Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.10.2017, Az.: 15 Sa 202/17
Wirksamkeit einer Weisung hinsichtlich der Arbeitszeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2017
- Aktenzeichen
- 15 Sa 202/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 50047
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 12.01.2017 - AZ: 7 Ca 424/16
Rechtsgrundlagen
- § 174 BGB
- § 180 S. 1 BGB
- § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG
- § 66 Abs. 1 ArbGG
- § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG
- § 39 Abs. 1 GmbHG
Redaktioneller Leitsatz
Auch wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung nur im Umfang von 7,5 Stunden schuldet, so erweist sich eine Weisung, mit der Arbeit um 05.45 Uhr zu beginnen und bis 14.15 Uhr zu arbeiten, nicht als insgesamt rechtsunwirksam. Denn die nicht vom Direktionsrecht gedeckte Anweisung hinsichtlich der Dauer der Arbeit hat keine Auswirkungen auf die Befugnis des Arbeitsgebers, den Beginn der Arbeitszeit festzulegen.
In dem Rechtsstreit
- Kläger, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
- Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2017 durch die Richterin am Arbeitsgericht Kriesten sowie den ehrenamtlichen Richter König und den ehrenamtlichen Richter Petermann als Beisitzer für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12. Januar 2017 zum Aktenzeichen 7 Ca 424/16 werden zurückgewiesen.
Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 3/5, die Beklagte 2/5 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Rechtswirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen sowie über einen hilfsweise gestellten Auflösungsantrag der Beklagten. Die weiteren Streitgegenstände der ersten Instanz - Rechtswirksamkeit zweier Abmahnungen sowie Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers - sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Wegen des unstreitigen Vorbringens der Parteien wird zunächst auf die Darstellung im angefochtenen Urteil auf den Seiten 2 - 4 (Bl. 178 R - 179 R dA) Bezug genommen. Die im Tatbestand auf Seite 3 zitierte "Arbeitszeitregelung" der Beklagten vom 01.03.2015 (Anlage K 4 zur Klagschrift, Bl 43-46 dA) wandte die Beklagte im Wareneingang, in dem der Kläger ausschließlich tätig war, allerdings nicht an. Dort arbeiteten die Mitarbeiter auf Weisung des Leiters der Logistik Herrn B. sowohl vor als auch nach Bekanntgabe der "Arbeitszeitregelung" montags bis freitags im Drei-Schicht-Betrieb mit folgenden Schichtzeiten:
Frühschicht: 05:45 Uhr bis 14:15 Uhr
Spätschicht: 14:15 Uhr bis 22:45 Uhr
Nachtschicht: 21:30 Uhr bis 06:00 Uhr.
Im Wareneingangsbüro hing jeweils ein Schichtplan aus.
Wegen des streitigen Vorbringens des Klägers in erster Instanz wird zunächst Bezug genommen auf die Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils auf den Seiten 4 und 5 (Bl. 179 R, 180 dA). Außerdem hat der Kläger geltend gemacht, er habe schon deshalb nicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, da die Beklagte Schichtzeiten von 8,5 Stunden (einschließlich 0,5 Stunden Pause) angewiesen habe, obwohl er aufgrund § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages im Drei-Schicht-Betrieb nur dazu verpflichtet sei, arbeitstäglich 7,5 Stunden (zzgl. der vorgeschriebenen 0,5 Stunden Pause) zu erbringen. Es sei nicht vorgegeben, wann er seine Arbeitszeit von 7,5 Stunden (zzgl. Pause) innerhalb der angeordneten Schichtzeiten von 8,5 Stunden (einschließlich Pause) zu erbringen habe.
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Seite 5 des Urteils (Bl. 180 dA) verwiesen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich zudem vorgetragen, der vormalige Teamleiter Wareneingang und jetzige Lagerleiter Logistik Herr E. habe den Kläger nach seinem verspäteten Eintreffen jeweils auf den verspäteten Arbeitsantritt hingewiesen und ihm mitgeteilt, dass es sich um eine Pflichtverletzung handele und ein erneutes gleichartiges Fehlverhalten weitere disziplinarische Konsequenzen haben werde. Die Arbeitsabläufe im Bereich der Logistik, hierzu zähle auch der Wareneingang, seien so getaktet, dass ein Nichteinhalten der zeitlichen Abläufe in jedem angrenzenden Bereich/in jeder angrenzenden Abteilung zu Problemen bis hin zu Stillständen führe. In der Zeit, in der der Kläger verspätungsbedingt am Arbeitsplatz gefehlt habe, hätten die restlichen Mitarbeiter seine Aufgaben mitübernommen und dadurch ihre eigenen Aufgaben nicht geschafft.
Sie hat weiter die Auffassung vertreten, die Vertretungsmacht des Herrn H. zum Ausspruch der Kündigung vom 27.09.2016 resultiere aus dessen Einzelvertretungsbefugnis, nachgewiesen durch den Handelsregisterauszug.
Das Arbeitsgericht Hannover hat mit Urteil vom 12. Januar 2017 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13. September 2016 aufgelöst worden sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Wesentlichen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung vom 13. September 2016 sei nach § 174 BGB unwirksam. Der Alleinunterzeichner Herr H. habe nicht über die erforderliche Vertretungsmacht zur Kündigung des Klägers verfügt. Die Zurückweisung der Kündigung durch den Kläger sei unverzüglich erfolgt. Die Kündigung vom 28. Oktober 2016 sei hingegen aus verhaltensbedingten Gründen wegen häufigen Zuspätkommens des Klägers sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe dem Kläger konkrete Schichten zugewiesen und bestimmt, bei Frühschicht ab 05:45 Uhr, bei Spätschicht ab 13:45 Uhr und bei Nachtschicht ab 21:45 Uhr zu arbeiten. Das vorgegebene Zeitfenster von 8 Stunden sei vollständig durch Arbeit bzw. vorgegebene Pausenzeit ausgefüllt. Die zahlreichen Verspätungen des Klägers hätten sich nur deshalb nicht schwerwiegend auf die betrieblichen Abläufe auswirken können, weil die übrigen Lageristen in der Schicht des Klägers jeweils pünktlich gewesen seien. Aus dem abermaligen verspäteten Erscheinen des Klägers am 09. September 2016 habe die Beklagte schließen dürfen, der Kläger sei nicht gewillt oder nicht in der Lage, sich an die auch für ihn geltenden Arbeitszeitvorgaben zu halten. Durch vorherigen Ausspruch der beiden Abmahnungen habe die Beklagte hinreichend verdeutlicht, dass sie von ihm ein pünktliches Erscheinen erwarte.
Dieses Urteil erhielten die Parteien jeweils zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 06. Februar 2017 zugestellt. Hiergegen legte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mit einem am 03. März 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein und sie begründeten diese mit einem am 23. März 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz. Die Berufungsbegründung erhielt die Beklagte zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 28. März 2017 zugestellt. Die Beklagte beantwortete die Berufung nach Fristverlängerung mit einem am 29. Mai 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz und legte gleichzeitig Anschlussberufung ein.
Der Kläger trägt vor, er habe am 09. September 2016 nicht gegen seine Arbeitspflichten verstoßen, als er seine Arbeit um 06:50 Uhr statt um 05:45 Uhr aufgenommen habe. Er sei nicht dazu verpflichtet gewesen, zwischen 05:45 Uhr und 06:50 Uhr zu arbeiten. Die Weisung der Beklagten, in der Frühschicht von 05:45 Uhr bis 14:15 Uhr bei einer Pause von 0,5 Stunden zu arbeiten, sei wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages unwirksam. Danach betrage die Arbeitszeit im Drei-Schicht-Betrieb arbeitstäglich nur 7,5 Stunden zzgl. der vorgeschriebenen 0,5 Stunden Pause. Tatsächlich weise die Beklagte ihm im Drei-Schicht-Betrieb aber dauerhaft eine Arbeitszeit von 8 Stunden zzgl. 0,5 Stunden Pause zu. Das Arbeitsgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Beklagte die Arbeitszeit entsprechend der von ihr Anfang 2015 ausgehängten Regelung (Anlage K4) auf 05:45 Uhr bis 13:45 Uhr festgesetzt habe, was unstreitig aber nicht der Fall gewesen sei.
Die Festlegung der Arbeitszeit sei insgesamt unwirksam, sie enthalte nicht zugleich eine wirksame Festlegung von 7,5 Stunden Arbeit irgendwann innerhalb des Korridors zwischen 05:45 Uhr und 14:15 Uhr. Im Hinblick auf die weiteren "Verspätungen", die auch das Arbeitsgericht als solche herangezogen habe, gelte dasselbe. Die Beklagte habe dauerhaft und regelmäßig unter Überschreitung ihres Direktionsrechts unwirksam die Arbeitszeit festgelegt, er sei insoweit zu keinem Zeitpunkt "verspätet" erschienen. Eine vertragliche Nebenpflicht, die Beklagte darauf hinzuweisen, dass die Weisung aus seiner Sicht unverbindlich sei, bestehe nicht. Hilfsweise gehe aber die Interessenabwägung zu seinen Gunsten aus. Zum einen habe die Beklagte die Auswirkungen seines Verhaltens nicht erläutert. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Bereich Arbeitszeit hohe Anforderungen an den Kläger stelle, gleichzeitig aber überhaupt nicht darauf achte, sich selbst vertragsgemäß zu verhalten.
Der Kläger beantragt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover (Az.: 7 Ca 424/16) abgeändert und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.10.2016 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Beklagte,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12.02.2017 - 7 Ca 424/16 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Hilfsweise beantragt die Beklagte,
das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2016, hilfsweise zum 30.11.2016 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen und den Auflösungsantrag abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Besonderheiten des Bereichs Wareneingang/Logistik erforderten einen zeitintensiven Übergabeprozess mit der Folge, dass sich die Arbeitszeiten der sich in den Schichten ablösenden Arbeitnehmer überlappten. Dies ermögliche es, die arbeitsvertraglich geschuldeten 8 Stunden Arbeitszeit pro Arbeitstag zzgl. einer halben Stunde Pausenzeit auch im Drei-Schicht-Betrieb abzufordern. Die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung zur verringerten Arbeitszeit von 7,5 Stunden zzgl. Pause im Drei-Schicht-System sei erkennbar für den Fall getroffen, dass der Drei-Schicht-Betrieb wie im Normalfall lediglich drei Schichten von jeweils 8 Stunden zulasse. Jedenfalls habe die Frühschicht auch nach dem Drei-Schicht-System gemäß der Arbeitszeitordnung um 05:45 Uhr begonnen. Der Kläger sei so oder so dazu verpflichtet gewesen, am 09. September 2016 um 05:45 Uhr zur Arbeit zu erscheinen. Die jeweiligen Verspätungen des Klägers seien auch nicht dem Umstand geschuldet gewesen, dass er sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen einer insgesamt unwirksamen Weisung berufen habe.
Zur Begründung der Anschlussberufung trägt sie vor, bereits die Kündigung vom 13. September 2016 sei wirksam. Aus dem Handelsregisterauszug für die H. Verwaltungs- GmbH ergebe sich die Einzelvertretungsberechtigung der die Kündigung unterzeichnenden Geschäftsführers T. H.. Der Kläger habe die Eintragungen gegen sich gelten lassen müssen. Die weitere Geschäftsführerin Frau A. habe im Übrigen dem Ausspruch der Kündigung vor deren Zugang beim Kläger ausdrücklich zugestimmt.
Hilfsweise sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen, weil das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit den Verspätungen die Besorgnis rechtfertige, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm gefährdet sei. Er zeige sich sowohl erst- als auch zweitinstanzlich völlig uneinsichtig. Es könne nur der Eindruck entstehen, dass der Kläger Fehler ausschließlich bei der anderen Vertragsseite suche und eigenes Fehlverhalten nicht zu erkennen vermöge. Durch seinen zweitinstanzlichen Vortrag, er sei eigentlich gar nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen, weil die Beklagte unwirksame Arbeitszeiten vorgegeben habe, habe er dokumentiert, über ein Unrechtsbewusstsein nicht zu verfügen. Außerdem unterstelle der Kläger ihr ein nicht aufrichtiges Verhalten. Wegen der weiteren Ausführungen der Beklagten zu dem Auflösungsantrag wird auf die Angaben im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. September 2017 auf den Seiten 2 - 8 (Bl. 287 - 293 dA) Bezug genommen.
Im Hinblick auf die Anschlussberufung der Beklagten trägt der Kläger vor, die Kündigung der Beklagten vom 13. September 2016 sei aus formellen Gründen unwirksam, da Herr H. diese allein unterzeichnet habe. Wegen der diesbezüglichen (Rechts-)Ausführungen des Klägers wird auf die Angaben seiner Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 03. August 2017 auf den Seiten 3 und 4 (Bl. 268 f. d.A) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze vom 23. März 2017, 29. Mai 2017, 03. August 2017, 27. September 2017, 10. Oktober 2017 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 18. Oktober 2017 Bezug genommen, § 313 Abs. 2 ZPO.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung des Klägers ist statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c) ArbGG. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 517, 519, 520 ZPO.
Die Anschlussberufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 524 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Auch sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 524 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, 519, 520 Abs. 3 ZPO.
II.
Berufung und Anschlussberufung sind unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat noch nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 13. September 2016 sein Ende gefunden (1.). Es endete aufgrund ihrer Kündigung vom 28. Oktober 2016 mit Ablauf des 30. November 2016 (2.).
1.
Es war festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 13. September 2016 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.
Die Kündigung ist rechtsunwirksam. Dem Geschäftsführer H. der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, der die Kündigung allein unterzeichnet hat, fehlte die Kündigungsbefugnis. Hätte er mit Vertretungsmacht gehandelt, so wäre die Kündigung wegen der fehlenden Vorlage der Vollmachtsurkunde unwirksam.
a)
Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG sind im Falle der Bestellung mehrerer Gesellschafter alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Gesamtvertretung durch alle Geschäftsführer dispositiv. Eine Abweichung davon muss aber im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein. Es ist nicht erforderlich, dass die Abweichung dort im Einzelnen bereits geregelt ist, die Satzung muss zur abweichenden Regelung aber ermächtigen. Eine Modifikation der Gesamtvertretungsbestimmung durch Gesellschafterbeschluss ohne Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag ist unwirksam (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG 21. Aufl. § 35 Rn. 106).
b)
Die Kündigung vom 13. September 2016 trägt nur die Unterschrift des Geschäftsführers H. der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten. Unstreitig war zum Zeitpunkt der Kündigung mit Frau A. eine weitere Geschäftsführerin bestellt.
aa)
Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass der Gesellschaftsvertrag der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, der H. Verwaltungs-GmbH, eine Änderung enthält. Soweit sich die Beklagte auf die Eintragung einer Einzelvertretungsbefugnis des Geschäftsführers H. im Handelsregister beruft, reicht dies nicht aus. Es ist zwar zutreffend, dass jede abweichende Regelung der Vertretungsmacht der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregisters bedarf (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG 21. Aufl. § 35 Rn. 115). Die Eintragung der nach § 39 Abs. 1 GmbHG anmeldepflichtigen Tatsachen hat aber keine konstitutive Wirkung (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG 21. Aufl. § 39 Rn. 24). Die Eintragung der Einzelvertretungsbefugnis des Herrn H. im Handelsregister mag dafür sprechen, dass der Gesellschaftsvertrag der H. Verwaltungs- GmbH eine von § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG abweichende Vertretungsregelung vorsieht oder eine solche zulässt. Fest steht es aufgrund des nur deklaratorischen Charakters der Eintragung aber nicht.
Geht man davon aus, dass der Geschäftsführer wegen fehlender Abänderung der Gesamtvertretungsregelung im Gesellschaftsvertrag oder der Ermächtigung dazu keine Vertretungsmacht besaß und ohne Vertretungsmacht kündigte, so ist die Kündigung nach § 180 Satz 1 BGB unzulässig.
Eine Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht ist dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen, weil sie nicht von seinem Willen getragen ist. Die erforderliche Zurechenbarkeit wird erst durch eine (nachträglich) erteilte Genehmigung hergestellt. Eine solche ist gemäß §§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1 BGB möglich, wenn der Erklärungsempfänger die Vertretungsmacht nicht "bei der Vornahme" beanstandet hat (BAG 06. September 2012 - 2 AZR 858/11 - Rn 14).
Eine nachträgliche Zurechenbarkeit scheidet danach aus. Der Kläger hat die Kündigung unter Hinweis auf die fehlende Vertretungsmacht beanstandet, indem er in seinem Schreiben vom 27. September 2016 auf die seiner Kenntnis nach fehlende Einzelvertretungsbefugnis des Geschäftsführers H. hingewiesen hat.
bb)
Soweit sich die Beklagte nunmehr darauf beruft, die weitere Geschäftsführerin Frau K. A. habe "dem Ausspruch der Kündigung vom 13.09.2016 vor deren Zugang beim Kläger ausdrücklich zugestimmt", ergibt sich daraus die Wirksamkeit der Kündigung nicht.
Die Gesamtvertretung einer GmbH kann durch zwei Geschäftsführer in der Weise ausgeübt werden, dass ein Gesamtvertreter den anderen formlos zur Abgabe einer Willenserklärung ermächtigt und der zweite Gesamtvertreter die Willenserklärung allein unterschreibt (BAG 18. Dezember 1980 - 2 AZR 980/78 - Rn. 17). Insoweit ist der Beklagten zuzustimmen.
Auf eine solche Ermächtigung sind aber die Vorschriften über die rechtsgeschäftliche Stellvertretung entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch für § 174 BGB, so dass ein Arbeitnehmer, dem einer von mehreren Gesamtvertretern einer GmbH kündigt, die Kündigung unverzüglich mit der Begründung zurückweisen kann, eine Ermächtigungsurkunde sei nicht vorgelegt worden (LAG Rheinland Pfalz 24. März 2010 - 8 Sa 597/09 - Rn. 36). Der Erklärungsempfänger hat das gleiche Interesse an der sofortigen Klärung der Verhältnisse wie bei der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung. Nur wenn alle Gesamtvertreter nach außen auftreten, weiß der Erklärungsempfänger, dass die einseitige Willenserklärung wirksam ist (BAG 18. Dezember 1980 - 2 AZR 980/78 - Rn. 22).
Die Beklagte hat der Kündigung vom 13. September 2016 keine Ermächtigungsvollmacht beigefügt, aus der sich die "Zustimmung" der weiteren Geschäftsführerin A. zum Ausspruch der Kündigung ergibt. Der Kläger hat die Kündigung nach Zugang am 26. September 2016 bereits am 27. September 2016 ausdrücklich wegen aus seiner Sicht fehlender Einzelvertretungsberechtigung und wegen fehlender Vollmachten rechtzeitig zurückgewiesen (Bl. 52 dA).
2.
Der Kläger kann nicht Feststellung verlangen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 28. Oktober 2016 sein Ende gefunden hat.
Die Kündigung ist rechtswirksam. Sie ist aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG.
a)
Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - wie etwa eine Abmahnung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 15. Dezember 2016 - 2 AZR 42/16 - Rn. 11).
Dabei gilt das Prognoseprinzip. Zweck einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht eine Sanktion für die begangene Pflichtverletzung, sondern die Vermeidung künftiger Pflichtenverstöße. Die fragliche Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken. Eine entsprechende Prognose ist berechtigt, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch künftig erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzten Das ist häufig ungewiss. Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt deshalb regelmäßig eine einschlägige Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10).
Wiederholt schuldhaft verspätetes Erscheinen im Betrieb trotz einschlägiger vorheriger Abmahnungen kann als Verletzung der Arbeitspflicht eine fristgerechte Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Satz 1 KSchG an sich begründen (BAG 15. November 2001 - 2 AZR 609/00 - Rn. 36).
b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen die Berufungskammer folgt, ist die Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger hat am 09. September 2016 zum wiederholten Male gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, als er statt um 5.45 Uhr erst um 6.50 Uhr seine Arbeit in der Frühschicht des Wareneingangs aufnahm. Der Kläger war an diesem Tag zur Frühschicht eingeteilt. Er war verpflichtet, mit dem unstreitig angeordneten Schichtbeginn um 5.45 Uhr seine Arbeit aufzunehmen.
aa)
Die Beklagte war dazu berechtigt, den Arbeitsbeginn mit 5.45 Uhr anzuordnen.
Gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages legt die Beklagte Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit fest. Unstreitig hat die Beklagte die Arbeitszeit für den Bereich des Wareneingangs, in dem der Kläger ausschließlich tätig war, als Schichtzeiten wie folgt festgesetzt: 5.45 Uhr bis 14.15 Uhr (Frühschicht), 14.15 Uhr bis 22.45 Uhr (Spätschicht) und 21.30 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtschicht). Diese Schichtzeiten waren dem Kläger auch bekannt. In der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2017 hat der Kläger ausdrücklich erklärt, die Schichtzeiten für den Wareneingang habe "von Anfang an Herr B. so gesagt". Aus der erst später an die Mitarbeiter ausgegebenen "Arbeitszeitregelung gültig ab 01.03.2015" habe sich für ihn keine Änderung ergeben.
bb)
Die Weisung der Beklagten, um 5.45 Uhr mit der Arbeit zu beginnen, stellt sich nicht deshalb als unwirksam dar, weil die Beklagte gleichzeitig eine Schicht mit einem Umfang von 8 Stunden (zzgl. Pause) angewiesen hat, obwohl der Kläger nach § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages im Drei-Schicht-Betrieb nur 7,5 Stunden (zzgl. Pause) schuldete.
(1)
Die Berufungskammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, wonach es die zeitintensive Übergabe von einer Schicht in die nächste im Bereich des Wareneingangs ermögliche, "die arbeitsvertraglich geschuldeten 8 Stunden Arbeitszeit pro Arbeitstag zzgl. einer halben Stunde Pausenzeit auch im Drei-Schicht-Betrieb abzufordern" (Berufungserwiderung, S. 8, Bl. 249 d A). Entgegen ihrer Auffassung bewegt sie sich damit gerade nicht "selbstverständlich im Rahmen des vertraglich Vereinbarten". Die Beklagte ist nach den Regelungen im Arbeitsvertrag, wonach der Kläger ausdrücklich und ausschließlich "als Mitarbeiter im Bereich Wareneingang" tätig ist, gerade nicht dazu berechtigt, den Kläger auch im Drei-Schicht-Betrieb mit einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden zzgl. Pause einzusetzen. Zum Einsatz des Klägers im Drei-Schicht-Betrieb ist in § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ausdrücklich bestimmt: "Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Mitarbeiter während der Arbeitszeit auch im Dreischichtbetrieb einzusetzen; die Arbeitszeit beträgt dann arbeitstäglich nur 7,5 Stunden (zuzüglich der vorgeschriebenen 0,5 Stunden Pause).".
Es erschließt sich nicht und die Beklagte trägt es auch nicht vor, warum die "Besonderheiten" im Wareneingang sie dazu berechtigen sollten, einseitig von dieser ausdrücklich für einen Mitarbeiter im Wareneingang getroffenen Vereinbarung abzuweichen.
(2)
Nach Auffassung der Berufungskammer führen diese Umstände aber nicht dazu, dass die Weisung, von 5.45 Uhr bis 14.15 Uhr zu arbeiten, insgesamt - und damit auch bezüglich des Arbeitsbeginns - rechtsunwirksam wäre mit der Folge, dass der Kläger "überhaupt nicht" zur Arbeit erscheinen müsste oder an die Arbeitszeiten nicht gebunden wäre und die Anfangszeit selber festlegen könnte.
Die Weisung der Beklagten, nach Maßgabe der für den Wareneingang festgelegten Schichten zu arbeiten, beinhaltet mehrere Vorgaben.
Sie besteht aus der Vorgabe, zu einer bestimmten Schichtzeit die Arbeit aufzunehmen, im Falle der Frühschicht um 5.45 Uhr. Sie besteht aus der weiteren Vorgabe, 8 Stunden zu arbeiten und zusätzlich eine Pause von 0,5 Stunden einzulegen und die Frühschicht um 14.15 Uhr zu beenden.
Die Weisung, die Arbeit um 5.45 Uhr zu beginnen, betrifft die Lage der Arbeitszeit. Sie steht, wie unter Ziffer 2. b) bb) ausgeführt, im Einklang mit den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.
Nur die zweite Vorgabe verstößt gegen den Arbeitsvertrag des Klägers, denn dieser beschränkt in § 3 Abs. 1 das Direktionsrecht der Beklagten im Hinblick auf den im Drei-Schicht-Betrieb zu erbringenden Umfang der Arbeitsleistung auf 7,5 Stunden + 0,5 Stunden Pause. Die nicht vom Direktionsrecht gedeckte Anweisung bezüglich der Dauer der Arbeitszeit hat aber keine Auswirkungen auf die Befugnis der Beklagten, den Beginn der Arbeitszeit festzulegen.
Dem Kläger waren sowohl die im Wareneingang angeordneten Schichtzeiten als auch die ihm jeweils zugewiesenen Schichten bekannt. Er wusste, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit die Arbeit aufzunehmen hatte. Unklarheit bestand diesbezüglich nicht. Er begründet die Verspätungen auch nicht damit, er habe nicht erkannt, zu welcher Uhrzeit er zum Schichtbeginn habe erscheinen müssen.
Dem steht nicht entgegen, dass nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitnehmer nicht an eine unbillige Weisung des Arbeitgebers gebunden ist, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert (BAG 18.10.2017 - 10 AZR 330/16 - Rn. 63). Die Parteien streiten nicht um einen Verstoß des Klägers gegen eine nach den Maßstäben von § 315 BGB ggf. unbillige Weisung der Beklagten.
cc)
Gegen die ihm bekannte Weisung, die Arbeit um 5.45 Uhr aufzunehmen, hat der Kläger am 09. September 2016 verstoßen, indem er erst um 6.50 Uhr am Arbeitsplatz erschienen ist. Das hat der Kläger auch zu vertreten. Nach eigenen Angaben hat er an diesem Tag verschlafen. Es fällt in seinen Risiko- und Verantwortungsbereich, dafür Sorge zu tragen, rechtzeitig aufzuwachen, um pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der vorangegangenen Abmahnungen vom 22. Juli 2016 und 09. August 2016, die ebenfalls Verspätungen des Klägers zum Gegenstand haben.
dd)
Es bestand eine negative Prognose. Das erneute Zuspätkommen am 09. September 2016 rechtfertigt die Annahme, der Kläger werde auch in Zukunft seine Arbeit nicht pünktlich zum angeordneten Schichtbeginn aufnehmen. Er ist am 09. September 2016 mit einer Verspätung von 60 Minuten zur Frühschicht erschienen, obwohl er im Sommer 2016 bereits zwei Abmahnungen wegen Zuspätkommens erhalten hatte. Außerdem war der Kläger zuvor innerhalb des Zeitraumes vom 06. Januar bis 16. Juni 2016 an 10 Tagen zwischen 15 und 75 Minuten zu spät zu Arbeit erschienen.
(1)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion). Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG 16. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 21).
(2)
Die Abmahnungen vom 22. Juli und 09. August 2016 waren dazu geeignet, dem Kläger das zu beanstandende Fehlverhalten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen hinreichend deutlich vor Augen zu führen.
Gegenstand der Abmahnung vom 22. Juli 2016 ist eine Verspätung des Klägers "am 22.06.2016 wiederum um 60 Minuten". Es ist dem Kläger zuzugeben, dass die Beklagte in der Abmahnung keine Aussage dazu trifft, zu welcher Uhrzeit der Kläger ihrer Ansicht nach zum Dienst hätte erscheinen müssen. Dem Kläger war aber bekannt, worin das beanstandete Fehlverhalten konkret bestand. Er wusste, dass er am 22. Juni 2016 zur Frühschicht eingeteilt war, er wusste, dass diese um 5.45 Uhr begann und er wusste auch, dass er tatsächlich erst um 6.45 Uhr zur Arbeit erschienen war. Der Kläger hat den Beginn seiner Arbeitsaufnahme am 22. Juni 2016 selbst mit "6.45 Uhr" in den Stundenzettel eingetragen (Anlage K 19 zum Schriftsatz vom 20. Dezember 2016, Bl. 157 dA). Diese Angabe deckt sich mit dem Vorwurf aus der Abmahnung, er habe sich am 22. Juni 2016 um 60 Minuten verspätet, denn die Frühschicht fing unstreitig um 5.45 Uhr an.
Mit der Abmahnung vom 09. August 2016 wirft die Beklagte dem Kläger vor, am 29. Juli 2016 statt um 14.15 Uhr erst um 14.30 Uhr zur Arbeit erschienen zu sein. Unstreitig war der Kläger für diesen Tag zur Spätschicht eingeteilt. Diese begann ebenfalls unstreitig um 14.15 Uhr.
Beide Abmahnungen erfüllen auch die Warnfunktion. Sie erhalten jeweils einen Hinweis auf "weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung" (Bl. 42, 50 dA).
(3)
Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, es lägen keine Verspätungen vor, weil die Beklagte unter Überschreitung ihres Direktionsrechts die Arbeitszeit unwirksam festgelegt hätte. Die Beklagte hat den Kläger wirksam angewiesen, die Arbeitszeit um 5.45 Uhr (22. Juni 2016) bzw. um 14.15 Uhr (29. Juli 2017) aufzunehmen. Auf die Ausführungen unter Ziffer 2. b) aa), bb) wird verwiesen.
ee)
Auch die durchzuführende Interessenabwägung geht zu Lasten des Klägers aus. Es wird insoweit zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil unter Ziffer 2. b), dd) (S. 8, Bl. 181 R dA) Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Die Berufungskammer hat allerdings zugunsten des Klägers zusätzlich in die Interessenabwägung eingestellt, dass die Beklagte ihm eine in Teilen unwirksame Weisung erteilt hat, indem sie ihm Schichtzeiten zugewiesen hat, die im Hinblick auf den Umfang nicht im Einklang mit seinem Arbeitsvertrag stehen. Es war insofern zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich ihrerseits vertragswidrig verhalten und dies auch im Rahmen dieses Rechtsstreits trotz ausdrücklicher arbeitsvertraglicher Vereinbarungen bis zuletzt nicht eingeräumt hat.
Weiter hat das Gericht in Betracht gezogen, dass die Beklagte durch die Ausgabe der "Arbeitszeitregelung gültig ab 01.03. 2015" an alle Mitarbeiter Anlass für Unklarheiten gegeben hat, indem sie darin die Schichtzeiten für "für alle Beschäftigen der Unternehmensgruppe" regelt, diese dann aber im Wareneingang gar nicht zur Anwendung bringt, obwohl der Bereich des Wareneingangs nicht bei den unter Ziffer 4. b. genannten Ausnahmen "Serviceabteilungen (Werkstatt, IT, Empfang, AD etc.)" erscheint.
Im Ergebnis vermochten sich diese Umstände aber nicht dahingehend auswirken, dass die Interessenabwägung insgesamt zugunsten des Klägers ausgegangen wäre. Dabei war für die Berufungskammer insbesondere von Bedeutung, dass für den Kläger keine Unklarheiten bezüglich des Arbeitsbeginns bestanden, seine Verspätungen also nicht auf eine von der Beklagten verursachte Verunsicherung des Klägers, welche Anfangszeiten gelten, beruhten. Die "Arbeitszeitregelung gültig ab 01.03.2015" hatte für das Arbeitsverhältnis des Klägers in der Praxis keinerlei Bewandtnis. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, dass sich durch die Arbeitszeitregelung keine Änderungen für ihn ergeben hätten, die Schichtzeiten für den Wareneingang habe von vornherein Herr B. festgelegt.
Zu Lasten des Klägers hat das Gericht auch bewertet, dass der Kläger in erheblichem Maße zu spät gekommen ist. So betrug die Verspätung am 09. September 2016 mehr als eine Stunde (6.50 Uhr statt 5.45 Uhr), am 22. Juni 2016 war er 60 Minuten zu spät erschienen (6.45 Uhr statt 5.45 Uhr).
Schließlich konnte zugunsten des Klägers auch nicht in Betracht gezogen werden, dass die betrieblichen Auswirkungen nur allgemein beschrieben und wohl überschaubar geblieben sind. Der Kläger hat sich offenbar darauf verlassen, dass seine - pünktlich zum Arbeitsbeginn erschienen - Kollegen den Betrieb aufrechterhalten. Spätestens nach Erhalt der Abmahnungen konnte er nicht darauf vertrauen, die Beklagte nehme das hin.
III.
Über den Auflösungsantrag war zu entscheiden, obwohl das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 28. Oktober 2016 mit Ablauf des 30. November 2016 sein Ende gefunden hat. Der Auflösungsantrag ist im Hinblick auf die ordentliche Kündigung vom 13. September 2016 von Bedeutung. Die Beklagte hat den Antrag ausdrücklich auch bezogen auf diese Kündigung gestellt.
1.
Der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Auflösungsantrag der Beklagten ist zulässig.
Der Antrag unterliegt nicht den Vorschriften über die Zulässigkeit der Klagänderung in der Berufungsinstanz nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 529, 533 ZPO. § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG lässt ausdrücklich die Stellung des Auflösungsantrags bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu. Insoweit ist diese arbeitsrechtliche Bestimmung lex specialis gegenüber den verfahrensrechtlichen Einschränkungen der Klagerweiterung in der Berufungsinstanz und verdrängt diese (LAG Niedersachsen 04. Juni 2004 - 10 Sa 198/04 - Rn. 77).
2.
Der Auflösungsantrag ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 KSchG liegen nicht vor.
Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommt nur in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung allein aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit und nicht aus anderen Gründen iSv. § 13 Abs. 3 KSchG rechtsunwirksam ist (BAG 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 34).
Das ist aus den unter Ziffer II. 1. dargestellten Gründen bei der Kündigung vom 13. September 2016 nicht der Fall.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 ZPO. Das Gericht hat für den Auflösungsantrag, mit dem die Beklagte unterlegen ist, einen fiktiven Streitwert von einem Monatsentgelt des Klägers berücksichtigt.
Gründe, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, lagen nicht vor.
König
Petermann