Landgericht Osnabrück
Urt. v. 02.05.2005, Az.: 2 O 304/05
Zahlung eines Verdienstausfallschadens anlässlich eines Verkehrunfallgeschehens; Ersatzanspruch des Arbeitgebers bei zeitweiligem unfallbedingten Ausfall eiens Arbeitnehmers; Mittelbar durch die Körperverletzung eines anderen eingetretener Vermögensschaden; Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters einer Fahrschule; Ersatzverpflichtung im Wege der Drittschadensliquidation; Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 02.05.2005
- Aktenzeichen
- 2 O 304/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 29797
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2005:0502.2O304.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 252 BGB
- § 823 BGB
- § 844 Abs. 2 BGB
- § 845 BGB
Redaktioneller Leitsatz
Wer durch die Verletzung eines anderen nur mittelbar in seinem Vermögen geschädigt wird, hat mit Ausnahme der §§ 844 Abs. 2, 845 BGB grundsätzlich keinen Ersatzanspruch. Der Arbeitgeber kann vom Schädiger keinen Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch den zeitweiligen unfallbedingten Ausfall des Arbeitnehmers entstanden ist.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat
auf die mündliche Verhandlung vom 18.04.2005
durch
den Richter am Landgericht Kaischer als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvoll Streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Leistung von Schadensersatz (Zahlung eines Verdienstausfallschadens) anlässlich eines Verkehrunfallgeschehens vom 19.02.2004.
Der Kläger betreibt eine Fahrschule. Zum Vorfallszeitpunkt befand sich der Fahrschulwagen mit dem amtlichen Kennzeichen ... gegen 16.45 Uhr im Einsatz und wurde von der Fahrschülerin ... gelenkt. Auf dem Beifahrersitz befand sich der bei dem Kläger angestellte Fahrschullehrer.... Die Fahrschülerin ... musste den Pkw verkehrsbedingt anhalten und der Versicherungsnehmer der Beklagten fuhr mit seinem Pkw auf das Heck des stehenden Fahrschulwagens auf.
Bei dem Verkehrsunfallgeschehen wurde der Fahrlehrer ... verletzt und konnte über einen Zeitraum von 18 Arbeitstagen seine Tätigkeit im Betrieb des Klägers nicht ausüben.
Mit der Klage begehrt der Kläger einen eigenen Verdienstausfallschaden, den er auf insgesamt 5.148,-- Euro brutto beziffert, ersetzt.
Der Kläger behauptet, in dem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit seines Mitarbeiters ... (19.02. bis 11.03.2004) seien sämtliche von diesem zu leistenden Fahrschulstunden bereits ausgebucht gewesen. Die Fahrschulstunden hätten aufgrund der abgeschlossenen Verträge nicht abgesagt werden können, da Prüfungen - insoweit unstreitig-bevor gestanden hätten. Er habe deshalb für seinen erkrankten Mitarbeiter einspringen und dessen Stunden übernehmen müssen. Dadurch sei ihm ein Verdienstausfall pro Tag in Höhe von 286,- Euro (11 Stunden ä 26,- Euro) entgangen, da er eigene mögliche Fahrstunden nicht habe geben können. Sein Verdienstausfall betrage mithin 5.148,- Euro, wobei dieser Betrag der Nettoreingewinn gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.148,- Euro nebst 5 Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 01.04.22004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Anspruch zu. Als nur mittelbar Geschädigter habe der Kläger keinen Ersatzanspruch.
Sie behauptet, der Kläger habe den behaupteten Schaden nicht nachvollziehbar dargelegt. Es fehle - so meint sie - an nachvollziehbarem substantiierten und nachprüfbaren Sachvortrag. Sie behauptet weiter, der Kläger habe nicht ansatzweise vorgetragen, welchen Gewinn er bei unterstellter Arbeitsfähigkeit seines Mitarbeiters ... erzielt hätte und welchen (alternativ) ohne Mitarbeit des Angestellten, und zwar bezogen auf den konkreten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit. Die Ausführungen zur Höhe des Schadens bestreitet die Beklagte, insbesondere einen Verdienstausfall in Höhe von 286,-- Euro täglich, ferner, dass der Kläger neben dem Angestellten ... 5.148,- Euro verdient hätte und in der fraglichen Zeit tatsächlich 198 Fahrstunden gegeben hätte. Des Weiteren meint die Beklagte, die Umsatzsteuer müsse sich der Kläger ohnehin anrechnen lassen. Schließlich behauptet sie, es sei davon auszugehen, dass der Kläger die von ihm selbst in der fraglichen Zeit gegebenen Fahrstunden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt habe und ihm deshalb ein Verdienstaus -fallschaden überhaupt nicht entstanden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die (zulässige) Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz eines ihm entstandenen eigenen Verdienstausfalls in Höhe von 5.148,- Euro zu.
Ein Anspruch ergibt sich nicht aus den Grundsätzen der so genannten Drittschadensliquidation.
Eine Ersatzverpflichtung im Wege der sog. Drittschadensliquidation setzt voraus, dass eine Schadensverlagerung stattgefunden hat. Das bedeutet, dass der Schaden, der typischerweise beim Erstberechtigten eintreten müsste, aufgrund eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Erstberechtigten und einem Dritten auf diesen verlagert wurde. Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es, da nicht etwa eine Schadensverlagerung angenommen werden kann, vielmehr sind zwei nebeneinander stehende Schäden entstanden, nämlich ein etwaiger Verdienstausfallschaden des Fahrlehrers ... sowie ein möglicher Verdienstausfallschaden des Klägers. Im Übrigen finden die Grundsätze der Drittschadensliquidation lediglich bei vertraglichen Ansprüchen Anwendung, ein Vertragsverhältnis besteht jedoch zwischen den Parteien nicht.
Ein Anspruch auf Ersatz des eigenen Verdienstausfallschadens des Klägers in Höhe von 5.148,- Euro ergibt sich auch nicht aus §§ 823, 252 BGB.
Im Hinblick auf die Körperverletzung des bei dem Kläger angestellten Fahrlehrers ..., die zu einer verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit geführt hat, kann der Kläger keine Ersatzansprüche herleiten. Wer durch die Verletzung eines anderen nur mittelbar in seinem Vermögen geschädigt wird, hat grundsätzlich keinen Ersatz -anspruch (vgl. Palandt-Heinrichs, 64. Aufl., Vorbemerkung vor § 249 Rnr. 109), es sei denn, die Bestimmungen der §§ 844 Abs. 2 und 845 BGB geben einen Anspruch auf Schadensersatz (wird ausgeführt).
Grundsätzlich aber kann der Arbeitgeber von dem Schädiger keinen Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch den zeitweiligen unfallbedingten Ausfall des Arbeitnehmers entstanden ist (vgl. BGH NJW 2003,1040,1041) [BGH 10.12.2002 - VI ZR 171/02].
Dies gilt auch im Hinblick auf eine mögliche Schadensersatzpflicht wegen des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Denn das Unfallgeschehen, welches zu einer Verletzung des Angestellten ... führte, stellt sich nach gefestigter Rechtsprechung nicht als ein unmittelbarer, betriebsbezogener Eingriff in den "Gewerbebetrieb" dar. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass der von der Rechtsprechung erarbeitete Deliktschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht in einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz für Gewerbebetreibende ausufern darf, die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwider laufen dürfe (vgl. BGH NJW 2003,1040,1041 [BGH 10.12.2002 - VI ZR 171/02] mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Deshalb bedarf es für eine sachgerechte Eingrenzung des Haftungstatbestandes des Erfordernisses eines unmittelbaren Eingriffs in dem Sinne, dass der Eingriff sich irgendwie gegen den Betrieb als solchen richtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne Weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft. Das Unfallgeschehen stellt sich nicht in diesem Sinne als betriebsbezogener Eingriff dar, davon kann nämlich nicht ausgegangen werden, wenn es zu Störungen im Betriebsablauf aufgrund eines schädigenden Ereignisses kommt, das in keinerlei Beziehung zu dem Betrieb steht, mag dadurch auch eine für das Funktionieren des Betriebs maßgebliche Person oder Sache betroffen sein. Insbesondere die Schädigung einer zum Betrieb gehörenden Person stellt danach keinen betriebsbezogenen Eingriff dar. Wer durch verkehrswidriges Verhalten einen Verkehrsunfall verursacht, kann dabei sowohl eine beliebige Privatperson als auch einen wichtigen Mitarbeiter eines Betriebs verletzen. Diese Verletzungshandlung kann jedermann treffen. Der Schädiger verletzt daher keine Verhaltenspflichten, die ihm gerade im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis eines Gewerbebetriebes obliegen (vgl. BGH NJW 2003,1040,1041) [BGH 10.12.2002 - VI ZR 171/02].
Ein Anspruch des Klägers in Höhe des geltend gemachten Verdienstausfallschadens ergibt sich auch nicht aus §§ 844 Abs. 2, 845 BGB.
Die Bestimmung des § 845 BGB setzt voraus, dass eine Dienstleistungspflicht kraft Gesetzes besteht, auf vertragliche oder tatsächliche Dienstleistungen ohne gesetzliche Verpflichtung findet diese Vorschrift keine Anwendung. Der verletzte Fahrlehrer... war für den Kläger als Dritten jedoch im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses tätig.
Schließlich ist für sämtliche genannten Anspruchsgrundlagen ferner festzustellen, dass der Kläger einen etwaigen ihm entstandenen Verdienstausfallschaden nicht schlüssig dargelegt hat. Darauf hatte bereits der Beklagtenvertreter mit seiner Klageerwiderung vom 22.02.2005 hingewiesen und ferner hat das Gericht mit Verfügung vom 01.03.2005 (Bl. 15 d.A.) nochmals darauf hingewiesen (§ 139 ZPO), dass Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage, insbesondere gegen die Höhe des geltend gemachten Anspruchs bestehen und hinsichtlich der Schadenshöhe ferner auf die Ausführungen in der Klageerwiderung aufmerksam gemacht werde. Durch den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 04.04.2005 sind die Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag nicht erfüllt worden. Die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der ... vom 10.03.2004 ist insoweit nicht ausreichend, aus ihr ergibt sich insbesondere nicht, ob die vom Kläger geltend gemachte Gesamtsumme den Brutto- bzw. Nettobetrag darstellt. Nach dem erteilten Hinweis hat der Kläger zwar darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Betrag der Nettoreingewinn sei, gleichwohl lässt sich aus dem Sachvortrag des Klägers nicht nachvollziehen, wie er zu einem täglichen Nettoreingewinn in Höhe von 286,- Euro gelangt. Dazu hätte es insbesondere näherer Darlegungen bedurft. Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof (NJW 2001, 1640, 1641) [BGH 06.02.2001 - VI ZR 339/99] darauf hingewiesen, bei der Feststellung des Erwerbsschadens eines selbstständig Tätigen sei es im Rahmen der §§ 252 BGB, § 287 ZPO in der Regel erforderlich und angebracht, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen.
Da dem Kläger bereits aus Rechtsgründen ein Anspruch auf die Leistung von Schadensersatz nicht zusteht, konnte die Klage insgesamt keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, während sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 711 Satz 1 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO herleitet.