerkonferenz wiedergegebenen Umrechnung von "Units" in Wochenstunden lediglich 18 Wochenstunden ergeben.
Gegen die Einordnung des Auslandsstudiums des Klägers als Vollzeitstudium sprechen auch die von der TU I. für die Kurse anerkannten Creditpoints. Die vom Kläger belegten Kurse sind von der TU I. als Projektarbeit mit zwölf Creditpoints und als Forschungspraktikum mit fünf Creditpoints anerkannt worden. Mit insgesamt 17 Creditpoints werden die 30 Creditpoints, die grundsätzlich für die Annahme eines Vollzeitstudiums sprechen (vgl. Tz. 2.5.2 Abs. 3 BAföG VwV), deutlich verfehlt. Wie bereits im Hinweisschreiben des Gerichts vom 18. September 2020 angesprochen, sah auch der Modell-Studienplan der TU I. für das entsprechende Semester neben der Projektarbeit und dem Forschungspraktikum weitere Module vor. Unerheblich ist insoweit, dass der Kläger einige dieser Module bereits vorab während seines Bachelorstudiums besucht hatte. Maßgeblich ist - wie bereits ausgeführt - lediglich, ob im betreffenden Auslandssemester von einem Vollzeitstudium ausgegangen werden kann.
2. Der streitgegenständliche Auslandsaufenthalt kann auch nicht als "Praktikum" gefördert werden. Es kann hier offenbleiben, ob die Inhalte des Praktikums hinreichend in den Ausbildungsbestimmungen geregelt sind und ob die (Mindest-)Dauer hinreichend konkret bestimmt ist und sie die in § 5 Abs. 5 Satz 2 BAföG normierte Mindestdauer übersteigt. Zudem kann auch dahinstehen, ob - wofür einiges spricht - der Begriff "Praktikum" im Sinne von § 2 Abs. 4 BAföG nur Tätigkeiten außerhalb von Ausbildungsstätten im Allgemeinen erfasst oder ob nur eine Tätigkeit außerhalb der Ausbildungsstätte erforderlich ist, in deren Prüfungsordnung das Praktikum gefordert wird - hier die TU I.. Jedenfalls fehlt es auch insoweit an der erforderlichen vollen Inanspruchnahme durch die Ausbildung i.S.d. § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, da der Rechtsfrage, ob für die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzung, dass der Auszubildende im Allgemeinen seine gesamte Arbeitskraft der Ausbildung zur Verfügung stellt, nicht auf die gesamte Dauer des Ausbildungsabschnitts abzustellen, sondern nach Zeiträumen zu differenzieren ist, grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt. Es ist klärungsbedürftig, ob ein Auslandssemester während des Studiums separat zu betrachten ist oder ob es lediglich darauf ankommt, dass der Kläger ein grundsätzlich auf Vollzeit angelegtes Studium voraussichtlich innerhalb der Förderungshöchstdauer absolvieren wird.