Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.10.2002, Az.: 11 KN 4073/01

Berufsausübungsfreiheit; Festlegung; Kasernierung; Prostitution; Sperrbezirk; Sperrbezirksverordnung; Wohnungsbeschränkung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.10.2002
Aktenzeichen
11 KN 4073/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43775
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Gültigkeit einer Sperrbezirksverordnung

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin, die u.a. in ihrem Eigentum stehende Wohnungen gewerblich vermietet, wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die auf Art. 297 Abs. 1 Ziff. 3 EGStGB und § 2 Ziff. 1 b der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften vom 28. Juni 1999 i. V. m. §§ 54 ff. NGefAG gestützte Verordnung der Antragsgegnerin über das Verbot der Prostitution zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Teilbezirken der (beigeladenen) Stadt C. (Sperrbezirksverordnung) vom 16. Mai 2000.

2

Vorgänger dieser Verordnung war die - zuvor durch Zeitablauf außer Kraft getretene - Verordnung über das Verbot der Prostitution in Teilgebieten des Regierungsbezirkes C. vom 8. Dezember 1975 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk C. 1975, S. 507), die das Sperrgebiet im Gebiet der Beigeladenen in § 2 auf ein wesentlich kleineres Gebiet, nämlich im Wesentlichen auf das nördliche Gebiet der eigentlichen Innenstadt beschränkte. Die streitgegenständliche Verordnung umfasst hingegen ein weitaus größeres Gebiet und bezieht neben der Innenstadt auch große Teile der Stadtteile D., E., F., G., H. sowie des I. mit in das Sperrgebiet ein.

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Die Antragstellerin ist bisher Eigentümerin zweier im Sperrgebiet im Stadtteil D. an der Grenze zum Stadtteil E. befindlicher Häuser gewesen. Das Haus J. Straße beinhaltet sieben Wohnungen zur Größe von jeweils ca. 70 m², die bislang an Prostituierte zu einer Kaltmiete von 680 EUR vermietet gewesen sind. Im Haus J. Straße befand sich bislang im Erdgeschoss und im ersten Stock ein Privatclub mit Sauna, Whirlpool und Massagemöglichkeit, der zu einem Kaltmietpreis von 5.000 EUR vermietet gewesen ist; in der zweiten Etage sind sechs Zimmer an sechs Prostituierte vermietet gewesen, der Mietpreis hierfür ist nicht bekannt. Die beschriebene gewerbliche und z. T. wohnliche Vermietung ist die ausschließliche Nutzung der Objekte gewesen. Nach – unwidersprochen gebliebener – Mitteilung der Beigeladenen vom 21. Oktober 2002 befindet sich das Grundstück J. Straße inzwischen nicht mehr im Eigentum der Antragstellerin, da hinsichtlich dieses Grundstückes am 26. August 2002 die Zwangsversteigerung und am 15. Oktober 2002 der Verteilungstermin stattgefunden habe; inzwischen habe den Zuschlag eine neue Eigentümerin erhalten. Hinsichtlich des Grundstückes J. Straße habe am 21. Oktober 2002 ein Termin zur Zwangsversteigerung stattgefunden, Verkündungstermin in dieser Sache sei am 5. November 2002. Für dieses Grundstück sei dem Meistbietenden noch kein Zuschlag erteilt worden. Nach telefonischer Mitteilung des Amtsgerichtes C. vom 22. Oktober 2002 gegenüber dem Berichterstatter ist die Klägerin noch im Handelsregister eingetragen; einen Insolvenzantrag hat sie hiernach bisher nicht gestellt.

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Nach Mitteilung der Beigeladenen ist das Gebiet D., dem auch die J. Straße zuzuordnen ist, bauplanungsrechtlich als Mischgebiet festgesetzt. Die tatsächliche Nutzung ist hiernach überwiegend Mischgebiet bzw. Mischgebiet mit Tendenz zum allgemeinen Wohngebiet. Die Wohngebiete, die von der J. Straße stadtauswärts in süd-östlicher Richtung erschlossen sind, stellen von ihrer tatsächlichen Nutzung her ein allgemeines Wohngebiet mit Tendenz zum reinen Wohngebiet dar. In den Abschnitten J. Straße bis K. Straße und Großer L., wo sich auch die Objekte der Antragstellerin befinden, überwiegt die Kleingewerbenutzung. Das angrenzende Gebiet E., das sich von der J. Straße stadtauswärts gesehen auf der nord-östlichen Seite befindet, ist bauplanungsrechtlich als Gewerbegebiet festgesetzt; die tatsächliche Nutzung entspricht diesen Festsetzungen des Bebauungsplanes. Eine Ausnahme von der gewerblichen Nutzung befindet sich lediglich im Bereich M. Straße/Großer L. in Form einer Klein- bzw. Hofgartenansiedlung. In den Stadtgebieten E. und D. befinden sich Schulen, Kindergärten, Kirchen, einige Behörden und Institutionen, Sportplätze, das Naherholungsgebiet Stadtpark D. und der N. Waldzoo.

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Ausweislich einer Beschlussvorlage der Verwaltung der Beigeladenen an den Sozial- und Gesundheitsausschuss, den Verwaltungsausschuss sowie den Rat vom 11. November 1999 gingen zum damaligen Zeitpunkt bis zu 250 Personen in mehr als 100 Wohnungen der Prostitution nach. Neben einzelnen Wohnungen seien vielfach auch ganze Gebäude vollständig mit Prostituierten belegt. Häufig seien diese Objekte von einigen wenigen Vermietern ausschließlich für diesen Zweck aufgekauft und hergerichtet worden. Die Straßenprostitution spiele in C. in den letzten Jahren eine zu vernachlässigende Rolle, aktuell sei jedoch die Entwicklung eines Straßenstriches im Bereich des Bahnhofes festzustellen. Von der Prostitution in den vorhandenen Bordellen gingen keine beachtenswerten Probleme aus. Im Gegensatz dazu führe die Wohnungsprostitution häufig zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Nachbarschaft. Deshalb habe es von einigen der betroffenen Anwohner Proteste gegeben.

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Daraufhin trat die Beigeladene an die Antragsgegnerin mit der Bitte heran, eine entsprechende Sperrbezirksverordnung zu erlassen. In dem von der Beigeladenen vorgelegten Entwurf wurde die räumliche Begrenzung des neuen Sperrbezirkes im Einzelnen bezeichnet. Durch eine derartige Sperrbezirksregelung würden ca. 80 % aller für Zwecke der Prostitution genutzten Wohnungen erfasst. Enthalten seien damit diejenigen Bereiche, in denen eine Konzentration von Wohnungen, in denen der Prostitution nachgegangen werde, und damit ein erhöhtes Problempotential bestehe. Dieses Problem ergebe sich sowohl aus der räumlichen Nähe zu Schulen, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen als auch aus der Art der verdichteten Bebauung der betroffenen Stadtteile, der zum Teil multikulturellen Bevölkerungsstruktur sowie dem überproportionalen Anteil von Kindern und Jugendlichen. Eine kleinflächigere Begrenzung des Sperrbezirkes sei nicht möglich, da dann Bereiche ausgegrenzt werden müssten, bei denen gleichartige Strukturen vorlägen, so dass die Gefahr bestehe, dass hier kurzfristig ebenfalls Wohnungsprostitution entstehen könne. Es sei zu erwarten, dass der Gesamtproblemkreis deutlich zurückgehen und eine Verdrängung nur in geringem Umfange stattfinden werde. Nach der Stellungnahme der Polizeiinspektion C. -Stadt an die Beigeladene vom 9. April 1999 hätten die Polizei und die Stadtverwaltung durch eine Sperrbezirksverordnung die Möglichkeit, systematisch gegen die stark ausufernde Wohnungsprostitution mit all ihren Begleiterscheinungen wie Menschenhandel, Förderung der Prostitution, ausländerrechtliche Verstöße, Übertragen von Geschlechtskrankheiten bis hin zu HIV und anderen Infektionskrankheiten vorzugehen. Mit einer Verdrängung in andere Stadtteile sei in nur geringem Umfange zu rechnen. Durch permanente Kontrollen und eine damit einhergehende Verfolgung durch Ordnungswidrigkeiten- und Strafanzeigen werde die illegale Prostitutionsausübung insbesondere in Wohnungen zurückgehen. Ein Umschlagen von Wohnungsprostitution in Straßenprostitution sei nicht zu befürchten.

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In einer weiteren Stellungnahme an die Antragsgegnerin vom 18. April 2000 führte die Beigeladene Folgendes aus: Nach Aussagen der Polizei seien zur Zeit rd. 120 Wohnungen bekannt, in denen der Prostitution nachgegangen werde. Daher habe sich in den letzten sechs Monaten die Zahl der Wohnungen nochmals um 20 % erhöht. Entsprechend angewachsen sei auch die Zahl der der Wohnungsprostitution nachgehenden Personen, die bereits im November 1999 bei annähernd 250 gelegen habe. Damit habe C. mit Abstand weit mehr mit Wohnungsprostitution zu tun als andere Städte in O.. Die Probleme, die mit Wohnungsprostitution im Zusammenhang stünden, seien nur begrenzt vergleichbar mit denen, die durch Straßenprostitution ausgelöst würden. Die entsprechenden Wohnungen konzentrierten sich auf bestimmte Bereiche der Stadt, in ganz besonderem Maße gelte dieses für Teile des Stadtteils F., für Wohnquartiere südlich des Stadtteiles G. sowie eines Bereiches zwischen der südlichen Innenstadt und den Stadtteilen P. und D.. Es handele sich hierbei durchgängig um Bereiche mit hohem Wohnanteil und nicht um klassische Rotlichtbezirke. In diesen Wohnquartieren sei eine räumliche Nähe zu Schulen, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen vorhanden. Bei den Wohnquartieren handele es sich um solche mit in der Regel mittlerem oder auch niedrigerem Mietpreisniveau, der Anteil ausländischer Mitbürger unterschiedlicher Nationalitäten und Konfessionen sei genauso überproportional vertreten wie der von Kindern und Jugendlichen. Bei der Beachtung der Normzwecke des Art. 297 EGStGB müssten daher auch die zum Teil konservativeren Moralvorstellungen der in der jeweiligen Nachbarschaft wohnenden ausländischen Mitbürger berücksichtigt werden. Die Belange des Jugendschutzes würden nicht nur an einigen wenigen, von allen Beteiligten leicht zu erkennenden Örtlichkeiten, die demzufolge auch gemieden werden könnten, gefährdet. Wohnungsprostitution wirke sich großflächig aus und beginne im Einzelfall bereits im Treppenhaus vor der eigenen Wohnungstür.

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Daraufhin erließ die Antragsgegnerin die Sperrbezirksverordnung vom 16. Mai 2000 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Weser-Ems Nr. 21 vom 26. Mai 2000,S. 486). Nach

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§ 1 dieser Verordnung ist es verboten, innerhalb des in § 2 näher bestimmten Bereichs der Prostitution nachzugehen. Das Verbot gilt auch für die an die in § 2 genannten Straßen angrenzenden Grundstücke. Nach § 3 ist es darüber hinaus untersagt, in einem näher bezeichneten weiteren kleinen Bereich um den Hauptbahnhof auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen und Anlagen sowie an sonstigen Orten, die von dort eingesehen werden können, der (Straßen-)Prostitution nachzugehen. Dies gilt auch für die an den öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen und Anlagen gelegenen Hauseingänge, Einfahrten und Durchfahrten. § 4 enthält Hinweise auf § 120 OWiG und § 184 a StGB. Nach § 5 tritt die Verordnung am Tag nach ihrer Verkündung im Amtsblatt in Kraft und gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2002. 

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Am 12. Dezember 2001 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag mit dem Ziel, die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin für nichtig zu erklären. Die Antragstellerin meint, eine „Rechtmäßigkeitsteilung“ der insgesamt und unteilbar erlassenen Sperrbezirksverordnung sei nicht möglich. Ihr wirtschaftliches Interesse sei zwar auf die Stadtteile D. und E. begrenzt, ihr rechtliches Interesse beziehe sich aber auf die gesamte Verordnung. Daher sei ihr Normenkontrollantrag unbeschränkt zulässig.

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In der Sache trägt sie vor, dass die Sperrbezirksverordnung unwirksam sei, weil Art. 297 EGStGB wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG nichtig sei. Zudem sei die Sperrbezirksverordnung nicht durch die Ermächtigungsnorm des Art. 297 EGStGB gedeckt. Art. 297 EGStGB greife zum einen unzulässigerweise in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Berufsfreiheit der Prostituierten ein. Die Vorschrift verstoße aber auch gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit, gewerblich Wohnungen vermieten zu können. Gewerbliche Vermieter seien nicht verpflichtet, von sich aus eine Wertung der Tätigkeit ihrer Mieter in moralischer Hinsicht vorzunehmen. Bei der gewerblichen Wohnungsvermietung an Prostituierte handele es sich auch nicht um eine unerlaubte oder „schlechthin gemeinschaftsschädliche“ Tätigkeit. Durch die Sperrbezirksverordnung werde auch unzulässigerweise in  den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Prostituierten und der Wohnungsvermieter und somit in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht eingegriffen. Dieser Eingriff sei für das Allgemeinwohl nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege deshalb vor, weil der dort genannte Bereich des Sperrgebietes willkürlich gewählt sei. Alteingesessene Bars, bordellähnliche Betriebe und Clubs seien ausdrücklich von der Sperrbezirksverordnung ausgenommen. Eine Außenwirkung der sog. Wohnungsprostitution in räumlicher Nähe zu Schulen, Kindergärten, Heimen usw. sei entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ebenfalls nicht gegeben. Die entsprechenden Schutzgüter seien bereits hinreichend durch § 184 b StGB geschützt. Die Prostitution werde auch nicht auf eine Art und Weise betrieben, die den Erlass einer Sperrbezirksverordnung notwendig und wünschenswert erscheinen lasse. Die Verordnung greife damit in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ein, ohne dass dies durch die Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei. Auch dem Argument der Beigeladenen, bei der Interessenabwägung sei auf die Moralvorstellungen ausländischer Mitbürger abzustellen, könne nicht gefolgt werden. Zudem seien Art. 297 EGStGB und die Sperrbezirksverordnung ihrer Struktur nach nicht mit der Menschenwürde der Prostituierten und der Wohnungsvermieter im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar. Schließlich verstoße die Sperrbezirksverordnung auch deshalb gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Betreiber von Bars und bordellartigen Betrieben im Vergleich zu Betreibern von Wohnungsprostitution, die entweder der Prostitution nachgingen oder gewerblich für diese Zwecke Wohnungen vermieteten, bevorteilt würden. Denn durch § 2 der Verordnung seien alt eingesessene Bars usw. ausdrücklich von der Sperrbezirksverordnung ausgenommen. Weder im Stadtteil D. noch im Stadtteil E. seien reine Wohngebiete vorhanden oder geplant. Wenn die Antragsgegnerin diese Gebiete als Wohngebiete oder reine Wohngebiete beschränkt sehen wolle, müsse sie diese bauplanungsrechtlich entsprechend ausweisen, was aber gerade nicht geschehen sei.

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Die – in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene – Antragstellerin hat zuletzt schriftsätzlich beantragt,

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 die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2000 für nichtig zu erklären,

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hilfsweise, die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2000 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die Stadtteile D. und E. bezieht.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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 den Normenkontrollantrag abzulehnen.

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Sie vertritt die Auffassung, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag fehle, nachdem die beiden im Sperrgebiet gelegenen Grundstücke der Antragstellerin zwangsversteigert worden seien. Dessen ungeachtet sei der Normenkontrollantrag mit der von der Antragstellerin vorgetragenen Begründung zum Teil bereits unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet.

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Soweit die Antragstellerin meine, die Verordnung verstoße gegen Rechte der Prostituierten, sei der Antrag bereits unzulässig, weil sie nicht eigene Rechte geltend mache. Insoweit fehle es ihr am erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Dasselbe gelte, soweit sie meine, durch die Verordnung in Art. 1 GG verletzt zu sein; denn der Schutzumfang in Art. 1 GG erstrecke sich nicht auf juristische Personen des Privatrechtes.

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Die übrigen von der Antragstellerin vorgetragenen Grundrechtsverstöße seien nicht gegeben. Es sei bereits fraglich, ob die Antragstellerin einen Verstoß gegen Art. 12 GG, der sich konkret allenfalls aus § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ergeben könne, geltend machen könne. Die Prostitution gelte, auch wenn sie nicht verboten und strafbar sei, nach herrschender Meinung als eine sittenwidrige und in verschiedener Hinsicht sozialwidrige Tätigkeit. Deshalb habe das Bundesverwaltungsgericht bereits in einer früheren Entscheidung der Ausübung der Gewerbsunzucht den Schutz des Art. 12 GG wegen Gemeinschaftsschädlichkeit grundsätzlich versagt. Aber auch wenn man sich wegen der Änderung des Verständnisses der Sexualmoral und vor allem im Hinblick auf das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz dieser Meinung nicht anschließe, sondern auch die Ausübung der Prostitution sowie die gewerbsmäßige Vermietung von Wohnraum zu diesem Zweck grundsätzlich vom Schutz des Art. 12 GG erfasst ansehe, sei ein unzulässiger Eingriff in dieses Grundrecht durch die Sperrbezirksverordnung nicht erkennbar. § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung stelle hinsichtlich der gewerblichen Vermietung von Wohnraum zum Zwecke der Wohnungsprostitution eindeutig eine Berufsausübungsregelung dar, die zulässig sei, sofern sie auf sachgemäßen Erwägungen des Gemeinwohles beruhe. Der Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes gehörten zweifelsfrei zu solchen Aspekten des Gemeinwohles, die eine Einschränkung der gewerblichen Vermietung rechtfertigten.

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Die Sperrbezirksverordnung bewege sich auch in dem Rahmen, der durch die Verordnungsermächtigung in Art. 297 EGStGB vorgegeben sei. Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht sei die Wohnungsprostitution auch mit erheblich störender Außenwirkung verbunden. Dem Erlass der Sperrbezirksverordnung liege nämlich folgende Sachlage zugrunde: Nachdem in der Q. im Stadtteil D. im Jahre 1998 ein Haus (das seinerzeit ebenfalls im Eigentum der Antragstellerin gestanden habe) zum Bordell umfunktioniert worden sei, hätten sich die Belästigungen von Anwohnerinnen gehäuft, Kinder seien von Freiern angesprochen und junge Frauen seien beschimpft worden, Nachbarn seien nachts durch Lärm und Musik gestört worden. Ein unzulässiger Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht gegeben. Mit der angegriffenen Verordnung werde der Antragstellerin nämlich nicht generell verboten, den Wohnraum gewerblich zu vermieten, soweit er im Sperrbezirk liege. Sie sei lediglich vielmehr gehalten, Wohnraum nicht zum Zwecke der Prostitutionsausübung zu vermieten. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schütze nicht die gewerbliche Tätigkeit als solche. Art. 14 GG vermittle keinen Schutz vor Veränderungen der äußeren Gegebenheiten und situationsbedingten Erwerbschancen und –vorteile. § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung beinhalte eine Veränderung solcher äußeren Gegebenheiten und Erwerbschancen. Zudem stelle die auf Art. 297 EGStGB gestützte Sperrbezirksverordnung eine Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 3 GG dar. Art. 2 Abs. 1 GG sei gegenüber Art. 12 GG subsidiär. Eine Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. Soweit Bars und bordellartige Betriebe im Sperrbezirk lägen, unterfielen auch sie dem Verbot des § 1 der Verordnung. Lägen solche Betriebe dagegen außerhalb der in §§ 2, 3 der Verordnung näher beschriebenen Grenzen, ergebe sich keine Ungleichbehandlung im wesentlichen gleicher Sachverhalte, da diese Betriebe sich in den klassischen Rotlichtbezirken der Stadt C. befänden, die nicht vorwiegend dem Wohnen dienten.

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Die Beigeladene beantragt,

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den Normenkontrollantrag abzulehnen.

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Auch sie meint, dem Normenkontrollantrag fehle aufgrund der jetzigen Entwicklung hinsichtlich der beiden Grundstücke der Antragstellerin das Rechtsschutzinteresse. Im Übrigen schließt sie sich den Ausführungen der Antragsgegnerin an. Die Sperrbezirksverordnung habe Wirkung gezeigt. Es sei gelungen, die Wohnungsprostitution aus dem Sperrbezirk zurückzudrängen. Soweit die Prostituierten das Stadt- und Landkreisgebiet nicht verlassen hätten, verteilten sie sich nunmehr auf das gesamte Stadt- und Landkreisgebiet, ohne sich auf einzelne Wohnbezirke zu konzentrieren.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Es kann letztlich dahin stehen, ob er (insgesamt) zulässig ist (1.). Denn jedenfalls ist er in der Sache nicht begründet. Die angefochtene Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2000 ist rechtmäßig (2.).

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1. Der Senat hat Zweifel, ob der Normenkontrollantrag in jeder Hinsicht zulässig ist.

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Diese ergeben sich allerdings nicht daraus, dass die Antragstellerin nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks J. Straße 133 ist. Sie ist nämlich weiterhin Eigentümerin des ebenfalls im Geltungsbereich der streitbefangenen Verordnung gelegenen Grundstücks J. Straße 143. Zwar hat insofern ein Zwangsversteigerungsverfahren stattgefunden, doch ist noch kein Zuschlag erteilt worden.

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Fraglich ist aber, ob der Normenkontrollantrag unzulässig ist, soweit er sich nicht auf die Stadtteile D. und E. beschränkt sowie das in § 3 der Verordnung geregelte Verbot der Straßenprostitution betrifft. Zwar dient das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern auch einer objektiven Rechtskontrolle unabhängig von den Beanstandungen des jeweiligen Antragstellers. Der Prüfungsumfang wird jedoch durch die Reichweite des Rechtsschutzbedürfnisses des jeweiligen Antragstellers begrenzt (BVerwG, Beschl. v. 18.7.1989 - 4 N 3.87 -, BVerwGE 82, 225, 332 = NVwZ 1990, 157, 158; VGH Kassel, Beschl. v. 3.7.1995 - 11 N 1432/94 -, NVwZ-RR 1996, 84, 86). Der Antragstellerin ging es bisher nur um die weitere Nutzbarkeit der zwei im Sperrgebiet gelegenen Grundstücke J. Straße 133 und 143, die sich im Stadtteil D. an der Grenze zum Stadtteil E. befinden, zur Ausübung der Wohnungsprostitution. Sie hat dementsprechend auch ihren Hilfsantrag auf diese Stadtteile beschränkt. Gegen das Verbot der Straßenprostitution in § 3 der Verordnung hat sie keine Einwände erhoben. Würde auf ihren Normenkontrollantrag hin die Sperrbezirksverordnung umfassend, etwa auch im Hinblick auf denkbare Ausweichmöglichkeiten und im Hinblick auf das Verbot der Straßenprostitution, überprüft, würde ihr dies keinen rechtlichen Vorteil bringen. Diese Fragen lässt der Senat aber letztlich offen; denn der Normenkontrollantrag ist jedenfalls unbegründet (dazu näher unter 2.).

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Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.

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Bei der angegriffenen Verordnung handelt es sich im Range unter dem Landesgesetz stehendes niedersächsisches Landesrecht i. S. v. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 7 Nds. VwGG. Die Nachprüfung der Gültigkeit der Verordnung unterliegt nach inzwischen allgemeiner Meinung auch der Gerichtsbarkeit des Senats. Die mit der Normenkontrolle angegriffene Sperrbezirksverordnung ist eine Norm des öffentliches Rechts und nicht dem materiellen Strafrecht (so aber noch VGH Mannheim, Beschl. v. 29.7.1968 - I 760/65 -, NJW 1968,2076 [BVerwG 12.07.1968 - BVerwG VII C 48.66]) zuzuordnen (Sächs. OVG, Beschl. v. 15.12.1998 - 3 S 428/94 -, Sächs. VBl. 1999, 159 m. w. N.; VGH Kassel, Urt. v. 25.4.1983 - VIII OE 121/82 -, NJW 1984, 505, 506 [BVerwG 20.09.1983 - BVerwG 1 D 27.83]; so im Übrigen auch bereits VGH Mannheim, Urt. v. 16.8.1978 - I 2576/77 -, DÖV 1978, 848 [VGH Baden-Württemberg 16.08.1978 - I 2576/77]).

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Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt; sie kann im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch die Sperrgebietsverordnung insoweit in ihren Rechten verletzt zu sein, als diese auch das Gebiet als Sperrbezirk ausweist, in dem das derzeit noch in ihrem Eigentum stehende Grundstück J. Straße 143 liegt. Hierdurch wird sie faktisch und rechtlich gehindert, dieses Grundstück an Personen zu vermieten, die der Prostitution nachgehen. Es liegt auf der Hand, dass die Antragstellerin durch die Vermietung an Prostituierte wesentlich höhere Einnahmen erzielen kann als bei einer Vermietung zur ausschließlichen Wohnnutzung oder anderweitigen gewerblichen Nutzung. Durch die Sperrbezirksverordnung erleidet sie mithin wirtschaftliche Einbußen.

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Hingegen kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf tatsächliche oder vermeintliche Rechte und Grundrechte ihrer Mieterinnen, die in den Häusern der Prostitution nachgehen, berufen, weil § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausdrücklich die Geltendmachung der Verletzung gerade eigener Rechte voraussetzt.

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Die Zwei-Jahres-Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt.

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2. Der Normenkontrollantrag ist aber unbegründet. Art. 297 EGStGB ist mit höherrangigem Recht vereinbar (a) und die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin ist rechtmäßig (b).

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a) Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 EGStGB ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin mit höherrangigem Recht vereinbar.

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Unter dem Gesichtspunkt einer ausreichenden Bestimmtheit im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen keine Bedenken (vgl. hierzu BayVerfGH, Urt. v. 16.11.1982 - Vf. 26 - VII/80 u. a. -, NJW 1983, 2188; VGH Mannheim, Urt. v. 16.8.1978 - I 2576/77 -, DÖV 1978, 848,  849 [VGH Baden-Württemberg 16.08.1978 - I 2576/77], jeweils m. w. N.).

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Entgegen der Ansicht der Antragstellerin verstößt Art. 297 EGStGB auch nicht gegen die von ihr genannten Grundrechte. Unabhängig von der Frage, ob der Betrieb eines Bordells oder – wie hier – die gewerbliche Vermietung von (Wohn-)Räumen an Prostituierte zum Zwecke der Ausübung der Prostitution als „Beruf“ i. S. von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu verstehen ist (vgl. hierzu etwa VG Berlin, Urt. v. 1.12.2000 - 35 A 570/99 -, NJW 2001,983, 989 m. w. N.; Kurz, Prostitution und Sittenwidrigkeit, GewArch 2002, 142 ff.), ist die in Art. 297 EGStGB vorgesehene Möglichkeit des Erlasses einer Sperrgebietsverordnung von dem Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt. Da Art. 12 Abs. 1 GG ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit enthält, erstreckt sich der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG sowohl auf die Berufsausübung als auch auf die Berufswahl, wenn auch nicht in gleicher Intensität (Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rdnr. 40, 44). Bei der hier im Streit befindlichen Regelung handelt es sich um eine solche der Berufsausübung (VGH Kassel, Urt. v. 25.4.1983 - VIII OE 121/82 -, NJW 1984, 505, 50 [BVerwG 20.09.1983 - BVerwG 1 D 27.83]; VGH Mannheim, Urt. v. 16.8.1978 - I 2576/77 -, DÖV 1978, 848, 851; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 12 Rdnr. 51 unter Stichwort „Sperrbezirksregelung“). In die Freiheit der Berufsausübung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eingegriffen werden, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohl dies als zweckmäßig erscheinen lassen. Die Einschränkung der Prostitution durch die Festlegung von Sperrbezirken entspricht diesen Anforderungen (VGH Mannheim, Urt. v. 16.8.1978 - I 2576/77 -, DÖV 1978, 848, 851 [VGH Baden-Württemberg 16.08.1978 - I 2576/77]; VGH Kassel, Urt. v. 3.3.1983 - VIII N 5/81 -). Diese Einschätzung gilt auch weiterhin und zwar unabhängig von der Frage, ob die Ausübung der Prostitution nach der sich zwischenzeitlich herausgebildeten Überzeugung noch insgesamt als sittenwidrig angesehen werden kann. Insbesondere hat das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) hieran nichts geändert. Das Prostitutionsgesetz verfolgt vielmehr nach seinem Wortlaut, seiner Systematik, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte allein bestimmte zivil-, sozialversicherungs- sowie strafrechtliche Ziele, ohne weitere bisher bestehende gesetzgeberische Wertungen zu verändern (vgl. hierzu Kurz, a. a. O.; Armbrüster, Zivilrechtliche Folgen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten, NJW 2002, 2763 ff. [BGH 25.04.2002 - I ZR 250/00]). Europäisches Recht steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die entgeltlich ausgeübte Prostitution zwar als eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung angesehen werden; ob diese Dienstleistung jedoch sittenwidrig ist, bleibt der Bewertung durch den nationalen Gesetzgeber überlassen (EuGH, Urt. v. 20.11.2001 - Rechtss. C-268/99 -, GewArch 2002, 117 unter Ziffer 50 und 56 m. w. N.). Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich bei Art. 297 EGStGB um eine gesetzliche Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums handelt, die mit Art. 14 GG in Einklang steht (VGH Kassel, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, NVwZ-RR 1990, 472, 475). Unabhängig davon, ob Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG subsidiär ist, ist Art. 297 EGStGB auch von dem Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG gedeckt. Schließlich kann sich die Antragstellerin auch auf den Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG nicht berufen, da dieses Grundrecht bereits seinem Wesen nach auf juristische Personen  - die Antragstellerin ist eine GmbH –nicht anwendbar ist (Kunig, in: v. Münch/Kunig, a. a. O., Art. 1 Rdnr. 11).      

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b) Die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2000 ist formell-rechtlich (aa) und auch materiell-rechtlich (bb) rechtmäßig.

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aa) Die Sperrbezirksverordnung ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Nach Art. 297 Abs. 1 und 2 EGStGB i. V. m. § 2 Ziffer 1 b der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften vom 28. Juni 1999 (Nds. GVBl. 1999, S. 133) sind die Bezirksregierungen für den Erlass von Sperrgebietsverordnungen zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 des 8. Gesetzes zur Verwaltungs- und Gebietsreform vom 28. Juni 1977 (Nds. GVBl. S. 233). Die Antragsgegnerin hat im Ergebnis auch das in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG enthaltene Zitiergebot beachtet. Zwar hat sie in der Präambel der Sperrbezirksverordnung nur, und dies zudem ungenau, die Nr. 3 des Art. 297 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, die sich ausschließlich auf Straßenprostitution bezieht, nicht aber auch die Nr. 2 des Art. 297 Abs. 1 Satz 1 EGStGB zitiert. Dieses Versäumnis ist aber unschädlich, da durch das Zitat dem Zweck des § 80 Abs. 1 Satz 3 GG, das Auffinden der Ermächtigungsgrundlage und die Prüfung, ob der Verordnungsgeber sich im Rahmen der  Ermächtigung gehalten hat, zu ermöglichen (vgl. hierzu Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, 3. Aufl. 1996, Art. 80 Rdnr. 24), in hinreichendem Umfang Genüge getan wird. Die Verordnung ist schließlich im Amtsblatt des Regierungsbezirkes Weser-Ems vom 26. 5. 2000, S. 486 ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

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bb) Die Sperrbezirksverordnung ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerfrei. Sie hält sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 EGStGB, da sie in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage ergangen ist, die in der Ermächtigungsgrundlage enthaltenen Anforderungen an die räumliche Ausdehnung des Sperrgebiets berücksichtigt und nicht gegen das Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB verstößt. Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen Grundrechte der Antragstellerin gegeben.

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Nach Art. 297 Abs. 1 EGStGB kann durch Rechtsverordnung zum Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstandes die Ausübung der Prostitution für das Gebiet von Gemeinden, gestaffelt nach ihrer Einwohnerzahl, verboten werden. In einer Gemeinde mit

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– wie hier – mehr als 20.000 Einwohnern darf die Prostitution gemäß Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB nicht für das gesamte Gemeindegebiet, sondern nur für Teile dieses Gebietes verboten werden, und auch dies nur insoweit, als es zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes erforderlich ist. Innerhalb des Normzweckes besteht daneben die Möglichkeit eines Verbotes der Straßenprostitution für das gesamte Gebiet oder in Teilen des Gebietes einer Gemeinde gemäß Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB. Dem Verordnungsgeber sind in der Ermächtigung nach Art. 297 Abs. 1 Satz 1 EGStGB mithin sachliche und räumliche Grenzen gesetzt, die durch das Kasernierungsverbot in Art. 297 Abs. 3 EGStGB noch ergänzt werden. Unzulässig sind insbesondere Anordnungen, die im Ergebnis darauf zielen, dass praktisch im gesamten Gebiet einer Gemeinde von mehr als 20.000 Einwohnern die Prostitution untersagt wird. Die Sperrbezirke einer Gemeinde können jedoch so umfassend sein, dass das weit überwiegende Gebiet einer Gemeinde umfasst ist. Dies setzt allerdings voraus, dass nach der Struktur der Gemeinde und den besonderen Erscheinungsformen der Prostitution auf andere Weise der Normzweck nicht zu erreichen ist.

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Bei Erlass einer Sperrbezirksverordnung hat der Normgeber zunächst zu prüfen, ob die Norm hinsichtlich der in Rede stehenden Gebiete dem Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes dient. Eine konkrete Gefährdung oder Störung der zu schützenden Rechtsgüter ist hierbei jedoch nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass sich die Verordnung gegen Gefahren richtet, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens aus Handlungen oder Zuständen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehen und fortdauern. Bei der gerichtlichen Kontrolle, ob sich der Verordnungsgeber im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage bewegt, muss sich die Prüfung darauf beschränken, ob die Abwägungen und Wertungen des Verordnungsgebers sachlich vertretbar sind und mit der verfassungsrechtlichen Werteordnung in Einklang stehen. Soweit es um die Beurteilung des Abwägungsvorganges geht, ist bei der gerichtlichen Überprüfung der Verordnung von der Sach- und Rechtslage bei ihrer Bekanntgabe auszugehen (vgl. zu alledem etwa

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BayVGH, Urt. v. 24.6.1998 - 24 N 97.655 u. a. -, BayVBl. 1998, 723; VGH Kassel, Urt. v. 8.12.1992 - 11 N 2041/91 -, NVwZ-RR 1993, 294, 295 [OVG Hamburg 12.06.1992 - Bs VI 38/92] m. w. N. und Beschl v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, NVwZ-RR 1990, 472).

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Die Antragsgegnerin hat die angefochtene Sperrbezirksverordnung auf Anregung der Beigeladenen erlassen. Diese hat auf eine derartige Verordnung im Wesentlichen deshalb gedrängt, weil im Gegensatz zur Straßenprostitution, die aktuell nur im Bereich des Bahnhofes bestehe, die Wohnungsprostitution sich gerade in Gegenden mit hohem Wohnanteil mit in der Regel mittlerem und niedrigerem Mietpreisniveau und einem überproportionalen Anteil ausländischer Mitbürger unterschiedlicher Nationalitäten und Konfessionen sowie von Kindern und Jugendlichen immer mehr ausbreite. In diesen Wohngegenden bestehe eine räumliche Nähe der betreffenden Wohnungen zu Schulen, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen. Im Gegensatz zu den vorhandenen Bordellen ginge von der Wohnungsprostitution häufig eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Nachbarschaft aus. In diesem Zusammenhang hat die Beigeladene ferner nachvollziehbar dargelegt, dass Osnabrück einen höheren Anteil an  Wohnungsprostitution habe als andere vergleichbare niedersächsische Städte.

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Diese Darlegungen der Beigeladenen, die in Übereinstimmung mit der Auffassung der Polizeiinspektion stehen, die ebenfalls den Erlass der Sperrbezirksverordnung befürwortet hat, hat die Antragsgegnerin als Verordnungsgeber als eigene Erwägungen übernommen. Sie stimmen unter Berücksichtigung der insoweit nur eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfbarkeit mit dem Normzweck des Art. 297 EGStGB überein und lassen insbesondere den erforderlichen Bezug auf die gesetzliche Zweckbestimmung, den Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes, noch hinreichend erkennen.

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Die angegriffene Verordnung ist auch geeignet, den Zweck der Ermächtigung zu erreichen. Bei dem Sperrbezirk handelt es sich gerade nicht um ein gewachsenes Vergnügungsviertel mit hoher Prostitutionsdichte. Nur bei einem solchen gewachsenen Vergnügungsviertel sind die Anforderungen an die Ausweisung eines Sperrbezirkes deshalb höher, weil die Prostitutionsausübung in einem solchen Gebiet eher als diese Gegend prägend denn als störend empfunden wird. Angesichts der Entscheidung des Gesetzgebers, in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern die Prostitution grundsätzlich zuzulassen, kann der Normzweck des Art. 297 EGStGB jedoch dann nicht mehr als gewahrt und erreicht angesehen werden, wenn der Verordnungsgeber einen Bereich als Sperrgebiet ausweist, in dem der Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes aus tatsächlichen Gründen obsolet geworden ist. Ebenfalls als dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage zuwiderlaufend muss es angesehen werden, wenn infolge der Neuausweisung einer bisherigen faktischen Toleranzzone als Sperrgebiet bislang von der Prostitutionsausübung nicht betroffene und in nicht geringerem Maße schutzbedürftige Gemeindeteile in Mitleidenschaft gezogen und der Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes in diesen Teilen erstmals beeinträchtigt wird (VGH Kassel, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, NVwZ-RR 1990, 472, 473). Hiervon kann bei dem hier streitigen Sperrgebiet aber nicht ausgegangen werden. Es handelt sich nicht um ein gewachsenes Vergnügungsviertel mit einer traditionell hohen Prostitutionsdichte, vielmehr weisen die Stadtteile D. und E. einen großen Wohnanteil und daneben einen nicht unerheblichen Anteil an Kleingewerbenutzung aus. Hinzu kommt, dass sich in diesem Gebiet mehrere Schulen und Kindergärten befinden.

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Die von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen getroffene Prognose, es sei nicht zu erwarten, dass bislang von der Prostitutionsausübung nicht betroffene, aber in gleichwertigem Umfang schutzbedürftige Gebiete in Mitleidenschaft gezogen und die angesprochenen Schutzgüter in diesen Teilen erstmals beeinträchtigt würden, ist gerichtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beigeladene, deren Stellungnahme sich die Polizeiinspektion angeschlossen hat, hat hierzu ausgeführt, mit einer Verdrängung in andere Stadtteile sei in nur geringem Umfang zu rechnen. Anhaltspunkte, die diese Sichtweise ernsthaft in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar sind in den überwiegenden Teilen des außerhalb des Sperrgebietes gelegenen Stadtgebietes entweder allgemeine und reine Wohngebiete festgesetzt, die ebenso schutzwürdig sind, oder es bestehen Gemeinbedarfsflächen, auf denen die Ausübung der Prostitution von vornherein nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus verbleiben aber noch in einem nennenswerten Umfang nicht in gleichem Maße schutzbedürftige und über das ganze Stadtgebiet verteilte Gebiete, die als Industrie- und Gewerbegebiete oder Sondergebiete mit gewerblicher Nutzung festgesetzt und genutzt werden, und die als Ausweichstandorte für die Ausübung der Prostitution in Betracht kommen. Im Einzelnen sind dies Gebiete in den Stadtteilen G., R., E., S., P. sowie T.. Diese Prognose ist nicht zuletzt durch die tatsächliche Entwicklung im Stadtgebiet der Beigeladenen und im Gebiet des Landkreises C. seit Erlass der Sperrbezirksverordnung bestätigt worden. Nach den Ausführungen des Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung hat die Sperrbezirksverordnung Wirkungen gezeigt. Ein Teil der Prostituierten habe den Landkreis verlassen und sei in Richtung Ruhrgebiet gezogen, ein kleinerer Teil habe Wohnung außerhalb der Stadt, aber innerhalb des Landkreises genommen. Soweit die Prostituierten im Stadtgebiet geblieben seien, seien sie in Objekte gezogen, die sich im Außenbereich oder in gewerblich genutzten Gebieten befänden. In der J. Straße und der U. Straße werde inzwischen keine Wohnungsprostitution mehr betrieben. Die Prostituierten verteilten sich über das gesamte Stadtgebiet und konzentrierten sich nicht auf einzelne Wohnbezirke.

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Die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin kann auch nicht deshalb als ungeeignet zur Erreichung des Normzwecks angesehen werden, weil mit ihr bezogen auf den Bereich des Bahnhofsviertels und der übrigen außerhalb des Sperrgebietes gelegenen klassischen Rotlichtviertel kein umfassender Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes sichergestellt wird. Zwar verbietet § 3 der Verordnung in dem Gebiet um den Bahnhof nur die Straßenprostitution, während die Bordell- und Wohnungsprostitution hier weiterhin zugelassen wird. Außerhalb des Sperrgebietes liegen auch weitere Bordelle in Wohngegenden. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Ob und in welchem Umfang der Verordnungsgeber tätig werden will, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, sofern er seine Erwägungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der ermächtigenden Norm ausrichtet. Es ist deshalb anerkannt, dass der Verordnungsgeber bei dem Erlass einer Sperrgebietsverordnung nicht von den in der Ermächtigungsnorm aufgezeigten Möglichkeiten vollständig Gebrauch machen muss, sondern sich darauf beschränken kann, die Ermächtigung nur teilweise in Anspruch zu nehmen (VGH Kassel, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, NVwZ-RR 1990, 472, 474 m. w. N.). Etwas anderes kann auch nicht deshalb gelten, weil die Bordell-/Wohnungsprostitution und die Straßenprostitution bzw. die Bordell-/Straßen- prostitution und die Einzelprostitution in einem solchen inneren Zusammenhang stünden, dass die Reglementierung des einen Bereiches den Verordnungsgeber zugleich zu einer bestimmten Regelung auch in dem anderen Bereich zwingen würde. Ein solcher innerer Zusammenhang zwischen den aufgezeigten verschiedenen Erscheinungsformen der Prostitution besteht gerade nicht, wie sich insbesondere daran zeigt, dass schon der Gesetzgeber zwischen der Straßenprostitution und den übrigen Formen der Prostitutionsausübung differenziert. Im Übrigen hat es der Gesetzgeber vermieden, dem Verordnungsgeber ein starres Reglementierungskonzept aufzuzwingen. Vielmehr sollte dem Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt werden, um ihm die Möglichkeit zu geben, die örtlichen Besonderheiten in der jeweiligen Gemeinde zu berücksichtigen (VGH Kassel, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, a. a. O.). Von diesem Gestaltungsspielraum hat die Antragsgegnerin vorliegend in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

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Die Sperrbezirksverordnung berücksichtigt auch die in der Ermächtigungsgrundlage enthaltenen Anforderungen an die räumliche Ausdehnung des Sperrgebiets und verstößt insbesondere nicht gegen das Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EBStGB. In einer Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern darf die Ausübung der Prostitution nur für Teile des Gemeindegebietes verboten werden. Hieraus folgt einerseits, dass eine Sperrgebietsregelung unzulässig ist, die dazu führt, dass faktisch für das gesamte Gebiet einer solchen Gemeinde die Ausübung der Prostitution verboten ist. Andererseits ist die Verordnungsermächtigung ersichtlich so weit gefasst, dass der Verordnungsgeber in die Lage versetzt werden soll, die für erforderlich gehaltenen Sperrgebietsregelungen den örtlichen Gegebenheiten und der Struktur des jeweiligen Gemeindegebietes anzupassen. Sofern bei der Struktur des Gemeindegebietes der Normzweck nicht anders erreicht werden kann, darf auch der weitaus überwiegende Teil des Gemeindegebietes zum Sperrgebiet erklärt werden. Ein bestimmter prozentualer Mindestanteil am gesamten Gemeindegebiet oder eine bestimmte Mindestgröße des Gebietes, in der Prostitution zugelassen werden muss, lässt sich der Ermächtigungsnorm nicht entnehmen (VGH Kassel, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, a. a.O. m. w. N.). Diesen Maßstäben wird die Sperrbezirksverordnung der Antragsgegnerin gerecht. Die Beigeladene hat hierzu ausgeführt, eine kleinflächigere Begrenzung des Sperrbezirkes sei nicht möglich, da dann Bereiche ausgegrenzt werden müssten, bei denen gleichartige Strukturen vorlägen und bei denen die Gefahr bestünde, dass hier kurzfristig ebenfalls Wohnungsprostitution entstehe. Wie bereits ausgeführt, verbleiben noch genügend (Industrie- und Gewerbe-)Gebiete übrig, in denen die Ausübung der Wohnungsprostitution weiterhin zulässig ist und bleibt. Hinzu kommt, dass die Ausübung der Wohnungsprostitution im Bahnhofsviertel nach § 3 der Verordnung nach wie vor zulässig ist. In diesen Gebieten ist die Ansiedlung von Bordellen und die Ausübung der Wohnungsprostitution auch (bauplanungs-)rechtlich grundsätzlich zulässig (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, NJW 1984, 1574; Beschl. v. 28.6.1995 - 4 B 137/95 -, NVwZ-RR 1996, 84; VGH Mannheim, Beschl. v. 9.8.1996 - 8 S 1987/96 -, NVwZ 1997, 601). Ob in diesen Gebieten in tatsächlichem Umfang genügend Wohnungen, die bisher anderweitig genutzt werden, zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stehen oder stehen werden, ist demgegenüber nicht entscheidend. Der Verordnungsgeber kann auf die Eigentumsverhältnisse außerhalb des Sperrgebietes nur sehr eingeschränkt Rücksicht und Einfluss nehmen, so dass ihm eine Garantenstellung gegenüber möglichen Vermietern und Betreibern von Prostituiertenwohnungen und bordellähnlichen Betrieben nicht zukommt (VGH Kassel, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 -, NVwZ-RR 1990, 472, 475 m. w. N.).

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Die Verordnung verstößt auch nicht gegen das Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB. Hiernach sind Beschränkungen verboten, die dazu führen, dass die Ausübung der Prostitution auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks beschränkt wird. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann nur dann festgestellt werden, wenn entweder die Ausweisung der Toleranzzonen in einer Weise erfolgt, dass die Ausübung der Prostitution auf wenige Straßenzüge oder Häuserblocks beschränkt wird, oder wenn zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Verordnung ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass aus tatsächlichen Gründen mit einer Konzentration der Prostitution auf nur wenige Straßenzüge oder Häuser zu rechnen ist. Hiervon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Die Toleranzzonen hinsichtlich der Wohnungs- und Bordellprostitution sind nicht an einem Ort (etwa dem Bahnhofsviertel des § 3 der Verordnung) konzentriert, sondern über das gesamte Stadtgebiet verteilt und auch von der Größe her in der Lage, den vorhandenen Bestand an Prostituierten aufzunehmen. Auch hinsichtlich der aufgezeigten tatsächlichen Gründe bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar ist wegen der Innenstadtlage und weil es sich um ein traditionelles Prostituiertengebiet handelt, im Bahnhofsviertel mit einer Zunahme der Wohnungsprostitution zu rechnen. In diesem Bereich werden aber nur wenige Grundstücke und Wohnungen zur Errichtung von Bordellen und zur Ausübung der Wohnungsprostitution zur Verfügung stehen. Daher konnte die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgehen, dass keineswegs sämtliche Prostituierte, die bisher im jetzt ausgewiesenen Sperrgebiet der Wohnungsprostitution nachgehen, ihre Tätigkeit ins Bahnhofsviertel verlagern werden. Vielmehr war bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung auch mit einer Ansiedlung dieser Prostituierten in den übrigen in Betracht kommenden Gebieten zu rechnen. Diese Prognose ist – wie bereits ausgeführt – im Übrigen durch die tatsächliche Entwicklung bestätigt worden.

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Der Einwand der Antragstellerin, die Stadtteile D. und E. seien planungsrechtlich nicht als allgemeines oder reines Wohngebiet ausgewiesen, so dass die Sperrbezirksverordnung schon deshalb nichtig sei, greift nicht durch. Die Antragstellerin übersieht bei dieser Argumentation, dass es sich bei einer Sperrbezirksverordnung und bei der Frage, ob ein Bauvorhaben oder die Nutzung eines Bauwerkes baurechtlich zulässig ist, um getrennte Regelungsbereiche handelt (BVerwG, Beschl. v. 28.6.1995 - 4 B 137/95 -, NVwZ-RR 1996, 84). Deshalb kann eine gewerbsmäßige Prostitution zwar bauplanungsrechtlich zulässig, aber gleichwohl nach der Sperrbezirksverordnung unzulässig sein, wie sie auch umgekehrt zwar nach der Sperrgebietsverordnung zulässig, aber gleichwohl bauplanungsrechtlich unzulässig sein kann.

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Die Sperrbezirksverordnung verletzt auch der Antragstellerin zustehende Grundrechte nicht. Hinsichtlich der Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG gilt das oben zur Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 EBStGB Gesagte entsprechend. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht gegeben. Soweit Bars und Bordelle innerhalb des Sperrgebiets des § 2 der Verordnung gelegen sind, unterfallen auch sie der Verordnung. Lediglich soweit derartige Betriebe im Bahnhofsviertel des § 3 der Verordnung oder außerhalb des Sperrgebietes liegen, werden sie gegenüber den Bordell- und sonstigen Betrieben, die sich innerhalb des Sperrgebietes des § 2 der Verordnung befinden und die Bordell- und Wohnungsprostitution betreiben, bevorzugt. Denn im Gebiet des § 3 ist (im Gegensatz zum Gebiet des § 2) nur die Straßenprostitution, nicht aber die Bordell- und Wohnungsprostitution verboten. Hierin liegt aber keine Ungleichbehandlung, da es sich insoweit um nicht identische Sachverhalte handelt. Wie bereits oben ausgeführt, stehen die Bordell- und Wohnungsprostitution einerseits und die Straßenprostitution andererseits nicht in einem derartigen inneren Zusammenhang, dass die Reglementierung in beiden Bereichen immer gleich sein muss.