Landgericht Osnabrück
Urt. v. 17.05.2005, Az.: 5 S 1 34/05

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
17.05.2005
Aktenzeichen
5 S 1 34/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 42469
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2005:0517.5S1.34.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordhorn - AZ: 3 C 1673/04

In dem Rechtsstreit

...

hat die Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück

auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2005

durch den Präsidenten des Landgerichts Arenhövel,

die Richterin am Landgericht Dr. Brückner

und den Richter am Landgericht Dr. Perschke

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 10. Februar 2005 wie folgt geändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil die Revision mangels Zulassung und die Nichtzulassungsbeschwerde mangels Erreichens des nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Beschwerdewertes unzweifelhaft nicht zulässig ist.

2

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, somit zulässig. Sie ist auch begründet.

3

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß § 832 Abs. 1 BGB zu.

4

Auf der Grundlage der durch das Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte unter Abwägung der Gesamtumstände ihrer Aufsichtspflicht genügt hat:

5

Eine Aufsichtspflichtverletzung ist zunächst nicht darin zu sehen, dass sie ihren Sohn nicht hinreichend über die Verkehrsregeln und das Fahren mit dem Fahrrad belehrt und informiert hätte. Zwar entspricht es allgemeiner Meinung, dass ein Kind von den Erziehungsberechtigten über die Regeln und Gefahren der Fortbewegung mit einem Fahrrad belehrt und ihm die selbständige Benutzung des Rades erst dann gestattet werden kann, wenn sich die Aufsichtspflichtigen von der Fähigkeit zum technischen Beherrschen des Fahrrades und der Bereitschaft des Kindes zur Beachtung der geltenden Regeln auch außerhalb des Gesichtskreises der Eltern überzeugt haben. Vorliegend kann aber unentschieden bleiben, ob die Beklagte ihren Sohn ursprünglich in ausreichender Weise belehrt und instruiert hatte. Denn unstreitig fuhr der Sohn der Beklagten zum Zeitpunkt des Unfalles bereits seit über einem Jahr selbständig mit dem Fahrrad zur Schule. Dies gelang ihm offenbar problemlos, da es bis zum streitgegenständlichen Schadensereignis zu keinen Unfällen oder sonstigen Zwischenfällen während des Fahrradfahrens gekommen war. Mithin steht unabhängig von der Frage, in wieweit die Beklagte ihren Sohn zuvor konkret in die technische Handhabung eines Fahrrades eingeführt hat, zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ernsthafte Bedenken gegen die Beherrschung des Fahrrades durch den Sohn der Beklagten nicht bestehen mussten. Selbst wenn die Beklagte ihren Sohn überhaupt nicht in den konkreten Umgang mit dem Fahrrad eingewiesen hätte, war sie - nachdem dieser bereits über ein Jahr lang problemlos mit dem Fahrrad fuhr- nicht gehalten, weitere technische Instruktionen und Überwachungsmaßnahmen zu veranlassen. Mithin ist es der Beklagten nicht als Aufsichtpflichtverletzung vorzuwerfen, dass sie ihren Sohn unbeaufsichtigt mit dem Fahrrad fahren ließ.

6

Eine Haftung resultiert auch nicht daraus, dass die Beklagte ihren Sohn nicht hinreichend über die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften informiert hätte. Zum einen hat dieser nämlich im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Nordhorn angegeben, dass die Beklagte ihm die Straßenverkehrsschilder, wie Stoppschild und Vorfahrtsschild, erklärt habe. Darüber hinaus habe die Beklagte ihm auch gesagt, dass er nur dann mit einem Fahrrad fahren dürfe, wenn Bremsen und Lampen in Ordnung seien. Darüber hinaus hat der Sohn der Beklagten bekundet, auch von seinem Opa über die Verkehrsregeln unterrichtet worden zu sein. Schließlich fuhr der Sohn der Beklagten zum Unfallzeitpunkt bereits seit über einem Jahr eigenständig Fahrrad. Auf Grund dieser Umstände steht fest, dass er nicht nur über theoretische, sondern insbesondere auch über praktische Kenntnisse zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Straßenverkehr verfügte. Instruktionsmängel der Eltern sind insoweit nicht ersichtlich.

7

Zwar vermochte die Beklagte nicht zu beweisen, die Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften durch ihren Sohn wiederholt kontrolliert zu haben. Dies ist jedoch vorliegend unschädlich. Die Tatsache, dass der Sohn der Beklagten seit über einem Jahr unfallfrei und ohne Beanstandungen im Straßenverkehr teilnahm, ließ die Kontrollpflichten der Beklagten schwinden. Die Pflicht zur stichprobenhaften Überprüfung und Kontrolle der Einhaltung der erteilten Anweisungen nimmt nämlich in dem Maße ab, in dem der Aufsichtsbedürftige keinen Anlass zu weiterem Einschreiten bietet.

8

Unter den gegebenen Umständen ist es der Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie ihren Sohn allein am öffentlichen Verkehr teilnehmen ließ. Dieser war im Umgang mit dem Fahrrad geübt und es hatte bislang keine Zwischenfälle mit einem Fahrrad gegeben. Der Sohn der Beklagten wusste auch, dass er die Verkehrsvorschriften einzuhalten hatte. Dass er straßenverkehrsrechtswidrig ein Wettrennen auf der Straße veranstalten würde, mag zwar abstrakt denkbar gewesen sein; es war aber nicht in der Weise konkret vorhersehbar, dass die Beklagte irgendwelche weitergehenden Restriktionen gegenüber ihrem Sohn hätte verhängen müssen. Insbesondere war unter den gegebenen Umständen keine ständige, weitergehende Überwachung ihres Sohnes erforderlich. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Beklagte auch nicht gehalten war, der Zeugin A... entsprechende Instruktionen hinsichtlich der Beaufsichtigung ihres Sohnes zu erteilen. Eine Aufsichtspflichtverletzung ist mithin auch nicht darin zu sehen, dass es offenbar keine Absprache zwischen der. Beklagten und der Zeugin A... im Hinblick auf die Überwachung des Sohnes der Beklagten gegeben hat.

9

Schließlich ist zu beachten, dass es zum Erziehungsauftrag der Eltern und der elterlichen Sorge gehört, ein Kind zu eigenverantwortlichem Verhalten zu erziehen. Diesem Erziehungsziel würde es aber diametral entgegenwirken, verlangte man, dass ein nahezu Neunjähriger ständig überwacht wird. Ein Kind in diesem Alter darf jedenfalls unter den gegebenen Umständen beim Spielen mit seinen Spielkameraden auch im öffentlichen Verkehrsraum unbeaufsichtigt bleiben.

10

Eine Aufsichtspflichtverletzung der Beklagten ist nach alledem nicht ersichtlich. Damit war die Klage abzuweisen.

11

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.