Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.05.2017, Az.: 9 Sa 1154/16

Zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen; Unwirksame Befristung bei vierzehn Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.05.2017
Aktenzeichen
9 Sa 1154/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 37737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 17.04.2019 - AZ: 7 AZR 324/17

Amtlicher Leitsatz

§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG enthält keine zeitliche Begrenzung für das Vorbeschäftigungsverbot (entgegen BAG vom 06.04.2011, 7 AZ 716/109 und BAG vom 21.09.2011, 7 AZR 35/11).

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 28.09.2016, 1 Ca 160/16 abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung vom 13.10.2015 am 31.03.2016 beendet worden ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Folge einer Befristungsabrede zum 31.03.2016.

Der am 00.00.1964 geborene Kläger war bei der Beklagten bis 31.03.2016 befristet beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst vom 19.05.2014 bis 30.09.2014, sodann bis 31.03.2015, dann bis 31.10.2015 befristet. Gemäß Vereinbarung zur Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages vom 13. Oktober 2015, unterzeichnet am 23.10.2015, wurde die Befristung nochmals bis 31.03.2016 verlängert. Mit Schreiben vom 27.10.2015 wurde der Kläger zum 1. Dezember 2015 nach erfolgter Betriebsratsanhörung als Qualitätsprüfer in die Abteilung "SzP/QMM-W" versetzt (Bl. 125 d. A.). Der Kläger erhielt eine monatliche Brutto-Vergütung in Höhe von 2.473,86 €. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung.

Der Kläger hat eine Bescheinigung zur Sozialversicherung für eine Beschäftigung in der Zeit vom 06.04.1998 bis 31.01.1999 bei der Beklagten (Bl. 19 d. A.) sowie ein Schreiben der B. GmbH vom 21.01.1999 vorgelegt, das den Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die B. GmbH zum damaligen Zeitpunkt bestätigt.

Mit am 15.04.2014 eingegangener Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in Folge der Befristung zum 31.03.2016 gewandt. Er hat hierzu die Auffassung vertreten, dass die Befristung gegen das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstoße, weil er eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber hatte.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 13.10.2015 vereinbarten Befristung am 31.03.2016 beendet worden ist.

2. Im Fall des Obsiegens dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Qualitätsprüfer weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen, wonach eine Vorbeschäftigung, die vor Ablauf von drei Jahren erfolgt sei, einer weiteren Befristung nicht entgegenstehe. Darüber hinaus hat sie darauf verwiesen, nicht aufklären zu können, ob es tatsächlich eine Vorbeschäftigungszeit gebe. Die Aufbewahrungsfristen für Arbeitsverträge seien abgelaufen. Schließlich hat sie sich auf eine Sachgrundbefristung zur krankheitsbedingten Vertretung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG berufen. Der Kläger sei zu Beginn seiner Tätigkeit im Arbeitsbereich Fertigung Leiterplatten Steuergeräte (SzP/MSP) eingesetzt worden. Dort sei mit Ablauf der Befristung zum 31.10.2015 kein Arbeitsbedarf gewesen. Weil zwei Mitarbeiterinnen längerfristig krankheitsbedingt ausgefallen seien, habe man den Kläger zur Vertretung befristet weiterbeschäftigt. Er sei auf dem Arbeitsplatz der erkrankten Mitarbeiterin E. in der Qualitätsprüfung (SzP/QMM-W694) eingesetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.09.2016 abgewiesen und sich hierzu auf die Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts bezogen. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass jedenfalls nach Ablauf einer Zeitspanne von gut 14 Jahren seit dem Ende der Vorbeschäftigung eine Geltendmachung des damaligen Arbeitsverhältnisses als eine sogenannte Zuvorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG wegen Zeitablaufs nach § 242 BGB verwehrt sei. Gegen das am 20.10.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Berufung eingelegt. Die am 10.11.2016 eingegangene Berufung wurde mit am 20.01.2017 eingegangenem Schriftsatz nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß Beschluss vom 20.12.2016 begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung des 7. Senates gegen den eindeutigen Wortlaut und Gesetzeszweck des Vorbeschäftigungsverbotes in § 14 Abs. 2 S.2 TzBfG verstoße. Die Auslegung des 7. Senates verlasse die Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung und sei verfassungswidrig. Das Vorliegen einer Sachbefristung aufgrund eines Vertretungsbedarfes sei ihm nicht mitgeteilt worden und werde bestritten. Die Versetzung in die andere Abteilung sei erfolgt, weil in der vorherigen Abteilung kein Arbeitsbedarf mehr bestanden habe.

Der Kläger und Berufungskläger stellt den Antrag:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 28.09.2016, Aktenzeichen 1 Ca 160/16 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 13.10.2015 vereinbarten Befristung am 31.03.2016 beendet worden ist.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Rechtsprechung des 7. Senats zur Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vor Ablauf von drei Jahren und vertieft ihr Vorbringen zur Sachgrundbefristung seit dem 01.11.2016. Frau E. sei im Zeitraum vom 03.08.2015 bis 11.01.2017 arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Für das gesamte Vorbringen der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und Erklärungen zu Protokoll verwiesen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft. Sie setzt sich auch hinreichend mit den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinander (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch Ablauf der Befristungsdauer am 31.03.2016 beendet worden.

1.

Das Arbeitsverhältnis ist nicht wirksam nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ohne Sachgrund für die Dauer von zwei Jahren befristet worden.

a.

Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG kann ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund für die Dauer von zwei Jahren befristet werden. Die Befristung kann innerhalb dieses Zeitraums bis zu drei Mal verlängert werden. Das ist vorliegend geschehen.

b.

Eine Befristung ohne Sachgrund ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG jedoch dann ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestand (sog. Vorbeschäftigungsverbot). Da der Kläger bereits in dem Zeitraum vom 06.04.1998 bis 31.01.1999 bei der Beklagten beschäftigt war, ist der Tatbestand des Vorbeschäftigungsverbotes erfüllt. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts, wonach die Beklagte die Vorbeschäftigungszeiten des Klägers angesichts der von ihm vorgelegten Dokumente nicht hinreichend bestritten hat, wird Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Allerdings hat der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 06.04.2011, 7 AZR 716/09; vom 21.09.2011, 7 AZR 375/10) § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Wege der verfassungsorientierten bzw. verfassungskonformen Auslegung dahingehend begrenzt, dass das Vorbeschäftigungsverbot nur für den Zeitraum von drei Jahren gelten soll. Die Auslegung des Gesetzeswortlautes der Systematik und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung sei nicht eindeutig. Es sei jedoch anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung beabsichtigt habe. Aus der Zusammenschau von Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich Kettenbefristungen zu verhindern, und dem Recht des Arbeitnehmers auf freie Ausübung seines Berufs aus Art. 12 Abs. 1 GG folge, dass das Vorbeschäftigungsverbot zeitlich begrenzt werden müsse. Andernfalls sei der Arbeitnehmer daran gehindert trotz länger zurückliegender Vorbeschäftigung einen - befristeten - Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber zu begründen (BAG vom 06.04.2011, aaO., Rn. 16 ff., insbesondere 23 ff.; BAG vom 21.09.2011, aaO., 23 ff.). Das Arbeitsgericht Braunschweig hat durch Beschluss ein entsprechendes Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung dem BVerfG vorgelegt. Ein zeitlich unbegrenztes Vorbeschäftigungsverbot verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG und sei auch kein erforderlicher und verhältnismäßiger Eingriff um Kettenbefristungen zu verhindern. Die Instanzgerichte seien jedoch gehindert im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine zeitliche Begrenzung vorzugeben. Dabei handele es sich um unzulässige Rechtsfortbildung (ArbG Braunschweig vom 03.04.2014, 5 Ca 463/13). Das Bundesverfassungsgericht hat über den Vorlagebeschluss noch nicht entschieden (Az. 1 BvL 7/14). Außerdem ist eine Verfassungsbeschwerde mit demselben Streitgegenstand beim Bundesverfassungsgericht anhängig (1 BvR 1375/14).

c.

Nach hiesiger Auffassung führt kein Auslegungsergebnis des Vorbeschäftigungsverbotes in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zur Verfassungswidrigkeit der Norm.

aa.

Der Wortlaut der Norm "bereits zuvor" erscheint eindeutig. Der Wortlaut meint ein vor dem aktuellen Arbeitsverhältnis bestandenes Arbeitsverhältnis ohne eine nähere zeitliche Begrenzung vorzunehmen. Gemeint ist nicht eine Auslegung iSv. "unmittelbar zuvor", vielmehr sind umfassend jegliche Zeiträume in der Vergangenheit gemeint (so auch ArbG Braunschweig vom 03.04.2014, aaO., Rn. 42 mwN). Aus der systematischen Auslegung ergeben sich keine Rückschlüsse auf den Inhalt des Vorbeschäftigungsverbotes. Die Entstehungsgeschichte der Gesetzesnorm spricht dafür, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbegrenzt zu verstehen. Mit den gesetzlichen Vorschriften wollte der Gesetzgeber eine Umsetzung der Richtlinie 1999/70 EG Schutz für befristet beschäftigte Arbeitnehmer vor Diskriminierung schaffen, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dauerbeschäftigung verbessern (BT - Drs. 14/4374 S. 1). Während nach der bis zum 31.12.2000 geltenden Rechtslage eine Beschäftigungsunterbrechung von vier Monaten ausreichte, um eine weitere Befristung ohne Sachgrund vorzunehmen (§ 1 Abs. 3 BeschFG) hat der Gesetzgeber nunmehr keinen Zeitraum aufgegriffen, innerhalb dessen der Abschluss von Folgeverträgen ohne Sachgrund unzulässig ist. Entsprechende Anregungen im Gesetzgebungsverfahren sind nicht aufgenommen worden (umfassend bereits BAG vom 06.11.2003, 2 AZR 690/02, Rn. 20 ff., BAG vom 06.04.2011, aaO., Rn. 19 mwN, Höpfner NZA 2011, S. 893/897; Lipke in KR, 11. Aufl., § 14 TzBfG, Rn. 418 a ff.). Wenn der Gesetzgeber eine zeitliche Befristung gewollt hätte - maßgeblich ist hier das Inkrafttreten des Gesetzes und nicht die mögliche Absicht, in späteren Gesetzgebungsverfahren eine Frist nachzuholen - hätte er diese Frist aufgenommen. Eine zeitliche Begrenzung von zwei Jahren ist bewusst in den Gesetzestext nicht aufgenommen worden (vgl. Preis NZA 2005, 714, 715).

bb.

Auch der Gesetzeszweck legt es nicht nahe, dass der Gesetzgeber eine zeitliche Begrenzung erwogen hat oder im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eine zeitliche Begrenzung vorgenommen werden muss: Der Zweck des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Vorbeschäftigungsverbots ist nicht allein die Verhinderung von Kettenbefristungen. Mit den §§ 14 ff. TzBfG sollte die Möglichkeit von sachgrundlosen Befristungen wieder eingeschränkt werden. Das Beschäftigungsförderungsgesetz hatte letztendlich mit dem relativ kurzen Unterbrechungszeitraum von vier Monaten die Möglichkeit eröffnet, zahlreiche Arbeitsverträge ohne Sachgrund befristet hintereinander abzuschließen. Mit § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sollte die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen grundsätzlich weiterhin ermöglicht werden. Der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages ist für den Arbeitnehmer eine wichtige Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung. Damit nimmt der Gesetzgeber bewusst in Kauf, dass abweichend von der Systematik des Kündigungsschutzgesetzes nicht nur unbefristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, die lediglich im Rahmen der bestehenden Kündigungsfristen und - bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes - nach Ablauf von sechs Monaten nur bei Vorliegen von entsprechenden Kündigungsgründen beendet werden können. Nach dieser gesetzlichen Konstruktion ist der Abschluss von unbefristeten Arbeitsverträgen nach Auffassung des Gesetzgebers immer noch der "Normalfall". Hiervon sind neben den Sachgrundbefristungen nach § 14 Abs. 1 TzBfG Abweichungen im Rahmen der zulässigen sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig. Diese Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung hat der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gegenüber der früheren Rechtslage nach § 1 Abs. 3 BeschFG wieder zurückführen wollen. Dabei ging es nicht nur darum den Abschluss von Kettenverträgen zu begrenzen, sondern eine sachgrundlose Befristung künftig nur bei einer Neueinstellung, dh. bei der erstmaligen Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch einen Arbeitgeber zuzulassen (BT-Drs. 14/4374, S. 14, 19; vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 11.01.2006, 13 Sa 75/05, Rn. 85 mwN). Letztendlich spricht viel dafür, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG so auszulegen ist, wie es der Gesetzgeber auch formuliert hat: Jede Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber ist unzulässig, ohne dass es darauf ankommt, wie weit die Vorbeschäftigung zurückliegt. Eventuelle Probleme in der Praxis bei der Feststellung einer Vorbeschäftigung hat der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf das bestehende Fragerecht des Arbeitgebers und einer möglichen Anfechtung beantwortet.

d.

Ein solches umfassendes Vorbeschäftigungsverbot verstößt auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. auch Ohlmann, Die Verfassungsmäßigkeit des 3 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG,BLJ 2014, 86-91) .

aa.

Die Berufsausübungsfreiheit eines Arbeitnehmers ist durch das Vorbeschäftigungsverbot nicht eingeschränkt. Die Berufsausübungsfreiheit ist tangiert, wenn der Grundrechtsträger durch objektive oder subjektive Zulassungsregelungen daran gehindert wird, einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Tätigkeit auszuüben. Die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen knüpfen an Vorgaben an, die in der Person des Grundrechtsträgers begründet sind wie zB die persönliche oder fachliche Eignung. Objektive Berufsausübungsregelungen knüpfen an allgemeine Kriterien an, die die Ausübung des Berufs/der Tätigkeit regeln. Hier kann allenfalls die objektive Berufsausübung geregelt sein, da Anforderungen an die Person nicht gestellt werden. Der Kläger kann aber nach wie vor mit jedem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag schließen. Der Arbeitsvertrag kann unbefristet oder mit Sachgrund befristet sein. Es ist lediglich die Vertragsgestaltung Befristung ohne Sachgrund verwehrt, wenn eine Vorbeschäftigung vorliegt. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Praxis zeige, dass der strukturell unterlegene Arbeitnehmer deshalb diese konkrete Vertragsgestaltung nicht wählen kann und die von ihm begehrte Tätigkeit daher nicht ausüben kann (BAG vom 06.04.2011, aaO., Rn. 37). Ob dieser Befund uneingeschränkt so übernommen werden kann, vermag die Kammer nicht zu beurteilen. Statistische Erhebungen hierzu liegen soweit ersichtlich nicht vor. Es dürfte jedoch stark auf die jeweilige Marktsituation, Art und Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle und auf die Person des Bewerbers ankommen.

bb.

Selbst wenn man jedoch einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG annehmen würde, weil die Berufsausübung betroffen ist, wäre diese gerechtfertigt. Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen. Der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen (BVerfG vom 11.06.1958, 1 BVR 596/56, Rn. 85 ff.). Der relativ geringe und nur in Zusammenhang mit einer bestimmten vertraglichen Konstruktion vorkommende Eingriff in die Berufsausübung ist durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Wie oben ausgeführt, ist der Normalfall im deutschen Arbeitsrecht immer noch der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages. Befristungen sind unter den geschilderten Voraussetzungen möglich. Es gibt ausreichend Möglichkeiten, Arbeitsverträge auch über einen längeren Zeitraum bei Vorliegen entsprechender Gründe zu befristen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber das Vorbeschäftigungsverbot an das Bestehen eines Arbeitsvertrages bei "demselben Arbeitgeber" angeknüpft hat, zeigt, dass das Vorbeschäftigungsverbot auch über einen längeren Zeitraum gelten muss. Verschiedene Arbeitgeber innerhalb eines Konzerns oder auch ohne rechtliche Verbindung können bei einer zeitlichen Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbotes auf drei Jahre oder auch auf einen anderen Zeitraum einen Arbeitnehmer letztendlich doch ein Leben lang nur befristet beschäftigen, wenn der Vertragspartner regelmäßig wechselt. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund der Rspr. des Bundesarbeitsgerichts zu sehen, wonach derselbe Arbeitgeber der Vertragsarbeitgeber ist. Wird dann noch von der Möglichkeit der Verlängerung der Befristungsdauer nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG Gebrauch gemacht, liegt die Möglichkeit von solchen Mehrfachbefristungen auf der Hand. Arbeitnehmer, die immer nur in befristeten Arbeitsverhältnissen stehen, können nicht dieselbe Lebensplanung vornehmen, wie es andere Arbeitnehmer in unbefristeten Arbeitsverhältnissen können. Der Bestand eines Dauerarbeitsverhältnisses oder lediglich befristeten Arbeitsverhältnisses hat Auswirkungen auf die Familien- und sonstige persönliche Lebensplanung von Arbeitnehmern. Durch die geringe Einschränkung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG kann ein Beitrag dazu geleistet werden, die Möglichkeit von Befristungen wieder auf das erforderliche Maß zurückzuführen (vgl. auch LAG Baden-Württemberg vom 11.01.2006, aaO., Rn. 86 und KR-Lipke aaO., Rn. 420 a).

e.

Anhaltspunkte für eine unzulässige Rechtsausübung bei der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung liegen nicht vor. § 14 Abs. Satz 2 TzBfG beinhaltet keine zeitliche Begrenzung. Diese kann auch nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Besondere Umstände, die auf eine unzulässige Rechtsausübung schließen lassen, sind nicht ersichtlich.

f.

Letztendlich kommt es auf all diese Erwägungen nicht an. Maßgeblich wird sein, welche Entscheidungen das Bundesverfassungsgericht in den oben genannten Verfahren trifft und wie mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung zu verfahren ist. Aus diesem Grunde erfolgt auch die Revisionszulassung, um den Parteien Gelegenheit zu geben, das hier von der Kammer gefundene Ergebnis später evtl. zu korrigieren. Die Rechtslage muss letztendlich als offen betrachtet werden.

2.

Das Arbeitsverhältnis endet auch nicht aufgrund einer Sachgrundbefristung gem. § 14 Abs. 2 Ziffer 3 TzBfG.

a.

Nach § 14 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird.

aa.

Teil des Sachgrundes ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfes nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Sachgrund der Vertretung setzt des Weiteren einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenden und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Notwendig aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall der Stammkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Es ist deshalb aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist (BAG vom 11.02.2015, 7 AZR 113/13 Rn. 16 und 17, jeweils m. w. N.).

bb.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Zutreffend ist, dass weder in dem Arbeitsvertrag der Sachgrund für die Befristung angegeben sein muss, noch ein Schriftformerfordernis für den Sachgrund besteht. Erforderlich ist aber, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Vertretungsbedarf prognostiziert werden kann. Das ist hier nicht der Fall. Zwar war Frau E. bereits seit dem 03.08.2015 erkrankt. Es ist aber schon nicht nachgewiesen, ob im Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung vom 13.10./23.10.2016 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gerade für den Zeitraum vom 01.11. bis 31.03.2016 Rückschlüsse auf den Vertretungsbedarf zuließen. Es ist nicht vorgetragen, in welchem Abstand die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt wurden. Die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 12.08.2015 und 14.12.2016 betreffen nicht den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung über die Befristung. Darüber hinaus steht auch die erst zum 01.12.2016 erfolgte Versetzung des Klägers von der Fertigung in die Qualitätsprüfung einer Vertretungsbefristung ab 01.11.2015 entgegen. Der Kläger wurde zunächst in seiner ursprünglichen Abteilung weiter beschäftigt. Dass hier dennoch ein Vertretungszusammenhang gegeben sein soll, erschließt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Der Umstand, dass der Kläger später unstreitig auf dem Arbeitsplatz der erkrankten Frau E. eingesetzt wurde, lässt nicht den Rückschluss zu, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Befristung zur Vertretung von Frau E. erfolgte. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die erkrankte Frau E. bereits über ein Jahr erkrankt und auch nach Ablauf der Befristung noch fast ein weiteres Jahr erkrankt war, wäre der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und des Vertretungsbedarfes für den Befristungszeitraum konkreter darzulegen gewesen.

3.

Einen Weiterbeschäftigungsantrag hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr gestellt.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die unterliegende Beklagte zu tragen. Die Zulassung der Revision erfolgte vor dem Hintergrund der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zu § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG 1 BVL 7/14 und 1 BVR 1375/17.