Landgericht Osnabrück
Urt. v. 20.05.2005, Az.: 5 O 1065/05
Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen eine Stadt wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht; Sturz auf Grund eines scharfkantig gegeneinander abgesetzten Niveauunterschieds auf asphaltierten, plattierten oder gepflasterten Gehwegen
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 20.05.2005
- Aktenzeichen
- 5 O 1065/05
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32212
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2005:0520.5O1065.05.0A
Rechtsgrundlage
- § 247 BGB
Tenor:
Kein Schmerzensgeld bei Fall über eine 3 cm hoch stehende Gehwegplatte
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 30.10.2003 eine Haftung abgelehnt hat.
Die Klägerin behauptet, sie sei am 9.10.2003 gegen 17.15 Uhr auf dem Bürgersteig, der von der Burgstraße zum Schloßteich führt, in Richtung Schloßteich gegangen und gestürzt. Ursache sei gewesen, dass die dortigen Gehwegplatten uneben verlegt seien. Einige Gehwegplatten hätten etwa 3 cm hoch gestanden. Dies sei der Klägerin nicht erkennbar gewesen, da sich auf dem Bürgersteig Laub befunden habe. Durch den Sturz sei sie erheblich verletzt worden. Sie habe Hautabschürfungen im Gesicht und am rechten Unterarm erlitten. Wegen des Vorfalles habe sie mehrere Tage Kopfschmerzen und Schwindelgefühle gehabt. Die Handgelenksbeweglichkeit sei über mehrere Tage hinweg schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe deshalb ein Schmerzensgeld der Größenordnung von etwa 500,-- EUR zu.
Darüber hinaus sei durch den Sturz ihre Brille zerstört worden. Die Anpassung einer neuen Brille habe Kosten in Höhe von 184,44 EUR verursacht. Diesen Betrag sowie eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 20,-- EUR begehrt die Klägerin von der Beklagten ersetzt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld sowie einen Betrag von 204,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB auf den ausgeurteilten Betrag seit dem 1.11.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet den von der Klägerin behaupteten Vorfall mit Nichtwissen.
Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass die in Rede stehenden Niveaudifferenzen des Gehweges für einen nur einigermaßen aufmerksamen Verkehrsteilnehmer keine objektive Gefahrenstelle darstellen, die nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar wäre und auf die Fußgänger sich nicht einzurichten vermöchten. Da die Niveauunterschiede problemlos erkennbar gewesen seien, scheide eine Haftung der Beklagten bereits wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin aus.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder Blatt 4 und Blatt 18 der Akte.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Zahlung von Schmerzensgeld auf Grund einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Klägerin tatsächlich auf Grund einer ca. 3 cm herausragenden Gehwegplatte gestürzt ist. Zwar wird in der Rechtsprechung gelegentlich vertreten, bei scharfkantig gegeneinander abgesetzten Niveauunterschieden auf asphaltierten, plattierten oder gepflasterten Gehwegen ab 2 - 2,5 cm beginne grundsätzlich der Bereich von Unebenheiten, der wegen seines Höhenunterschiedes nicht mehr hingenommen werden könne und eine Pflicht zur Gefahrenbeseitigung für den Verkehrssicherungspflichtigen auslöse. Bei einem derartigen scharfkantigen Niveauunterschied bestehe die Gefahr, dass Fußgänger hierdurch zu Fall kommen könnten (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1987, 412, 413) [OLG Hamm 18.07.1986 - 9 U 328/85]. Es ist aber gleichsam anerkannt, dass eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausscheidet, wenn derjenige, der an einer solchen Kante zu Fall gekommen ist, auf Grund des konkreten Zustandes eines Weges die Gefahr bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit ohne weiteres hätte erkennen können (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1987, 412, 413 [OLG Hamm 18.07.1986 - 9 U 328/85]; OLG Hamm VersR 1991, 1415 [OLG Hamm 22.08.1989 - 9 U 318/88]). In diesem Fall ist es dem Benutzer des Weges zuzumuten, sich auf die Gefahr einzustellen.
So liegt es hier.
Ein Niveauunterschied von 3 cm ist bereits derart groß, dass er zumindest bei Tageslicht unschwer durch Fußgänger erkennbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Fußgänger - wie hier - nicht durch Schaufenster oder sonstige Gegebenheiten abgelenkt werden. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin den behaupteten Sturz ohne weiters vermeiden können. Dies zeigen die vom Gericht in Augenschein genommenen Lichtbilder. Auf ihnen ist die Unebenheit des Weges deutlich erkennbar. Das Verschulden der Klägerin ist im Rahmen einer Abwägung mit einer etwaigen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten als derart überwiegend zu qualifizieren, dass die Verantwortlichkeit der Beklagten demgegenüber zurücktritt.
Mithin war die Klage abzuweisen.