Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.11.2017, Az.: 8 Sa 672/17

Zuschlagspflichtige Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigung in der Systemgastronomie

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
06.11.2017
Aktenzeichen
8 Sa 672/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 46906
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 31.05.2017 - AZ: 2 Ca 78/17
nachfolgend
BAG - 19.12.2018 - AZ: 10 AZR 617/17

Amtlicher Leitsatz

Zuschlagspflichtige Mehrarbeit im Sinne von § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV Systemgastronomie ist auch bei Teilzeitbeschäftigten mit vereinbarter Jahresarbeitszeit nur diejenige Arbeitsleistung, die über die von Vollzeitbeschäftigten hinausgeht.

Das ergibt die Auslegung nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Sinn und Zweck sowie die Systematik der Tarifnormen unterstützen das Auslegungsergebnis.

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 31. Mai 2017 - 2 Ca 78/17 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Mehrarbeitszuschlags.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. August 2013 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28 Stunden beschäftigt. Sein letzter Bruttostundenlohn betrug 9,10 Euro. Der Kläger nimmt am Jahresarbeitszeitmodell teil. Nach diesem wird für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September eines jeden Kalenderjahres ein Jahresarbeitszeitkonto geführt. Bei dessen Abrechnung im Jahre 2016 ergab sich für den Kläger ein Plussaldo von 289,86 Stunden. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für die Systemgastronomie im Bundesverband Anwendung, auf die Bezug genommen wird und die - soweit vorliegend von Belang - zu §§ 4 und 5 MTV für die Systemgastronomie vom 1. Januar 2015 (im Folgenden: MTV) folgenden Wortlaut haben:

§ 4 Arbeitszeit

1. Regelmäßige Arbeitszeit

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt, ausschließlich der Pausen, 39 Stunden pro Woche bzw. 169 Stunden monatlich.

Die Arbeitszeit wird in der Woche auf 5 Tage verteilt. Soweit durch die Anzahl der Arbeitstage in einem Kalendermonat bedingt eine Unterschreitung von 169 Stunden monatlich eintritt, ist dies im Jahresdurchschnitt wieder auszugleichen.

Eine abweichende Verteilung der Arbeitszeit kann einzelvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Eine solche Vereinbarung kann befristet werden. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes sind zu beachten. Auf Wunsch des/der Beschäftigten kann die Arbeitszeit auf 6 Tage in der Woche verteilt werden; vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien eine Verteilung der Arbeitszeit auf 6 Tage in der Woche, kann diese Regelung von dem/der Beschäftigten mit einer Ankündigungsfrist von einem Monat einseitig widerrufen werden.

3. Jahresarbeitszeit

Die Arbeitszeit kann einzelvertraglich als Jahresarbeitszeit vereinbart werden. Bezugsgröße ist ein vorher festzulegender Zwölfmonatszeitraum. In diesem Fall beträgt die Jahresarbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit 2028 Stunden, für eine Teilzeittätigkeit entsprechend weniger.

Bei Ein- beziehungsweise Austritten während des Zwölfmonatszeitraums erfolgt eine Berechnung der anteiligen Jahresarbeitszeit nach vollen Kalendermonaten sowie nach Arbeitstagen in angebrochenen Kalendermonaten. Dies gilt entsprechend für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht.

Beschäftigte haben einen Anspruch auf ein gleichbleibendes monatliches Arbeitsentgelt von 100 % der monatlichen regelmäßigen Arbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit. Für eine Teilzeittätigkeit gilt dies entsprechend nach der durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit, die sich aus der vertraglichen Jahresarbeitszeit ergibt.

...

4. Mehrarbeit im Sinne dieses Tarifvertrages ist diejenige Arbeitsleistung, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit nach Ziff. 1 hinaus geht und ausdrücklich vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde.

Mehrarbeit ist mit einem Zuschlag von 25 % des Bruttostundenentgelts gemäß den Bestimmungen des Entgelttarifvertrages zu vergüten. Für alle Neueinstellungen mit Beschäftigungsbeginn ab dem 1. Januar 2015 ist ein Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 20 % zu gewähren. Ab dem 1. Januar 2018 beträgt er auch für diese Beschäftigten 25 %. Mehrarbeit im Sinne der Jahresarbeitszeit ist mit einem Zuschlag von 33 % zu vergüten.

...

Bei einer festgelegten Jahresarbeitszeit nach Ziff. 3 ist Mehrarbeit diejenige Arbeitsleistung, die vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde und die am Ende des Zwölfmonatszeitraums über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgeht.

§ 5 Teilzeit

1. Bei Beschäftigten in Teilzeit bestimmen sich die Arbeitszeit und die Lage der Arbeitszeit nach der zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Vereinbarung.

...

5. Bei Teilzeitkräften ist Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziff. 1 hinausgeht.

Mit Schreiben vom 18. November 2016 machte der Kläger Mehrarbeitszuschläge nach § 4 Ziff. 4 Abs. 2 MTV geltend. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 25. November 2016 ab.

Mit seiner am 15. Februar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 870,45 Euro brutto. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund der tariflichen Regelungen ein Mehrarbeitszuschlag für alle Stunden zu, die über seine vertragliche Arbeitszeit hinausgehen. Nach § 4 Ziff. 4 Abs. 2 des MTV betrage der Zuschlag 33 v.H. des Bruttostundenentgelts.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 870,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die geltend gemachten Forderungen für unbegründet gehalten und die Auffassung vertreten, die Zuschlagspflicht für Mehrarbeit orientiere sich auch bei Vereinbarung eines Jahresarbeitszeitkontos an der Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Mehrarbeitszuschläge seien erst bei Überschreitung der für einen Vollzeitbeschäftigten geltenden Solljahresarbeitszeit von 2028 Stunden zu zahlen. Das ergebe die Auslegung der tariflichen Vorschriften. § 4 Ziff. 4 Abs. 1 MTV definiere Mehrarbeit als diejenige Arbeitsleistung, welche die regelmäßige monatliche Arbeitszeit nach § 4 Ziff. 1 MTV überschreitet. Zwischen Voll- und Teilzeitkräften werde nicht differenziert. Diese Auslegung stehe im systematischen Einklang mit § 5 Ziff. 5 MTV, der für den Bereich der Teilzeit ausdrücklich festlege, dass Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit sei, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit hinausgehe. § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV stehe nicht entgegen. Die dortige Regelung werde durch die für Teilzeitkräfte speziellere Vorschrift des § 5 Abs. 5 MTV konkretisiert. Ein anderes Ergebnis führe zu Wertungswidersprüchen. Die Regelung halte dem Diskriminierungsverbot für Teilzeitkräfte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG stand.

Gegen dieses ihm am 6. Juni 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juni 2017 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 1. September 2017 begründet. Er meint, nach § 4 Ziffer 4 Abs. 1 MTV sei Mehrarbeit im Sinne des Tarifvertrages zwar grundsätzlich (nur) diejenige Arbeitsleistung, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit nach Ziff. 1 hinausgehe, also über 39 Stunden pro Woche bzw. 169 Stunden monatlich. Für Teilzeitbeschäftigte mit fester Wochenarbeitszeit gelte nichts Anderes. Gemäß § 5 Ziff. 5 MTV läge Mehrarbeit nur dann vor, wenn die monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit überschritten werde. Die Regelungen gälten aber nur für Arbeitnehmer mit fester Wochenarbeitszeit, nicht für solche mit vereinbarter Jahresarbeitszeit. § 5 Ziff. 5 MTV sei auf Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit nicht anzuwenden. Für diese werde auf die jeweils vereinbarte Jahresarbeitszeit abgestellt, was aus § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV folge.

Dem Tarifvertrag sei ein Wille zur Differenzierung der Teilzeitarbeitsverhältnisse mit fester Wochen- und derjenigen mit vereinbarter Jahresarbeitszeit zu entnehmen. Er regele zwei verschiedene Beschäftigungssysteme, nämlich das Modell mit monatlicher Zeitabrechnung und dasjenige mit vereinbarter Jahresarbeitszeit. Von den Tarifparteien sei deren unterschiedliche Behandlung gewollt. Soweit es zwei sich im Wortlaut widersprechende Regelungen gebe, sei § 4 Ziff. 4 Abs. 5 als Sonderregelung zu verstehen. Wertungswidersprüche ergäben sich hieraus nicht. Gerechtfertigt werde die unterschiedliche Behandlung dadurch, dass Beschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit bis zu einem Jahr auf die Vergütung von Mehrarbeit warten müssten. Der höhere Zuschlag solle diesen Nachteil ausgleichen. Außerdem habe die besondere Flexibilität der Arbeitnehmer im Jahresarbeitszeitmodell besonders honoriert werden sollen. Der Arbeitgeber könne den Arbeitnehmer über einen Zeitraum von zwölf Monaten flexibel 15 v.H. über oder unter der wöchentlichen Arbeitszeit einsetzen, ohne dass er in Annahmeverzug geraten oder Überstundenvergütung zahlen müsse. Die Besserstellung der Teilzeitkräfte in Jahresarbeitszeit sei gerechtfertigt, weil sie nicht wie Teilzeitkräfte mit fester Wochenarbeitszeit einen Anspruch auf vertragliche Neugestaltung nach § 5 Ziff. 4 MTV erwerben, wenn ihre Arbeit über einen Zeitraum von drei Monaten regelmäßig über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 31. Mai 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 870,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 9. Oktober 2017, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 83 - 91 d. A.). Zu den weiteren Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage im zweiten Rechtszug wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt; sie ist auch begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, 66 Abs. 1 und 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Mehrarbeitszuschlags in Höhe von 870,45 Euro brutto.

1.

Die Ansprüche sind zwar nicht schon nach § 15 Abs. 1 und 2 MTV verfallen. Der Kläger hat den Anspruch rechtzeitig schriftlich geltend gemacht und ihn nach Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend gemacht. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Ebenso ist die Höhe der geltend gemachten Forderung unstreitig.

2.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen in Höhe von 33 Prozent jedoch nicht nach § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV iVm § 4 Ziff. 4 Abs. 1, 2 MTV zu. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (zu den nach st. Rspr. anzuwendenden allgemeinen Auslegungsgrundsätzen vgl. für viele zuletzt BAG 26. Oktober 2016 - 5 AZR 226/16 - juris Rn. 25 mwN; BAG 29. Juni 2016 - 5 AZR 696/15 - juris Rn. 19).

b)

Danach besteht ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung für den Kläger als Teilzeitbeschäftigtem mit vereinbarter Jahresarbeitszeit nicht.

aa)

Zwar ließe die Tarifvorschrift des § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV nach ihrem insoweit nicht eindeutigen Wortlaut auch ein solches Verständnis zu. Sie formuliert nämlich ohne zwischen Voll- und Teilzeit zu unterscheiden: "Bei einer festgelegten Jahresarbeitszeit nach Ziff. 3 ist Mehrarbeit diejenige Arbeitsleistung, die ... am Ende des Zwölfmonatszeitraums über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgeht." Dabei bleibt unklar, was mit "vereinbarter Jahresarbeitszeit" gemeint und welche Bedeutung der Bezugnahme auf Ziff. 3 beizumessen ist. Ebenso offen bleibt, ob der Beginn der Mehrarbeit grundsätzlich an die Jahresarbeitszeit einer Vollzeittätigkeit anknüpfen soll, worauf § 4 Ziff. 4 MTV und § 5 Ziff. 5 MTV hindeuten, oder - wie Ziff. 3 Abs. 1 Satz 2 MTV es regelt - bei Teilzeit "entsprechend weniger". Die Tarifvorschrift lautet gerade nicht, was eindeutig wäre: Bei einer festgelegten Jahresarbeitszeit nach Ziff. 3 ist Mehrarbeit diejenige Arbeitsleistung, die am Ende des Zwölfmonatszeitraums über die vereinbarte Jahresarbeitszeit "einer Vollzeittätigkeit" hinausgeht.

bb)

Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang lassen sich indes Anhaltspunkte für den Willen der Tarifvertragsparteien dahingehend finden, zuschlagspflichtige Mehrarbeit solle auch bei Teilzeitbeschäftigten mit vereinbarter Jahresarbeitszeit nur diejenige Arbeitsleistung sein, die über die von Vollzeitbeschäftigten hinausgeht. Sinn und Zweck sowie die Systematik der Tarifnormen unterstützen dieses Auslegungsergebnis.

(1)

Zunächst spricht schon der Wortlaut von § 5 Ziff. 5 MTV für ein solches Verständnis. Er lautet: "Bei Teilzeitkräften ist Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit, die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziff. 1 hinausgeht."

Eine Herausnahme der Teilzeitarbeitsverhältnisse mit vereinbarter Jahresarbeitszeit lässt sich der Tarifnorm nicht entnehmen. Vielmehr stellt sie allgemeine Grundsätze für alle Arbeitnehmer in Teilzeit auf. Das wird durch die Überschrift "Teilzeit" untermauert. § 5 Ziff. 5 MTV enthält im Gegensatz zu § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV außerdem das Wort "nur". Diese unterschiedliche Formulierung ergibt aber nur Sinn, wenn das Wort "nur" im Sinne eines die Ausschließlichkeit betonenden Elementes verwendet wird und nicht der Begrenzung der Anzahl von Stunden im Sinne von "nur so viele Stunden" dienen soll (vgl. LAG Köln vom 11. Juli 2017 - 14 Sa 340/17, III. 2. b) aa) (1) n.v.). Die Tarifvertragsparteien hätten ansonsten dieselbe Formulierung wie in § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV wählen können. § 4 MTV hat erkennbar eine andere Zielrichtung, nämlich die Grundsätze der Arbeitszeit im Allgemeinen zu regeln. Der Formulierung des § 4 Ziff. 3: "in diesem Fall beträgt die Jahresarbeitszeit für eine Vollzeittätigkeit 2028 Stunden, für eine Teilzeittätigkeit entsprechend weniger", kommt damit die Bedeutung eines allgemeinen Grundsatzes zur Arbeitszeit zu, nicht diejenige einer Regelung von Mehrarbeit oder Mehrarbeitszuschlägen.

Daraus folgt, dass Mehrarbeit bei Teilzeit allein von § 5 Ziff. 5 MTV definiert werden soll, sich diese also an der Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten ausrichtet, und zwar auch dann, wenn Jahresarbeitszeit vereinbart ist.

(2)

Entgegen steht nicht, dass § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV von "vereinbarter Jahresarbeitszeit" spricht, während § 4 Ziff. 3 von "einzelvertraglich vereinbarter Jahresarbeitszeit" ausgeht. Denn aus § 4 Ziff. 3 MTV folgt nur die Möglichkeit, einzelvertraglich Jahresarbeitszeit zu vereinbaren. Sonst hätten die Tarifvertragsparteien § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV eher formuliert "...über die einzelvertraglich vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgeht".

In diesem Zusammenhang wird dann auch klar, welche Bedeutung der Formulierung in § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV zukommt, die lautet: "...über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgeht". Die Tarifnorm will nur ausdrücken, dass eine Jahresarbeitszeit vereinbart werden kann. Sie meint nicht die Anzahl der im Jahresarbeitszeitkonto vereinbarten Stunden.

(3)

Das Auslegungsergebnis folgt zudem aus einem Umkehrschluss: § 5 Ziff. 4 MTV nimmt für einen tariflichen Aufstockungsanspruch hinsichtlich der regelmäßigen Arbeitszeit gerade die Teilzeitarbeitnehmer mit vereinbarter Jahresarbeitszeit aus (s. auch LAG Düsseldorf vom 11. Juli 2017 - 14 Sa 340/17 - aaO.).

(4)

Auch unter wertungsmäßigen Gesichtspunkten gebührt § 5 Ziff. 5 MTV der Vorrang gegenüber § 4 Ziff. 4 Abs. 5 MTV. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit vereinbarter Jahresarbeitszeit würden nicht nur gegenüber teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern mit fester Wochenarbeitszeit ohne vereinbarte Jahresarbeitszeit bevorzugt. Eine Besserstellung ergäbe sich auch gegenüber Vollzeitbeschäftigten mit vereinbarter Jahresarbeitszeit, obwohl die Tarifparteien für diese hingenommen haben, dass sie einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag nicht in gleicher Weise erhalten wie Arbeitnehmer mit monatlicher Arbeitszeit und somit im Zweifel weniger Mehrarbeitsstunden ansammeln können. Dass Teilzeitarbeitnehmer mit einer vereinbarten Jahresarbeitszeit gegenüber denjenigen mit monatlicher Arbeitszeit und insbesondere den Vollzeitarbeitskräften in besonderer Weise bevorzugt werden sollen, findet im Tarifvertrag keinen Niederschlag.

(5)

Zu beachten ist des Weiteren, dass von der Flexibilität des Jahresarbeitszeitkontos nicht ausschließlich der Arbeitgeber profitiert. Die Arbeitnehmer in Teilzeit enthalten über das Jahr hindurch das volle Entgelt unabhängig davon, ob sie Minusstunden ansammeln. Hinzu kommt, dass bei Überschreitung von 115 v.H. der persönlichen monatlichen Sollarbeitszeit nicht mehr innerhalb des Modells der Jahresarbeitszeit gearbeitet wird. Die über 115 v.H. angefallenen Stunden werden im Folgemonat vergütet, in dem sie ausgezahlt oder auf Wunsch des Arbeitnehmers in Freizeit gewährt werden. Nur der Korridor von 85 bis 115 v.H. der persönlichen monatlichen Sollarbeitszeit fließt in das Jahresarbeitszeitkonto und wird am Jahresende abgerechnet. Bei Überschreitung der 115-v.H.-Grenze der persönlichen monatlichen Sollarbeitszeit wird ein 25- v.H.-Mehrarbeitszuschlag fällig. Eine Teilzeitkraft mit vereinbarter Jahresarbeitszeit, die in einzelnen Monaten die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschreitet, erhält den Zuschlag von 25 v.H. sofort. Insofern werden Teilzeitkräfte ohne und solche mit vereinbarter Jahresarbeitszeit gleich behandelt.

cc)

Das Auslegungsergebnis steht auch im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach verstößt eine tarifliche Regelung, die einen tariflichen Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitbeschäftigte erst bei Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten vorsieht, nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG oder anderes höherrangiges Recht (BAG vom 27. April 2017 - 6 AZR 459/16 - juris).

III.

Insgesamt war deshalb die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO i. V. m. 46 Abs. 7 ArbGG zurückzuweisen.

IV.

Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.