Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.11.2017, Az.: 15 TaBV 38/17

Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer bei der Vergütung eines betriebsfremden Beisitzers einer Einigungsstelle

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.11.2017
Aktenzeichen
15 TaBV 38/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 38211
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 18.09.2019 - AZ: 7 ABR 15/18

Redaktioneller Leitsatz

1. Ein umsatzsteuerpflichtiges Mitglied einer Einigungsstelle hat einen Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer; einer gesonderten Vereinbarung mit der Arbeitgeberin bedarf es nicht.

2. Einen Anspruch auf Mehrwertsteuer kann ein außergerichtlicher Beisitzer grundsätzlich nur geltend machen, wenn er nachweist, dass er nachhaltige Einkünfte aus nebenberuflicher Unternehmertätigkeit erzielt (§§ 1, 2 UStG) und deshalb vom Finanzamt zur Umsatzsteuerzahlung herangezogen wird.

3. Ein nach § 19 Abs. 2 UStG wirksamer Verzicht auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG (Kleinunternehmerregelung) ist gegenüber dem Finanzamt zu erklären; der offene Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen an Kunden ist noch keine wirksame Erklärung des Verzichts, denn diese Rechnungen sind nicht an das Finanzamt gerichtet.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 15. Februar 2017 zum Az. 3 BV 1/16 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller verlangt von der Beteiligten zu 2.) weitere Vergütung nebst Umsatzsteuer für seine Tätigkeit als betriebsfremder Beisitzer einer Einigungsstelle.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur noch die Frage der zutreffenden Höhe des dem Antragstellers zustehenden Honorars. Über den erstinstanzlich geltend gemachten Zinsanspruch bezüglich der unstreitig zu beanspruchenden Vergütung hat das Arbeitsgericht rechtskräftig entschieden.

Der Antragsteller geht hauptberuflich einer nichtselbständigen Tätigkeit nach. Für daneben ausgeübte selbständige Tätigkeit erzielt er Umsätze von unter 17.500,- € pro Jahr.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten sowie ihrer vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird auf die Darstellung unter Ziffer I. der Gründe im angegriffenen Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 15. Februar 2017 verwiesen (dort S. 2 und 3, Bl. 234 R, 235 dA).

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Zahlung weiterer Vergütung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Antragsteller stehe kein weiteres Beisitzerhonorar zu, weil sich die von ihm getroffene Bestimmung der Höhe seiner Vergütung als unbillig erweise. Dementsprechend habe das Gericht eine Bestimmung zu treffen. Da der Antragsteller seinen Zeitaufwand aber nicht nachvollziehbar und ausreichend habe darlegen können, ergebe sich kein weiterer Vergütungsanspruch. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen unter Ziffer II. der Gründe (S. 3 bis 6, Bl. 235 bis 236 R dA) Bezug genommen.

Den Beschluss vom 15. Februar 2017 erhielt der Antragsteller zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 07. März 2017 zugestellt. Hiergegen legten diese mit einem am 06. April 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde ein und begründeten sie mit einem am 05. Mai 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.

Der Antragsteller trägt vor, mit seiner Abrechnung nach der sogenannten 7/10-Regelung folge er der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Da die Beteiligte zu 2.) die Honorarrechnung des Einigungsstellenvorsitzenden nicht bemängelt habe, habe er die Vergütungshöhe mit dem entsprechenden 3/10- Abschlag auf das Honorar des Vorsitzenden billig bestimmt. Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verkenne das Arbeitsgericht, wenn es folgere, er habe ebenso wie der Vorsitzende der Einigungsstelle anhand seines tatsächlichen Aufwandes abzurechnen. Das Arbeitsgericht habe mit Hinweisbeschluss vom 18. August 2016 noch selbst auf die Praktikabilität der sogenannten 7/10-Regelung und die Schwierigkeiten einer Abrechnung nach eigenem Aufwand hingewiesen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er allerdings zu seinem tatsächlichen Aufwand ausreichend vorgetragen. Es sei zu berücksichtigen, dass ihm keine konkreten Notizen zum Zeitaufwand vorlägen, da er nicht damit habe rechnen können, diesen konkret darlegen zu müssen. Das Arbeitsgericht wäre gehalten gewesen, entsprechend Beweis zu erheben.

Zwar lägen seine Umsätze aus selbständiger Tätigkeit unterhalb der Schwelle von 17.500,- €. Er habe aber davon abgesehen, von der sogenannten Kleinunternehmerregel Gebrauch zu machen und sich entschieden, Umsatzsteuer abzurechnen.

Der Beteiligte zu 1.) beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgericht Oldenburg vom 15.02.2016, Az. 3 BV 1/16, wird auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) abgeändert.

2. Die Beteiligte zu 2.) wird verpflichtet, an den Antragsteller 557,98 € netto zuzüglich Umsatzsteuer hieraus in Höhe von 19% über 106,02 € zu gesamt 664,- € brutto nebst 9 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.10.2016 zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2.) beantragt,

die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgericht Oldenburg vom 15.02.2017 zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2.) trägt vor, bei aufwandsorientierter Vergütung des Einigungsstellenvorsitzenden sei den Beisitzern nur 7/10 von ihrem eigenen tatsächlichen Aufwand zu vergüten. Die im Rahmen der Einigungsstelle verhandelte Betriebsvereinbarung habe im Wesentlichen Standardregelungen enthalten. Für die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen sei allenfalls ein Zeitaufwand von 10 Stunden erforderlich gewesen und tatsächlich angefallen. Hinzu komme der Zeitaufwand für 14 Stunden Sitzungstätigkeit, so dass der Beteiligte zu 1.) für insgesamt 24 Stunden 4.200,- netto beanspruchen könne.

Der Beteiligte zu 1.) unterliege nicht der Umsatzsteuerpflicht. Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung zu zahlenden Mehrwertsteuer hätten aber nur die Beisitzer, die mehrwertsteuerpflichtig seien.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 05. Mai 2017, 17. Juli 2017, das Sitzungsprotokoll vom 24. August 2017 sowie die im Nachgang dazu eingegangenen Schriftsätze vom 14. September 2017 und 25. Oktober 2017 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1.

Die Beschwerde ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6, 89 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.

2.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Beteiligte zu 1.) hat gegenüber der Beteiligten zu 2.) keinen Anspruch auf weitere Honorarzahlung nebst Umsatzsteuer für seine Tätigkeit als außerbetrieblicher Einigungsstellenbeisitzer.

a)

Es kann zu Gunsten des Beteiligten zu 1.) angenommen werden, dass sich seine Honorarberechnung nach Maßgabe der sogenannten 7/10-Regelung (vgl. BAG 14. Februar 1996 - 7 ABR 24/95 - Rn. 18 - 22) iHv. 5.600,- € im Rahmen billigen Ermessens nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB hält und den Ermessensgrundsätzen des § 76 a Abs. 4 S. 3 bis 5 BetrVG genügt.

Die Honorarforderung des Antragstellers ist durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB. Die Beteiligte zu 2.) hat unstreitig eine Zahlung iHv. 6.000,- € für seine Beisitzertätigkeit an ihn geleistet.

b)

Bedeutungslos ist, dass die Beteiligte zu 2.) diesen Betrag offenbar aufgeschlüsselt hat in eine Honorarzahlung von 5.042,02 € und vermeintlich darauf entfallende Umsatzsteuer iHv. 957,98 €.

Der Antragsteller kann Umsatzsteuer auf seine Honorarforderung nicht verlangen.

Ein umsatzsteuerpflichtiges Mitglied einer Einigungsstelle hat zwar einen Anspruch auf Erstattung der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer (LAG Köln 29. Oktober 2014 - 11 TaBV 30/14 - Rn. 18; Fitting § 76 a Rn. 29). Einer gesonderten Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bedarf es nicht. Einen Anspruch auf Mehrwertsteuer kann ein außergerichtlicher Beisitzer aber grundsätzlich nur geltend machen, wenn er nachweist, dass er nachhaltige Einkünfte aus nebenberuflicher Unternehmertätigkeit erzielt (§§ 1, 2 UStG) und deshalb vom Finanzamt zur Umsatzsteuerzahlung herangezogen wird (LAG München 26. November 1998 - 4 TaBV 30/97 - Rn. 37).

Diese Voraussetzungen liegen für den Beteiligten zu 1.) nicht vor. Er hat nicht geltend gemacht, mit seinen Einkünften der Umsatzsteuer gemäß §§ 1, 2 UStG zu unterliegen. Vielmehr hat er angegeben, weniger als 17.500,- € aus selbständiger Tätigkeit pro Jahr zu erzielen.

Er mag entschieden haben, von der sogenannten Kleinunternehmerregelung in § 19 Abs. 1 UStG keinen Gebrauch zu machen. Er hat aber bereits nicht dargelegt, einen nach § 19 Abs. 2 UStG wirksamen Verzicht auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG gegenüber dem Finanzamt erklärt zu haben. Der offene Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen an die Kunden ist noch keine wirksame Erklärung des Verzichts, denn diese sind nicht an das Finanzamt gerichtet (Schwarz/Widmann/Radeisen - Widmann UStG, 196. Lfg. 11/2017 § 19 Rn. 89).

Im Übrigen folgte aus einem Verzicht auf die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 UStG kein Anspruch gegenüber der Beteiligten zu 2.) auf Erstattung der Umsatzsteuer.

III.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 72 Abs. 2 ArbGG war nicht veranlasst.

Kriesten
Wygold
Brandt