Landgericht Osnabrück
Urt. v. 28.04.2005, Az.: 5 O 3335/04

Schadensersatz für das Wegwerfen bzw. Abholenlassen von alten Möbeln durch Sperrmüllabfuhr; Schätzung des Wiederbeschaffungswertes der abgefahrenen Möbelstücke durch das Gericht

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
28.04.2005
Aktenzeichen
5 O 3335/04
Entscheidungsform
Endurteil
Referenz
WKRS 2005, 34148
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2005:0428.5O3335.04.0A

Amtlicher Leitsatz

Schadensersatz für das Wegwerfen von alten Möbeln eines Junggesellen

Tenor:

  1. I.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 350 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.9.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Abhandenkommens von Hausratsgegenständen aus seinem Haus während eines Krankenhausaufenthalts.

2

Der Kläger bewohnt alleine ein Hofgrundstück im südlichen Landkreis von Osnabrück. Von Mitte Juli bis Mitte September 2001 befand er sich wegen einer Rippenfellentzündung ununterbrochen in stationärer Behandlung im Krankenhaus. Während dieses Zeitraums hatten drei seiner Nachbarn bzw. Bekannten Schlüssel zu seinen Räumlichkeiten, nämlich Frau A..... , Herr B.... und Herr C..... , der Ehemann der Beklagten. Herr B.... und Herr C..... versorgten das Vieh, während Frau A..... auf Bitten des Beklagten die Wohnräume in Ordnung halten sollte. Dabei halfen ihr Frau B.... und die Beklagte. Insbesondere räumten sie dort gründlich auf.

3

Dabei gab die Beklagte eine Sperrmüllabfuhr in Auftrag. Abtransportiert wurden jedenfalls mehrere Möbelstücke des Klägers, nämlich eine Polstergarnitur, bestehend aus zwei Sesseln und einer Couch, ein Sofa aus der Stube sowie ein weiteres Sofa aus der Küche, das zuvor der bevorzugte Aufenthaltsort des Hundes des Klägers gewesen war. Abgesehen von der Polstergarnitur, die der Kläger gebraucht gekauft hatte, waren die Möbelstücke noch zu Lebzeiten des Vaters des Klägers vor 1973 angeschafft worden.

4

Mit Schreiben vom 24.8.2003 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.9.2003 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz auf.

5

Der Kläger trägt vor: Die Sperrmüllabfuhr sei ohne seine Kenntnis und gegen seinen Willen erfolgt. Die Beklagte habe in Kenntnis seines entgegenstehenden Willens nahezu seinen gesamten Hausrat entfernt und vernichtet bzw. für eigene Zwecke genutzt und veräußert. Hiervon betroffen seien neben den Möbeln zahlreiche weitere Einrichtungsgegenstände, Wäschestücke, Schmuckstücke und andere persönliche Sachen des Klägers. Die Gegenstände seien zwar teilweise schon sehr lange verwendet worden, hätten sich aber in einem "einem ordentlichen Junggesellenhaushalt entsprechenden" Gebrauchszustand befunden. Ihr Wiederbeschaffungswert betrage insgesamt 6.680 EUR. Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu einer Zahlung in Höhe von 15.000 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Durch Schriftsatz vom 25.1.2005 hat er die Klage teilweise zurückgenommen.

6

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.680 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.9.2003 zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie trägt vor: Sie habe keine Einrichtungsgegenstände des Klägers entfernt, sondern lediglich zusammen mit Frau A..... und Frau B.... richtig aufgeräumt und dabei nur solche Sachen weggeworfen, die vergammelt, verstümmelt oder verrostet gewesen seien. Ein Großteil der vom Kläger vermissten Gegenstände befänden sich entweder noch in seinem Haushalt oder hätten gar nicht existiert. Der Bruder des Beklagten, Herr D...... , habe die Beklagte damit beauftragt, die Wohnräume gründlich "auszumisten" und nett herzurichten. Auf seine Veranlassung hin habe sie auch den Sperrmüll bestellt. Sie sei davon ausgegangen, dass der Kläger mit diesen Maßnahmen einverstanden gewesen sei. Jedenfalls habe sie auf eine entsprechende Vertretungsmacht des Bruders vertrauen dürfen. Der gesamte Hausrat des Klägers habe sich in einem desolaten Zustand befunden. Insbesondere hätten die abgefahrenen Möbelstücke keinen Gebrauchswert mehr gehabt. Die vom Kläger angesetzten Werte seien völlig übersetzt.

9

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen Frau A..... , Herrn und Frau B.... , Herrn D...... , Frau C..... und Frau Hermann.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Klage ist lediglich in Höhe von 350 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.9.2003 begründet (I.); im Übrigen ist sie unbegründet (II.).

11

I.

Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs liegen im Hinblick auf die Möbelstücke, die bei der Sperrmüllabfuhr abtransportiert wurden (Polstergarnitur und zwei Sofas) dem Grunde nach vor (hierzu unter 1.). Der Höhe nach beschränkt sich der Anspruch auf 350,- EUR (hierzu unter 2.).

12

1.

Ein Anspruch auf Schadensersatz ist gemäß §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 S. 1, 840 Abs. 1 BGB dem Grunde nach gegeben, da die Beklagte das Eigentum des Klägers an diesen Möbelstücken im geplanten Zusammenwirken mit weiteren Personen rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat.

13

a)

Eine Verletzung des Eigentums des Klägers liegt auf Grund des gemeinschaftlich geplanten und organisierten Abtransports seiner Möbel vor. Die Sperrmüllabfuhr gab unstreitig die Beklagten in Auftrag. Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass dem eine Rücksprache mit dem Bruder des Klägers, dem Zeugen D...... , vorausging. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen D...... . Den Aussagen der Zeugen B.... und C..... zufolge stellten diese die Möbel an die Straße. Hierfür haftet jeder einzelne Beteiligte als Gesamtschuldner, §§ 830 Abs. 1 S. 1, 840 Abs. 1 BGB.

14

b)

Ihre Handlung war rechtswidrig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine Einwilligung des Klägers nicht vorlag und er seinem Bruder keine entsprechende Vertretungsmacht eingeräumt hatte. Die Einwilligung gegenüber Frau A..... bezog sich nur auf die Säuberung des Hauses und nicht auf den Abtransport der Möbel. Auch gegenüber seinem Bruder hat er eine Einwilligung nicht erteilt. Dies ergibt sich unter anderem aus der in jeder Hinsicht glaubhaften Aussage des Zeugen D...... , der bekundete, die Sperrmüllabfuhr nicht mit dem Kläger besprochen zu haben. Es habe eine Überraschung für seinen Bruder sein sollen.

15

Auch auf eine mutmaßliche Einwilligung des Klägers kann sich die Beklagte nicht berufen. Diese scheitert schon daran, dass die Beklagte eine ausdrückliche Einwilligung des Klägers hätte einholen müssen und können (vgl. § 681 BGB). Im Übrigen steht auf Grund der Zeugenaussagen fest, dass sie keinesfalls von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgehen konnte. Denn auf die Nachfrage des Gerichts an den Zeugen D...... , ob er damit gerechnet habe, dass sein Bruder sich über diese "Überraschung" freuen würde, musste nicht nur der Zeuge D...... , sondern auch die bereits vernommenen und im Saal noch anwesenden Zeugen schmunzeln. Der Zeuge räumte dann bereitwillig ein, dass er mit einem "Aufstand" seines Bruders gerechnet habe. Die gleiche Erwartungshaltung zeigte der Zeuge B.... , der mit den Worten "macht dat nicht zu doll, ihr kennt den D...... nicht" vor einer Ausweitung der Sperrmüllabfuhr warnte. Ebenso gab Frau B.... an, ihrer Einschätzung nach habe es sich um einen "Alleingang" des Bruders des Klägers gehandelt. Ihr sei klar gewesen, dass der Kläger nicht einverstanden sein würde. dass diese allgemeine Übereinstimmung allein der Beklagten verborgen geblieben sein soll, hält das Gericht für lebensfremd.

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Aus diesem Grund muss sich der Kläger das Verhalten seines Bruders auch nicht auf Grund einer Anscheinsvollmacht zurechnen lassen. Denn dafür, dass der Kläger zurechenbar den Eindruck erweckt hätte, seinen Bruder mit dem Abtransport der Möbel beauftragt zu haben, ist vor dem beschriebenen Hintergrund nichts ersichtlich. Vielmehr steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass alle Beteiligten - auch die Beklagte - wussten, dass der Kläger von seinem Naturell her ein Gewohnheitsmensch ist und keinesfalls seinen Haushalt in irgendeiner Weise ändern wollte. Dies ergibt sich auch schon daraus, dass keiner der Beteiligten dem Kläger gegenüber bei Krankenhausbesuchen etwas von der Räumaktion der Nachbarn erzählte. Es hat sich dabei um eine Art von "Zwangsbeglückung" gehandelt, die menschlich möglicherweise gut gemeint war, rechtlich aber nicht gerechtfertigt ist. Schließlich kann der Kläger als erwachsener Mensch selbst entscheiden, wie er seinen Haushalt gestalten möchte, ohne dabei Hausfrauenmaßstäben entsprechen zu müssen.

17

c)

Die Beklagte handelte den obigen Ausführungen zufolge in Kenntnis der fehlenden Vertretungsmacht des Zeugen D...... und damit schuldhaft.

18

2.

Der Kläger kann für die abtransportierten Möbel Schadensersatz in Höhe von 350 EUR verlangen (§ 251 Abs. 1 BGB), da dies ihrem Wiederbeschaffungswert entspricht.

19

a)

Maßgeblich für den ersatzfähigen Schaden bei gebrauchten Sachen ist nicht der Neuwert der Möbel, den der Kläger in seiner Schadensaufstellung zu Grunde gelegt hat (insgesamt 7.480 DM), sondern ihr Wiederbeschaffungswert in gebrauchtem Zustand. Voraussetzung ist, dass solche Sachen am Markt erhältlich sind und ihre Anschaffung in gebrauchtem Zustand zumutbar ist (Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 25). Beides ist hier gegeben: Gebrauchte Möbelstücken sind ohne weiteres am Markt erhältlich. Der Kläger hatte die Möbel jedenfalls teilweise gebraucht gekauft, so dass ihm die Anschaffung gleichwertiger Gebrauchtmöbel zumutbar ist. Auch ein Affektionsinteresse, das der Kläger in seiner Anhörung zum Ausdruck gebracht hat, ist nicht zu berücksichtigen (Palandt/Heinrichs a.a.O.., § 251 Rz. 10). Dies könnte nur zur Begründung eines etwaigen Schmerzensgeldanspruchs herangezogen werden, der jedoch nicht Klagegegenstand ist.

20

b)

Der Wiederbeschaffungswert der abgefahrenen Möbelstücke unterliegt der Schätzung durch das Gericht (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

21

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme schätzt das Gericht den Wert im Hinblick auf entsprechende Angebote in Kleinanzeigern auf insgesamt 350 EUR. Die Polstergarnitur hatte der Kläger nach der Bekundung der Zeugin A..... bei den Eheleuten A..... gebraucht (vier Jahre alt) für 700 DM, den Angaben des Klägers zufolge für 900,- DM gekauft. Aus der Aussage von Frau A..... ergibt sich ferner, dass die Garnitur zur Zeit der Sperrmüllabfuhr etwa 10 Jahre alt war. Angesichts des durch die Beweisaufnahme nicht völlig geklärten Erhaltungszustandes der Garnitur hält das Gericht einen Wert von 200 EUR angemessen. Das weitere Sofa aus der Stube war vor 1973 angeschafft worden. Angesichts seines erheblichen Alters und des ebenfalls nicht völlig klaren Gebrauchszustandes kann ein Wert von 100 EUR angesetzt werden. Das Sofa aus der Küche - "Hundesofa" -war ebenfalls sehr alt und nach Angaben aller Zeugen in einem schlechten Zustand. Hierfür wird ein Wert von 50 EUR zu Grunde gelegt.

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II.

Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Bezug auf die übrigen Hausratsgegenstände, die nach der Behauptung des Klägers von der Beklagten vernichtet bzw. entfernt worden seien, besteht dagegen nicht.

23

Der Beweis für entsprechende Verletzungshandlungen der Beklagten hat der Kläger nicht führen können. Keiner der Zeugen hat bestätigt, dass die Beklagte Hausratsgegenstände des Klägers, die einen Gebrauchswert hatten, wegwarf oder entfernte. Ferner hat kein Zeuge bestätigen können, dass sich in den Müllsäcken, die im Zuge der Sperrmüllabfuhr aus dem Haus gebracht wurden, werthaltige Einrichtungsgegenstände des Klägers befanden. Zwar steht auf Grund der Zeugenaussagen fest, dass auch Müllsäcke abtransportiert wurden; Frau A..... gab aber an, sie habe verdorbene Lebensmittel weggeworfen. Frau B.... sprach von Scherben, die sie entsorgt habe, während Herr C..... Leergut anführte. Danach können die Müllsäcke ebenso gut derartige Gegenstände enthalten haben. Nichts anderes ergibt sich aus der eigenen Angabe der Beklagten, sie habe mit den anderen Frauen kaputte Dinge weggeworfen. Denn auf Grund der Zeugenaussagen steht fest, dass der Kläger gerne alles aufhebt. Damit erscheint es zumindest als möglich, dass die Beklagte nur Gegenstände ohne jeglichen Gebrauchswert entfernte.

24

Im Übrigen kann dahinstehen, ob tatsächlich zahlreiche weitere Hausratsgegenstände des Klägers, die einen Gebrauchswert aufwiesen, abhanden gekommen sind. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre es nicht möglich, auf entsprechende Verletzungshandlungen gerade der Beklagten zu schließen. Zutritt zu den Räumlichkeiten des Klägers hatten auf Grund der drei Schlüssel nämlich zahlreiche Personen. Auch ein Rückgriff auf § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet aus. Diese Norm setzt nämlich voraus, dass eine Verletzungshandlung des Anspruchsgegners feststeht; sie hilft lediglich über Beweisschwierigkeiten in Bezug auf die Ursächlichkeit dieser (feststehenden) Handlung hinweg (BGH NJW 1996, 3205, 3207; Palandt/Sprau, § 830 Rn. 7 f.). Anhaltspunkte für eine gemeinschaftliche Tatbegehung (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) aller Personen, die Zugriff auf die Wohnung des Klägers hatten, begründen würden, haben sich abgesehen von der Sperrmüllabfuhr, in der Beweisaufnahme nicht ergeben. Zwar hat es sich bei der Sperrmüllabfuhr um eine gemeinschaftliche Aktion der Nachbarn und des Bruders gehandelt. Das Gericht kann aber nicht ausschließen, dass eine der beteiligten Damen aus einem hausfraulichen Sendungsbewusstsein heraus im Alleingang weitere Entsorgungen vorgenommen hat. Die Zeuginnen B.... und A..... haben dies zwar weit von sich gewiesen. In diesem Punkt waren die Aussagen der weiblichen Zeuginnen jedoch von auffallender Zurückhaltung geprägt. So erzählte Frau A..... erst auf Nachfragen von der Sperrmüllabfuhr. Auch Frau B.... erzählte erst auf entsprechende Fragen hin, sie habe kaputtes Geschirr weggeworfen. Aus Sicht des Gerichts ist offen geblieben, ob eine der Zeuginnen heimlich weitere Gegenstände entsorgt hat, ohne dass dies auf einem gemeinsamen Entschluss beruht haben muss.