Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.09.2012, Az.: 5 ME 121/12

Anspruch eines Beamten gegenüber dem Dienstherrn auf Zuweisung von Beförderungsstellen ausschließlich zu seinem Dienstbereich oder auf dienstbereichsübergreifende Vergabe aufgrund von Beförderungsranglisten; Verteilung von Beförderungsstellen auf sog. Beförderungskreise innerhalb einer Behörde

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2012
Aktenzeichen
5 ME 121/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 23872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0917.5ME121.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 22.05.2012 - AZ: 1 B 4/12

Fundstellen

  • DÖD 2012, 279-280
  • NordÖR 2013, 342
  • RiA 2012, 264-266
  • ZBR 2013, 69

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Beamter hat keinen Anspruch darauf, dass der Dienstherr Beförderungsstellen ausschließlich seinem Dienstbereich zuweist oder dienstbereichsübergreifend aufgrund von Beförderungsranglisten vergibt.

  2. 2.

    Maßnahmen der Planstellenbewirtschaftung (hier: Verteilung von Beförderungsstellen auf sogen. Beförderungskreise innerhalb einer Behörde) stehen im weiten verwaltungs- und organisationspolitischen Ermessen des Dienstherrn, auch wenn sie einer an Eignung und Leistung orientierten Auswahlentscheidung vorausgehen.

  3. 3.

    Die Planstellenbewirtschaftung ist deshalb nicht am Maßstab einer Eignungs- und leistungsbezogenen Auswahlentscheidung zu messen, sondern auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt.

Gründe

1

Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Auswahl der Beigeladenen für eine Planstelle der Besoldungsgruppe (BesGr.) A 13 BBesO. Sie ist seit dem 26. Januar 2004 Bauamtsrätin (BesGr. A 12 BBesO) und hat seit dem 15. August 2005 den nach BesGr. A 13 BBesO bewerteten Dienstposten der Leiterin der Autobahnmeisterei D. inne.

2

Die Antragsgegnerin erhielt aufgrund von Stellenanhebungen im Haushaltsplan zwei Beförderungsmöglichkeiten (Planstellen) nach BesGr. A 13 BBesO und beabsichtigt, diese in Anwendung ihres Beförderungskonzepts zu besetzen. Dabei werden die zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen zunächst auf sogenannte Beförderungskreise verteilt; innerhalb der Beförderungskreise erfolgt sodann eine leistungsbezogene Auswahl zwischen denjenigen Beamten, die die laufbahnrechtlichen und die übrigen Voraussetzungen einer Beförderung erfüllen.

3

Diesem Konzept entsprechend wies die Antragsgegnerin die eine der zur Verfügung stehenden Planstellen dem Beförderungskreis C zu, dem die Antragstellerin zugeordnet ist; die andere Planstelle wies sie dem Beförderungskreis B zu, dem die Beigeladene angehört. Aufgrund der letzten Beurteilungen wählte die Antragsgegnerin sodann unter ausschärfender Betrachtungsweise für die dem Beförderungskreis B zugewiesene Stelle die Beigeladene und für die dem Beförderungskreis C zugewiesene Stelle den Beigeladenen in dem Verfahren zu Az. 5 ME 122/12 aus.

4

Den Antrag der Antragstellerin,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu untersagen, die Beförderungsstelle nach A 13 BBesO bei der Antragsgegnerin mit der Beigeladenen zu besetzen und die Ernennungsurkunde auszuhändigen, bevor nicht über die gegen die Auswahlentscheidung erhobene Klage der Antragstellerin vom 23. Januar 2012 zum Aktenzeichen 1 A 1152/12 rechtskräftig entschieden ist,

5

hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Mai 2012 abgelehnt.

6

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, mit der sie geltend macht, die Bildung der Beförderungskreise sei insgesamt rechtswidrig. Sie führe zum Ausschluss einzelner potentieller Bewerber um Beförderungsstellen und greife damit der Auswahlentscheidung vor, ohne nach den Kriterien der Eignung und Leistung zu differenzieren. Die von der Antragstellerin für die Bildung der Beförderungskreise herangezogenen Kriterien seien willkürlich, die Beförderungskreise in sich inhomogen. Selbst wenn die Bildung von Beförderungskreisen zulässig sei, habe die Antragsgegnerin die Stelle fehlerhaft dem Beförderungskreis B zugewiesen, weil sie bei der Ermittlung des Beförderungsbedarfs zu Unrecht eine Neubewertung zahlreicher Dienstposten und mehrere für eine Beförderung in Frage kommende Beamte nicht berücksichtigt habe.

7

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

8

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 22. Mai 2012 hat keinen Erfolg.

9

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

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1. Nachdem die Antragstellerin den Einwand, ihre dienstliche Beurteilung sei zu ihren Lasten rechtswidrig, nicht mehr aufrecht erhält, begründet auch ihr weiterer Einwand, die Bildung sogenannter Beförderungskreise sei insgesamt rechtswidrig, keinen Anordnungsanspruch, sondern steht einem solchen Anspruch nachgerade entgegen. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin unter Verzicht auf die Bildung von Beförderungskreisen die Antragstellerin in ein zentrales, ausschließlich leistungsbezogenes Auswahlverfahren um die streitgegenständliche Beförderungsstelle einbeziehen würde, hätte diese gegenüber der besser beurteilten Beigeladenen das Nachsehen.

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2. Auch der weitere Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe die hier streitgegenständliche Beförderungsstelle unter fehlerhafter Anwendung der Maßstäbe des eigenen Konzepts dem Beförderungskreis B zugewiesen, begründet - selbst bei isolierter Betrachtung - keinen Anordnungsanspruch der Antragstellerin.

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Die Zuweisung der zweiten Planstelle zu dem Beförderungskreis B, auf die die Antragstellerin hier Einfluss zu nehmen versucht, berührt sie nicht in ihren Rechten. Bei der Stellenzuweisung handelt es sich - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - um eine Maßnahme der Planstellenbewirtschaftung. Als solche steht sie in einem weiten organisations- und verwaltungspolitischen Ermessen der Antragsgegnerin, das sich von dem bei einer Auswahlentscheidung zu beachtenden Auswahlermessen grundlegend unterscheidet (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.9.2010 - 5 ME 156/10 -, [...] Rn. 11). Einem Anspruch der Antragstellerin auf fehlerfreie Ausübung dieses Organisationsermessens steht dabei entgegen, dass dieses Ermessen nicht primär dem Interesse der Antragstellerin zu dienen bestimmt ist, sondern an dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Aufgabenerfüllung ausgerichtet ist. Die mittelbar-tatsächliche Begünstigung durch den Zugang zu Beförderungsmöglichkeiten reicht für die Begründung eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht aus.

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Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Beförderungskonzepts nach der Zuweisung der Stellen zu den Beförderungskreisen ein Auswahlverfahren unter Berücksichtigung des Leistungsprinzips durchführt. Die Zuweisung der Stellen zu den Beförderungskreisen wird hierdurch nicht zu einer Auswahlentscheidung, sondern bleibt eine Maßnahme der Planstellenbewirtschaftung mit den ihr eigenen Rechtmäßigkeitsanforderungen. Selbst die nachfolgende Bestenauslese bei der Beförderung soll in erster Linie dem öffentlichen Interesse an der Aufgabenerfüllung dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.1992 - BVerwG 6 P 32.90 -, [...] Rn. 23).

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Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand der Antragstellerin, die Zuweisung der Stellen stelle eine Vorentscheidung über den Kreis der für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten dar. Mit jeder dezentralen Form der Planstellenbewirtschaftung geht ein gewisser Ausschluss von potentiellen Bewerbern einher. Ein solcher Ausschluss ist jedoch zulässig, solange die Stellenzuweisung sachgerechten Kriterien folgt und nicht zu einem willkürlichen Ausschluss Einzelner führt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 19.12.1995 - 5 M 7168/95 -, [...] Rn. 9). Weder aus den Prinzipien der Eignung und Leistung noch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn folgt dagegen eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, Beförderungsstellen ausschließlich anhand zentraler, dienststellenübergreifender Beförderungslisten zu vergeben.

15

Dass die Zuweisung der streitgegenständlichen Beförderungsstelle sachwidrigen Kriterien folgt oder bewusst zum Nachteil der Antragstellerin manipuliert ist, ist weder mit dem Beschwerdevorbringen dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Zielsetzung der Antragsgegnerin, die Stellen im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Beförderungsstellen im Dienstbereich der Antragsgegnerin grundsätzlich nach einem zu ermittelnden "Beförderungsbedarf" zu verteilen, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Auch die Unterscheidung in technisches Personal des Innendienstes (Kreis A), Verwaltungspersonal (Kreis B) und technisches Personal des Außendienstes (Kreis C) ist nicht offenkundig sachwidrig, weil die Kreise hinsichtlich ihrer Aufgaben untereinander hinreichend differenziert und in sich wiederum hinreichend vergleichbar sind.

16

Mit den im Hinblick auf die Rechengrundlage und den Rechenweg gegen die Ermittlung des Beförderungsbedarfs erhobenen Einwänden legt die Antragstellerin ein Zahlenwerk vor, das zwar aus ihrer Sicht zweckmäßiger und eher sachgerecht sein mag, bei objektiver Betrachtung aber bewusste Manipulationen zu Lasten der Antragstellerin oder ersichtlich sachwidrige Kriterien nicht erkennen lässt.

17

So will die Antragstellerin eine Beförderungs-"Quote" aufgrund der Zahl der tatsächlich nach BesGr. A12 BBesO bzw. nach BesGr. A 13 BBesO besoldeten Stellen ermitteln, während die Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bei der Ermittlung des Beförderungsbedarfs nur jene Beamten berücksichtigt hat, bei denen eine Beförderung laufbahnrechtlich und im Hinblick auf die zukünftige Wahrnehmung eines nach BesGr. A 13 BBesO bewerteten Dienstpostens in Betracht kommt und die nicht bereits nach BesGr. A 13 oder A 13 Z BBesO besoldet werden. Die hiergegen erhobenen Einwände der Antragstellerin beschränken sich auf pauschales Bestreiten der tatsächlichen Umstände mit Nichtwissen und geben keinen Anhalt dafür, dass die Antragsgegnerin bewusst manipulativ oder offenkundig sachwidrig entschieden hat.

18

Bei der Berechnung des Bedarfs betrachtet die Antragstellerin das Verhältnis zwischen den nach BesGr. A 13 BBesO bewerteten, aber nach BesGr. A 12 BBesO besoldeten Stellen einerseits und den nach BesGr. A 13 BBesO besoldeten Stellen andererseits, während die Antragsgegnerin die prozentuale Verteilung der Beförderungsstellen aus der Differenz zwischen dem jeweiligen Anteil der auf den Beförderungskreis entfallenden nach BesGr. A 13 BBesO bewerteten Dienstposten und dem Anteil der in dem jeweiligen Beförderungskreis bereits nach BesGr. A 13 BBesO besoldeten Stellen ermittelt. Dieser Rechenweg der Antragsgegnerin ist zwar denkbar kompliziert, ergibt aber im Vergleich zur Rechenweise der Antragstellerin weder erkennbar sachwidrige oder willkürliche noch - ausgehend von der Zahlengrundlage der Antragsgegnerin - auch nur von der Berechnung der Antragstellerin abweichende Ergebnisse.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil diese keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht einem prozessualen Unterliegensrisiko ausgesetzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.3.2006 - BVerwG 6 B 81.05 -, [...]).

20

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Die Höhe des Streitwerts folgt aus § 40, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 und Satz 1 Nr. 1 GKG und setzt sich zusammen aus dem 6,5-fachen des Endgrundgehalts nach BesGr. A 13 BBesO in der seit 1. März 2012 maßgeblichen Höhe (4.745,82 Euro); der sich ergebende Gesamtwert von 30.847,83 Euro ist für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu halbieren (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 6.10.2011 - 5 OA 322/11 - ).