Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.11.2017, Az.: 6 TaBV 44/17

Mitbestimmung bei der Urlaubsplanung; Unterlassungsantrag des Betriebsrats einer psychiatrischen Fachklinik gegen den Aushang der Stationsleitung zu Vorgaben der Urlaubsplanung im Falle deckungsgleicher Urlaubswünsche

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.11.2017
Aktenzeichen
6 TaBV 44/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 38404
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Göttingen - 13.03.2017 - AZ: 3 BV 22/16

Fundstelle

  • PflR 2018, 784-789

Amtlicher Leitsatz

1. Die einseitige arbeitgeberseitige Bestimmung einer Quote von Mitarbeitern, die in einem identischen Zeitraum Urlaub beantragen und/oder bewilligt erhalten können, verletzt das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG.

2. Der Arbeitgeber hat sich mitbestimmungswidriges Handeln des von ihm eingesetzten Personals zurechnen zu lassen.

3. Die für ein Unterlassungsbegehren erforderliche Wiederholungsgefahr ist zu bejahen, wenn der Arbeitgeber bereits einmal das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verletzt hat und die tatsächliche Entwicklung einen neuerlichen Eingriff nicht unwahrscheinlich macht, weil der Arbeitgeber sich vom mitbestimmungswidrigen Verhalten seines Personals weder distanziert noch dieses zu mitbestimmungskonformen Verhalten angehalten hat.

Redaktioneller Leitsatz

1. Bei sich überschneidenden oder deckungsgleichen Urlaubswünschen mehrerer Beschäftigter ist die Frage zu regeln, wie vielen und welchen Beschäftigten der beantragte Urlaub in welchem Umfang bewilligt werden kann, ohne die ordnungsgemäße Fortführung des Betriebes zu beeinträchtigen; dieses Problem stellt sich unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen einzelner Beschäftigter, so dass es sich um einen kollektiven Tatbestand handelt.

2. Für den nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG erforderlichen kollektiven Bezug kommt es auf die Anzahl der Beschäftigten, die von einer durch die Arbeitgeberin gesetzten Urlaubsquote betroffen sind, nicht an; auch innerhalb der Gruppe von Beschäftigten psychiatrischer Fachstationen muss bei deckungsgleichen Urlaubsanträgen geklärt werden, wie vielen von ihnen maximal gleichzeitig Urlaub gewährt werden kann.

3. Der Betriebsrat hat bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes nicht nur mitzubestimmen, wenn die Arbeitgeberin selbst und unmittelbar durch ihre Organe tätig wird, sondern auch, wenn von der Arbeitgeberin dazu eingesetztes Personal (der Stationsleitung) im Rahmen seiner Zuständigkeit gehandelt hat.

4. Bereits die Verwendung des drucktechnisch besonders hervorgehobenen und unterstrichenen Wortes "Vorgaben" lässt den Willen der Verfasser erkennen, dass es sich bei den folgenden Ausführungen keineswegs um allgemeine informatorische Hinweise sondern um verbindliche Richtlinien handelt, die feste Grundlage für die Urlaubsplanung und Urlaubsgewährung sein sollen; eine Vorgabe beinhaltet begrifflich eine regelnde Anweisung oder Bestimmung und damit eine verbindliche Festlegung.

5. Da die Urlaubsplanung für jedes Urlaubsjahr erneut stattzufinden hat, handelt es sich bei inhaltlichen Vorgaben in einem Aushang nicht um einen einmaligen abgeschlossenen Vorgang; da an den Nachweis des Wegfalls der die Wiederholungsgefahr begründende Tatsachen strenge Anforderungen zu stellen sind, kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass ein neuerlicher vergleichbarer Eingriff der Arbeitgeberin in das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unwahrscheinlich ist.

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13.03.2017 - 3 BV 22/16 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2. durch einen Aushang der Leitung der Stationen 5.1 und 5.2 im September 2016 das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. verletzt hat.

Die Beteiligte zu 2. betreibt in A-Stadt eine psychiatrische Fachklinik mit ca. 1.050 Arbeitnehmern. Der Beteiligte zu 1. ist der dort gewählte 13-köpfige Betriebsrat.

Unter dem 15.10.2013 vereinbarten die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung zum Thema Urlaubsgrundsätze, Urlaubsplanung und Genehmigung, wegen deren Inhalt auf Blatt 7 bis 10 der Akte Bezug genommen wird.

Im September 2016 nahm die Leitung der Stationen 5.1 und 5.2 für die 2017 beginnende Urlaubsplanung einen Aushang vor. Dieser lautete wörtlich wie folgt:

"Urlaubsplanung 2017

Es ist wieder soweit, die Planung für 2017 beginnt.

Bitte bis zum 10.10.2016 die Planung abschließen.

Mindestens 80% verplanen, gerne mehr.

Am 11.10.2016 werden wir dann im Rahmen einer Mitarbeiterbesprechung versuchen Planungskonflikte zu lösen. Bei Überschneidungen auch gerne im Vorfeld mit den Kollegen in Kontakt gehen.

Vorgaben:

Von Montag bis Freitag max. 5 auf der Ebene gleichzeitig in Urlaub.

Am WE 1 P pro Station max. 2 auf der Ebene gleichzeitig in Urlaub....."

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Aushangs wird auf Blatt 11 der Akte verwiesen.

Mit E-Mail vom 21.09.2016 teilte der Vorsitzende des Beteiligten zu 1. dem Pflegedirektor, Herrn H. mit, für die Station 5.1 und 5.2 seien zum wiederholten Male einseitig neue Urlaubsgrundsätze aufgestellt worden. Eine Zustimmung des Betriebsrats hierzu liege nicht vor. Herr H. solle dafür sorgen, dass die bisher geltenden mitbestimmten Urlaubsgrundsätze eingehalten würden und bis zum 23.09.2016 dazu Stellung zu nehmen. Hierauf antwortete Herr H. dem Betriebsratsvorsitzenden mit E-Mail vom 23.09.2016, dass in der APN und damit auch im gesamten Pflege- und Erziehungsdienst in A-Stadt und B-Stadt die Betriebsvereinbarung Urlaubsgrundsätze, Urlaubsplanung und Urlaubsgenehmigung der APN vom 5.12.2016 strikt zur Anwendung komme. Darauf reagierte der Betriebsratsvorsitzende mit E-Mail vom 26.09.2016 und wies Herrn H. u. a. darauf hin, dass seine ausweichende Antwort zur Klärung der Angelegenheit nicht geeignet sei. Der Personalleiter der Beteiligten zu 2. Herr M. erwiderte mit E-Mail ebenfalls vom 26. September 2016, dass genau das in der E-Mail vom 23.09.2016 stehe. Mit E-Mail - wiederum vom 26. September 2016 - antwortete der Vorsitzende des Betriebsrates, dass "genau das steht dort eben nicht" und wies darauf hin, dass die Zahl der zeitgleich zu genehmigenden Urlaube in der BV gar nicht geregelt sei, es dementsprechend einer darüber hinausgehenden Vereinbarung bedürfe.

Mit am 21. November 2016 beim Arbeitsgericht Göttingen eingegangenen Antrag hat der Beteiligte zu 1. das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet.

Er hat die Auffassung vertreten, die Beteiligte zu 2. habe es zu unterlassen, neue Urlaubsgrundsätze in Form von Urlaubsquoten im Betrieb einzuführen und anzuwenden, ohne hierzu eine Einigung mit dem Beteiligten zu 1. oder die Ersetzung der Einigung durch den Spruch der Einigungsstelle beigeführt zu haben. Die Beteiligte zu 2. habe durch den Aushang aus dem September 2016 gegen das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verstoßen. Bei der Vorgabe der Beteiligten zu 2. in der Urlaubsplanung 2017 handele es sich um eine Urlaubsquote, da bestimmt werde, wieviel Mitarbeiter pro Station und Ebene zeitgleich Urlaub nehmen dürften. In der zwischen den Beteiligten vereinbarten Betriebsvereinbarung sei keine Regelung enthalten, die eine bestimmte Urlaubsquote rechtfertige.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt:

1. Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, neue Urlaubsgrundsätze in Form von Urlaubsquoten im Betrieb der Beteiligten zu 2. einzuführen und anzuwenden, ohne hierzu eine Einigung mit dem Beteiligten zu 1. oder eine Ersetzung der Einigung durch den Spruch der Einigungsstelle herbei geführt zu haben;

2. der Beteiligten zu 2. wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die im Antrag zu 1. bezeichnete Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld iHv. bis zu 10.000 € angedroht.

Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei dem Informationsschreiben aus dem September 2016 handele es sich nicht um einen unter Verletzung des Mitbestimmungsrechtes eingeführten Urlaubsgrundsatz. Dieses konkretisiere lediglich die in der Betriebsvereinbarung einvernehmlich festgelegten Grundsätze und gebe einen Orientierungswert dafür, wann einer Urlaubserteilung ein betrieblicher Grund voraussichtlich entgegenstehen werde. Der Aushang enthalte keine abschließenden Vorgaben. Letztendlich fehle es an einem kollektiven Bezug, da der Aushang lediglich die Mitarbeiter der Stationen 5.1 und 5.2 betreffe.

Mit Beschluss vom 13. März 2017 hat das Arbeitsgericht Göttingen der Beteiligten zu 2. aufgegeben, es zu unterlassen, Vorgaben über die Anzahl der Mitarbeiter zu machen, denen gleichzeitig Urlaub bewilligt werden kann (Urlaubsquoten), ohne dass hierüber eine Einigung mit dem Betriebsrat erzielt oder eine unterbliebene Einigung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist. Zugleich hat es der Beteiligten zu 2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die zuvor bezeichnete Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 € angedroht. Wegen der rechtlichen Erwägungen wird auf II. der Gründe des angefochtenen Beschlusses (Seiten 4 bis 6 desselben, Blatt 108 bis 110 der Gerichtsakte) verwiesen.

Der Beschluss ist der Beteiligten zu 2. am 04.04.2017 zugestellt worden. Mit am 27.04.2017 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenem Schriftsatz hat sie hiergegen Beschwerde eingelegt und diese, nachdem ihr zuvor Fristverlängerung gewährt worden war, unter dem 15.06.2017 begründet.

Sie ist weiterhin der Auffassung, Mitbestimmungsrechte des Beteiligten zu 1. nicht verletzt zu haben. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht festgestellt, die Beteiligte zu 2. habe durch den Aushang gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verstoßen. Bei dem Aushang habe es sich nicht um einen solchen der Beteiligten zu 2. gehandelt. Dieser sei weder durch die Geschäftsführung noch durch die Personal- oder Pflegedienstleitung unterzeichnet oder auch nur autorisiert gewesen. Zudem habe es sich dabei nicht um eine Vorgabe, sondern lediglich um eine informatorische Mitteilung der Stationsleitung für die Stationen 5.1 und 5.2 an ihre Mitarbeiter gehandelt, mit der auf den Beginn der Urlaubsplanung für 2017 hingewiesen worden sei. Die Mitarbeiter hätten aufgrund der in dem Aushang gewählten Formulierung keineswegs davon ausgehen müssen, über die in dem Aushang genannten Zahlen hinausgehende Urlaubswünsche würden in keinem Fall genehmigt. Ganz im Gegenteil enthalte der Aushang den Hinweis, dass am 11.10.2016 versucht werden solle, im Rahmen einer Mittagsbesprechung eventuelle Planungskonflikte zu lösen. Die Stationsleitung habe sodann zwei Punkte aufgezeigt, die vernünftigerweise von den Mitarbeitern mitberücksichtigt werden sollten. Die Beteiligte zu 2. beabsichtige nicht, irgendwelche Urlaubsquoten aufzustellen. Sie habe dies niemals geäußert und sich im Übrigen stets vollständig im Rahmen der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und der bestehenden Betriebsvereinbarung gehalten. Jedenfalls fehle es für den vom Arbeitsgericht bejahten Unterlassungsanspruch an eine Wiederholungsgefahr. Diese habe das Arbeitsgericht allein damit begründet, dass die Arbeitgeberin durch den Aushang gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG verstoßen habe. Dies komme einem Zirkelschluss gleich. Der Betriebsrat habe in der Antragsschrift vom 18.11.2016 mit der Anlage A3 eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Pflegedirektor Herrn H, dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Personalleiter vom 21.09. bis 26.09.2016 vorgelegt. Darin habe der Pflegedirektor mit Mails vom 23.09.2016 und 26.09.2016 dem Betriebsratsvorsitzenden erklärt, dass selbstverständlich im gesamten Pflege- und Erziehungsdienst die Betriebsvereinbarung Urlaubsgrundsätze, Urlaubsplanung und Urlaubsgenehmigung strikt zur Anwendung komme. Damit sei durch die Arbeitgeberseite klargestellt sowie ausdrücklich und verbindlich bestätigt worden, dass sie sich an die Regelungen der einschlägigen Betriebsvereinbarung halte, keine anderweitigen Urlaubsgrundsätze einseitig aufgestellt worden seien und auch nicht hätten aufgestellt werden sollen. Eine Wiederholungsgefahr sei eindeutig nicht gegeben.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13.03.2017 - 3 BV 22/16 - abzuändern und die Anträge des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf ihre Schriftsätze vom 15.06., 03.08. und 21.08.2017 sowie auf die in ihrem Anhörungstermin am 12.10.2017 wechselseitig abgegebenen Erklärungen verwiesen.

B

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2. ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht Göttingen den Anträgen des Beteiligten zu 1. entsprochen.

I.

Die Anträge des Beteiligten zu 1. sind zulässig.

1.

Der Beteiligte zu 1. verfolgt sein Begehren richtigerweise im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Verletzung des Mitbestimmungsrechtes des Beteiligten zu 1. aus § 87 Abs.1 Nr. 5 BetrVG.

2.

Die Antragsbefugnis des Beteiligten zu 1. und die Beteiligung der Beteiligten zu 2. am vorliegenden Verfahren ergeben sich aus §§ 10, 81, 83 Abs. 3 ArbGG. Der Beteiligte zu 1. macht ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht gegenüber der Beteiligten zu 2. geltend.

II.

Der Unterlassungsantrag des Beteiligten zu 1. ist zulässig und begründet.

1.

Der Unterlassungsantrag ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Erfasst werden von ihm alle bindenden Vorgaben der Beteiligten zu 2. gegenüber ihren Mitarbeitern dazu, wie vielen zeitgleich Urlaub gewährt werden kann, ohne sich hierüber zuvor mit dem Beteiligten zu 1. verständigt oder die fehlende Einigung durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt zu haben.

2.

Der Unterlassungsanspruch des Beteiligten zu 1. ist begründet. Der Beteiligte zu 1. hat gegen die Beteiligte zu 2. wegen zu besorgender Verletzung seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG einen Anspruch auf die Unterlassung künftigen betriebsverfassungswidrigen Verhaltens.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann sich der Betriebsrat gegen zu erwartender Verstöße des Arbeitsgebers gegen seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG im Wege eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs wehren (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 13). Dieser erfordert neben einer Verletzung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 BetrVG eine Wiederholungsgefahr. Letztere ist gegeben, wenn zur Zeit der letztmündlichen Verhandlung eine ernstliche, sich auf Tatsachen begründete Besorgnis weiterer Eingriffe besteht. Dafür spricht bei einer bereits begangenen Verletzung von Mitbestimmungsrechten grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, dass z. B. die tatsächliche Entwicklung einen neuerlichen Eingriff unwahrscheinlich macht (BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99 - Rn. 34).

b)

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

aa)

Die Beteiligte zu 2. hat durch die Vorgaben im Aushang aus dem September 2016 zu der maximalen Anzahl von Arbeitnehmern, denen auf den Stationen 5.1 und 5.2 gleichzeitig Urlaub gewährt werden kann, das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG verletzt.

(1)

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie im Konfliktfall bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs einzelner Arbeitnehmer (BAG 10. Dezember 2002 - 1 ABR 27/01 - Rn. 38). Dass die Bestimmung einer maximalen Anzahl von Arbeitnehmern, die in einem identischen Zeitraum Urlaub beantragen und/oder bewilligt erhalten können, diesem Mitbestimmungstatbestand an sich unterfällt, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Eine solche Urlaubsquote berührt die kollektiven Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes. Bei sich überschneidenden bzw. deckungsgleichen Urlaubswünschen mehrerer Arbeitnehmer ist die Frage zu regeln, wie vielen und welchen Arbeitnehmern der beantragte Urlaub in welchem Umfang bewilligt werden kann, ohne die ordnungsgemäße Fortführung des Betriebes zu beeinträchtigen. Dieses Problem stellt sich unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen des einzelnen Arbeitnehmers. Es handelt sich um einen kollektiven Tatbestand (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 19).

(2)

Das gilt auch, soweit mit dem vorliegenden streitgegenständlichen Aushang aus dem September 2016 eine Urlaubsquote allein für die Mitarbeiter der Stationen 5.1 und 5.2 im Hause der Beteiligten zu 2. aufgestellt worden ist. Für den nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG erforderlichen kollektiven Bezug, kommt es auf die Anzahl der Arbeitnehmer, die von einer durch den Arbeitgeber gesetzten Urlaubsquote betroffen sind, nicht an. Auch innerhalb der Gruppe von Arbeitnehmern der Stationen 5.1 und 5.2 muss bei deckungsgleichen Urlaubsanträgen geklärt werden, wie vielen von ihnen maximal gleichzeitig Urlaub gewährt werden kann.

(3)

Bei der im Aushang der Stationsleitung aus dem September 2016 enthaltenen Vorgabe für die Mitarbeiter der Stationen 5.1 und 5.2 handelt es sich um eine solche der Beteiligten zu 2. als Arbeitgeberin.

(a)

Dem steht zunächst der Umstand, dass dieser Aushang nicht von den Geschäftsführern der Beteiligten zu 2., deren Personal- oder Pflegeleitung unterzeichnet oder autorisiert, sondern von der Stationsleitung der Stationen 5.1 und 5.2 verfasst worden ist, nicht entgegen. Der Betriebsrat hat bei Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes nicht nur mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber selbst und unmittelbar durch seine Organe tätig geworden ist, sondern auch, wenn vom Arbeitgeber dazu eingesetztes Personal im Rahmen seiner Zuständigkeit gehandelt hat. Der Arbeitgeber ist Herr seines Betriebes (BAG 27. November 1990 - 1 ABR 77/89 - Rn. 32). Er hat seinen Betrieb so zu organisieren, dass die im Zuge seines Direktionsrechtes gemäß § 106 GewO eingesetzten Mitarbeiter bei ihrer Tätigkeit die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beachten. Hierzu muss er die Übereinstimmung betrieblicher Abläufe und Vorgänge mit den normativen Vorgaben nach § 87 Abs. 1 BetrVG sowie den geltenden Betriebsvereinbarungen überprüfen und erforderlichenfalls korrigierend eingreifen. Er kann sich seiner Verantwortung für die Führung seines Betriebes nicht entziehen (BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 - Rn. 130) und hat sich mitbestimmungswidriges Verhalten des von ihm eingesetzten Personals entsprechend § 278 BGB zurechnen zu lassen. Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem die Genehmigung von Urlaub für die Mitarbeiter der Stationen 5.1. und 5.2 von der Beteiligten zu 2. auf die Stationsleitung übertragen worden ist.

(4)

Der Aushang aus dem September 2016 beinhaltet für das Urlaubsjahr 2017 eine verbindliche Festlegung einer Urlaubsquote dahingehend, dass von montags bis freitags max. fünf Beschäftigte auf der Ebene gleichzeitig in Urlaub gehen können und am Wochenende eine Person pro Station, maximal zwei auf der Ebene. Das ergibt die Auslegung der im Aushang enthaltenen Erklärungen eindeutig.

(a)

Darin wird zunächst darauf hingewiesen, dass die Urlaubsplanung für 2017 beginne, diese bis zum 10.10.2016 abzuschließen sei. In der am 11.10.2016 stattfindenden Mittagsbesprechung werde versucht, Planungskonflikte zu lösen. Bei diesen Ausführungen handelt es sich ohne Frage um allgemeine Informationen zum Ablauf der Urlaubsplanung für das Jahr 2017.

(b)

Etwas anderes gilt jedoch insoweit, als in diesem Aushang im Weiteren ausdrücklich "Vorgaben" genannt werden. Bereits die Verwendung des drucktechnisch besonders hervorgehobenen und unterstrichenen Wortes "Vorgaben" lässt den Willen der Verfasser erkennen, dass es sich bei den folgenden Ausführungen keineswegs um allgemeine informatorische Hinweise, sondern um verbindliche Richtlinien handelt, die feste Grundlage für die Urlaubsplanung und -gewährung im Urlaubsjahr 2017 sein sollten. Eine Vorgabe beinhaltet begrifflich eine regelnde Anweisung oder Bestimmung (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Auflage), also eine verbindliche Festlegung. Dafür spricht auch, dass im Aushang eine maximale Anzahl von Arbeitnehmern, die zeitgleich von montags bis freitags und am Wochenende Urlaub erhalten können, explizit genannt wird. Für einen verständigen Empfänger der Erklärungen im Aushang musste sich der Eindruck ergeben, es werde bei Urlaubsüberschneidungen zwar versucht, im Rahmen der Mittagsbesprechung am 11.10.2016 Konflikte zu lösen, aber von vornherein nur unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig von montags bis freitags maximal fünf Personen auf der Ebene und am Wochenende eine Person pro Station bzw. maximal zwei auf der Ebene Urlaub beantragen. Dass es sich bei diesen Maximalangaben lediglich um eine unverbindliche Information darüber gehandelt hat, dass in diesen Fällen regelhaft - nach Prüfung des Einzelfalles - mit dem Vorliegen entgegenstehender betrieblicher Gründe zu rechnen ist, wird aus dem Aushang nicht ersichtlich. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass anschließend gleichwohl Mitarbeiter sich überschneidende Urlaubsanträge gestellt haben.

(5)

Unstreitig ist der Beteiligte zu 1. bei der Bestimmung dieser Urlaubsquote nicht beteiligt worden. In der Betriebsvereinbarung vom 05.12.2013 sind keine Regelungen zur Bestimmung einer Urlaubsquote enthalten. Hiernach hat die Beteiligte zu 2. durch den Aushang aus dem September 2016 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG verletzt.

bb)

Die für das Unterlassungsbegehren notwendige Wiederholungsgefahr besteht.

(1)

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass deshalb, weil die Beteiligte zu 2. mit dem Aushang aus dem September 2016 bereits einmal das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG verletzt hat, im Wege einer tatsächlichen Vermutung die begründete Besorgnis weiterer Eingriffe besteht.

(2)

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. hat die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff nicht unwahrscheinlich gemacht. In diesem Zusammenhang beruft sich die Beteiligte zu 2. zu Unrecht auf die Mailkorrespondenz zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden, dem Pflegedienstleiter sowie dem Personalleiter vom 23. bis 26.09.2016. Der Betriebsratsvorsitzende hatte in der Mail vom 21.09.2016 konkret die mitbestimmungswidrige einseitige Setzung von Urlaubsgrundsätzen für die Stationen 5.1 und 5.2 beanstandet. Hierzu haben weder Herr H. noch Herr M. konkret Stellung genommen, sondern sich pauschal darauf berufen, in der APN und damit auch im gesamten Pflege- und Erziehungsdienst in A-Stadt und B-Stadt werde die Betriebsvereinbarung Urlaubsgrundsätze, Urlaubsplanung und Urlaubsgenehmigung der APN vom 05.12.2016 strikt angewendet. Keineswegs haben sie den Vorhalt des Betriebsratsvorsitzenden zum Anlass genommen, klarzustellen, dass es sich bei dem Aushang aus dem September 2016 um eine nicht autorisierte einseitige Erklärung der Stationsleitung der Stationen 5.1 und 5.2 handele und diese ohnehin keine verbindliche Urlaubsquote, sondern allein eine allgemeine Information ohne verbindliche Festlegung beinhalte. Im Laufe des vorliegenden Beschlussverfahrens hat die Beteiligte zu 2. sich zu keinem Zeitpunkt inhaltlich von den Erklärungen im Aushang vom September 2016 distanziert und z.B. erklärt, die Stationsleistung angewiesen zu haben bzw. anweisen zu wollen, in Zukunft entsprechende Aushänge zu unterlassen. Da Urlaubsplanung für jedes Urlaubsjahr erneut stattzufinden hat, handelt es sich bei den inhaltlichen Vorgaben im Aushang um keinen einmaligen, abgeschlossenen Vorgang. An den Nachweis des Wegfalls der die Wiederholungsgefahr begründende Tatsachen sind strenge Anforderungen zu stellen (BAG 29. Februar 2000 - 1 ABR 4/99 - Rn. 35), deshalb kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass ein neuerlicher, vergleichbarer Eingriff der Beteiligten zu 2. in das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1 unwahrscheinlich ist.

2.

Die Androhung eines Zwangsgeldes bis zu 10.000 € für den Fall, dass die Beteiligte zu 2. der Unterlassungsverpflichtung zuwiderhandelt, hat ihre Grundlage in § 890 Abs. 2 ZPO. Der darauf gerichtete Antrag kann mit dem Sachantrag im Erkenntnisverfahren verbunden werden. Die auch im Falle des allgemeinen Unterlassungsanspruchs maßgebliche Höchstgrenze des § 23 Abs. 3 S. 5 BetrVG ist beachtet worden.

C

Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen, § 2 Abs. 2 GKG. Eine gesonderte Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten ist wegen der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens nicht zu treffen (BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 59/06 - Rn. 11).

D

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, § 92 Abs. 1 S. 1 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG.

Klausmeyer
Heidrich
Meier